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Dreizehntes Kapitel

Der Tag war noch einmal so lang als sonst. So wenigstens schien es Anschi, da Gallus nicht wie sonst zu Tisch kam. Sie ging ihrer Arbeit nach; aber das Haus war ihr eng. So verlegte sie ihre Pflichten so gut sie konnte ins Freie. Auch ihre Bügelei. Es war ihr, als sei sie dort dem Gallus näher, der jetzt oben in der Lopperhütte saß. Eine Weile leistete Zurbriggen ihr Gesellschaft, faltete seine Karte auseinander und fuhr mit dem Finger all den Wegen nach, die Gallus in dieser Woche zu machen haben werde. Und einmal haftete dieser Finger auf einem bestimmten Punkt und murrte er: »Das ist die verfluchteste Stelle im ganzen Gebirg.«

Anschi, die ihn schon lange heimlich beobachtet hatte, ließ ihr Eisen stehen und trat neben ihn.

»Es ist schon ein Bombenstück, was sie da in einer Woche machen wollen«, sagte er, von seiner Karte aufsehend, und fügte hinzu: »Um den Gallus ist mir freilich nicht angst.«

»Nicht?« fragte Anschi rasch und jäh. Da er sie aber betroffen anschaute, merkte sie erst, daß er mehr an ihres Mannes Ausdauer als an die Gefahr der Wege gedacht hatte. Dann bog sie sich über ihn und die Karte und fragte mit gehemmter Stimme: »Wo ist die böse Stelle?«

Er fuhr weisend mit dem Finger einem Gebirgszug entlang: »Da, am Ewigschneehorn, wollen sie über die Nordwand hinauf. Alle paar Jahre setzt hier wieder einmal einer an. Ich habe es selbst einmal mit einem Deutschen versucht. Aber wir haben umkehren müssen, wie schon mancher vorher.«

»Sie sollen doch nicht!« stieß Anschi mit einem wehen Zorn heraus. »Muß man denn Gott versuchen!«

»Das verstehst du nicht«, verteidigte Zurbriggen. »Das hat jeder von uns in sich, daß er etwas leisten möchte, was noch keinem gelungen ist.«

Anschi schwieg und ging an ihr Bügelbrett zurück.

Den ganzen übrigen Tag studierte sie dem Gallus nach und wußte, daß sie ihn nun in Gedanken jeden Tag begleiten werde, heute auf diesen, morgen auf diesen Gipfel. Nur an den beiden Rasttagen, da die Bergsteiger in der Hütte bleiben wollten, würde sie aufatmen und das Blei der Angst weniger fühlen. Vielleicht würde sie an einem dieser Tage selbst nach der Hütte aufbrechen, um Gallus zu grüßen.

In kurzen Pausen nur glitt ihr Sinn von Gallus hinweg. Das war, wenn sie meinte, das Wachsen ihres Leibes zu spüren. Dann kreuzte sie plötzlich ihre Hände über diesem, und ein Gefühl brennenden Mitleids ergriff sie. Es galt nicht ihr selbst oder dem werdenden Kinde in ihrem Schoß. Es war ein blindes Erbarmen, als sei zu viel Leid in der Welt und der ganzen Menschheit Jammer kaum zu erfassen.

Am Ende verrann aber auch dieser Tag in den Abend. So hell und heiß und voll Wirklichkeit jener gestrahlt hatte, so seltsam und traumhaft war dieser. Bei Sonnenuntergang sammelte sich ein feiner Dunst aus allen Tälern, spann sich über die Berge und den Himmel und ließ dessen Blau nur wie durch Schleier schimmern. Die versinkende Sonne warf aber wie immer ihren Widerschein an die Gipfel und in die Wolken hinauf. Wundersame und geheimnisvolle Opalfarben entstanden, heimlich sprühendes Rot und sehnsüchtiges Blau mischten sich mit einem milchigen Weiß.

»Morgen wird es wieder schön«, prophezeite Zurbriggen.

Anschi hörte ihn nicht. Sie stand am Zaun des kleinen Vorgartens und lauschte angestrengt. Seit einer Viertelstunde wagte sie nicht mehr ins Haus zu treten, um nur ja den Gruß des Gallus nicht zu verpassen. Und schon kam ihr ein kleinmütiger Augenblick: Warum rief Gallus immer und immer noch nicht?

Eine Glocke der Kirche begann zu läuten. Da geriet sie in Unwillen und neue Angst. Vielleicht verdeckten die Klänge des Gallus Stimme!

Aber eben als das letzte Läuten ausgeschwungen hatte, drang des Gallus Ruf zu ihr. Die Verschwommenheit des Abends gab auch ihm eine merkwürdige Unwirklichkeit. Anschi vermochte anfänglich nicht festzustellen, von wo die Stimme kam. Sie tönte näher, als sie erwartet hatte. Sie klang wie aus dem Himmel zu ihren Häupten herab. Jetzt war sie fast wie der Schrei eines im Gewölk verborgen kreisenden Vogels. Endlich machte sie sich klar, aus welcher Richtung sie kommen müsse. Da wurde sie ihr vertraut. Und nun spürte sie im Herzen ein solches Zittern, daß sie Mühe hatte, nicht aufzuschluchzen. Rührung und Heimweh und Liebe und Angst loderten gleichzeitig in ihr auf. Sie wußte sich nicht zu helfen. Sie öffnete den Mund zu einem Gegengruß und blieb doch stumm, der Ohnmacht ihrer eigenen Stimme bewußt. Als dann auch Gallus wieder verstummte, lief sie in die Kammer hinauf, warf sich über sein Bett und weinte fassungslos.

Zurbriggen hörte unten ihr Schluchzen. Als sie jedoch nach einer Weile gefaßt und ruhig wieder erschien und sich in der Küche zur gewohnten Arbeit begab, sprach er nicht von dem, was er gehört hatte. Dennoch beeindruckte auch ihn ihr jäher Tränenausbruch. Er kehrte mit einer sonderbaren Unruhe immer wieder zu seiner Karte zurück, studierte daran herum, schüttelte den Kopf und verfolgte nach der Uhr die mutmaßlichen Zeiten der Bergsteiger. Und ohne es zu wissen, begann er auf etwas zu warten.

Die Zeit schleppte sich so hin. Ein Tag glich dem andern. Einmal humpelte Zurbriggen nach dem Hotel Ewigschneehorn hinüber, um sich zu erkundigen, ob man etwas von der Karawane wüßte; aber die Bergsteiger hatten nichts von sich hören lassen.

Anschi hatte um des Vaters Gang nicht gewußt. Sie würde ihn zurückgehalten haben: »Laß! Was kommen muß, kommt!« In ihr war jede Fiber gespannt; und sie war doch froh, daß – noch keine Nachricht kam.

So brach der Donnerstag an, an dem die Steiger die Erklimmung der Nordwand des bösen Berges versuchen wollten.

Anschi und Zurbriggen standen lange vor Tagesanbruch auf. Sie hätten noch früher sein können, denn seit der Stunde, in der die Bergsteigerkolonne aufgebrochen sein konnte, waren sie in Gedanken mit ihr unterwegs. Anschis Gesicht war starr, das des alten Krüppels voll Bewegung. Zurbriggens Zähne machten fortwährende Kaubewegungen, als hätte er Tabak zwischen sie geschoben. Aber es war nur die Unruhe, an der er herumbiß. Endlich hielt er es nicht mehr aus, Anschis angstgraues Gesicht zu sehen. Er schob sich die Krücken unter und humpelte nach dem Dorfplatz, wo die unbeschäftigten Führer auf Kundschaft warteten. Sie wußten alle um das Wagnis, das die Gruppe des Gallus Stettler heute unternahm. Aber sie regten sich nicht auf. Zu oft schon waren schwierige Besteigungen unternommen worden. Freilich richteten sich ihre Fernrohre auf den Berg, an dem die Steiger sichtbar werden mußten. Einer warf eine Bemerkung hin: »Der Galli Stettler ist ein tüchtiger Bursche«, und ein anderer: »Hoffentlich geht das nicht schief«.

Warum sollte es schief gehen? dachte Zurbriggen ärgerlich, waren die Steiger nicht erfahren genug, um umzukehren, wo sie nicht durchkamen? Und er tat dergleichen, als sei er gar nicht um dieser Sache willen hergekommen. In gleichgültigem Ton fragte er den einen und andern der ehemaligen Kollegen nach seinem persönlichen Befinden, nach seinem Verdienst und dergleichen. Aber sein Ohr hing an dem mächtigen Berg, dem Ewigschneehorn, und er hatte das Gefühl, als lauschte und spähe heimlich mit ihm das ganze Dorf hinauf.

Zu Mittag bei der Mahlzeit saßen Anschi und der Vater einander gegenüber. Und wieder sprachen sie nicht von dem, was sie am meisten beschäftigte. Von einem zerschlagenen Teller sprachen sie, und einmal ganz verloren und teilnahmslos führte Anschi eine halbe Beschwerde: »Jetzt hören wir von Donat schon gar nichts mehr.« Ihr Herz, das sonst den Bruder nicht vergaß, schwieg dabei, als ob sie von einem ganz Fremden rede.

Verloren, mit dumpfen Gehirnen standen sie vom Tisch wieder auf.

Der Tag blieb voll Licht und Glanz. Als ihm sein Strahlen verlorenging und an den Lehnen die nahe Nacht das letzte Rot ausblies, kam aus der Lopperhütte ein Bergführer ins Hotel Ewigschneehorn gestürmt und verlangte den Großrat Allmendinger zu sprechen. Dieser Führer hatte einer andern Gruppe von Steigern angehört. Sie waren Zeugen geworden, wie die Gruppe Stettler an der gefürchteten Nordwand des Ewigschneehorns abgestürzt war. Alle vier Männer lagen tot in einem Felsenkamin.

Allmendinger, bleich, aber wie immer rauh und seiner Gefühle mächtig, rüstete noch am gleichen Abend eine Hilfskolonne zur Bergung der Leichen aus.

Die Hiobsbotschaft hatte sich rasch verbreitet.

Zwei halbwüchsige Knaben trugen die Kunde zu Zurbriggen. Er fing sie unter der Haustür ab, als er eben noch einmal vors Haus hatte treten wollen. Hinter ihnen folgte schon eine Schar von Neugierigen. Zurbriggen schüttelte den Kopf, schüttelte ihn, als werde er von einer Feder bewegt und könne er ihn nicht mehr stillhalten. Das Kopfschütteln war wie eine Ausflucht aus einer wütenden Hilflosigkeit. Er hatte auf diesen Augenblick gewartet. Die ganze Ortschaft, schien ihm, hatte gewartet. Aber sein erster Gedanke war jetzt Anschi. Auch sie wartete! Sie schloß alle andern Möglichkeiten aus, als die, die jetzt Tatsache geworden! Er wußte das! Aber sie wartete noch. Wer nun sollte es ihr sagen?

Noch ehe er sich entschlossen hatte, sie zu rufen, stand sie neben ihm. Ihr Gesicht konnte nicht mehr fahler werden, als es den ganzen Tag gewesen war. Aber die Augen verloren ihren Glanz, gerade wie draußen der Tag ihn verloren hatte. Jetzt hob sie einmal die Linke und dann die Rechte nach ihrem Kopf, als suche sie einen verlorenen Gedanken. Und ihre Lider zitterten.

»Abgestürzt«, sagte Zurbriggen so unbeholfen als möglich.

Sie vergaß alle, die herumstanden, und stellte sich den Berg vor, an dem irgendwo die Toten lagen. Es zog sie hinauf, und sie wäre auch sogleich aufgebrochen, wenn sie berggewohnter gewesen und nicht ihres schon beschwerten Leibes inngeworden wäre. Einen bitteren Geschmack auf der Zunge, fragte sie: »Wann kann man sie bringen?«

»Das weiß man noch nicht«, antwortete ihr der Vater, »vielleicht wird es morgen abend werden.«

Und hilflos antwortete sie: »Ich kann ihm halt nicht entgegengehen.«

Einige Mitleidige, die auf der Schwelle standen, wollten ihr die Hand geben.

Aber sie wandte sich tiefer in den Flur zurück.

Zurbriggen sagte zu den enttäuschten Leuten: »Man muß sie jetzt allein lassen.«

Dann ließ es ihm selbst nicht Ruhe. Er humpelte Anschi nach. Staunend fand er die Küchentür offen und sie selbst am Herde stehen, als ob nichts sie in ihrer Arbeit unterbrochen hätte. Er trat an sie heran und strich ihr mit unbeholfenem Trost mit der Hand über ihren Rücken. Seine Finger spürten, wie seine Berührung und sein linkisches Bemühen, ihr etwas Tröstliches anzutun, sie bewegten. Ein Schluchzen lief, ohne laut zu werden, durch ihren Körper. Aber dann trat sie vom Herde fort und an einen niederen Schrank, auf den sie den runden, weißen Arm stützte. Das Gesicht ihm voll und ruhig zugewendet, sagte sie: »Es hat halt sein müssen.«

Und als er, von ihrer Fassung betroffen, ganz benommen dastand, fuhr sie fort: »Es ist mehr Schicksal als irgend etwas in der Welt, wo doch alles nicht von ungefähr kommt. Er hat den Beruf gehabt, nicht nur vom Vater her, sondern aus seiner eigenen Natur heraus. Wenn ich ihn gezwungen hätte, einen anderen zu suchen, so wäre er doch immer gewesen wie ein Waldbaum, den man in einen Gemüsegarten pflanzt, nirgends am Ort, nirgends daheim. Jetzt hat er früher erlitten, was fast alle einmal trifft. Ich habe mir um ihn viele Gedanken, ihm vielleicht sogar mit dummem Dreinreden viel zuviel Last gemacht. Ich dachte, da würde das Kind sein, und er müsse sein Teil übernehmen, es aufzuziehen. Jetzt weiß ich es anders: Er hat mir das Kind gelassen, damit ich weiß, wofür ich weiterlebe. Man kann nicht immer haben, was man möchte. Man muß auch mögen, was man hat. Und jetzt ist mir auf einmal, als sei Gallus nicht tot, sondern in mich selbst heimgekommen. Da trage ich ihn, und da wird er mir in ein paar Monaten auferstehen, anders –«

Sie stockte und stolperte über einen Seufzer, dann vollendete sie: »Anders als bis jetzt.«

Sie richtete einen Augenblick den Oberkörper auf, erhob die Arme, als lechze der Körper noch einmal nach dem des andern, aber die schmerzliche Anspannung löste sich, und dann stand sie wieder ruhig und mit einem Schein fast heiteren Ernstes in den Augen da.

Zurbriggen, dem das Stehen sauer wurde, hatte sich auf einen nahen Stuhl niedergelassen. Er war kein Grübler. Dinge, wie Anschi sie sprach, klangen ihm ein wenig hoch. Aber sie zwangen ihn, sie staunend anzusehen, und langsam ging es ihm auf, wie manche Nacht sie über Gallus, seinen Beruf und seine Gefahr nachgedacht haben mußte und daß in ihr ein Kochen und Brodeln und Sieden gewesen, bis in ihr Innerstes die Klarheit und Stille gekommen war, die jetzt aus ihren Worten sprach. Er vermochte selbst aber seiner Erkenntnis nicht Worte zu geben. So entgegnete er ihr denn nur unbeholfen: »Schade ist es schon um Gallus.«

Anschi hörte das. Als ob sie nicht wüßte, was sie an Gallus verlor! dachte sie mit Bitterkeit. Aber dann löste sich auch diese wieder. Viele würden von Gallus in Aufdenmatten dasselbe sagen, dachte sie. Und nun trat sein Bild ihr wieder vor Augen, so wie er voll einer sträflichen Freude an seinem Vorhaben, strotzend von Mut und Gesundheit, jüngst ausgezogen. Sie streichelte in Gedanken dieses Bild. Und sie redete mit Gallus: So warst du nun einmal und nicht anders. Und ich mußte dich verstehen und dich nehmen, wie du warst, und muß jetzt froh sein, daß ich dich einmal hatte, du guter, heller, prächtiger Gallus du!

Mit sich selbst fertig geworden bis zum Letzten, stand sie so eine Weile und vergaß, dem Vater zu antworten.

Und so, alles andere um sich vergessend, stand sie am Abend des folgenden Tages auch an den Bahren, die die Bergungskolonne der Führer ins Dorf brachten und vor der Kirche niederstellten. Das ganze Dorf war zusammengelaufen. Bis in die Seitengassen staute sich die Menge. Aber Zurbriggen und seiner Tochter machte man willig Platz, wie man Allmendinger und den Angehörigen der übrigen Abgestürzten den Weg freigegeben hatte.

Die Toten waren in Säcke genäht; denn ihre Körper waren so zerschmettert, daß man sie nicht mehr kannte und niemand mehr sie zu sehen bekam. Man bezeichnete Anschi das arme Bündel, das im Leben Gallus gewesen war; aber sie blickte wie träumend darüber hinaus ins Leere. Sie spürte die Nähe des Gallus, als sei er eben nur einen Augenblick ihrem Gesicht entschwunden und müsse gleich seilumgürtet und schwerschrittig wieder zum Vorschein kommen. Sie empfand ihn ganz wie im Leben und empfand zugleich das Kind in ihrem Leibe. Und beiden lächelte sie ganz tief im Innersten zu, als wären sie eins oder das eine das andere jederzeit zu ersetzen geschaffen. –

Als die Toten in die Särge gelegt und diese in die Kirche getragen worden, von wo man sie am nächsten Morgen nach dem Friedhof holen wollte, begannen die Glocken zu läuten.

Anschi hatte sich aber schon auf den Heimweg begeben und schritt noch immer in einem halben Traum dahin. Daß hinter ihr der Vater hergehumpelt kam, achtete sie nicht. Aber die Glocken weckten sie. Sie hörte zu ihren Häupten plötzlich ein Summen. Erst war es, wie wenn eine kleine Schar von Sängern den ihnen vom Dirigenten angegebenen Ton abnimmt. Erst allmählich erkannte sie, daß Glocken ins Schwingen kamen. Und nun hörte sie sie, eine hohe, die ganz oben am Ewigschneehorn zu bimmeln schien, und eine ganz tiefe, die in irgendeiner fernen Talmulde dumpf und schwer zu dröhnen sich anschickte. Bald aber erwachten Mittelstimmen und bildeten eine Brücke zwischen den zwei ersten. Und nun flossen alle in einem immer mehr anschwellenden Chor zusammen. Sie schienen bald nicht mehr einem Turm, sondern dem ganzen Gebirg anzugehören. Alle die Gipfel summten und tönten. Es war eine Pracht und eine Macht ohnegleichen.

Anschi verhielt den Schritt. Ihr Herz schlug so stark, daß es ihr den Atem benahm. Und dann vernahm sie in dem Brausen und Sausen der Töne einen menschlichen Ruf. War das nicht Gallus, der jodelte? Sie wußte sogleich, daß niemand sonst auf den gleichen Gedanken kommen würde. Sie wußte auch, daß sie sich täuschte und alles nur ihrer großen Verbundenheit mit dem Toten entsprang, aber sie lauschte und lauschte und glaubte doch an die Täuschung. Und jetzt strömten ihr die Tränen so jäh und gleich zwei Bächen aus den Augen, daß im Staub der Straße zu ihren Füßen zwei kleine Rinnen entstanden.

Zurbriggen hatte sie erreicht. »Komm«, sagte er und nahm sie bei der Hand.

Sie ging willig mit. Und ernsthaft und schon wieder gefaßt, als gebe sie ihm erst jetzt Antwort auf etwas, was er selbst gesagt, flüsterte sie auch: »Ja! Schade ist es um Gallus schon.«


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