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Viertes Kapitel

Das war die geräumige Dachkammer im fünften Stock des Hotels Beau Séjour. Hier stand ein Bett, und dort standen zwei andere an der Wand gegenüber. Ein mit Wachstuch bedeckter Tisch trug einige Emailwaschgeschirre. Auch ein weißtannener Kasten war da.

Durch ein abgeschrägtes Fenster blinzelte der graue Morgen herein.

Donat Zurbriggen war soeben in einem der drei Betten erwacht und lag mit dem Gesicht dem Fenster zugedreht.

Jetzt spann ein bleicher Sonnenstrahl auf den Boden nieder. Da tanzten unzählige Stäubchen vor Donats Augen. Aber der Strahl erlosch, noch ehe er recht aufgeblitzt war. Dann erschien draußen und drinnen der Morgen noch stumpfer und müder.

Donat wiederholte sich in Gedanken, was sich seit seinem Besuch bei der Vermittlerin ereignet hatte. Der Besitzer des Hotels Beau Séjour, der kleine tadellos feierliche Herr Louis Meister, hatte ihn eingestellt. Bei der ersten Vorstellung. Wußte der Himmel, wie er zu dem Glück kam! Jetzt besaß er zwei inzwischen beschaffte Frackanzüge und war Kellnerlehrling. Aber zu sich selbst war er in diesen ersten Diensttagen noch nicht gekommen.

Heute morgen hatte er überhaupt Mühe, den Schlaf abzuschütteln. Es war gestern abend spät geworden, und er hatte vor lauter Gehen und Stehen kaum mehr die Beine gespürt. Auch jetzt war er versucht, sie noch länger und tiefer unter die Decke zu strecken. Immerhin betrachtete er durch halbgeöffnete Lider seine beiden Berufs- und Stubengenossen Henry und Charles, die schon außer Bett waren, und schon stach ihn der Ehrgeiz, nicht später zu sein als sie.

Charles, der etwa Fünfzigjährige, ein mit allen Vorzügen erfahrenen Kellnertums ausgestatteter Mann, band sich vor einem kleinen Wandspiegel die Krawatte um. Merkwürdige weitgespreizte Beine trugen ihn. Sie sahen aus, als habe ihr Eigentümer sie zu Stümpfen abgelaufen. Das Schiebende, Schlürfende des Ganges war Donat vom ersten Augenblick an aufgefallen; ebenso aber des Mannes an Jonglierkunst gemahnende Fertigkeit, Teller neben Teller auf die Hand zu stellen und ein Brett mit Gläsern mit untrüglicher Sicherheit mit nach rückwärtsgestemmtem Arm treppauf und ab und von Saal zu Saal zu tragen.

Der viel jüngere Henry, ein hübscher, schwarzhaariger Bursche, gut gewachsen, mit einem Spitzbubengesicht, saß noch im Hemde auf dem Bett. Donat sah mit Befremden, wie er statt der Strümpfe Fußlappen um seine Sohlen wand.

»Er ist wach«, sagte Henry zu Charles mit einem spöttischen Achselzucken nach Donats Bett.

»Nicht mehr zu früh«, knurrte der andere.

Donat fuhr aus den Federn.

»Wenn du zu spät kommst, wirst du vom Ober eine fassen«, tröstete ihn Henry.

Donat nahm sich zusammen. Die andern sollten ihn nicht so grün finden, wie sie meinten. Er brachte es fertig, sie beim Ankleiden einzuholen.

Henry war gesprächig. Über allerlei hatte er ihn schon ausgefragt. Heute wollte er wissen, woher er käme, warum er Kellner werden wolle, wo dieses Aufdenmatten, sein Heimatdorf, liege und vieles mehr.

Charles zeigte sich schweigsamer, schien es unter seiner Würde zu finden, mit einem Anfänger sich zu unterhalten. –

Im Vorraum zu den Speisesälen trafen die drei sich nachher wieder. Mehr Schwarzfräcke schwanzten da herum. Ein Bursche in grüner Schürze machte sich mit Silberbesteck zu schaffen. Ein Fräulein stand an einem Speiseaufzug und entnahm ihm allerlei Geschirr. Dann trat der Ober ein, ein großer, dickbauchiger Mensch mit Wäsche von tadelloser Weiße und einem krebsroten Gesicht. Der fast kahle Kopf saß auf einem dicken Halse.

»Guten Tag«, grüßte ihn der Chor der Untergebenen. Er tat, als sei er taub, und stieg ins Küchengeschoß hinunter, wo in einem Raum für Bedienstete das Hotelpersonal sein Frühstück einnahm und er einen Ehrenplatz am Kaffeetisch zu beanspruchen hatte.

Zwischen Küche, Vorraum und Speisesälen spielte sich in den kommenden Tagen Donats Lehrzeit ab.

Anfänglich verwirrten ihn der Lärm und das Gehetze, die durch die eigentlichen Arbeitsräume tobten. Eine unerträgliche Hitze herrschte in der Küche. Hier fauchte eine Flamme aus dem Herdloch, dort schlitterte eine von einem Koch weggeschleuderte Pfanne über eine Eisenplatte. Verschüttetes Fett fing Feuer und verbreitete einen durchdringenden Geruch. Die weißbemützten Künstler des Kochlöffels schrien einander an. Ihr General, ein Franzose von unerlaubtem Körperumfang, ohrfeigte einen Lehrling. Wut und Hitze weckten Durst, und der wurde durch rasch hinuntergestürztes Bier gelöscht.

Ein nicht minder geräuschvolles Treiben war in den Anrichteräumen. Unablässig fielen und stiegen während der Mahlzeiten die Speiseaufzüge. Teller klapperten, Gläser klirrten. Türen ließen in ständiger Schwingung die Aufwärter hinaus und herein. Porzellan und Kristall sausten am Boden zu Scherben. Nach und nach aber schien Donat etwas Großzügiges in der trotz aller Hast zutage tretenden Selbstverständlichkeit dieses Alltags und in der hochfahrenden Art zu liegen, wie Untergebene mit dem Eigentum ihres Brotgebers umsprangen. Eines Abends, als er und eine Anzahl Kollegen mit Abtrocknen von Geschirr beschäftigt waren, zog der hübsche Henry einen Revolver aus der Tasche und zielte damit lachend auf eine eben beiseite gerückte mächtige Schicht weißer Suppenteller. Der Schuß fiel und jagte ein halbes Dutzend Sprossen des Tellerturms in Stücke. Einen Augenblick lauschte das Schwarzschwalbenschwanzvolk, ob kein Vorgesetzter sich zeige. Dann wurden die sechs Toten unter der Schicht hervorgeholt und beiseite geschafft. »Sechs auf eine Kugel«, prahlte Henry, und Donat betrachtete nicht ohne ein bewunderndes Staunen den sorglosen Schützen. Der Kopf surrte ihm von all dem, was sich rings um ihn begab. Aber zaghaft und doch mit der neidvollen Neugier, mit der schon die Mutter das alles mit angesehen, betrat er die Speisesäle. Da nahmen alle die reichen und vornehmen Gäste des Grand-Hotel Beau Séjour Platz, Leute aller Nationen und Stände, mancher berühmte und gekrönte Name darunter. Die Herren im Frack, die Damen in weitausgeschnittenen Abendkleidern mit Juwelen behängt, ließen sich an den Tischen nieder. Der kleine Lehrling Donat bekam an ihnen so viel herumzustaunen, daß er alle Augenblicke einen Etikettenfehler beging, den nachher der Ober mit scharfen, hämischen Worten, manchmal auch mit einem Schups rügte. Die Welt, die er aus den Schilderungen der Mutter kannte, ging ihm erst jetzt auf. Er erinnerte sich jetzt auch, daß er an ihr, der Frau des Bauern und Bergführers, zuweilen befremdende Dinge gesehen, eine bunte Halsschleife, einen auffälligen, schimmernden Kamm, eine blitzende Brosche. An den Tischgästen fand er jetzt allerlei Wesen und Gebärdenspiel wieder, über die er sich einst bei der Mutter gewundert hatte, und merkte, daß er sie damals in unbeholfener Nachahmung zu sehen bekommen. Da begann er der Mutter manchmal mit leisem, fast ärgerlichem Mitleid zu gedenken, und vermochte doch nicht zu hindern, daß in ihm selbst, wenn auch gehemmt und behutsamer, der Wunsch sich immer wieder regte, es diesen Vorzugsleuten an den Tischen gleichzutun. Er fühlte sich zu ihnen und ihrer Überlegenheit mehr hingezogen als zu dem katzbuckelnden, mit dem Frack wehenden Volk der Kollegen. Dabei kam ihm oft ein Bedauern, daß die Mutter nicht mehr lebte und er mit ihr nicht von dem handeln konnte, was ihn wie einst sie beschäftigte.

Sosehr er nun aber anfangs gegen die Regeln der Bedienung, die ihm der Ober beizubringen bemüht war, verstieß, die Platte von rechts statt von links reichte, einer Dame die Tunke übers Kleid goß oder den roten Inhalt eines Weinglases auf ein weißes Tischtuch schüttete, so erlangte er doch nach und nach die Fertigkeit, die man von ihm verlangte. Schon bald zeigten einzelne Gäste eine merkwürdige Vorliebe für den jungen, hübschen Menschen. Man rühmte die ungewöhnliche Intelligenz, die aus seinen Zügen spreche, und es gab ein paar Frauen, die fanden, er trage in den dunkeln Augen oft einen Ausdruck seltsamer Melancholie. Dieser Ausdruck trat vielleicht ihm unbewußt in seinen Blick, wenn er an die Bedeutungslosigkeit seiner Stellung, an die Kluft, die ihn von dem Herrenvolk trennte, dachte, oder wenn er mit der Kultur der vornehmen Leute die Gleichgültigkeit seiner Arbeitsgenossen verglich, denen gut essen und trinken und ein zünftiges Trinkgeld die Hauptsache blieb und die für seinen Drang nach oben keinerlei Verständnis hatten. Diesen Ausdruck hatte sein Gesicht auch, wenn sein Sinn nach den Bergen ging, nach ihrer freieren und reineren Luft, selbst nach dem rauhen Sonderling von Vater. Und er verschärfte sich, wenn neben den geschmückten Damen an den Tischen ihm plötzlich das Bild Anschis auftauchte. Sie, die Schwester, umwehte die leise Heiterkeit eines klaren, kühlen Abends im Hochgebirge. Das war wiederum so weit verschieden von dem Gemachten, Gekünstelten der Frauen, die er hier sah, daß manchmal etwas wie ein Heimweh ihn packte.

Eines Tages lag ihm ob, am Mittelpunkt eines ganz oben im Saal stehenden Tischhufeisens eine Reihe von sieben Gästen zu bedienen. Da er einmal am einen, das nächste Mal am entgegengesetzten Ende dieser Reihe zu beginnen hatte, mußte er das eine Mal auf der rechten, das andere Mal auf der linken Saalseite nach jener Tischhöhe hinaufsteuern. Auf seinem Wege kam er an den kleinen Sondertischen vorüber, die zu beiden Seiten der Haupttafel aufgestellt waren. Dabei war ihm an einem dieser Tische eine deutsche Familie aufgefallen, Mann und Frau und zwei Töchter von vielleicht zwölf und fünfzehn Jahren. Der Vater schien ein höherer Offizier zu sein. Er war ein ungewöhnlich hoch und stark gewachsener Mann von strenger aufrechter Haltung. Seine Frau reichte in ihrem schlanken Wuchse beinahe an seine Höhe. Die Kinder waren in der Lieblichkeit ihrer Blondköpfe eine besondere Augenweide. Besonders aber bemerkte Donat die vornehme Ruhe und Güte, mit der die Eltern sich mit den Töchtern unterhielten. Die schlichte und doch überlegene Art dieser vier Menschen fesselte ihn so, daß er auf sie weit mehr als auf seine sieben Schutzbefohlenen achtete. Er sah diese nur noch wie durch einen Nebel und vergaß bei einem von ihnen, dem er die Platte reichte, das Weitergehen, bis dieser ihn verwundert fragte, auf was er denn noch warte.

Die fünfgängige Mahlzeit – man aß in diesem großen Gasthause immer noch nach langer Speisenliste – rückte indessen zum Braten vor. Die Kellnertruppe brach aufs neue als eine schwarze Lawine aus der Anrichte hervor. Unter ihr befand sich Donat, in der Linken die schwere, tunkegefüllte Platte mit gebratenem Huhn, in der Rechten die gewichtige und bis zum Rand gefüllte Salatschüssel tragend. Ein wenig eitel, bestrebt durch seine schon ansehnliche Kunst des Bedienens aufzufallen, schwang er sich durch den Saal, erinnerte sich aber am Scheideweg zwischen Links und Rechts plötzlich, daß er auf der falschen Seite ging, und versuchte mit einer jähen und kunstvollen Drehung die richtige zu gewinnen. Dabei glitt er auf dem glatten Parkett aus. Seine beiden Platten zeigten plötzlich Sonderlaunen und strebten, die eine hierhin, die andere dorthin zu Boden. Sekundenlang kämpfte er mit ihnen und drückte sie schließlich im verzweifelten Bemühen, sie nicht fallen zu lassen, gegen seine befrackte Brust. Da lief die Bratensoße ihm links über die Weste und die Salatbrühe suchte zur Rechten ihren Weg über Frackärmel und Hose. So krampfhaft er bemüht gewesen, jeden Lärm zu vermeiden, so hatte doch das Klappern des Geschirrs die Aufmerksamkeit einzelner Tischgäste erregt. Mit dem Auge des Argwohns sah er den Spott in manchen Gesichtern. Da suchte sein Blick unwillkürlich und angstvoll den Tisch der Deutschen. Irgendeine Beziehung bestand zwischen diesen Leuten und ihm. Das Schlimmste seines Unfalls, so schien ihm, müßte sein, daß auch sie mit Hohn auf ihn schauen würden. Nichts dergleichen jedoch geschah. Sie kümmerten sich scheinbar nicht um ihn, trotzdem der ältern der beiden Töchter ein leiser Ausruf des Schreckens entfahren war. Er glaubte aber zu fühlen, daß sie nur deshalb ihn übersahen, um ihm eine Demütigung zu ersparen.

Alles war das Ereignis von Sekunden. In einem Gemisch von verbissener Wut und Verzweiflung rettete sich Donat mit seinen zwei zum Teil ihres Inhalts verlustig gegangenen Platten in den Anrichteraum. Dort stand er und schaute verblüfft an sich und seinem verdorbenen Anzug hinunter. Der Oberkellner stürzte herein. Sein Kopf glich einer riesigen Tomate mit zwei bösen Punkten als Augen. »Tolpatsch«, schnalzte er und pflanzte eine Maulschelle in Donats Gesicht.

Dieser fuhr auf. Der Bergbub erwachte in ihm. Schläge bleiben da oben nicht unvergolten. Aber im nächsten Augenblick erinnerte er sich, wie froh er gewesen, in dieser Lehre anzukommen und daß er vorwärts wollte und müsse, daß andern auch schon was ihm geschehen. Das Mutterstölzlein stach ihn zwar noch, so daß er die Serviette mit einem hochmütigen Schwung auf den Tisch warf und den Raum in einer Haltung verließ, als könne ihm der Vorgesetzte den Buckel hinaufsteigen. Aber schon hinter der Tür bedachte er die Möglichkeit, mit dem Ober wieder in das nicht zu umgehende Einvernehmen zu kommen.

Seine Kammer lag aber nicht umsonst unterm Dach. Je mehr Stufen er zu ihr emporstieg, um so übler erschien ihm der Vorfall. Konnte er sich denn überhaupt je wieder im Saale und vor den Gästen zeigen? Eine Art Überdruß befiel ihn. Welch ein Unterschied lag zwischen seinem jetzigen Knechtshandwerk und dem freieren etwa des Vaters, dem Leben im Gebirg! Die Lust packte ihn, seinen befleckten Anzug mit allen sonstigen Habseligkeiten in seinen Handkoffer zu stopfen und davonzulaufen. Aber ebenso jäh erfaßte ihn eine seltsame Reue. Hatte er jetzt nicht, was er sich gewünscht hatte? Stand er nicht, wenn auch noch so lose, in Berührung mit den Leuten, von denen die Mutter immer gesagt, das seien erst Menschen, ihr Leben erst lebenswert? Sollte er da auf dem Weg hinauf schon beim ersten Straucheln umkehren?

Wenig später saß er, die Kleider wechselnd, auf seinem Bett. Da fiel ihm die kleine Deutsche wieder ein, sie allein, die leise aufgeschrien, als er das Mißgeschick gehabt. Er hatte sie kaum recht angesehen und wußte doch jetzt, daß sie ein feines ernstes Gesicht hatte. Ein paar braune Augen standen darin. Er sah sie deutlich, und wie hell das Haar neben ihnen schimmerte. So sehr versank er in ihr Bild, daß er vergaß, wieder hinunter und an sein Amt zu gehen.

Er saß noch da, als Henry, sein Arbeitsgenosse, eintrat.

»Willst du bis morgen hier sitzenbleiben?« fragte der. Unten war die Tafel zu Ende.

Donat schrak auf. »Ich habe mich schön blamiert«, antwortete er bedrückt.

»Das tut jeder einmal«, achselzuckte Henry.

Der höhnische Ton seiner Stimme stach Donat. Hatte der andere recht? Dann tauchte das stille feine Mädchengesicht von vorhin wieder auf. Er war Henry gram um seines Spottens willen. Und in ihm drängte wieder das seltsame Verlangen, mehr zu sein als eben ein Kellner.

»Nun mach aber vorwärts«, mahnte Henry.

Donat erschrak und befliß sich.

»Du kannst froh sein, daß du der bist, der du bist«, bemerkte Henry noch.

»Was meinst du?« fragte Donat erstaunt.

»Dem berühmten Zurbriggen sein Sohn«, erklärte der andere.

Überraschung flog warm durch Donats Seele. Kannte man hier sogar den Vater?

»Einen andern würde man vielleicht zum Teufel gejagt haben«, meinte Henry und musterte wieder einmal den neuen Genossen. – Sah er nicht eher einem Studenten als einem Gasthausgehilfen ähnlich? dachte er. Es schaute ihm etwas aus den Augen, was nichts mit Alltag und Trinkgeld zu tun hatte. »Du bist wohl überhaupt ein Glücksvogel«, fuhr er fort. »Nach dir werden sich die Mädchen bald den Hals ausrenken.«

Donat lachte. Er hatte das Herz von andern Wünschen voll. Mädchen hatten ihn noch nicht gekümmert.

»Dafür hatte man vorhin einen Beweis«, plapperte Henry weiter, und als Donat die Augen neugierig aufsperrte, erzählte er, die Familie des Barons Dülberg habe sich nach seinem nicht gerade sieghaften Abgang aus dem Saal nach ihm erkundigt. Woher er stamme? Ob er Kellner werden und bleiben wolle? Besonders die Baronin habe große Teilnahme, ja Bedauern für ihn gezeigt. Die Töchter wären erst recht des Mitleids voll gewesen. »Vielleicht nehmen die Leute dich mit, du Glückspilz«, schloß er.

»Narrheit!« schnitt Donat des Redseligen Prophezeiung ab. Aber heimlich freute er sich. War es nicht ein seltener Zufall, daß die Leute, zu denen er sich irgendwie hingezogen gefühlt, auch ihm gegenüber nicht ganz gleichgültig geblieben?

»Hie und da kommt einer von unserem Stand plötzlich zu Ehren«, behauptete Henry in einem Ton, der zeigte, daß er selbst gern einer der Bevorzugten wäre. Und er spann den Glücksfall aus: »Hausdiener bei einem Baron. Da kann einer zu Geld kommen!«

Donat errötete. »Das wäre nichts für mich«, wehrte er unwirsch ab und fügte wie von jäher Erregung hingerissen hinzu: »Ich muß hinauf!« Er wußte selbst nicht, wohin er wollte. Alles Bisherige, die väterliche Hütte, das enge Gebirg, hier diese Kammer unterm Dach und unten die Fron als Dienstbote, alles das waren Dinge, die ihn drückten und aus denen er sich hätte herausarbeiten mögen. Aber das Wie und das Was waren unklar. Nur der Wunsch brannte.

Henry sah beiseite. Sonderbarer Kauz, dachte er wieder. Ohne die Unterhaltung fortzusetzen, beobachtete er nebenbei, wie der andere sich jetzt rascher zurecht machte und schließlich, wohl einsehend, es sei höchste Zeit, sich wieder an die Arbeit zu begeben, nach unten eilte. Allein geblieben, sann er auch nachher noch über Donat nach, mochte ihn einerseits irgendwie leiden und war anderseits ebenso, ohne daß er sich Rechenschaft gab warum, eifersüchtig auf ihn.


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