Emile Zola
Das Paradies der Damen
Emile Zola

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Drittes Kapitel

Jeden Samstag von vier bis sechs Uhr hielt Frau Desforges für ihre nächsten Bekannten eine Tasse Tee und etwas Gebäck bereit. Ihre Wohnung lag im dritten Stock an der Ecke Rue de Rivoli und Rue d'Alger; die Fenster der beiden Salons gingen auf die Tuilerien hinaus.

Diesen Samstag war auch Mouret gekommen; als der Diener ihn in den großen Salon führen wollte, sah er durch eine offene Tür Frau Desforges gerade in den kleinen Salon gehen. Sie blieb stehen, als sie ihn bemerkte, er trat bei ihr ein und begrüßte sie sehr förmlich. Als der Diener aber die Tür geschlossen hatte, ergriff er lebhaft die Hand der jungen Frau und küßte sie zärtlich.

»Gib acht, es ist schon jemand da!« flüsterte sie und deutete auf die Tür des großen Salons. »Ich wollte nur diesen Fächer holen, um ihn den Damen zu zeigen.«

Allein er behielt ihre Hand in der seinen und fragte:

»Wird er kommen?«

»Sicher«, erwiderte sie; »er hat es mir versprochen.«

Sie sprachen von Baron Hartmann, dem Direktor der Immobilienbank. Frau Desforges, Tochter eines Staatsrates, war die Witwe eines Börsenspekulanten, der ihr ein Vermögen hinterlassen hatte, das von den einen überschätzt, von anderen ganz geleugnet wurde. Man erzählte sich, daß sie noch bei Lebzeiten ihres Gatten sich Baron Hartmann gegenüber recht erkenntlich gezeigt habe, da seine finanziellen Ratschläge dem Ehepaar Desforges vielfach nützlich gewesen seien. Später, nach dem Tode des Gatten, hatte das Verhältnis weiterbestanden, aber immer ganz im verschwiegenen, ohne jede Unklugheit, ohne Aufsehen. Frau Desforges vermied es, Gegenstand irgendwelchen Geredes zu werden, und war darum auch in den besseren Bürgerkreisen, denen sie entstammte, gern gesehen. Selbst heute noch, da die Leidenschaft des Bankiers, eines feinfühligen Mannes, sich in väterliches Wohlwollen gewandelt hatte – selbst heute noch bewies sie, wenn sie sich Liebhaber hielt, was er stillschweigend duldete, bei ihren Herzensromanen einen so feinen Sinn für gesellschaftliches Maß, daß der Schein stets gewahrt blieb und niemand es gewagt hätte, laut an ihrer Ehrbarkeit zu zweifeln. Sie war Mouret bei gemeinsamen Bekannten begegnet und hatte ihn anfangs kaum beachtet; später hatte sie, von seinen heftigen Liebeswerbungen überwunden, sich ihm hingegeben; und während es ihm offenbar immer mehr darum zu tun war, durch sie den Baron auf seine Seite zu bringen, faßte sie allmählich eine wahre und tiefe Leidenschaft für ihn. Sie liebte ihn mit der Glut der fünfunddreißigjährigen Frau, die nur neunundzwanzig Jahre eingesteht und in fortwährender Angst lebt, den weit jüngeren Geliebten zu verlieren.

»Ist er bereits informiert?« fragte Mouret wieder.

»Nein, Sie müssen ihm die Sache selbst erklären«, sagte Frau Desforges, ihn diesmal nicht duzend.

Sie schaute ihn an und dachte, er müsse doch recht ahnungslos sein, da er ihr eine solche Rolle dem Baron gegenüber zuwies, in dem er offenbar nur einen alten Freund seiner Geliebten sah. Mouret hielt noch immer ihre Hand, nannte sie seine gute Henriette, und sie fühlte ihr Herz weich werden. Sie bot ihm stumm die Lippen; dann flüsterte sie:

»Still! Sie warten auf mich ... Lassen Sie mich vorausgehen.«

Aus dem großen Salon drangen leise Stimmen, noch gedämpft durch die Vorhänge und Teppiche. Sie öffnete die Tür, ließ beide Flügel offen und reichte den Fächer einer der vier Damen, die in der Mitte des Salons saßen.

»Da haben Sie ihn; ich konnte ihn erst nicht finden.«

Dann wandte sie sich um und fügte mit heiterer Miene hinzu:

»Kommen Sie, Herr Mouret, gehen Sie durch den kleinen Salon; das ist weniger feierlich.«

Mouret begrüßte die Damen, die er sämtlich kannte.

»Gar nicht übel, diese Chantillyspitze!« rief Frau Bourdelais, die den Fächer in der Hand hatte.

Sie war eine kleine, blonde Frau von dreißig Jahren, mit einer schmalen Nase und lebhaften Augen, eine Schulfreundin Henriettes; ihr Mann war Abteilungsleiter im Finanzministerium. Sie entstammte einer alten bürgerlichen Familie, versah ihr Hauswesen selbst und erzog ihre drei Kinder mit Rührigkeit und Anmut, zugleich mit einem ungewöhnlichen Sinn für alles Praktische.

»Fünfundzwanzig Franken hast du für die Spitzen gezahlt?« fragte sie weiter, während sie jede Masche sorgfältig prüfte.

»Und du sagst, du hast sie in Luc gekauft, von einer Arbeiterin aus der Gegend? ... Das ist nicht teuer. Aber du hast doch auch den Fächer dazu arbeiten lassen?!«

»Gewiß«, erwiderte Frau Desforges. »Das kostete zweihundert Franken.«

Frau Bourdelais lachte. Das nannte Henriette einen günstigen Kauf! Zweihundert Franken für eine einfache Elfenbeinarbeit mit Namenszug! Für hundertzwanzig Franken konnte man so etwas fix und fertig kaufen!

Inzwischen ging der Fächer von Hand zu Hand. Frau Guibal würdigte ihn kaum eines Blickes. Sie war eine große, hagere Frau mit rötlichen Haaren; in ihrem gleichgültigen Gesicht saßen zwei graue Augen, aus denen die krasse Selbstsucht funkelte. Man sah sie niemals in der Gesellschaft ihres Mannes, eines bekannten Rechtsanwaltes, der, wie man sich erzählte, auch seinerseits ein freies Leben voller Vergnügungen führte.

»Oh«, flüsterte sie und gab den Fächer an Frau von Boves weiter, »ich habe in meinem Leben keine zwei Fächer gekauft; man bekommt ohnedies mehr als genug geschenkt.«

Die Gräfin erwiderte mit feinem Sport:

»Sie können sich glücklich schätzen, meine Teure, daß Sie einen so galanten Gatten haben.«

Frau von Boves, in Begleitung ihrer erwachsenen Tochter Blanche erschienen, hatte die Vierzig hinter sich. Sie war eine gute Erscheinung mit einem vollen, regelmäßigen Gesicht und großen, schmachtenden Augen. Unvermittelt wandte sie sich an Mouret:

»Sagen Sie uns doch Ihre Meinung: Ist das zu teuer, zweihundert Franken für das Gestell?«

Mouret stand unter den fünf Frauen und lächelte beifällig zu allem, was sie interessierte. Er nahm den Fächer in die Hand, besichtigte ihn eine Weile und war eben im Begriff zu antworten, als der Diener die Tür öffnete und meldete:

»Frau Marty!«

Eine magere, häßliche, blatternarbige, mit auffallend gesuchter Eleganz gekleidete Frau trat ein. Ihr Alter war schwer zu bestimmen; ihre fünfunddreißig Jahre konnten ebensogut für dreißig wie für vierzig gelten, je nachdem wie sie sich gerade gab. An ihrer rechten Hand hing eine rote Ledertasche, die sie nicht ablegen wollte.

»Verzeihen Sie, teuerste gnädige Frau, daß ich mit meiner Tasche eintrete«, sagte sie zu Frau Desforges. »Denken Sie sich: auf dem Weg zu Ihnen bin ich einen Augenblick ins ›Paradies der Damen‹ hineingegangen, und wieder einmal habe ich mich zu allerlei Torheiten verleiten lassen.«

Als sie Mourets Anwesenheit bemerkte, fuhr sie lachend fort: »Ich sagte das nicht, um für Sie Reklame zu machen, denn ich wußte nicht, daß Sie hier sind. ... Sie haben jetzt wirklich ganz außerordentlich schöne Spitzen.«

Man kannte Frau Marty und ihren Hang zum Geldausgeben; man wußte, daß sie keiner Versuchung widerstehen konnte. Sie war von strengster Ehrbarkeit, unnahbar für jeden fremden Mann, dagegen weich und haltlos vor dem winzigsten Endchen Stoff. Sie war die Tochter eines kleinen Beamten und ruinierte jetzt ihren Gatten, einen Lehrer am Bonaparte-Gymnasium, der sein Gehalt von sechstausend Franken durch Privatstunden verdoppeln mußte, um den fortwährend wachsenden Anforderungen seines Haushalts genügen zu können.

Ohne ihre Tasche zu öffnen, begann sie von ihrer vierzehnjährigen Tochter Valentine zu sprechen, der kostspieligsten Ausgeburt ihrer eigenen Gefallsucht. Sie kleidete sie wie sich selbst in allen Einzelheiten nach der neuesten Mode.

»Sie wissen doch, im Augenblick werden die Kleider der jungen Mädchen mit Spitzen garniert«, sagte sie. »Und als ich da eine recht hübsche Valenciennesspitze sah ...«

Angesichts der allgemeinen Neugierde entschloß sie sich endlich, die Tasche zu öffnen. Die Damen reckten die Hälse, um besser zu sehen. Da vernahm man inmitten erwartungsvollen Schweigens die Klingel im Vorzimmer.

»Das ist mein Mann«, sagte Frau Marty sehr verlegen. »Er sollte mich nach der Schule hier abholen.«

Sie hatte ihre Tasche rasch wieder geschlossen und mit einer unwillkürlichen Bewegung unter den Sessel geschoben. Die Damen lachten. Sie errötete über ihre Hast, nahm die Tasche wieder auf ihre Knie und meinte, die Männer verstünden so manches nicht und brauchten auch nicht alles zu wissen.

»Herr von Boves, Herr von Vallagnosc«, meldete der Diener. Das gab eine allgemeine Überraschung. Frau von Boves hatte nicht damit gerechnet, ihren Gatten hier zu treffen. Herr von Boves, ein gutaussehender Mann mit Schnurr- und Knebelbart und vornehmer, militärischer Haltung, in den Tuilerien sehr beliebt, küßte Frau Desforges die Hand. Dann trat er beiseite, damit sein Begleiter, ein großer, etwas verlebter junger Mann von vornehmem Auftreten, die Dame des Hauses begrüßen könne. Aber kaum war das Gespräch wieder etwas in Fluß geraten, als zwei Ausrufe ertönten:

»Wie, du bist's, Paul!«

»Schau an, Octave!«

Mouret und Vallagnosc drückten einander die Hände. Frau Desforges ihrerseits war sehr überrascht. Wie, die Herren kannten sich? Aber gewiß, sie waren ja zusammen in Plassans zur Schule gegangen, und es war offenbar nur ein Zufall, daß sie einander bei Frau Desforges noch nicht begegnet waren.

Während der Diener den Tee brachte und die Damen enger zusammenrückten, gingen die beiden nach nebenan in den kleinen Salon.

Ihre ganze Jugend erwachte wieder, die alte Schule in Plassans mit ihren beiden Höfen, den feuchten Klassenräumen, dem Speisesaal, wo es so viel Kabeljau gegeben hatte, und dem Schlafsaal, wo die Kissen von Bett zu Bett geflogen waren, sobald der Aufseher schnarchte. Paul, der aus einer alten Juristenfamilie stammte, war stets einer der besten Schüler gewesen, vom Klassenlehrer, der ihm eine große Zukunft prophezeite, allen als Vorbild hingestellt, während Octave, immer einer der Letzten, außerhalb der Schule den wildesten Vergnügungen nachging. Trotz der Verschiedenheit ihrer Naturen hatte sich eine sehr enge Kameradschaft zwischen beiden herausgebildet, die bis zu ihrer Prüfung dauerte, die der eine ruhmvoll, der andere schlecht und recht erst nach zwei mißlungenen Versuchen bestand. Dann hatte das Leben sie auseinandergebracht, und jetzt fanden sie sich nach einem Zeitraum von zehn Jahren verändert und älter geworden wieder.

»Und was hast du aus dir gemacht?« fragte Mouret.

»Ach, gar nichts.«

Trotz der Freude des Wiedersehens hatte Vallagnosc seine Blasiertheit beibehalten. Ein wenig erstaunt über diese Antwort, fragte sein Freund noch einmal:

»Aber du tust doch irgend etwas – was tust du denn?«

»Nichts«, erwiderte der andere trocken.

Octave lachte; nichts sei nicht genug, meinte er. Satz für Satz erfuhr er nun die Geschichte Pauls; es war die Geschichte aller mittellosen jungen Leute, die glauben, daß sie es ihrer Geburt schuldig seien, eine sogenannte Bildungslaufbahn einzuschlagen, und sich in einer eitlen Mittelmäßigkeit begraben, vollkommen zufrieden, wenn sie mit ihren guten Zeugnissen nicht Hungers sterben. Er hatte Jura studiert, weil das so Familientradition war; dann hatte er eine Zeitlang seiner verwitweten Mutter auf der Tasche gelegen, die ohnehin nicht wußte, wie sie ihre beiden Töchter versorgen sollte. Endlich hatte er sich dieses Zustandes geschämt, den Frauen die Reste ihres Vermögens, von denen sie nur knapp existieren konnten, überlassen und eine kleine Stelle im Innenministerium angenommen, wo er verborgen saß wie ein Maulwurf in seinem Loch.

»Und wieviel verdienst du?« fragte Mouret.

»Dreitausend Franken.«

»Das ist ja der reinste Hungerlohn! Mein lieber Alter, du tust mir leid! ... Ein so begabter Bursche, der uns alle in den Schatten stellte! Und dir zahlen sie nicht mehr als dreitausend Franken, nachdem man dich fünf Jahre lang mit allen möglichen Kenntnissen vollgestopft hat! Nein, das ist aber wirklich ungerecht... Du weißt doch, was aus mir geworden ist?«

»Ja«, sagte Vallagnosc, »man hat mir erzählt, daß du Kaufmann geworden bist. Du hast das große Modewarenhaus an der Place Gaillon, nicht wahr?«

»So ist es; Kaufmann bin ich geworden, mein Lieber.«

Mit der Heiterkeit des Mannes, der sich des ihn ernährenden Berufs nicht schämt, wiederholte er:

»Ja, Kaufmann – und wie! Du erinnerst dich sicher: ich konnte mit all den Büchern nie viel anfangen, obgleich ich mich im Innern nicht für dümmer hielt als die übrigen. Nach der Schule hätte ich, um meiner Familie ihren Wunsch zu erfüllen, genauso gut Rechtsanwalt oder Arzt werden können wie die andern aus der Klasse. Aber diese Berufe sind mir unbehaglich; man sieht dabei gar so viele Leute hungern! Na, und da bin ich Geschäftsmann geworden – und ich bereue es nicht, das versichere ich dir.«

Vallagnosc lächelte verlegen und murmelte dann:

»Zum Leinwandverkaufen allerdings nützt dir dein Zeugnis nicht viel.«

»Meiner Treu«, erwiderte Mouret vergnügt, »was ich von ihm verlange, ist, daß es mir nicht im Weg steht. Du weißt, wenn man sich so etwas einmal auf den Hals geladen hat, wird man es nicht leicht wieder los. Man kommt nur langsam vorwärts im Leben, während andere, die keinen solchen Klotz am Bein haben, einem ungebunden davonlaufen.«

Als er merkte, daß diese Wendung des Gesprächs seinem Freund peinlich war, nahm er ihn bei den Händen und fuhr fort:

»Ich will dich ja nicht kränken, aber gesteh nur, daß alle deine Zeugnisse dir nicht dabei geholfen haben, auch nur ein einziges deiner Bedürfnisse zu befriedigen. Wirst du glauben, daß der Leiter der Seidenabteilung in meinem Haus dieses Jahr zwölftausend Franken verdient? Und das ist ein einfacher Junge, der alles in allem gerade die Orthographie beherrscht und die vier Rechenarten. Allerdings: tüchtig ist er ... Die gewöhnlichen Verkäufer bei mir verdienen drei- bis viertausend Franken, mehr als du, und ihre Ausbildung hat nicht so viel gekostet wie die deine, sie sind nicht mit dem Versprechen, die Welt werde ihnen zu Füßen liegen, hinausgeschickt worden ... Geld verdienen ist nicht alles, das ist wahr; aber wenn ich zu wählen habe zwischen den armen Teufeln, die mit Wissen vollgestopft sind und die höheren Berufe übervölkern, ohne sich satt zu essen, und den praktischen Jungen, die für das Leben gewappnet sind, ihr Handwerk verstehen: da zögere ich nicht lange, da bin ich entschieden für die zweiten; die verstehen ihre Zeit besser!«

Er wurde beredt, seine Stimme hatte an Wärme gewonnen. Henriette, die gerade den Tee ausschenkte, wandte den Kopf nach ihm um. Als er sah, wie sie lächelte, und merkte, daß noch zwei weitere Damen im großen Salon ihrem Gespräch lauschten, gab er seiner Stimme einen helleren, heiteren Klang.

»Kurzum, mein Lieber, jeder Kaufmann, der heute anfängt, steckt in der Haut eines Millionärs!«

Vallagnosc lehnte sich ins Sofa zurück. Er hatte die Augen halb geschlossen und saß mit einer müden und geringschätzigen Miene da, die nicht ganz überzeugend wirkte.

»Pah«, murmelte er, »das Leben ist nicht so viel Mühe wert; es gibt ja gar keinen richtigen Spaß mehr!«

Da Mouret, empört über eine solche Gleichgültigkeit, ihn hocherstaunt ansah, setzte er hinzu:

»Was kommen will, das kommt, gleichviel, ob man etwas dazu tut oder nicht.«

Und dann legte er seine pessimistischen Ansichten dar. Er hatte einen Augenblick davon geträumt, sich auf dem Gebiet der Literatur zu versuchen, allein aus seinem Umgang mit den Schriftstellern war ihm nur eine Art Weltverachtung geblieben. Sein letztes Wort war stets, daß alle Anstrengungen vergebens seien, das Leben sei gar zu dumm.

»Amüsierst du dich etwa?« fragte er schließlich seinen Freund. Mouret war vom Erstaunen zur Entrüstung übergegangen.

»Ob ich mich amüsiere?« rief er aus. »Was redest du da für krauses Zeug? Natürlich amüsiere ich mich! Ich genieße das Leben selbst dann, wenn die Dinge schiefgehen. Ich bin nun mal leidenschaftlich veranlagt und nehme nicht alles so ruhig hin. Vielleicht macht es mir gerade darum solchen Spaß.«

Er warf einen Blick nach dem Salon und fuhr flüsternd fort:

»Die Frauen haben mich schon zu vielen Dummheiten verleitet, ich gebe es zu. Aber wenn ich eine habe, so halte ich sie auch fest; immer geht's nicht schief, und ich nehme mir schon mein Teil. Und zu guter Letzt mache ich mich doch nur lustig über sie. Man muß immer etwas vorhaben, man muß etwas schaffen ... Da hast du einen Gedanken, kämpfst für ihn, treibst ihn den Leuten mit Hammerschlägen in den Schädel, siehst ihn wachsen und triumphieren ... Ach ja, mein Lieber, ich amüsiere mich sehr gut.«

Reine Daseinsfreude klang aus seinen Worten; er wiederholte einige Male, er sei eben ein Kind der Zeit. Er machte sich weidlich lustig über die Verzweifelten, die Angewiderten und Pessimisten, die mit ewiger Schmollmiene durch die ungeheure Werkstatt der Gegenwart liefen. Eine saubere Rolle, während die anderen arbeiteten, sich hinzustellen und vor Langeweile zu gähnen!

»Das ist mein einziges Vergnügen: andere anzugähnen«, sagte Vallagnosc mit einem kühlen Lächeln.

Mouret nahm einen wärmeren Ton an.

»Ach, du bist ganz der alte Paul: immer die Gegensätze gegeneinander ausspielen. Wir haben uns doch nicht wiedergefunden, um zu streiten. Glücklicherweise hat jeder seine eigenen Gedanken. Aber ich muß dir einmal meine Maschinerie in Bewegung zeigen, du sollst sehen, daß die Sache gar nicht so schlecht ist .... Erzähl mir doch etwas von dir. Deiner Mutter und deinen Schwestern geht es hoffentlich gut? Und dann hieß es ja, daß du angeblich vor sechs Monaten in Plassans geheiratet hast?«

Eine plötzliche Gebärde Vallagnoscs unterbrach ihn. Mouret merkte, daß der andere mit unruhigen Blicken im Salon umherschaute; er wandte sich um und sah, daß Fräulein von Boves kein Auge von ihnen ließ. Blanche war groß und voll wie ihre Mutter; nur ging bei ihr das Gesicht schon jetzt in die Breite, und ihre Züge wirkten verschwommen. Mouret befragte seinen Freund leise, worauf Paul erwiderte, es sei noch nichts entschieden und vielleicht werde auch nichts daraus. Er habe die junge Dame bei Frau Desforges kennengelernt, bei der er im vorigen Winter viel verkehrt habe. Er sei auch in der Familie eingeführt und schätze besonders den Vater: ein sehr liebenswürdiger Mensch, alter Lebemann, der sich jetzt in die Verwaltung zurückgezogen habe. Im übrigen sei keinerlei Vermögen da. Frau von Boves habe ihrem Mann nichts als ihre junonische Schönheit zugebracht, die Familie lebe nur kümmerlich von einem verschuldeten Landgut und von den neuntausend Franken, die der Graf verdiene. Unter diesen Umständen müßten sich die Damen natürlich sehr einschränken, und es komme vor, daß sie ihre Kleider selber ausbessern und umändern müßten.

»Warum dann also?« fragte Mouret.

»Mein Gott, irgendwann muß es doch sein«, sagte Vallagnosc in müdem Ton. »Außerdem bestehen einige Hoffnungen, wir rechnen mit dem baldigen Tod einer alten Tante.«

Mouret hatte mittlerweile Herrn von Boves nicht aus den Augen gelassen, der sich sehr angelegentlich mit Frau Guibal zu beschäftigen schien. Jetzt wandte sich der junge Mann seinem Freund zu und blinzelte bedeutungsvoll zu den beiden hinüber, so daß Vallagnosc sich veranlaßt fühlte zu sagen:

»Nein, die nicht ... wenigstens jetzt noch nicht ... Das Schlimme ist, daß er fortwährend dienstlich im ganzen Land herumreist und folglich stets Vorwände hat zu verschwinden. Vorigen Monat, während seine Frau ihn in Perpignan glaubte, saß er mit einer Klavierlehrerin in einem kleinen Vorstadthotel.«

Sie schwiegen eine Weile; dann setzte Paul, der die Liebenswürdigkeiten des Grafen nun gleichfalls beobachtet hatte, hinzu:

»Du kannst recht haben, um so mehr als man sich erzählt, daß die liebe Dame gar nicht so unzugänglich ist. Man spricht von einem sehr drolligen Abenteuer, das sie mit einem Offizier gehabt haben soll ... Aber schau ihn nur an! Ist es nicht komisch, wie er sie aus den Augenwinkeln heraus zu bezaubern sucht! Das ist Altfrankreich, mein Lieber! Ich verehre diesen Mann, und wenn ich seine Tochter heirate, geschieht es vielleicht nur seinethalben!«

Mouret lachte, und als er hörte, daß der erste Gedanke einer Heirat zwischen Vallagnosc und Blanche von Frau Desforges stamme, fand er die Geschichte noch besser. Die gute Henriette schwelgte so sehr in dem Vergnügen, andere Leute zusammenzubringen, daß sie, wenn die Töchter versorgt waren, die Väter unter den Damen ihrer Bekanntschaft sich eine Freundin suchen ließ – alles natürlich im festen Rahmen des Anstandes, ohne daß die Welt jemals Stoff zu einem Skandal bekommen hätte.

Jetzt erschien sie in der Tür des kleinen Salons, gefolgt von einem ungefähr sechzigjährigen Herrn, dessen Eintritt die beiden Freunde nicht bemerkt hatten.

»Hier, lieber Baron«, sagte Frau Desforges. »Ich stelle Ihnen Herrn Octave Mouret vor, der das lebhafte Verlangen hat, Ihnen seine Hochachtung zu bezeigen.«

Dann wandte sie sich zu Octave und fügte hinzu:

»Herr Baron Hartmann.«

Auf den Lippen des alten Herrn erschien ein feines Lächeln. Er war ein kleiner, lebhafter Mann mit einem dicken Elsässerkopf, dessen breites Gesicht beim geringsten Zucken der Mundwinkel, beim leichtesten Blinzeln der Augen seine Klugheit verriet. Zwei Wochen schon widerstand er den Wünschen Henriettes, die diese Zusammenkunft von ihm erbat. Nicht als ob er allzu eifersüchtig gewesen wäre – er hatte sich in die Rolle des Beschützers längst hineingefunden; aber dies war schon der dritte Freund, mit dem Henriette ihn bekannt machte, und er fürchtete, auf die Dauer lächerlich zu werden. Darum war, als er auf Octave zutrat, jenes feine Lächeln auf seinen Lippen erschienen, das besagen wollte, daß er, der reiche Gönner, sich wohl liebenswürdig zeigen, aber keineswegs überrumpeln lassen wolle.

»Oh, Herr Baron«, sagte Mouret mit seiner provenzalischen Begeisterungsfähigkeit, »das letzte Unternehmen der Immobilienbank war ja wirklich erstaunlich! Sie glauben nicht, wie glücklich und stolz ich bin, Ihnen die Hand drücken zu dürfen.«

»Zu liebenswürdig, Herr Mouret, zu liebenswürdig«, wiederholte der Baron lächelnd.

Henriette betrachtete die beiden und schien entzückt, als sie sie in so gutem Einvernehmen sah.

»Meine Herren«, sagte sie schließlich, »ich darf Sie jetzt Ihrem Gespräch überlassen?«

Dann wandte sie sich zu Paul, der sich erhoben hatte, und fragte:

»Eine Tasse Tee gefällig, Herr von Vallagnosc?«

»Mit Vergnügen, gnädige Frau.«

Und die beiden kehrten in den Salon zurück.

Mouret setzte sich wieder auf das Sofa, wo Baron Hartmann schon Platz genommen hatte. Der junge Mann erging sich in neuen Lobsprüchen über die Unternehmungen der Immobilienbank. Dann kam er auf das zu sprechen, was er auf dem Herzen hatte. Er sprach von der neuen Straße, von der Verlängerung der Rue Réaumur, von der ein Teil unter dem Namen Rue du Dix-Décembre zwischen der Börse und dem Opernplatz demnächst in Angriff genommen werden sollte. Er, Mouret, wartete schon seit drei Jahren auf diese Arbeiten, zunächst weil er einen Aufschwung des Geschäftsbetriebs voraussah, vor allem aber, weil er sein Haus noch vergrößern wollte, und dies in einem Maße, wie er es kaum zu gestehen wagte. Da die Rue du Dix-Décembre die Rue de Choiseul und die Rue de la Michodière schneiden sollte, sah er im Geiste das »Paradies der Damen« schon den ganzen Block einnehmen, der von diesen Straßen und von der Rue Neuve-Saint-Augustin begrenzt war; er stellte es sich bereits mit einer palastartigen Front nach der neuen Straße vor, das ganze neu erstehende Stadtviertel beherrschend. Der lebhafte Wunsch, Baron Hartmann kennenzulernen, aber war in ihm aufgestiegen, als er erfahren hatte, die Immobilienbank habe in einem Vertrag mit der Bauverwaltung die Abbrucharbeiten und den Aufbau der Rue du Dix-Décembre übernommen unter der Bedingung, daß man ihr die angrenzenden Grundstücke überlasse.

»Ist es wahr«, wiederholte er und gab sich den Anschein kindlichen Erstaunens, »ist es wahr, daß Sie ihnen die Straße fix und fertig mit sämtlichen Abflußkanälen, Bürgersteigen und Laternen übergeben wollen und daß die Randgrundstücke genügen, um Sie zu entschädigen? Das ist seltsam, sehr seltsam!«

Endlich kam er zu dem heiklen Punkt. Er hatte erfahren, daß die Immobilienbank im geheimen die Häuser um das »Paradies der Damen« aufkaufte, nicht nur die, welche der Spitzhacke zum Opfer fallen sollten, sondern auch die übrigen, die stehenbleiben würden. Er witterte hinter diesem Vorgehen irgendein künftiges Projekt und geriet in Sorge um seine eigenen Vergrößerungspläne; er fürchtete, eines Tages auf eine mächtige Gesellschaft zu stoßen, die die Grundstücke sicherlich nicht mehr aus der Hand geben würde. Diese Sorge war es vor allem, die ihn bewogen hatte, so rasch wie möglich eine Verbindung zu Baron Hartmann zu suchen, und zwar die liebenswürdige Verbindung über eine Frau, die galante Männer so fest aneinanderschließt. Er hätte den Baron in seinem Büro aufsuchen können, um das große Geschäft, das er ihm vorschlagen wollte, mit ihm zu besprechen. Aber bei Henriette fühlte er sich stärker, er wußte zu gut, wie sehr der gemeinsame Besitz einer Geliebten zwei Männer einander nahebringt und füreinander einnimmt. »Haben Sie nicht das einstige Haus Duvillard, diesen alten Bau, der an mein Geschäft anstößt, gekauft?« fragte er plötzlich. Baron Hartmann zögerte einen Augenblick, dann verneinte er. Allein Mouret sah ihm gerade ins Gesicht und begann zu lachen; von da ab spielte er mit offenen Karten wie ein junger Mann, der einem Erfahreneren sein Vertrauen schenkt.

»Herr Baron«, sagte er, »da ich schon die unverhoffte Ehre habe, Ihnen zu begegnen, möchte ich Ihnen reinen Wein einschenken ... Ich will Ihnen Ihre Geheimnisse nicht entlocken, aber ich will Ihnen die meinen anvertrauen, weil ich überzeugt bin, daß ich sie nicht in bessere Hände legen kann. Überdies brauche ich Ihren Rat, ich wollte Sie schon lange darum bitten.« Er öffnete ihm in der Tat sein Innerstes, erzählte ihm, wie er angefangen hatte, verheimlichte auch nicht die finanziellen Schwierigkeiten, die ihm in seinem Triumph zu schaffen machten. Er erwähnte alles: wie er nach und nach Erweiterungen vorgenommen und seine Gewinne immer wieder im Geschäft angelegt hatte, wie seine Angestellten ihm ihre Ersparnisse anvertraut hatten, wie das Haus bei jedem neuen Ausverkauf seine ganze Existenz riskierte, weil das gesamte Kapital sozusagen auf eine Karte gesetzt war. Doch er fragte gar nicht nach Geld, er besaß ein geradezu fanatisches Zutrauen zu seiner Kundschaft. Sein Ehrgeiz strebte viel höher. Er schlug dem Baron eine Zusammenarbeit vor: die Immobilienbank sollte den Riesenpalast stellen, von dem er träumte, während er für sein Teil seinen Unternehmungsgeist und die bereits vorhandene geschäftliche Grundlage dazugeben wollte.

»Was gedenken Sie denn anzufangen mit Ihren Grundstücken und Ihren Häusern?« fragte er in eindringlichem Ton. »Sie haben doch zweifellos einen Plan? Aber ich bin sicher, daß er nicht so viel wert ist wie der meine. Überlegen Sie doch nur! Wir errichten auf den Grundstücken ein Kaufhaus, wir legen die alten Bauten nieder oder lassen sie stehen, je nachdem, wie es für uns günstiger ist, und eröffnen das riesigste Warenhaus von Paris, einen Basar, der Millionen einbringen soll! – Ach, wenn ich es doch ohne Sie fertigbrächte! Aber Sie haben jetzt die ganze Sache in Händen. Wir müssen uns einigen, es wäre Selbstmord, wenn wir es nicht täten.«

»Wie stürmisch Sie sind, lieber Herr Mouret!« sagte der Baron lediglich. »Welch eine Phantasie!«

Er schüttelte den Kopf und lächelte, noch immer unentschieden, ob er Vertrauen für Vertrauen geben sollte. Der Plan der Immobilienbank bestand darin, in der Rue du Dix-Décembre ein Konkurrenzunternehmen zum Grand-Hotel zu errichten, einen Prachtbau, der in seiner zentralen Lage alle Fremden anziehen mußte. Da übrigens das Hotel nur die Randgrundstücke einnehmen sollte, hätte der Baron den Gedanken Mourets trotzdem aufgreifen und wegen der übrigen Häuser, die immerhin noch eine weite Fläche ausmachten, mit ihm verhandeln können. Allein er hatte sich bereits mit zwei anderen Freunden Henriettes eingelassen und war es nun müde, fortwährend den gefälligen Beschützer zu spielen. Überdies war er trotz seines eigenen Tätigkeitsdrangs von dem kaufmännischen Unternehmungsgeist Mourets mehr verblüfft als verlockt. War dieses Riesenkaufhaus nicht ein phantastisches, unkluges Projekt? Lief man nicht dem sicheren Bankrott in die Arme, wenn man den Modewarenhandel so über alle Grenzen hinaus ausdehnen wollte?

»Der Gedanke ist verführerisch«, sagte er, »allein er entspringt einem poetischen Gemüt. Wo wollen Sie die Kundschaft hernehmen, um einen solchen Riesenbau zu füllen?«

Mouret betrachtete ihn einen Augenblick stillschweigend, wie betroffen von seiner Ablehnung. War es möglich? Ein Mann von so ausgeprägtem Geschäftssinn, ein Mann, der das Geld in den verborgensten Tiefen witterte! Mit einer beredten Geste wies er nach den Damen im anstoßenden Salon und rief aus:

»Die Kundschaft? Da ist sie!«

Baron Hartmann betrachtete, Mourets Handbewegung folgend, durch die weit offenstehende Tür die Damen und lauschte mit einem Ohr ihren Gesprächen, während der junge Mann in dem Verlangen, ihn doch noch zu überzeugen, immer beredter wurde. Ein richtig geleitetes Geschäft stehe und falle mit einem fortgesetzten raschen Umschlag des Kapitals, das so häufig wie möglich im Jahr in Waren umgesetzt werden müsse.

»Das ist das ganze Geheimnis, Herr Baron. Es ist sehr einfach, aber man muß darauf kommen. Wir brauchen gar kein riesiges Kapital; unsere einzige Aufgabe ist die: so rasch wie möglich die eingekauften Waren wieder abzustoßen, um sie durch andere zu ersetzen, wodurch sich das Kapital stets von neuem verzinst. Auf diese Weise können wir uns mit einem bescheidenen Gewinn begnügen. Da unsere allgemeinen Unkosten die enorme Summe von sechzehn Prozent ausmachen und wir auf die Artikel nicht mehr als zwanzig Prozent aufschlagen, haben wir nur vier Prozent Gewinn; und doch muß das Millionen einbringen, wenn nur der Warenbestand fortwährend erneuert wird ... Sie begreifen jetzt, nicht wahr? Die Sache ist doch klar.«

Der Baron schüttelte noch immer den Kopf; er, der in der Finanzwelt als kühner Geschäftsmann bekannt war, blieb in dieser Sache zweifelnd und eigensinnig.

»Ich verstehe schon«, sagte er. »Sie verkaufen billig, um viel zu verkaufen, und Sie verkaufen viel, um billig zu verkaufen ... Aber verkaufen müssen Sie, und ich komme auf meine erste Frage zurück: wem werden Sie verkaufen? Wie wollen Sie einen so riesigen Umsatz aufrechterhalten?«

Mouret setzte zu einer Erklärung an, doch ein plötzliches Stimmengewirr aus dem Salon unterbrach ihn. Die Damen waren in eine lebhafte Auseinandersetzung geraten: abermals ging es um Spitzen, ihre Qualität und ihre Preise. Endlich wurden sie wieder leiser, die Stimmen gingen allmählich in ein Geflüster über.

»Glauben Sie mir«, sagte Mouret, als er wieder zu Wort kam, »man kann alles verkaufen, was man will, wenn man nur zu verkaufen versteht! Das ist eben unsere Kunst.«

Mit seinem südlichen Temperament setzte er dem Baron das Wesen des modernen Verkaufs auseinander. Da war vor allem die überwältigende Macht, die von einem riesigen, an einem Punkt konzentrierten Warenangebot ausging; niemals durfte es an etwas fehlen, jeder gewünschte Artikel mußte stets zur Stelle sein, die Kundin wurde von Tisch zu Tisch gezogen, kaufte hier einen Stoff, dort die Zutaten und wieder an einem ändern Tisch einen Mantel, sie kleidete sich ein, stieß abermals auf etwas Unvorhergesehenes und gab dem Wunsch nach allerlei überflüssigen, aber hübschen Dingen nach. Dann pries er die Einrichtung, die Waren für jedermann ersichtlich auszuzeichnen. Heutzutage spiele sich der Konkurrenzkampf sozusagen unter den Augen des Publikums ab, ein Spaziergang vor den Auslagen könne das künftige Preisniveau bestimmen. Man begnüge sich mit einem geringen Gewinn, Betrügereien gebe es nicht mehr; die Zeiten seien vorbei, da man sich an einem Artikel bereichert habe, indem man ihn um das Doppelte seines Werts verkaufte. Flotter Umsatz, ein angemessener Verdienst an allen Waren, geschickt veranstaltete Sonderverkäufe: darin lag das Geheimnis des Erfolgs. War das keine verblüffende Neuerung? Sie hatte den ganzen Markt auf den Kopf gestellt, ganz Paris umgewandelt und entsprach doch der Natur der Frau.

»Ich habe die Frau in meiner Gewalt – um den Rest brauche ich mich nicht zu kümmern!« sagte er in einem offenen Geständnis. Dieser Ausruf schien Baron Hartmann wankend zu machen. Sein Lächeln war nicht mehr spöttisch; er betrachtete den jungen Mann, der ihn durch seine Zuversicht allmählich gewann.

»Still!« sagte er leise in väterlichem Ton, »man könnte Sie hören.«

Doch die Damen sprachen jetzt alle auf einmal und waren dermaßen hingerissen von ihrem Thema, daß sie nicht einmal einander mehr zuhörten.

Flüsternd, als wollte er ihm eines jener Geständnisse machen, wie sie unter Männern zuweilen vorkommen, führte Mouret seine Erklärungen zu Ende. Alles lief auf die Ausbeutung der Frauen hinaus. Die Warenhäuser machten sich die Frauen durch ihre gegenseitige Konkurrenz streitig, verwirrten sie durch ihre Auslagen, lockten sie in die Falle ihrer Gelegenheitskäufe. Sie weckten neue Wünsche in den Frauen, sie bildeten eine ungeheure Versuchung, der jede zum Opfer fiel, ob sie auch anfangs als gute Hausfrau nur billig einzukaufen gedachte: sie wurde unfehlbar durch ihre Koketterie fortgerissen und zum Schluß betört. Wenn in diesen Warenhäusern die Frau als die Königin dastand, angebetet und umschmeichelt in ihren Schwächen, umgeben von aller Zuvorkommenheit, so herrschte sie doch nur als eine Königin der Liebe, deren Untertanen mit ihr ein Spiel treiben und die jede ihrer Launen mit einem Tropfen ihres Blutes bezahlt. Und unter Mourets liebenswürdigem Wesen verbarg sich die Mißachtung des Mannes der Frau gegenüber, die die Dummheit begangen hat, sich ihm hinzugeben.

»Wer die Frauen in der Hand hat«, sagte er leise, mit einem überlegenen Lächeln zu Baron Hartmann, »der kann die ganze Welt verkaufen.«

Jetzt begriff der Baron. Er zwinkerte verständnisinnig mit den Augen und betrachtete Mouret allmählich mit Bewunderung. Unbewußt gebrauchte er denselben Ausdruck wie Bourdoncle, ein Wort, das seine langjährige Erfahrung ihm eingab:

»Sie werden sich an Ihnen rächen.«

Doch Mouret zuckte in vernichtender Mißachtung die Achseln. Alle gehörten sie ja ihm, meinte er, und er lieferte sich keiner aus. Wenn er sein Vermögen und sein Vergnügen aus ihnen herausgeholt hatte, würde er sie sämtlich abschütteln und denen überlassen, die dann noch auf ihre Rechnung kommen könnten.

»Wie ist es, verehrter Baron«, fragte er zum Schluß, »wollen Sie mit mir gehen? Erscheint Ihnen das Grundstücksgeschäft so durchführbar?«

Obgleich halb besiegt, wollte sich der Baron noch immer nicht binden. Er war schon im Begriff, ausweichend zu antworten, als plötzlich ein dringender Ruf der Damen ihn dieser Mühe enthob.

»Herr Mouret, Herr Mouret!« ertönte es aus dem Salon.

Und als dieser, verdrossen über die Störung, so tat, als hörte er nicht, kam Frau von Boves zur Tür des kleinen Salons.

»Man verlangt nach Ihnen, Herr Mouret«, sagte sie. »Es ist gar nicht höflich von Ihnen, sich so in einen Winkel zu verkriechen und von Geschäften zu sprechen.«

Er machte gute Miene zum bösen Spiel, die beiden Herren erhoben sich und begaben sich in den Salon.

»Ich stehe Ihnen ganz zu Diensten, meine Damen«, sagte Mouret mit einem Lächeln auf den Lippen.

Lautes Rufen empfing ihn. Er mußte näher herankommen, die Damen machten ihm Platz in ihrer Mitte. Herr von Boves und Vallagnosc standen am Fenster und unterhielten sich, während Herr Marty, der eben erst gekommen war, offenbar äußerst bestürzt dem Gespräch der Damen über ihre Toilettensorgen folgte.

»Bleibt es dabei, daß der Sonderverkauf am nächsten Montag stattfindet?« fragte Frau Marty.

»Gewiß«, erwiderte Mouret mit schmelzender Stimme, einem Tonfall, den er immer annahm, sowie er mit Frauen sprach.

»Wir gehen nämlich alle hin«, bemerkte Henriette. »Man erzählt sich, daß Sie wahre Wunder vorbereiten.«

»Wunder?« meinte er mit geheuchelter Bescheidenheit. »Ich bin nur bestrebt, mich Ihres Vertrauens würdig zu erweisen.«

Nun drangen sie mit Fragen in ihn. Frau Bourdelais, Frau Guibal und selbst Blanche wollten Näheres wissen.

»Erzählen Sie uns doch etwas darüber«, wiederholte Frau von Boves eindringlich. »Wir sterben vor Neugierde.«

Sie umringten ihn, als Henriette bemerkte, daß er noch keinen Tee bekommen habe. Alle waren untröstlich; ihrer vier auf einmal wollten sie ihn bedienen, nur unter der Bedingung allerdings, daß er ihre Neugierde befriedige. Henriette goß den Tee ein, Frau Marty hielt die Tasse, während Frau von Boves und Frau Bourdelais sich um die Ehre stritten, ihm Zucker zu geben. Er weigerte sich, Platz zu nehmen, und trank seinen Tee stehend; sie nahmen ihn in die Mitte, er war gefangen im engen Kreis ihrer Röcke. Mit leuchtenden Blicken und lächelndem Mund sahen sie zu ihm auf.

»Was ist mit Ihrer Seide, mit Ihrem ›Pariser Glück‹, von dem alle Zeitungen sprechen?« fragte Frau Marty ungeduldig.

»Oh, das ist etwas Außerordentliches!« erwiderte er. »Ein festes und doch überaus schmiegsames Gewebe ... Sie werden ja sehen, meine Damen ... Sie finden den Stoff nur bei uns, denn wir haben das Alleinverkaufsrecht erworben.«

»Wirklich? Eine schöne Seide zu fünf Franken sechzig!« rief Frau Bourdelais begeistert. »Es ist kaum zu glauben!«

Seit das Lob dieser Seide durch die Reklame in alle Winde getragen wurde, nahm sie im Leben der Damen einen bedeutenden Platz ein. Sie sprachen nur davon, und in der geschwätzigen Neugierde, mit der sie den jungen Mann bestürmten, zeigte sich jede einzelne von ihnen in ihrer unverwechselbaren Eigenart: Frau Marty, die in ihrer Leidenschaft fürs Geldausgeben im »Paradies der Damen« wahllos alles zusammenkaufte; Frau Guibal, die stundenlang darin herumspazierte, ohne etwas zu kaufen, schon zufrieden mit der Augenweide; Frau von Boves, die ewig in Geldverlegenheiten war und mit gierigen Blicken die Waren verschlang, die sie sich nicht leisten konnte; Frau Bourdelais mit ihrem bürgerlich vernünftigen und praktischen Sinn, die nur auf die günstigen Angebote losging und auch in den großen Warenhäusern die Besonnenheit und das Geschick der guten Hausfrau zur Geltung brachte; endlich Henriette, die in allen Dingen Wert auf höchste Eleganz legte und im »Paradies der Damen« nur bestimmte Dinge kaufte, wie ihre Handschuhe, Wollwaren und einfachere Wäsche und dergleichen.

»Wir haben noch andere erstaunlich schöne und billige Stoffe«, fuhr Mouret mit seiner einschmeichelnden Stimme fort; »so empfehle ich Ihnen unsere ›Goldhaut‹, einen Taft von unvergleichlichem Glanz; dann Phantasieseiden in reizenden Mustern, die unser Einkäufer mit besonderer Sorgfalt ausgewählt hat; und was die Samte betrifft, so finden Sie bei uns ein reiches Sortiment in allen Farben ... Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß man in diesem Jahr sehr viel Wollstoffe tragen wird.«

Sie unterbrachen ihn nicht mehr. Sie hatten den Kreis um ihn fest geschlossen; mit einem Lächeln auf den halbgeöffneten Lippen standen sie da, das Gesicht gespannt, als strebe ihr ganzes Wesen dem Versucher zu. Er aber fuhr fort, zwischen seinen Sätzen immer wieder einen Schluck Tee zu trinken, und bewahrte die Ruhe eines Eroberers. Angesichts dieser Verführungskunst, die sich selbst zu beherrschen wußte, aber stark genug war, um dermaßen mit den Frauen zu spielen, fühlte Baron Hartmann, der Mouret nicht aus den Augen ließ, seine Bewunderung für den jungen Mann immer mehr wachsen.

Frau Bourdelais, die ihre Besonnenheit bewahrt hatte, meinte nun:

»Nicht wahr, der Resteausverkauf ist am Donnerstag? ... Da will ich lieber warten, denn ich habe alle meine Kleinen anzuziehen.«

Sie wandte sich zu der Dame des Hauses und fragte:

»Läßt du noch immer bei der Sauveur arbeiten?«

»Mein Gott, ja«, erwiderte Henriette. »Die Sauveur ist sehr teuer, aber außer ihr gibt es niemanden in Paris, der ein anständiges Kleid zu machen versteht. Und Herr Mouret mag sagen, was er will: man findet bei ihr die schönsten Muster – Muster, die es sonst nirgends gibt. Ich mag es nicht, wenn ich meine Kleider bei allen Leuten wiederfinde.«

Mouret lächelte geheimnisvoll; dann gab er zu verstehen, daß auch Frau Sauveur ihre Stoffe bei ihm kaufe. Gelegentlich allerdings übernehme sie gewisse Muster, für die sie sich das Alleinverkaufsrecht sichere, direkt vom Fabrikanten; aber ihre schwarzen Seiden beispielsweise beziehe sie ausschließlich beim »Paradies der Damen«. Sie decke sich dort immer wieder erheblich ein und verkaufe ihre Vorräte dann zu doppelten und dreifachen Preisen weiter.

»Ich bin sicher«, schloß er, »daß ihre Leute auch unser ›Pariser Glück‹ aufkaufen werden. Warum sollte sie denn in der Fabrik für den Stoff mehr zahlen als bei mir? Mein Ehrenwort: wir verkaufen die Seide mit Verlust.«

Das war der letzte Schlag, den er gegen die Damen führte. Der Gedanke, etwas unter dem Einkaufspreis zu bekommen, stachelte in ihnen alle Leidenschaften der Frau auf, deren Genuß doppelt ist, wenn sie den Kaufmann zu übervorteilen glaubt. Er wußte, sie würden einem billigen Angebot nicht widerstehen können.

»Bei uns wird alles zu Spottpreisen verkauft!« rief er vergnügt, während er den Fächer von Frau Desforges vom Tischchennahm.

»Sehen Sie diesen Fächer: ich weiß nicht, was er gekostet hat ...«

»Die Chantillyspitze fünfundzwanzig Franken, das Gestell samt der Arbeit zweihundert«, sagte Henriette.

»Schön: die Spitze ist nicht teuer, obwohl Sie bei uns die gleiche für achtzehn Franken bekommen. Was aber die Verarbeitung betrifft, liebe gnädige Frau, so sind Sie abscheulich betrogen worden; ich mache mich anheischig, ein ganz ähnliches Stück um neunzig Franken zu beschaffen.«

»Ich sagte es ja!« rief Frau Bourdelais.

»Neunzig Franken!« murmelte Frau von Boves; »da muß man in der Tat eine Bettlerin sein, um sich das zu versagen.«

Sie nahm den Fächer und betrachtete ihn von neuem, und in ihrem regelmäßigen Gesicht, in ihren großen, schmachtenden Augen spiegelte sich die nur mühsam zurückgehaltene Begierde. Abermals machte der Fächer die Runde unter den Damen. Herr von Boves und Vallagnosc hatten inzwischen das Fenster verlassen. Der Graf war hinter Frau Guibal getreten und starrte mit undurchdringlicher Miene in ihren Ausschnitt. Als er den schmerzlichen Blick auffing, mit dem seine Frau dem Fächer folgte, hielt er es für gut, auch etwas zu dem Thema zu sagen.

»Diese Dinger sind gar zu zerbrechlich«, meinte er.

»Reden wir nicht davon«, warf mit geziert gleichgültiger Miene Frau Guibal ein. »Ich bin es schon überdrüssig geworden, meine Fächer immer wieder reparieren zu lassen.«

Ganz aufgeregt durch diese Unterhaltung, drehte Frau Marty schon seit einer Weile ihre rote Ledertasche fieberhaft auf den Knien hin und her. Sie hatte ihre Einkäufe noch immer nicht gezeigt und brannte darauf, sie auszukramen. Endlich konnte sie sich nicht länger beherrschen; sie vergaß ganz die Anwesenheit ihres Mannes, öffnete die Ledertasche und holte einige Meter schmale, auf einen Karton gerollte Spitzen hervor.

»Das sind die Valenciennes für meine Tochter. Drei Zentimeter breit. Köstlich, nicht wahr? Einen Franken neunzig der Meter.« Die Spitzen wanderten von Hand zu Hand. Die Damen waren ganz hingerissen. Mouret versicherte, daß er diese kleinen Garnituren zum Fabrikpreis abgebe. Frau Marty hatte inzwischen ihre Ledertasche wieder geschlossen, wie um Sachen darin zu verbergen, die man nicht vorzeigt. Als sie aber den Beifall sah, den die Spitzen gefunden hatten, konnte sie dem Verlangen nicht widerstehen, noch etwas hervorzuholen.

»Diese Taschentücher habe ich ebenfalls gekauft. Brüsseler Arbeit, meine Liebe! Rein geschenkt! Zwanzig Franken!«

Und nun erwies sich die Tasche als unerschöpflich. Frau Marty errötete vor Vergnügen, jedes Stück, das sie hervorholte, bereitete ihr sichtlich einen neuen Genuß. Da war vor allem ein Halstuch für dreißig Franken; sie hatte es gar nicht kaufen wollen, allein der Verkäufer hatte ihr geschworen, es sei das letzte und sie kämen nicht mehr nach. Dann tauchte ein Schleier aus Chantillyspitzen auf; ziemlich teuer: fünfzig Franken. Wenn sie ihn nicht tragen sollte, so konnte sie ihrer Tochter etwas daraus machen.

»Mein Gott: Spitzen sind gar so hübsch!« wiederholte sie immerfort mit nervösem Lachen. »Wenn ich einmal dabei bin, möchte ich das ganze Warenhaus leerkaufen.«

»Und was ist das?« fragte Frau von Boves und betrachtete ein großes Stück Gipüre.

»Ach, das habe ich so nebenher gekauft, es sind sechsundzwanzig Meter Besatz, der Meter zu nur einem Franken, was sagen Sie dazu?«

»Sieh an!« bemerkte Frau Bourdelais überrascht. »Was wollen Sie damit anfangen?«

»Das weiß ich noch nicht ... Aber das Muster war so entzückend.«

In diesem Augenblick schaute sie auf und erblickte ihren Mann, der mit versteinertem Antlitz dastand. Jedes neue Stück Spitze war für ihn ein Unglück, verschlang die Früchte langer Arbeitstage, bedeutete die Jagd nach neuen Privatstunden. Als sie das steigende Entsetzen in seinen Blicken las, wollte sie rasch alles wieder einpacken: die Taschentücher, den Schleier, das Halstuch; sie fuchtelte nervös herum und meinte mit verlegenem Lächeln:

»Sie werden es noch dahin bringen, daß mein Mann mich ausschilt ... Dabei versichere ich dir, daß ich sehr vernünftig war. Da gab es eine große, wunderbare Spitze zu fünfhundert Franken je Meter!«

»Warum haben Sie sie denn nicht gekauft?« fragte ruhig Frau Guibal. »Sie haben doch den zuvorkommendsten aller Gatten.«

Herr Marty verneigte sich und erklärte, seine Frau sei in ihren Entscheidungen völlig frei. Allein beim Gedanken an die erwähnte große Spitze überlief ihn ein eiskalter Schauer. Und als er hörte, wie Mouret sagte, die Warenhäuser trügen ein gut Teil zum Wohlstand der mittleren Bürgerkreise bei, warf er ihm einen haßerfüllten Blick zu.

Die Damen betrachteten noch immer die Spitzen und fanden ihr Vergnügen daran. Die Stücke wurden auf- und zugerollt, gingen von Hand zu Hand. Sie überhäuften Mouret mit neuen Fragen. Da es langsam dunkel wurde, mußte er sich von Zeit zu Zeit zu ihnen niederbeugen, um eine Spitze zu begutachten, ein Muster zu erklären. Aber trotz des Entzückens, das er heuchelte, blieb er inmitten des warmen Dufts ihrer Schultern stets ihr Herr. Er schien selbst zur Frau zu werden, sie fühlten sich durchdrungen und hingerissen von dem Zartgefühl, mit dem er ihr innerstes Wesen erfaßte, und überließen sich ganz seiner Verführung.

Henrierte hatte sich zurückgezogen und sprach in der Fensternische leise mit dem Baron.

»Er ist ein reizender Junge!« versicherte Hartmann.

»Nicht wahr?« rief sie mit dem unwillkürlichen Ausdruck einer verliebten Frau.

Er lächelte und betrachtete sie nachsichtig. Es war das erstemal, daß er sie so sehr gefangen fand; zu überlegen, um deswegen gekränkt zu sein, bedauerte er vielmehr, sie in den Händen dieses so galant auftretenden und doch so kühlen Burschen zu sehen. Er fühlte sich verpflichtet, sie zu warnen, und murmelte scherzhaft:

»Nehmen Sie sich in acht, meine Liebe, er wird Sie alle verschlingen.«

Eine eifersüchtige Flamme blitzte in den schönen Augen Henriettes auf; sie begriff ohne Zweifel, daß Mouret sich ihrer nur bedient hatte, um mit dem Baron in Verbindung zu treten, und beschloß, ihn nun erst recht wahnsinnig vor Liebe zu machen.

»Oh«, erwiderte sie und schlug auch ihrerseits einen scherzhaften Ton an, »am Ende frißt doch noch das Lamm den Wolf.« Der Baron ermutigte sie mit einem Kopfnicken. Vielleicht war sie die Frau, die bestimmt war, die übrigen zu rächen.

Mouret hatte unterdessen Vallagnosc noch einmal eingeladen, doch einmal seine Firma zu besichtigen. Nun kam er heran, um sich zu verabschieden. Da hielt ihn der Baron in der Fensternische zurück. Er war endlich der Verführung erlegen, der Anblick des jungen Mannes inmitten dieser Damen hatte ihn überzeugt. Die beiden plauderten einen Augenblick mit gedämpfter Stimme. Dann erklärte der Bankier:

»Gut, ich will die Sache prüfen ... Sie können das Geschäft als abgeschlossen betrachten, wenn Ihr Sonderverkauf am nächsten Montag wirklich ein solcher Erfolg wird, wie Sie hoffen.«

Sie drückten einander die Hand, und Mouret nahm mit entzückter Miene Abschied.


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