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Einleitung

Sergei Timofejewitsch Aksakow wurde am 20. September alten Stiles (1. Oktober) 1791 in Ufa am Südende des Uralgebirges als Sprößling eines alten Adelsgeschlechtes geboren; sein Vater Timofei Stepanowitsch war damals Staatsanwalt, seine Mutter Marja Nikolajewna geb. Subowa eine Tochter des Vizestatthalters von Orenburg. Gegen Ende des Jahres 1799 kam er auf das Gymnasium in Kasan, das in bezug auf seine Leistungen zu jener Zeit über das gewöhnliche Niveau solcher Anstalten hinausragte. Zu Anfang des Jahres 1805 wurde er Student an der neugegründeten dortigen Universität. Von 1807 bis 1812 war er in Petersburg bei der Kommission zur Kodifikation der Gesetze als Übersetzer tätig. In der Zeit von 1812 bis 1826 lebte er teils auf dem Lande im Gouvernement Orenburg, wo ihm im Jahre 1820 von seinen Eltern das Gut Nadeschdino zugeteilt war (ehemals im Besitze des in der »Familienchronik« von ihm geschilderten Kurojedow), teils in Petersburg, teils in Moskau und trat mit manchen Koryphäen der Literatur in nähere Berührung. Im Jahre 1816 verheiratete er sich; seine beiden Söhne Konstantin und Iwan haben sich als Slawophilen einen Namen gemacht. Seit 1826 wohnte Aksakow dauernd in Moskau, wo er zunächst das Amt eines Zensors verwaltete. Als er durch den Tod seines Vaters im Jahre 1832 reich geworden war, gab er dieses Amt auf, wurde aber zwei Jahre darauf Inspektor, später Direktor des Feldmeßinstituts; im Jahre 1839 trat er aus dem Staatsdienste aus, um sich ganz der literarischen Tätigkeit zu widmen, ein Gebiet, auf dem er sich in der Folgezeit großer Popularität und Autorität erfreute. Seine letzten Lebensjahre waren nicht heiter: sein Wohlstand war zurückgegangen, eine schwere chronische Krankheit quälte ihn; in der letzten Zeit war er fast erblindet. Einigen Trost gewährte ihm der Ruhm, den ihm seine Schriften eingetragen hatten. Er starb am 30. April alten Stiles (12. Mai) 1859 in Moskau.

Wie die heimatliche Natur, die Eltern und die übrigen Personen seiner Umgebung zusammenwirkten, Geist und Gemüt des Knaben zu bilden, das soll hier nicht näher ausgeführt werden, da man es besser aus des Verfassers eigenen, überaus anschaulichen Schilderungen entnehmen wird, die das vorliegende Buch enthält. In den folgenden Jahren kam dann ein lebhaftes Interesse für die Literatur und ganz besonders für das Theater hinzu. Seine schriftstellerische Tätigkeit begann er im Jahre 1815 mit einer Übersetzung des Laharpeschen Philoktet, der eine Nachahmung des Sophokleischen ist; später folgten Übersetzungen der zehnten Satire Boileaus und der Molière'schen Komödien L'école des maris und L'avare. Zu größeren eigenen Produktionen schritt er erst verhältnismäßig spät, und zwar bewegten sich diese auf drei Gebieten. Seine Publikationen über Literatur und Theater zeigten ihn als Mann von Urteil und Geschmack. Großen Anklang fanden auch seine Schriften über Fischfang und Jagd, die er in den Jahren 1847, 1852 und 1855 herausgab. Aber noch weit mehr freudige Bewunderung wurde mit vollem Rechte seinen Familienmemoiren zuteil. Einzelnes davon wurde schon im Jahre 1846 in einer Moskauer Zeitschrift veröffentlicht; weitere Stücke folgten 1852, und im Jahre 1856 erschien die abgeschlossene Sammlung unter dem Titel »Familienchronik und Erinnerungen«. Der kulturhistorisch interessante Stoff und die frische, natürliche, gemütvolle Darstellung verschafften dem Buche einen großartigen Erfolg, der auch über die Grenzen Rußlands hinausreichte. Im Jahre 1858 ließ Aksakow diesem Werke ein zweites, ähnlichen Charakters folgen, »Die Kinderjahre Bagrows des Enkels«; auch dieses enthält außerordentlich schöne Partien, ist aber dem vorhergehenden nicht ganz ebenbürtig und wurde nicht mit dem gleichen Enthusiasmus aufgenommen. – Die wahren Eigennamen hat Aksakow in der »Familienchronik« und in den »Kinderjahren Bagrows des Enkels« (nicht in den »Erinnerungen«) zum großen Teil durch Pseudonyme ersetzt, so nennt er seine Familie Bagrow statt Aksakow, seinen Vater Alexei statt Timofei, seine Mutter Sofja statt Marja, seinen Großvater mütterlicherseits Subin statt Subow, eine Verwandte Praskowja statt Nadeschda, einen Gutsbesitzer Kurolesow statt Kurojedow, das Familiengut Bagrowo statt Aksakowo, ein anderes Gut Paraschino statt Nadeschdino, wieder ein anderes Tschurasowo statt Tschufarowo usw.

Von den in der vorliegenden Übersetzung dargebotenen neun Stücken bilden die ersten fünf die »Familienchronik«; das sechste stammt aus den »Kinderjahren Bagrows des Enkels«, das siebente, achte und neunte aus den »Erinnerungen«. Die ersten sechs waren schon in der ersten Auflage vorhanden; die letzten drei sind in der zweiten hinzugekommen und erscheinen hier meines Wissens zum erstenmal in deutscher Sprache. Dagegen sind die weiteren Stücke, die der russische Text der »Erinnerungen« bietet, nicht aufgenommen; sie behandeln Aksakows Universitätszeit und seine Beziehungen zu geistig hervorragenden Männern und können das größere deutsche Lesepublikum schwerlich hinreichend interessieren.

H. Röhl.


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