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Siebentes Kapitel

Gil Blas begleitet die Räuber. Seine erste Tat auf der Landstraße.

 

In einer Septembernacht zog ich gegen Morgen mit den Räubern aus. Ich war wie sie mit einem Stutzen, zwei Pistolen, einem Degen und einem Bajonett bewaffnet, und ich ritt ein recht gutes Pferd, das man demselben Edelmann abgenommen hatte, dessen Kleider ich trug. Ich hatte so lange in der Finsternis gelebt, daß der Tagesanbruch mich blendete. Aber allmählich gewöhnten meine Augen sich ans Licht.

Wir ritten in der Nähe von Pontferrada vorbei und legten uns in einem kleinen Wald an der Straße von Leon in Hinterhalt. Dort konnten wir, ohne selber gesehn zu werden, alle Vorüberkommenden beobachten. Wir warteten noch auf einen guten Fang, als wir einen Dominikanermönch sahen, der entgegen der Gewohnheit dieser frommen Väter, ein schlechtes Maultier ritt. Gott sei gelobt! rief der Hauptmann lachend, da kommt das Meisterstück für Gil Blas. Er muß diesem Mönch die Tasche leeren. Laßt sehn, wie er es anfängt. Die Räuber hielten diesen Auftrag sämtlich für den richtigen und ermahnten mich, ihn auszuführen. Meine Herren, sagte ich, Ihr sollt zufrieden sein; ich werde diesen Mönch nackt wie eine Hand ausziehn und Euch sein Maultier bringen. Nein, nein! rief Rolando, das lohnt der Mühe nicht; bringe uns nur die Börse Seiner Ehrwürden, weiter verlangen wir nichts. Ich brach also aus dem Wald hervor und ritt auf den Pater zu, indem ich den Himmel bat, mir zu verzeihen; denn ich lebte noch nicht lange genug bei den Räubern, um meinen Widerwillen zu bezwingen. Gern wäre ich sofort entschlüpft, aber die meisten der Räuber waren noch besser beritten als ich; hätten sie mich fliehen sehen, so hätten sie sich mir an die Fersen geheftet und mich bald eingeholt; vielleicht hätten sie mir auch aus ihren Stutzen eine Salve nachgeschickt, und das wäre mir sehr schlecht bekommen. Ich wagte einen so heiklen Schritt also nicht. Als ich den Pater erreichte, verlangte ich seine Börse, indem ich ihm den Lauf meiner Pistole auf die Brust setzte. Er hielt sein Maultier an, um mich zu betrachten, und ohne daß er erschreckt schien, sagte er: Mein Kind, Ihr seid noch recht jung; Ihr treibt gar früh ein garstiges Handwerk. Mein Vater, gab ich zurück, so garstig es ist, ich wollte, ich hätte es früher begonnen. Ah! mein Sohn, erwiderte der gute Mönch, der den wahren Sinn meiner Worte nicht erfassen konnte, was sagt Ihr da? Welche Verblendung! Erlaubt, daß ich Euch ausmale, welchem Verderben ... O, mein Vater, unterbrach ich ihn eilends, keine Moral, wenn ich bitten darf; ich ziehe nicht auf die Straße, um Predigten anzuhören, darum handelt es sich hier nicht; Ihr müßt mir bar bezahlen. Ich will Geld. Geld? sagte er mit erstaunter Miene; Ihr macht Euch von der Mildtätigkeit der Spanier einen falschen Begriff, wenn Ihr glaubt, Leute meines Standes brauchten Geld, um in Spanien zu reisen. Gebt Euren Irrtum auf. Man empfängt uns überall entgegenkommend; man gibt uns Unterkunft und Nahrung und verlangt nur Gebete dafür. Kurz, wir nehmen kein Geld auf die Reise mit; wir vertrauen uns der Vorsehung an. Ah! Nein, nein! gab ich zurück, Ihr vertraut Euch ihr nicht an; Ihr tragt stets gute Pistolen bei Euch, um der Vorsehung sicherer zu sein. Aber, mein Vater, fügte ich hinzu, laßt uns ein Ende machen: meine Kumpane sind da im Wald und werden ungeduldig; werft Eure Börse zu Boden, oder Ihr seid des Todes.

Bei diesen Worten, die ich mit drohender Miene aussprach, tat der Mönch, als fürchte er für sein Leben. Wartet, sagte er, da es sein muß, werde ich Euch zu Willen sein. Ich sehe schon, bei Euresgleichen nützen rhetorische Wendungen nichts. Damit zog er eine große gemslederne Börse unter dem Gewand hervor und ließ sie zu Boden fallen. Da sagte ich ihm, er könne seines Weges ziehn, was er sich nicht zweimal sagen ließ. Er stieß dem Maultier die Fersen in die Flanken, und es strafte meine Meinung von ihm Lügen – denn ich hatte es für nicht besser gehalten als das meines Onkels –, indem es in scharfem Trab davonlief. Ich sprang ab und hob die Börse auf, die mir recht schwer schien. Dann ritt ich schleunig in den Wald zurück, wo die Räuber ungeduldig auf mich warteten, um mich zu beglückwünschen, als hätte mein Sieg mich viel gekostet. Kaum ließen sie mir Zeit, um abzusitzen, so eilig wollten sie mich in ihre Arme schließen.

Nachdem sie mich um so mehr gelobt hatten, als ich es weniger verdiente, kam sie die Lust an, die Beute, die ich mitbrachte, zu prüfen. Laßt sehn, sagten sie, laßt sehn, was in der Börse des Paters steckt. Sie muß gut gefüllt sein, fuhr einer von ihnen fort, denn diese frommen Väter reisen nicht als Pilger. Der Hauptmann band den Beutel auf und zog zwei oder drei Hände voll kleiner Kupfermedaillen, untermischt mit Agnusdei und ein paar Skapuliere, daraus hervor. Beim Anblick eines so neuen Raubes brachen die Kumpanen sämtlich in maßloses Lachen aus. Gelobt sei Gott! rief der Leutnant; wir schulden Gil Blas vielen Dank: er hat für den Anfang einen für die Kumpanie sehr heilsamen Fang getan. Und dieser Scherz hatte tausend andre im Gefolge. Nur ich allein lachte nicht. Freilich benahmen die Spötter mir die Lust dazu, da sie sich auf meine Kosten amüsierten. Ein jeder versetzte mir einen Hieb, und der Hauptmann sagte: Meiner Treu, Gil Blas, ich rate dir als Freund, dich nicht mehr mit Mönchen abzugeben, sie sind zu fein und zu listig für dich.


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