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Viertes Kapitel

Nach welchem unangenehmen Zwischenfall Don Alphonso sich auf dem Gipfel des Glücks sah, und durch welches Abenteuer Gil Blas eine gute Stellung erhielt.

 

Wir ritten bis Bunol, wo wir unglücklicherweise halt machen mußten. Don Alphonso wurde krank. Es faßte ihn ein schweres Fieber, das mich um sein Leben besorgt machte. Zum Glück gab es dort keine Ärzte, und ich kam mit der Angst davon. Er war nach drei Tagen außer Gefahr, und meine Pflege stellte ihn bald wieder her. Er zeigte sich sehr erkenntlich für alles, was ich für ihn getan hatte; und da wir wirkliche Neigung für einander spürten, so schwuren wir uns ewige Freundschaft.

Wir machten uns wieder auf den Weg, immer noch entschlossen, wenn wir in Valencia ankämen, mit erster Gelegenheit nach Italien überzusetzen. Aber der Himmel hatte uns ein glückliches Los bestimmt und fügte es anders. Wir sahen vor den Toren eines schönen Schlosses Bauern beider Geschlechter Ronden tanzen und sich vergnügen. Wir näherten uns, um uns ihr Fest zu betrachten; und Don Alphonso war auf nichts weniger gefaßt als auf die Überraschung, die ihm plötzlich zufiel. Er sah den Baron von Steinbach, der auch seinerseits ihn erkannte und mit offenen Armen auf ihn zukam. Ah, Don Alphonso! rief er in überströmender Freude, Ihr seid es? Welch schöne Begegnung! Während man Euch überall sucht, führt Euch der Zufall vor meine Augen!

Mein Gefährte sprang von seinem Pferd und umarmte den Baron, dessen Freude mir maßlos schien. Kommt, mein Sohn, sagte dieser gute Greis, Ihr sollt erfahren, wer Ihr seid, und Euch des glücklichsten Loses freuen. Mit diesen Worten führte er ihn ins Schloß. Ich folgte ihnen, denn auch ich war abgesprungen und hatte mein Pferd an einen Baum gebunden. Der Herr des Schlosses war der erste Mensch, dem wir begegneten; er war ein Mann von fünfzig Jahren und von freundlicher Haltung. Herr, sagte der Baron von Steinbach, indem er ihm Don Alphonso vorstellte, Ihr seht Euren Sohn. Bei diesen Worten schlang Don Cesar de Leyva – so hieß der Herr des Schlosses – seine Arme um Don Alphonsos Hals und rief, vor Freuden weinend: Mein lieber Sohn, erkennt den Urheber Eurer Tage. Wenn ich Euch so lange über Eure Stellung im dunkeln ließ, glaubt mir, so tat ich mir darin grausam Gewalt an. Tausendmal habe ich vor Schmerz geseufzt, aber ich konnte nicht anders. Ich hatte Eure Mutter aus Neigung geheiratet; sie war von weit niedrigerer Geburt als ich. Ich lebte unter der Macht eines harten Vaters, der mich in die Notlage versetzte, eine Heirat, die ohne seine Einwilligung geschlossen worden war, geheim zu halten. Nur der Baron von Steinbach war ins Vertrauen gezogen worden, und er hat Euch mit meinem Einverständnis aufgezogen. Endlich ist mein Vater nicht mehr, und ich kann offen erklären, daß Ihr mein einziger Erbe seid. Doch nicht genug, fügte er hinzu: ich verheirate Euch mit einer jungen Dame, deren Adel dem meinen gleichkommt. Herr, unterbrach Don Alphonso, laßt mich das Glück, das Ihr mir verkündet, nicht zu teuer bezahlen. Kann ich nicht wissen, daß ich die Ehre habe, Euer Sohn zu sein, ohne zugleich zu erfahren, daß Ihr mich unglücklich machen wollt? Ach, Herr, seid nicht so grausam wie Euer Vater. Wenn er Eure Liebe nicht billigte, so hat er Euch wenigstens nicht gezwungen, eine Frau zu nehmen. Mein Sohn, versetzte Don Cesar, ich will Eure Wünsche gleichfalls nicht tyrannisieren. Aber seid so freundlich und seht Euch die Dame an, die ich Euch bestimme; mehr verlange ich von Eurem Gehorsam nicht. Sie ist im Schloß; folgt mir. Ihr werdet zugeben, daß es keine liebenswertere Dame gibt. Mit diesen Worten führte er Don Alphonso in ein Gemach, in das ich ihnen mit dem Baron von Steinbach folgte.

Dort saß der Graf von Polan mit seinen beiden Töchtern Seraphine und Julia und Don Fernando de Leyva, seinem Schwiegersohn, einem Neffen Don Cesars. Es waren noch andre Damen und andre Kavaliere da. Don Fernando hatte, wie man weiß, Julia entführt, und aus Anlaß der Hochzeit dieser beiden Liebenden hatten sich die Bauern heute zum Fest versammelt. Sowie Don Alphonso erschien und sein Vater ihn der Gesellschaft vorgestellt hatte, stand der Graf von Polan auf und umarmte ihn, indem er sagte: Mein Befreier sei willkommen! Don Alphonso, fuhr er fort, erkennt die Macht der Tugend über die großherzigen Seelen! Wenn Ihr mir den Sohn getötet habt, so habt Ihr mir das Leben gerettet. Ich opfere Euch meinen Groll und gebe Euch eben diese Seraphine, der Ihr die Ehre gerettet habt. Dadurch tilge ich meine Schuld. Don Cesars Sohn verfehlte nicht, dem Grafen von Polan zu bezeugen, wie sehr er von seiner Güte durchdrungen war; und ich weiß nicht, ob er sich mehr freute, seine Geburt entdeckt zu haben, oder zu hören, daß er Seraphinens Gatte werden sollte. Tatsächlich fand diese Hochzeit ein paar Tage später statt, zur großen Befriedigung der meistbeteiligten Parteien.

Da auch ich zu den Befreiern des Grafen von Polan gehörte, so sagte mir dieser Edelmann, der mich wiedererkannte, er nehme es auf sich, mein Glück zu machen; aber ich dankte ihm für seine Großmut und wollte Don Alphonso nicht verlassen, der mich zum Verwalter seines Hauses machte und mich mit seinem Vertrauen beehrte. Kaum war er verheiratet, so schickte er durch mich, da ihm der Samuel Simon gespielte Streich auf der Seele lag, diesem Händler das ganze gestohlene Geld zurück. Ich sollte also eine Rückerstattung vollbringen; das hieß: das Amt des Verwalters mit dem beginnen, womit es enden müßte.


DIE DEUTSCHE ÜBERTRAGUNG DIESES BUCHES BESORGTE KONRAD THORER. TITEL VIGNETTEN UND VOLLBILDER SIND WIEDERGABEN CHODO- WIECKISCHER KUPFER ZUM GIL BLAS. DER DRUCK ERFOLGTE DURCH F. A. LATTMANN IN GOSLAR.

 


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