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Der junge Chemiker.

[Einleitung]

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln.

Goethe.

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Die zahllosen Experimente, welche der Chemiker anstellt, um die Eigenschaften der Körper kennen zu lernen, bieten der Jugend eine große Menge der schönsten Unterhaltungen. Das Anstellen chemischer Versuche ist oft mit Gefahren verbunden, denen nur der Erfahrene zu begegnen weiß. Es kommen Stoffe in Anwendung, die ätzend und giftig sind; mit ihnen darf nicht leichtsinnig umgesprungen werden, denn ein Tropfen oder ein Krümchen davon kann großes Unheil anrichten, wenn es an die unrechte Stelle gelangt. Erwärmung, Kochen und Schmelzen sind oft nötig. Zum Arbeiten beim Feuer gehört aber auch Erfahrung und vor allem große Vorsicht. Brandwunden schmerzen sehr; spritzende Tropfen kochender Flüssigkeiten, die ins Auge gelangen, können Erblinden herbeiführen, und gewiß eine der schlimmsten Todesarten ist jene, die durch das Anbrennen der Kleider herbeigeführt wird. Am meisten Vorsicht ist bei denjenigen Stoffen nötig, die sich zum Explodieren neigen.

Trotz aller dieser zahlreichen Gefahren, welche viele chemische Versuche mehr oder weniger mit sich führen, haben wir doch eine ganze Anzahl der einfachsten, unterhaltendsten zusammengestellt, da nicht leicht andre Belustigungen zugleich so tief ins praktische Leben eingreifen, wie gerade die chemischen. Wir meinen aber, daß sie nicht für die kleineren Knaben bestimmt sind, sondern nur für die erwachseneren, und auch für diese nur unter dem Beistande des Vaters oder eines älteren, erfahrenen Freundes. Die nachstehenden Belustigungen sind nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen geordnet, sondern in bezug auf ihre leichtere oder schwierigere Ausführbarkeit, sowie auf die geringeren oder größeren Vorsichtsmaßregeln, die bei ihnen erfordert werden, zusammengestellt. Nr. 473 – 489 können auch kleinere, jüngere Knaben ausführen, da bei denselben nichts zu befürchten ist. Bei den folgenden Versuchen dagegen sind mehr oder weniger ätzende Stoffe nötig, und es muß gekocht oder geschmolzen werden; deshalb ist es am besten, die kleineren Geschwister gänzlich beiseite zu lassen. Sie möchten sonst einmal in Versuchung geraten, auch zu experimentieren, und könnten dadurch das größte Unheil anrichten.

Vor kurzem versuchte ein erwachsener Knabe, Blei zu körneln, indem er es über Kohlen im Eisenlöffel schmolz und dann in Wasser tröpfelte. Sein jüngeres Schwesterchen sah zu und ergötzte sich königlich an den wunderlichen Figuren, die dabei zum Vorscheine kamen. Als der Bruder einen Augenblick den Rücken wendete, geriet es auf den Einfall, zu untersuchen, was doch für Figuren zum Vorscheine kommen würden, wenn man umgekehrt etwas Wasser oder gar Bier in das geschmolzene Blei gießen würde. Kaum hatte sie die ersten Tropfen in das flüssige Metall fallen lassen, als letzteres zischend und platzend herumgeschleudert ward und der kleinen Chemikerin das Gesicht in schmerzhafter Weise verbrannte.

So wenig aber, wie man den Ofen im Winter ohne Feuer läßt – trotzdem sich das frostige Karlchen beim Anlehnen die Jahreszahl der Ofenplatte an seiner Rückseite einbrannte –, so wenig bei Tische, statt der Gabeln, die Finger zum Bratenessen eingeführt werden, – trotzdem Fritzchen kürzlich mit der Gabel an seine Nasenspitze geriet, statt in den Mund – eben sowenig haben wir auch die Belustigungen mit chemischen Versuchen hier weglassen mögen, besonders, da ja in den obersten Klassen vieler Schulen Chemie als Lehrgegenstand getrieben wird. Wer durch diese Experimente Geschmack an der Chemie bekommen hat, dem ist Stöckhardts »Schule der Chemie« zum Weiterarbeiten zu empfehlen.


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