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Die Bureaux der »Hoffnung«, jenes notleidenden katholischen Blattes, welches Saccard auf Anerbieten Jantrous gekauft hatte, damit es die Gründung und die Thätigkeit der Universalbank unterstütze, befanden sich in der Rue Saint-Joseph, in einem dunkeln, feuchten Hause, wo sie im Hintergrunde des Hofes das erste Stockwerk einnahmen. Vom Vorzimmer, wo unablässig das Gas brannte, gelangte man in einen Korridor; links befand sich das Kabinet des Direktors Jantrou, nebst einem Zimmer, welches Saccard sich selbst vorbehalten hatte; rechts lagen neben einander der gemeinsame Redaktionssaal, das Kabinet des Sekretärs, die den verschiedenen Dienstabtheilungen vorbehaltenen Kabinete. Auf der anderen Seite des Flurs waren die Administration und die Kasse untergebracht, durch einen inneren Gang, welcher hinter der Treppe verlief, mit der Redaktion verbunden.
Jordan war heute als Erster angekommen, um nicht gestört zu werden. Er hatte eine Chronik zu vollenden. Um vier Uhr trat er aus dem gemeinsamen Arbeitssaale, um den Bureaudiener Dejoie zu suchen, welcher trotz des strahlenden Junitages, der draußen die Straßen erhellte, bei der breiten Gasflamme neugierig den Börsen-Kurszettel las, welchen man soeben gebracht hatte.
– Sagen Sie, Dejoie: ist nicht Herr Jantrou soeben angekommen?
– Ja, Herr Jordan.
Der junge Mann zögerte einen Augenblick; ein kurzes Unbehagen hielt ihn zurück. Die schwierigen Anfänge seines glücklichen Ehestandes wurden durch alte Schulden noch unerquicklicher gemacht. Trotzdem er das Glück gehabt dieses Blatt zu finden, in welchem er Artikel unterbrachte, hatte er eine Zeit drückender Noth durchzumachen, umsomehr als seine Bezüge gepfändet waren und er gerade an diesem Tage wieder einen Wechsel einzulösen hatte, wenn seine bescheidene Wohnungseinrichtung nicht verlaust werden sollte. Zweimal schon hatte er vom Direktor vergebens einen Vorschuß verlangt; derselbe hatte sich immer wieder hinter der Pfändung verschanzt.
Indeß entschloß sich Jordan dennoch wieder. Er näherte sich der Thür, als der Bureaudiener ihn zurückhielt.
– Herr Jantrou ist nicht allein.
– Ah! Und wer ist bei ihm?
– Er ist mit Herrn Saccard gekommen und Herr Saccard hat mir aufgetragen, niemand Andern einzulassen als Herrn Huret, den er erwartet.
Jordan athmete auf; dieser Aufschub war ihm eine Erleichterung, so sehr war es ihm peinlich, Geld verlangen zu müssen.
– Gut; ich will meinen Artikel beendigen. Benachrichtigen Sie mich, wenn der Direktor frei ist.
Doch als er wieder in den Redaktionssaal eintreten wollte, hielt ihn Dejoie mit einem Freudenschrei auf:
– Wissen Sie, daß Universalbank auf 750 stehen!
Der junge Mann antwortete mit einer Geberde, welche besagen wollte, daß er sich wenig darum kümmere und kehrte in den Redaktionssaal zurück.
Fast jeden Tag machte Saccard nach der Börse einen Besuch bei der Zeitung; nicht selten gab er Rendezvous in dem Zimmer, welches er sich dort vorbehalten hatte, und verhandelte da besondere, geheimnißvolle Angelegenheiten. Jantrou, obgleich offiziell nur Direktor der »Hoffnung«, wo er politische Artikel in einem sorgfältigen, blühenden Style schrieb, welchem selbst seine Gegner den »reinsten Attizismus« zuerkannten, war im Grunde Saccard's geheimer Agent, der dienstfertige Gehilfe in heiklen Geschäften. Unter anderen Dingen hatte er eine weit ausgedehnte Publizität um die Universalbank organisirt. Unter den kleinen Finanzblättern, von welchen der Pariser Platz wimmelte, hatte er etwa zehn ausgewählt und angekauft. Die besseren dieser Blätter gehörten Bankhäusern von zweideutigem Rufe an deren sehr einfache Taktik darin bestand, sie zu einem Abonnementspreise von zwei oder drei Francs unter die Leute zu bringen, um einen Betrag also, welcher kaum das Postporto deckte. Sie entschädigten sich auf einer anderen Seite, arbeiteten mit dem Gelde und den Wertpapieren der Klienten, welche das Blatt ihnen zuführte. Unter dem Vorwande, die Börsenkurse und die Verlosungen zu veröffentlichen, alle jene technischen Mittheilungen zu bringen, welche für den kleinen Rentier von Nutzen sind, wurden nach und nach Reklamen in der Form von Empfehlungen und Rathschlägen eingeschmuggelt, anfänglich bescheiden, vernünftig, bald aber maßlos, von einer ruhigen Unverschämtheit, den Ruin unter die leichtgläubigen Abonnenten tragend. Aus dem Wuste, aus den zwei- oder dreihundert Blättern, welche in solcher Weise Paris und Frankreich verheerten, hatte sein Spürsinn diejenigen ausgewählt, die nicht allzu frech gelogen und sich noch nicht vollends um alles Ansehen gebracht hatten. Die große Angelegenheit jedoch, die er im Sinne hatte, war, eines dieser Blätter – die » Cote financière« – anzukaufen, welche zwölf Jahre absoluter Rechtschaffenheit hinter sich hatte; allein, diese Rechtschaffenheit drohte sehr kostspielig zu werden und er wartete, bis die Universalbank reicher sein würde und in eine Lage käme, wo ein letzter Posaunenstoß dem betäubenden Reklamenlärm den entscheidenden Werth verleiht. Seine Anstrengungen hatten sich übrigens nicht darauf beschränkt ein gefügiges Bataillon solcher Fachblätter um sich zu gruppiren, welche in jeder Nummer die Schönheit der Operationen Saccard's rühmten; er unterhandelte auch wegen Gewinnung der großen politischen und litterarischen Blätter, welche – für so und so viel die Zeile – freundliche Notizen und lobende Artikel brachten; er versicherte sich ihrer Unterstützung durch Ueberlassung von Aktien bei den neuen Emissionen. Dazu kam noch der tägliche Feldzug, welchen unter seinen Befehlen die »Hoffnung« führte, nicht etwa ein Feldzug handgreiflicher, plumper Zustimmungen, sondern Erläuterungen, Diskussionen, eine langsam vorgehende Art und Weise, sich des Publikums zu bemächtigen und es in ganz korrekter Weise zu erwürgen.
Heute hatte sich Saccard wieder mit Jantrou eingeschlossen, um über das Blatt mit ihm zu reden. Er hatte in der Morgenausgabe desselben einen Artikel Huret's gefunden, in welchem Rougon für eine Rede, die er am vorhergehenden Tage in der Kammer gehalten, so übertrieben belobt wurde, daß Saccard darüber in heftigen Zorn gerathen war. Er erwartete jetzt den Deputirten, um sich mit ihm darüber auseinanderzusetzen. Glaubte man etwa, er stehe im Solde seines Bruders? Bezahlte man ihn dafür, daß er die Richtung des Blattes durch eine rückhaltlose Gutheißung der mindesten Akte des Ministers kompromittiren lasse? Jantrou lächelte still, als er ihn von der Richtung des Blattes sprechen hörte. Er hörte ihm übrigens ruhig zu, betrachtete dabei seine Fingernägel, da das Ungewitter nicht über ihn selbst loszubrechen drohte. Als ernüchterter Litterat hegte er eine vollkommene Verachtung für die Litteratur, für die »Erste« und für die »Zweite«, wie er diejenigen Seiten des Blattes nannte, wo die Artikel – selbst die seinigen – erschienen; er interessirte sich nur für die Annoncen. Er war jetzt ein ganz neuer Mensch, mit einem eleganten Leibrock bekleidet, in dessen Knopfloch eine Rosette in lebhaften Farben blühte. Im Sommer trug er – über den Arm geworfen – einen leichten Ueberzieher von hellem Stoff, im Winter war er in einen Pelz gehüllt, der hundert Louisdor gekostet hatte. Besondere Sorgfalt verwendete er auf seine Kopfbekleidung, trug nur Hüte von einem tadellosen Glanze. Und trotz alledem war seine Eleganz eine unvollständige; sie machte den unbestimmten Eindruck, daß unter dem äußeren Glanze die Unsauberkeit fortdauere, der alte Schmutz des deklassirten Professors, der aus dem Lyceum von Bordeaux an die Pariser Börse verschlagen worden, die Haut durchdrungen und gefärbt von Unfläthigkeiten jeder Art, die er daselbst zehn Jahre hindurch aufgenommen hatte; ebenso hatte er bei der anmaßenden Sicherheit seiner neuen Glücksstellung eine niedrige Unterwürfigkeit bewahrt und duckte sich, von der Furcht vor einem Fußtritt in den Hintern ergriffen, so wie ehemals. Er erwarb hunderttausend Francs im Jahr, verbrauchte das Doppelte, man wußte nicht wie, denn man sah ihn mit keiner Geliebten; ohne Zweifel fröhnte er irgend einem schmählichen Laster, welches auch die geheime Ursache seiner Vertreibung von der Universität war. Ueberdies verzehrte ihn allmälig der Absinth, seit den Tagen seines Elends; er setzte sein Werk fort von den ehemaligen schmutzigen Kaffeehäusern bis zu den eleganten Klubs, die er jetzt besuchte, fegte seine letzten Haare weg, gab seinem Schädel und seinem Gesicht eine Bleifarbe; sein schwarzer Fächerbart blieb sein letzter und einziger Ruhm, welcher die Illusion aufrecht erhielt, daß sein Träger einst ein hübscher Mann gewesen. Und als Saccard abermals von der Richtung des Blattes sprach, unterbrach er ihn mit einer Handbewegung, mit der müden Miene eines Mannes, welcher seine Zeit nicht gern mit unnützen Aufregungen verlor. Er entschloß sich endlich, von ernsten Geschäften mit ihm zu reden, da Huret auf sich warten ließ.
Seit einiger Zeit trug sich Jantrou mit neuen Ideen in Betreff der Oeffentlichkeit. Er dachte anfänglich daran, eine Broschüre, nicht mehr als 20 Seiten stark, über die großen Unternehmungen zu schreiben, welche die Universalbank durchführte; die Flugschrift sollte aber interessant werden, wie ein kleiner Roman, in familiärem Styl dramatisirt. Mit dieser Flugschrift wollte er die Provinz überschwemmen, man sollte sie in den entferntesten Gegenden unentgeltlich vertheilen. Ferner projektirte er eine Nachrichten-Agentie, welche ein Börsen-Bulletin redigiren und in autographischer Vervielfältigung an etwa hundert der besten Provinzblätter versenden würde. Diese Blätter würden den Börsenbericht unentgeltlich oder zu einem lächerlich geringen Preise erhalten und man würde in solcher Weise eine Waffe in Händen haben, eine Gewalt, mit welcher alle concurrirenden Bankhäuser rechnen müßten. Da er Saccard kannte, flößte er ihm diese Ideen ein, bis der Letztere sie annahm, zu den seinigen machte und sie ausweitete bis zu dem Grade, daß er sie in Wirklichkeit neu schuf. So verflossen die Minuten; die beiden Herren waren jetzt dabei, die Verwendung der für die Publizität im nächsten Trimester auszugebenden Summen zu regeln: die den großen Blättern zu bezahlenden Subventionen, die Abfindung für den furchtbaren Berichterstatter eines gegnerischen Hauses, dessen Stillschweigen man erkaufen mußte, ferner den Kaufpreis für die vierte Seite eines alten, sehr respektirten Blattes. Und aus ihrer Freigebigkeit, aus all' dem Gelde, welches sie so geräuschvoll nach allen Windrichtungen verstreuten, trat vornehmlich ihre unermeßliche Verachtung für das Publikum hervor, ihre Geringschätzung von überlegenen Geschäftsleuten für die schwarze Unwissenheit der großen Heerde, die bereit ist, an alle Fabeln zu glauben, dermaßen verschlossen für die complicirten Operationen der Börse, daß die schamlosesten Prellereien die Vorübergehenden entflammten und einen Millionenregen herbeiführten.
Jordan, welcher noch fünfzig Zeilen für seinen Artikel brauchte, um denselben auf zwei Spalten zu verlängern, wurde jetzt durch den Bureaudiener Dejoie gestört, welcher ihn rief.
– Ach, ist Herr Jantrou jetzt allein? fragte er.
– Nein, Herr Jordan, noch nicht, aber Ihre Frau ist da und wünscht mit Ihnen zu sprechen.
Jordan eilte beunruhigt hinaus. Seit einigen Monaten, seitdem die Méchain endlich entdeckt hatte, daß er unter seinem Namen Artikel in die »Hoffnung« schrieb, wurde er wegen der sechs Wechsel zu je 50 Francs, die er ehemals seinem Schneider unterschrieben, von Busch verfolgt. Die 300 Francs würde er noch bezahlt haben, aber was ihn zur Verzweiflung trieb, war die ungeheure Höhe der Kosten, diese Gesammtsumme von 630 Francs und l5 Centimes, zu welcher die Schuld angewachsen war. Indeß hatte er einen Ausgleich geschlossen und sich verpflichtet, hundert Francs monatlich zu bezahlen; und da er es nicht konnte, weil sein junges Hauswesen dringendere Bedürfnisse hatte, stiegen die Kosten von Monat zu Monat und die Verdrießlichkeiten begannen immer von Neuem, um schließlich unerträglich zu werden. In diesem Augenblicke befand er sich abermals in einer gefahrvollen Krise.
– Was ist denn? fragte er seine Frau, die er im Vorzimmer traf. Allein sie hatte nicht die Zeit zu antworten, denn die Thür des Kabinets des Direktors wurde ungestüm geöffnet und Saccard erschien mit dem Rufe:
– Was ist denn, Dejoie? ist Herr Huret noch nicht erschienen?
Der Diener stammelte ganz verblüfft:
– Nein, mein Herr, er ist noch nicht da und ich kann ihn doch nicht früher herbringen.
Die Thür wurde mit einem Fluche wieder zugeworfen und Jordan, der seine Frau in eines der anstoßenden Kabinete geführt hatte, konnte sie endlich befragen:
– Was giebt es denn, Liebste?
Die gewöhnlich so heitere und so muthige Marcelle, deren kleine, dicke, braune Gestalt und deren helles Gesicht mit den lachenden Augen und dem gesunden Munde selbst in den schweren Stunden das Glück ausdrückten, schien jetzt ganz verstört.
– Ach, Paul, wenn Du wüßtest! ... Ein Mann ist gekommen, ein abscheulicher Mann, der so übel roch und der betrunken schien ... Er sagte mir, es sei aus und die Versteigerung unserer Möbel sei für morgen anberaumt ... Und er hatte eine Ankündigung bei sich, die er durchaus an das Hausthor heften wollte ...
– Aber das ist ja unmöglich! rief Jordan. Ich habe nichts erhalten. Es gibt da noch andere Formalitäten.
– Ach ja; Du kennst Dich darin noch weniger aus als ich. Wenn Papiere kommen, liest Du sie nicht einmal ... Ich gab ihm zwei Francs, damit er die Ankündigung nicht anhefte, und bin hieher gerannt, um Dich sogleich zu benachrichtigen.
Sie waren trostlos. Ihre arme, bescheidene Einrichtung in der Avenue Clichy, diese wenigen Möbelstücke von Acajou und blauem Rips, die sie so schwer, durch Ratenzahlungen erworben hatten, auf die sie so stolz waren, obgleich sie manchmal darüber lachten, weil sie von einem abscheulich spießbürgerlichen Geschmack waren! Sie liebten diese Einrichtung, weil sie seit der Hochzeitsnacht mit zu ihrem Glücke gehörte, in den zwei engen, aber sonnenhellen Zimmerchen, die einen weiten Ausblick, bis zum Mont Valérien gestatteten. Er hatte so viele Nägel in die Wände eingeschlagen und sie hatte Draperieen von Kattunstoff angebracht, um der Wohnung ein künstlerisches Aussehen zu geben. War es möglich, daß man ihnen Alldies verkaufen, daß man sie aus diesem lieblichen Neste verjagen wollte, wo selbst das Elend ihnen so köstlich geschienen!
– Höre, sagte er, ich hatte die Absicht einen Vorschuß zu verlangen; ich werde thun, was ich kann, aber ich habe wenig Hoffnung.
Zögernd theilte sie ihm nun ihre Idee mit.
– Höre, ich habe einen Gedanken ... Oh, ohne Deine Einwilligung würde ich es nicht gethan haben; zum Beweise dessen bin ich ja eben hieher gekommen, um mit Dir darüber zu sprechen ... Ja, ich habe Lust mich an meine Eltern zu wenden.
Er lehnte den Vorschlag heftig ab.
– Nein, nein, niemals! Du weißt, daß ich ihnen nichts zu verdanken haben will.
Gewiß, ihre Eltern, die Maugendre, bewahrten ein sehr schickliches Betragen. Aber er hatte ihnen ihre kühle Haltung nicht vergessen, als sie – nach dem Selbstmorde seines Vaters und in dem Zusammenbruch seines Vermögens – der seit langer Zeit geplanten Heirath ihrer Tochter nur auf den formellen Wunsch der Letzteren zustimmten und allerlei Vorsichtsmaßnahmen gegen ihn trafen, unter anderen diejenige, daß sie ihnen nicht einen Sou gaben, in der Ueberzeugung, daß ein Mensch, der in die Zeitungen schreibt, Alles aufzehrt. Später würde ihre Tochter erben. Und die jungen Eheleute hatten bisher einen Stolz darein gesetzt Noth zu leiden, ohne von den Eltern etwas zu verlangen, das Mittagsmahl ausgenommen, welches sie einmal die Woche, am Sonntag, bei ihnen einnahmen.
– Ich versichere Dir, unsere Zurückhaltung ist lächerlich, sagte sie. Da ich ihr einziges Kind bin und eines Tages Alles erben soll! ... Mein Vater erzählt es Jedem, wer es hören will, daß er mit seiner Theerdecken-Fabrik in la Vilette fünfzehntausend Francs Rente erworben hat. Außerdem haben sie ihr Wohnhaus mit einem schönen Garten, wohin sie sich zurückgezogen haben ... Es ist blöd, daß wir uns so quälen, während sie in Allem Ueberfluß haben. Sie waren im Grunde niemals schlecht. Ich sage Dir: ich werde ihnen einen Besuch machen.
Sie war von einem heiteren Muthe, sehr entschlossen, sehr praktisch in ihrem Bestreben, ihren theuren Gatten zu beglücken, der so viel arbeitete, ohne bisher bei dem Publikum und bei der Kritik mehr erzielt zu haben, als viel Gleichgiltigkeit und einige Hiebe. Ach, das Geld! sie hätte es scheffelweise besitzen wollen, um es ihm zu bringen; und er wäre sehr dumm gewesen den Zartsinnigen zu spielen, da sie ihn liebte und ihm Alles verdankte. Dies war ihr Feenmärchen, ihr Aschenbrödel: die Schätze ihrer königlichen Familie, welche sie mit ihren Händchen ihrem ruinirten Prinzen zu Füßen legte, um ihm auf seinem Wege nach dem Ruhme, auf seinem Welteroberungs-Zuge beizustehen.
– Schau, sagte sie heiter, indem sie ihn küßte ich muß Dir doch zu etwas nützlich sein; Du kannst doch nicht alle Sorge allein tragen.
Er gab nach; sie einigten sich, daß Marcelle sogleich nach der Rue Legendre in Batignolles gehen werde, wo ihre Eltern wohnten und daß sie wiederkommen werde, um ihm das Geld zu bringen, damit er noch an demselben Abend zu zahlen versuchen könne. Und als er sie aus den Flur hinaus begleitete, – dermaßen bewegt, als ginge sie einer großen Gefahr entgegen – mußten sie beiseite treten, um Huret vorbei zu lassen, der endlich ankam. Als Jordan in den Redaktions-Saal zurückkehrte, hörte er einen heftigen Wortwechsel aus dem Kabinet Jantrou's dringen.
Saccard, von Neuem der mächtige Gebieter geworden, forderte Gehorsam, weil er wußte, daß er sie alle in seiner Gewalt hatte durch die Hoffnung auf Gewinn und durch die Furcht vor Verlust, – in dieser kolossalen Glückspartie, die er mit ihnen spielte.
– Ach, endlich sind Sie da! rief er, als er Huret bemerkte. Sie haben wohl so lange in der Kammer verweilt, um dem großen Manne Ihren Artikel eingerahmt zu überreichen? ... Die Beräucherung, die Sie ihm angedeihen lassen, habe ich endlich satt und ich habe auf Sie gewartet, um Ihnen zu sagen, daß es damit aus ist und daß Sie uns künftig andere Dinge geben müssen.
Verblüfft blickte Huret auf Jantrou. Doch dieser war entschlossen, sich keine Unannehmlichkeiten an den Hals zu ziehen, indem er Jenen unterstützt; darum schaute er in die Höhe und streichelte seinen schönen Bart.
– Wieso, andere Dinge? antwortete der Deputirte endlich. Ich gebe Ihnen, was Sie von mir verlangt haben. Als Sie die »Hoffnung« kauften, dieses fortgeschritten katholische und royalistische Blatt, welches einen so wüthenden Feldzug gegen Rougon führte, baten Sie mich, eine Reihe lobender Artikel zu schreiben, um Ihrem Bruder zu zeigen, daß Sie ihm nicht feindlich gesinnt seien, und um die neue Richtung des Blattes anzudeuten.
– Jawohl, die Richtung des neuen Blattes, entgegnete Saccard heftig; diese Richtung ist es, welche Sie kompromittiren ... Glauben Sie etwa, ich werde mich meinem Bruder zu eigen geben? Gewiß, ich habe meine Bewunderung und meine Dankbarkeit für den Kaiser niemals auf den Markt gebracht und ich vergesse nicht, was wir alle ihm schuldig sind und was ich im Besonderen ihm schuldig bin. Allein, wenn man auf die begangenen Fehler hinweist, so heißt dies noch nicht das Kaiserreich angreifen, es heißt im Gegentheil seine Pflicht als treuer Unterthan erfüllen ... Die Richtung des Blattes ist folgende: Ergebenheit für die Dynastie, aber absolute Unabhängigkeit den Ministern, diesen Strebern gegenüber, die sich um die Gunst der Tuilerien streiten!
Und er erging sich in einer Prüfung der politischen Lage, um zu beweisen, daß der Kaiser schlecht berathen sei. Er beschuldigte Rougon, derselbe habe nicht mehr seine gebieterische Energie, seine ehemalige Zuversicht in die absolute Macht und paktire mit den liberalen Ideen, bloß um sein Portefeuille zu behalten. Er selbst warf sich in die Brust und sagte, er sei unerschütterlich, ein echter Bonapartist im ursprünglichen Sinne, an den Staatsstreich glaubend und überzeugt, daß das Heil Frankreichs – heute wie ehemals – in dem Genie und in der Kraft eines Einzigen bestehe. Und ehe er bei dieser Schwenkung seines Bruders mitthäte; ehe er zugäbe, daß der Kaiser durch neue Zugeständnisse einen Selbstmord begehe, wolle er lieber die Intransigenten der Diktatur sammeln, gemeinsame Sache mit den Katholiken machen, um den raschen Sturz aufzuhalten, den er voraussah. Und Rougon soll sich in Acht nehmen, denn die »Hoffnung« könnte ihren Feldzug zu Gunsten Rom's wieder eröffnen. Huret und Jantrou hörten ihm zu, erstaunt über seinen Zorn, weil sie niemals solche glühende politische Ueberzeugungen bei ihm vermuthet hatten. Der Erstere machte den Versuch, die letzten Akte der Regierung vertheidigen zu wollen.
– Mein Lieber! Wenn das Kaiserreich eine freiheitliche Richtung einschlägt, so wird es eben von ganz Frankreich gedrängt ... Der Kaiser wird fortgerissen und Rougon ist genöthigt ihm zu folgen.
Doch Saccard sprang schon zu anderen Vorwürfen über, ohne einen logischen Zusammenhang in seinen Angriffen zu beobachten.
– Ja, sehen Sie, es ist damit geradeso wie mit unserer auswärtigen Lage. Diese ist beklagenswerth ... Seit dem Vertrage von Villafranca nach Solferino bewahrt Italien einen Groll gegen uns, weil wir den Feldzug nicht zu Ende geführt und ihm Venedig nicht gegeben haben; so daß es sich jetzt mit Preußen verbündet hat, mit der Gewißheit, daß dieses ihm helfen wird Oesterreich zu schlagen. Wenn der Krieg losbricht, werden Sie die Schlägerei sehen und wie kläglich wir dastehen werden, umsomehr, als wir den Fehler begingen zu gestatten, daß Bismark und König Wilhelm in dem Handel mit Dänemark sich der nordischen Herzogthümer bemächtigen, mit völliger Mißachtung eines Vertrages, welchen Frankreich unterzeichnet hatte. Das ist eine Ohrfeige, darüber ist nichts zu reden; wir können nur mehr die andere Backe darbieten ... Ach, der Krieg ist sicher! Erinnern Sie sich nur der Baisse, die wir im vorigen Monat in französischen und italienischen Papieren hatten, als man an die Möglichkeit einer Einmischung Frankreichs in die Angelegenheiten Deutschlands glaubte. Ehe zwei Wochen vorüber sind, wird Europa in Flammen stehen.
Immer mehr überrascht ereiferte sich Huret gegen seine Gewohnheit.
– Sie reden wie die oppositionellen Zeitungen. Sie wollen doch nicht, daß die »Hoffnung« den Spuren des »Siècle« und der anderen Blätter folge ... Es bleibt uns nur mehr übrig, nach dem Beispiele dieser Blätter dem Publikum beibringen zu wollen, daß der Kaiser in der Angelegenheit von Schleswig-Holstein sich nur deßhalb demüthigen ließ und Preußens Vergrößerung nur deßhalb straflos gestattete, weil er viele Monate hindurch ein Armeekorps in Mexiko festgerannt hatte. Geben Sie doch ehrlich zu: mit Mexiko ist's aus, unsere Truppen kehren zurück ... Und ich begreife Sie überhaupt nicht, mein Lieber. Wenn Sie Rom für den Papst behalten wollen, warum tadeln Sie den raschen Abschluß des Friedens von Villafranca? Haben die Italiener erst Venedig, dann sind sie auch in Rom, ehe zwei Jahre vergehen. Sie wissen Das ebenso gut wie ich; und auch Rougon weiß es, obgleich er auf der Rednertribüne das Gegentheil schwört ...
– Sie sehen also, er ist ein Betrüger, rief Saccard stolz. Niemals – hören Sie? – niemals wird man den Papst anzutasten wagen, ohne daß das ganze katholische Frankreich sich erhebe, um ihn zu vertheidigen. Wir würden ihm unser Geld bringen, jawohl, alles Geld der Universalbank. Ich habe meinen Plan; darin liegt unser Geschäft und wahrhaftig, wenn Sie mich erbittern, werden Sie mich nöthigen Dinge zu sagen, die ich noch nicht sagen will.
Jantrou hatte plötzlich mit lebhaftem Interesse die Ohren gespitzt; er begann zu begreifen und trachtete aus irgend einem fallen gelassenen Worte Nutzen zu ziehen.
– Aber schließlich möchte ich wegen meiner Artikel doch wissen, woran ich mich zu halten habe, und wir müssen uns verständigen, sagte Huret ... Wollen Sie, daß man intervenire, oder wollen Sie, daß man nicht intervenire? Wenn wir für das Nationalitäten-Prinzip sind, mit welchem Rechte mengen wir uns dann in die Angelegenheiten Deutschlands und Italiens? Sollen wir wegen unserer gefährdeten Grenzen einen Feldzug gegen Bismark eröffnen?
Doch Saccard, der außer sich war, brach jetzt los.
– Was ich will, ist, daß Rougon mich nicht länger zum Besten halte! ... Wie? Nach Alldem, was ich für ihn gethan habe! ... Ich kaufe ein Blatt – den schlimmsten seiner Feinde, – mache daraus ein seiner Politik ergebenes Organ, lasse Sie Monate lang sein Lob singen und da soll der Kerl uns nicht einmal seinen Beistand leihen! Ich erwarte noch immer einen Dienst von seiner Seite!
Der Abgeordnete machte die schüchterne Bemerkung, daß die Unterstützung des Ministers dem Ingenieur Hamelin im Orient sehr zu Statten gekommen sei, ihm alle Thüren geöffnet habe, indem auf gewisse Persönlichkeiten ein Druck ausgeübt wurde.
– Lassen Sie mich zufrieden, er hat nicht anders können ... Aber hat er mir jemals am Vorabend einer Hausse oder einer Baisse einen Wink gegeben, er, der in seiner Stellung Alles wissen kann? Erinnern Sie sich nur: zwanzigmal habe ich Sie beauftragt ihn auszuholen, da Sie ihn täglich sehen und Sie lassen mich noch immer auf eine wahrhaft nützliche Antwort warten. Ein Wörtchen, das Sie mir wiedersagen würden: das wäre doch nicht so bedenklich!
– Gewiß; aber er liebt Dies nicht. Er sagt, dies seien Geschichten, die man immer bereut.
– Aber Gundermann gegenüber hat er solche Skrupel nicht? Mit mir spielt er den rechtschaffenen Mann und Gundermann gibt er die Nachrichten.
– Oh, Gundermann gewiß! Den Gundermann brauchen sie alle; ohne ihn können sie keine Anleihe machen.
Saccard schlug triumphirend die Hände zusammen.
– Da haben wir's! rief er. Sie gestehen! Das Kaiserreich ist an die Juden verkauft, an die schmutzigen Juden! All' unser Geld ist dazu verurtheilt, in ihre krummen Pranken zu fallen. Der Universalbank bleibt nichts übrig, als vor ihrer Allmacht in den Staub zu sinken.
Und er erging sich in seinem ererbten Hasse, in seinen Beschuldigungen gegen diese Race von Schelmen und Wucherern, die seit Jahrhunderten durch die Völker schreiten, deren Blut sie aussaugen, wie die Parasiten der Räude und der Krätze, und die trotz der Prügel und der Anspeiungen die ihnen zutheil werden, ihren Weg fortsetzen zur Eroberung der Welt, welche sie eines Tages vermöge der unbezwinglichen Macht des Goldes besitzen werden. Und er wetterte besonders gegen Gundermann, seinem alten Groll nachgebend, der unerfüllbaren, wüthenden Gier ihn niederzuschlagen, trotz der Vorahnung, daß Jener der Eckstein sei, an welchem er sich den Kopf einrennen werde, wenn es jemals zum Kampfe zwischen ihnen kommen sollte. Ach, dieser Gundermann! In seinem Innern ein Preuße, obwohl er in Frankreich geboren war! Denn er hegte offenbar gute Wünsche für Preußen; er würde es gerne mit seinem Gelde unterstützt haben, vielleicht unterstützte er es auch im Geheimen. Hatte er doch eines Abends in einem Salon zu sagen gewagt, daß wenn jemals ein Krieg zwischen Preußen und Frankreich ausbrechen würde, letzteres unterliegen würde!
– Ich habe die Sache satt; verstehen Sie mich, Huret? Und merken Sie sich's: wenn mein Bruder mir nicht nützlich ist, will auch ich ihm nicht nützlich sein! ... Wenn Sie mir von ihm ein gutes Wort bringen, d. i. eine Nachricht, die wir uns zunutze machen können, werde ich Ihnen gestatten, die Lobgesänge auf ihn wieder anzustimmen. Das ist doch klar?
Es war nur zu klar. Jantrou, der unter dem politischen Theoretiker seinen Saccard wieder erkannt hatte, begann von Neuem seinen Bart zu streicheln. Huret jedoch, in seiner vorsichtigen Schlauheit eines normannischen Bauern getroffen, schien sehr verstimmt; denn er hatte sein Glück auf die beiden Brüder gesetzt und hätte gewünscht, es mit keinem von beiden zu verderben.
– Sie haben Recht, brummte er; wir wollen einen Dämpfer aufsetzen, umsomehr, als wir die Ereignisse kommen sehen müssen ... Und ich verspreche Ihnen, daß ich Alles aufbieten will, um die Vertraulichkeiten des großen Mannes zu gewinnen. Bei der ersten Nachricht, die ich von ihm erfahre, werfe ich mich in einen Fiaker und will sie Ihnen bringen.
Saccard, der seine Rolle zu Ende gespielt hatte, scherzte jetzt.
– Ich arbeite für Euch alle, meine Freunde ... Ich selbst bin immer ruinirt worden und habe immer eine Million jährlich verzehrt.
Auf das Thema der Oeffentlichkeit zurückgreifend, fuhr er fort:
– Hören Sie mal, Jantrou! Sie sollten Ihr Börsenbulletin ein wenig lustiger machen, jawohl, Witze, Wortspiele einflechten. Das Publikum nimmt Alles hin, wenn es ihm geistreich vorgesetzt wird ... Also, ich bitte um Witze!
Nun war an dem Direktor die Reihe verdrossen zu sein. Er bildete sich auf seine litterarische Vornehmheit etwas ein. Allein, er mußte versprechen, was Saccard verlangte. Und als er eine Geschichte erfand, laut welcher sehr hübsche Frauen sich ihm erbötig gemacht hatten, sich Annoncen an den heikelsten Stellen ihres Körpers tätowiren zu lassen, lachten die drei Männer sehr laut und wurden wieder die besten Freunde der Welt.
Inzwischen hatte Jordan seine Chronik beendigt und er ward von der Ungeduld verzehrt, seine Frau zurückkehren zu sehen. Es kamen einige Redakteure; er plauderte eine Weile mit ihnen, dann trat er wieder in das Vorzimmer hinaus. Hier überraschte er entrüstet den Diener Dejoie dabei, wie er an der Thür des Direktors lauschte, während seine Tochter Nathalie die Aufpasserin machte.
– Gehen Sie nicht hinein, stammelte der Diener; Herr Saccard ist noch immer da ... Ich glaubte, man habe mich gerufen ...
Die Wahrheit war, daß er, von einer wüthenden Gewinnsucht verzehrt, seitdem er für die viertausend Francs, welche sein Weib ihm hinterlassen, acht voll eingezahlte Aktien der Universalbank gekauft hatte, nur mehr in der frohen Aufregung lebte, seine Aktien steigen zu sehen. Vor Saccard im Staube kriechend, die geringsten seiner Worte erhaschend, wie diejenigen eines Orakels, konnte er, wenn der Generaldirektor da war, dem Drange nicht widerstehen, seine intimsten Gedanken zu erfahren und zu erlauschen, was sein Gott in dem vom Geheimniß umgebenen Sanktuarium sprach. Uebrigens war da kein Eigennutz im Spiel; er dachte nur an seine Tochter und begeisterte sich, wenn er berechnete, daß seine acht Aktien bei einem Kurse von 750 ihm bereits einen Gewinn von zwölfhundert Francs brachten, was zum Kapital geschlagen, fünftausendzweihundert Francs ausmachte. Noch hundert Francs Hausse und er hatte seine sechstausend Francs beisammen, die Mitgift, welche der Schachtelmacher für seinen Sohn forderte, wenn er ihm erlauben sollte Nathalie zur Frau zu nehmen. Bei diesem Gedanken schmolz sein Herz; er betrachtete mit thränenden Augen dieses Kind, welches er erzogen hatte, dessen wahre Mutter er war in dem kleinen, so glücklichen Haushalte, welchen sie führten, seitdem er sie der Pflegemutter abgenommen. In seiner Verwirrung stammelte er allerlei unzusammenhängende Worte, um sein neugieriges Horchen zu bemänteln; endlich sagte er:
– Nathalie, die herauf gekommen ist, um mich einen Augenblick zu sehen, hat soeben Ihre Gattin getroffen, Herr Jordan.
– Ja, bekräftigte das Mädchen. Sie bog in die Rue Feydeau ein. Oh, sie lief so schnell!
Dejoie ließ seine Tochter nach ihrem Belieben ausgehen, denn er war ihrer sicher, wie er sagte. Und er hatte Recht, wenn er auf ihre gute Aufführung zählte, denn sie war im Grunde zu kalt und zu sehr entschlossen, ihr eigenes Glück zu begründen, um durch eine Thorheit die seit so langer Zeit vorbereitete Heirath zu vereiteln. Mit ihrem zarten Wuchse und den großen Augen in dem hübschen, bleichen Gesichte liebte sie nur sich selbst, in egoistischer Beharrlichkeit und mit lächelnder Miene.
Jordan begriff nicht recht.
– Wie? in der Rue Feydeau? rief er überrascht.
Doch er hatte nicht Zeit ihn wieder zu befragen, denn Marcelle kam eben ganz athemlos an. Er führte sie sogleich in das benachbarte Zimmer, wo er den Tribunal-Berichterstatter fand, so daß er sich begnügen mußte, sich mit ihr auf einer Bank, im Hintergrunde des Ganges niederzulassen.
– Nun?
– Nun, Liebster, es ist in Ordnung gebracht, aber es ging nicht ohne Mühe.
Trotz seiner Befriedigung entging ihm nicht, daß sie das Herz schwer habe. Und sie erzählte ihm Alles, mit leiser, schwacher Stimme; denn vergebens gelobte sie sich, ihm gewisse Dinge zu verschweigen; sie konnte kein Geheimniß vor ihm haben.
Seit einiger Zeit änderten die Maugendre ihr Benehmen ihrer Tochter gegenüber. Sie fand sie weniger zärtlich, besorgt, allmälig von einer neuen Leidenschaft, dem Spiel ergriffen. Es war die gewöhnliche Geschichte: der Vater, ein dicker, stiller, kahler Mann mit weißem Backenbart, die Mutter hager, lebhaft, mitthätig bei Erwerbung des Vermögens; Beide zu üppig lebend in ihrem Hause von ihren 15000 Francs Renten, langweilten sie sich in ihrem Nichtsthun. Der Mann hatte keine andere Zerstreuung, als die Empfangnahme seines Geldes. Zu jener Zeit wetterte er gegen jede Spekulation, zuckte zornig und mitleidig die Schultern, wenn er von den armen Tröpfen sprach, die sich in ebenso blöden wie unsauberen Prellereien ausplündern lassen. Doch als er einmal eine große Summe empfing, kam er auf den Gedanken, dieselbe im Report anzulegen: das war keine Spekulation, das war eine einfache Kapitalsanlage; allein, seit jener Zeit hatte er die Gewohnheit angenommen, nach dem ersten Frühstück in seiner Zeitung sorgfältig den Kurszettel der Börse zu lesen; und von da hatte das Uebel seinen Ausgang genommen. Allmälig hatte ihn das Fieber verzehrt, während er den Tanz der Papiere sah, in dieser verpesteten Luft des Spiels lebte, die Einbildungskraft verlockt von den in einer Stunde gewonnenen Millionen, er, der dreißig Jahre gebraucht hatte, um einige hunderttausend Francs zu erwerben. Er konnte es sich nicht versagen, bei jeder Mahlzeit mit seiner Frau darüber zu sprechen, welche großen Gewinnste er hätte einheimsen können, wenn er nicht geschworen hätte, niemals zu spielen; und er erklärte ihr die Operation, er handhabte seine Mittel mit der scharfsinnigen Taktik eines Generals im Zimmer und schlug jedesmal siegreich den eingebildeten Gegner; denn er bildete sich ein, in den Fragen der Prämien und des Reports eine Kraft ersten Ranges zu sein. Seine Frau erklärte ihm beunruhigt, daß sie es vorziehe, sich sogleich in die Seine zu werfen, als auch nur einen Sou im Spiel zu wagen, allein er beruhigte sie: für wen hielt sie ihn denn? Niemals! Aber, es hatte sich eine Gelegenheit ergeben. Beide hatten lange Zeit den unbezwinglichen Wunsch genährt, in ihrem Garten ein kleines Gewächshaus mit einem Kostenaufwande von 5-6000 Francs aufführen zu lassen und eines Abends hatte der Mann mit vor köstlicher Aufregung zitternder Hand die sechs Tausendfrancs-Noten auf den Arbeitstisch seiner Frau hingelegt, indem er sagte, er habe das auf der Börse gewonnen, es sei ein Zug gewesen, dessen er sicher war. Er versprach, es nicht wieder zu thun; er habe es nur versucht, um so die Kosten des Gewächshauses zu decken. Zwischen dem Zorn und der freudigen Erregung schwankend, hatte sie nicht den Muth, ihn dafür auszuschelten. Im nächsten Monat stürzte er sich in eine Prämienoperation, indem er erklärte, er habe nichts zu fürchten, da er seinen Verlust begrenzte; und dann gab es in dem Haufen wohl auch gute Geschäfte und er wäre ein Tölpel gewesen, den Gewinn seinem Nachbar zu überlassen. So war er verhängnißvoller Weise ein Terminspieler geworden, zuerst in kleinen Summen, dann allmälig Muth fassend, während sie immerfort durch ihre Angst einer guten Hausfrau gequält und die Augen dennoch aufflammend bei dem geringsten Gewinn, nicht aufhörte, ihm zu weissagen, daß er auf einem Strohsack enden würde.
Vornehmlich aber war es der Kapitän Chave, der Bruder der Madame Maugendre, welcher seinen Schwager tadelte. Er, der mit seiner Pension von achtzehnhundert Francs nicht das Auslangen fand, spielte zwar ebenfalls an der Börse; allein er war sehr schlau und ging an die Börse wie ein Beamter in sein Amtsbureau geht, operirte nur kontant und war entzückt, wenn er am Abend sein Zwanzigfrancsstück heimtrug; es waren täglich abgewickelte, sichere Geschäfte, so bescheiden, daß sie vor jeder Katastrophe bewahrt waren. Seine Schwester hatte ihm ein Zimmer in ihrem Hause angeboten, welches seit Marcelle's Heirath für die Alten zu groß geworden; allein, er hatte abgelehnt, er wollte frei sein, denn er hatte seine Laster, bewohnte ein einziges Zimmer im Hintergrunde eines Gartens in der Rue Nollet, wo man fortwährend Frauenzimmer hinein- und hinausschleichen sah. Seine Börsengewinnste schienen in Bonbons und Kuchen für seine kleinen Freundinnen aufzugehen. Er hatte Maugendre stets gewarnt und ihm wiederholt eingeschärft, lieber ein flottes Leben zu führen als an der Börse zu spielen. Und wenn Maugendre ihm zurief: »Und Sie?« – antwortete er mit einer energischen Handbewegung. Oh, er! Das ist eine andere Sache; er hatte keine fünfzehntausend Francs Rente, sonst! ... Wenn er spielte, so lag die Schuld an der schmutzigen Regierung, welche den alten Helden die Mittel eines sorgenfreien Alters hinwegschacherte. Sein Hauptargument gegen das Spiel war, daß der Spieler mit mathematischer Gewißheit stets verlieren müsse: wenn er gewinnt, hat er die Maklergebühr und die Stempelgebühr in Abschlag zu bringen; wenn er verliert, hat er diese Abgaben ebenfalls zu bezahlen, so daß selbst in dem Falle, wenn er ebenso oft gewinnt wie er verliert, er die Maklergebühr und die Stempel aus eigener Tasche bezahlt. Diese Abgaben erreichen an der Pariser Börse im Jahr die enorme Höhe von achtzig Millionen. Und er fuchtelte mit dieser Ziffer herum: achtzig Millionen, welche der Staat, die Coulissiers und die Wechselagenten einstreifen!
Auf dem Bänkchen, im Hintergrunde des Korridors, beichtete Marcelle ihrem Gatten einen Theil dieser Geschichte.
– Liebster, ich muß sagen, daß ich zu ungelegener Zeit gekommen bin. Mama zankte eben mit Papa wegen eines Verlustes, welchen er an der Börse erlitten. Ja, es scheint, daß er jetzt immer an der Börse steckt. Das scheint mir sehr drollig von ihm, der früher nichts als die Arbeit gelten lassen wollte ... Kurz, sie zankten und dabei steckte Mama ihm eine Zeitung unter die Nase, die » Cote financière«, indem sie schrie, daß er nichts von der Sache verstehe und daß sie die Baisse vorausgesehen habe. Darauf holte er ein anderes Blatt, die »Hoffnung« und wollte ihr den Artikel zeigen, aus welchem er seine Belehrung geholt. ... Denke Dir: ihr Haus ist voll mit Zeitungen, sie stecken darin vom Morgen bis zum Abend und ich glaube gar, – Gott verzeihe mir! – daß nunmehr auch Mama zu spielen beginnt, trotzdem sie sich so wüthend geberdet.
Jordan konnte sich eines Lachens nicht enthalten, so ergötzlich war sie, wie sie in ihrem Aerger ihm die Scene vorspielte.
– Kurz, ich erzählte ihnen von unserer Bedrängniß und bat sie, uns zweihundert Francs zu leihen, damit wir den Verfolgungen Einhalt thun können. Da hättest Du sie schreien hören sollen: Zweihundert Francs, nachdem sie zweitausend an der Börse verloren hatten! Ob ich sie zum Besten halten wolle? Ob ich sie zugrunde richten wolle? ... Niemals habe ich sie so gesehen. Sie, die so lieb zu mir gewesen, die Alles ausgegeben hätten, um mir Geschenke zu machen! Sie müssen ihren Verstand eingebüßt haben, denn es hat keinen Sinn, sich so das Leben zu verderben, da sie so glücklich sind in ihrem schönen Hause, ohne jeden Verdruß und ohne andere Sorge, als das so schwer erworbene Vermögen in aller Behaglichkeit zu verzehren.
– Ich hoffe, Du hast nicht weiter in sie gedrungen, sagte Jordan.
– Doch, ich habe in sie gedrungen und dann fielen sie über mich her ... Du siehst, ich sage Dir Alles, obgleich ich den Vorsatz gefaßt hatte es für mich zu behalten. Es ist mir eben entschlüpft ... Sie wiederholten mir, daß sie dies ja vorausgesehen haben, daß das keine Beschäftigung sei, in die Zeitungen zu schreiben und daß wir im Spital endigen würden. Schließlich gerieth ich selbst in Zorn und ich wollte schon weggehen, als der Kapitän ankam. Du weißt, daß Onkel Chave mich immer sehr geliebt hat. In seiner Gegenwart wurden sie vernünftig, umsomehr, als er triumphirte und meinen Vater fragte, ob er sich noch länger bestehlen lassen wolle? ... Mama nahm mich beiseite und drückte mir fünfzig Francs in die Hand, indem sie sagte, daß wir damit einen Aufschub von einigen Tagen erlangen werden, um uns inzwischen anderweitig um Hilfe umzuthun.
– Fünfzig Francs, ein Almosen! Und Du hast sie angenommen?
Marcelle hatte zärtlich seine Hände ergriffen und beschwichtigte ihn in ihrer ruhigen, besonnenen Art.
– Ereifere Dich nicht ... Ja, ich habe sie angenommen und da ich einsah, daß Du niemals wagen würdest, sie dem Gerichtsvollzieher zu bringen, bin ich sogleich selbst in die Rue Cadet gegangen, wo er wohnt, wie Du weißt. Aber denke Dir nur: er hat das Geld zurückgewiesen, indem er mir erklärte, er habe formelle Weisungen von Herrn Busch und dieser allein könne der gerichtlichen Verfolgung Einhalt thun. Ach, dieser Busch! Ich hasse Niemanden, aber gegen diesen Menschen fühle ich Erbitterung und Ekel! Gleichwohl eilte ich zu ihm, nach der Rue Feydeau, und er mußte sich mit den fünfzig Francs begnügen. Wir haben jetzt zwei Wochen lang Ruhe von ihm.
Tiefe Ergriffenheit zog Jordans Gesicht zusammen, und Thränen traten ihm in die Augen.
– Du hast Das gethan, Frauchen? Du hast Das gethan?
– Aber ja; ich will nicht, daß man Dich noch länger langweile. Was liegt daran, wenn ich Unverschämtheiten anzuhören habe? Man lasse nur Dich ruhig arbeiten. Und sie erzählte ihm lachend, wie sie zu Busch gekommen sei, der mitten unter seinen schmutzigen Schriftenbündeln saß; wie er sie brutal aufgenommen und ihr gedroht habe, daß er ihnen nicht einen Faden am Leibe lassen wolle, wenn er nicht sogleich vollständig bezahlt würde. Das Drolligste an der Geschichte war, daß sie sich den Spaß gegönnt hatte ihn in Wuth zu bringen, indem sie den rechtmäßigen Besitz dieser Schuld bestritt, dieser Wechsel im Betrage von dreihundert Francs, welche mit den Gerichtskosten jetzt siebenhundertdreißig Francs und fünfzehn Centimes ausmachten und die er in einem Haufen alter Fetzen vielleicht um hundert Sous erstanden habe. Die Wuth erstickte ihn schier. Gerade diese Wechsel habe er theuer bezahlt, versicherte er; und dann sein Zeitverlust und die Lauferei, die er zwei Jahre lang gehabt, um den Wechselschuldner aufzufinden, und der Scharfsinn, den er in dieser Jagd entfalten mußte: mußte er sich nicht Alldies vergelten lassen? Umso schlimmer für Diejenigen, die sich fangen ließen! Aber schließlich habe er die fünfzig Francs dennoch genommen, denn er befolgte das vorsichtige System, stets zu unterhandeln und einen Ausgleich zu treffen.
– Ach, Weibchen, wie muthig Du bist und wie ich Dich liebe! sagte Jordan, indem er sich fortreißen ließ Marcelle zu küssen, obgleich in diesem Augenblicke der Redaktions-Sekretär vorüberging.
Dann fragte er mit gedämpfter Stimme:
– Wie viel Geld bleibt uns im Hause?
– Sieben Francs.
– Gut, sagte er freudig; damit kommen wir zwei Tage aus und ich werde keinen Vorschuß verlangen, den man mir übrigens verweigern würde. Ich bringe es schwer über die Lippen... Morgen werde ich sehen, ob man beim »Figaro« einen Artikel von mir annehmen will... Ach, wenn ich meinen Roman schon beendigt hätte und derselbe flott gekauft würde!
Jetzt küßte Marcelle ihn.
– Ja, das Buch wird gehen, sei beruhigt... Willst Du mit mir nach Hause kommen? Das wird sehr hübsch sein und wir wollen unterwegs, an der Ecke der Rue de Clichy einen Häring für morgen Früh kaufen. Man bekommt dort sehr gute Häringe. Heute Abend haben wir Speck-Kartoffeln. Jordan bat einen Kameraden, die Revision seines Artikels zu lesen und entfernte sich mit seiner Frau. Auch Saccard und Huret verließen jetzt die Redaktion. Als sie auf der Straße ankamen, sahen sie eben einen Wagen vor dem Thor der Redaktion halten; dem Wagen entstieg die Baronin Sandorff, welche die Herren mit einem Lächeln grüßte und dann rasch hinaufging. Zuweilen erschien sie so bei Jantrou zu Besuch. Saccard, den sie mit ihren großen, müden Augen sehr erregte, war versucht ebenfalls hinaufzugehen.
Oben, im Bureau des Direktors, lehnte die Baronin den ihr angebotenen Sitz ab. Sie habe nur im Vorübergehen guten Tag sagen wollen, um zu sehen, ob er nichts Neues wüßte. Trotz seiner jetzigen glücklichen Lage behandelte sie ihn noch immer so, wie zu jener Zeit, als er jeden Morgen bei ihrem Vater, dem Herrn von Ladricourt erschien, mit dem gekrümmten Rücken des Remisiers, der um einen Auftrag bettelt. Ihr Vater war von empörender Rohheit; sie konnte nicht vergessen, wie er einmal, in seiner Wuth über einen großen Verlust, den armen Jantrou mit einem Fußtritt in den Hintern hinausgejagt hatte. Und nun, da sie ihn an der Quelle der Nachrichten wußte, war sie wieder vertraulich mit ihm geworden und trachtete ihn auszuholen.
– Nun, nichts Neues?
– Meiner Treu, nein; ich weiß nichts.
Allein sie fuhr fort ihn lächelnd anzuschauen, überzeugt, daß er nichts sagen wolle. Um ihn zum Plaudern zu bringen, sprach sie von dem dummen Kriege, in welchen Oesterreich mit Italien und Preußen verwickelt werden sollte. Die Spekulation war außer Rand und Band, eine furchtbare Baisse trat in italienischen Werthen ein, wie übrigens auch in allen anderen Papieren. Und sie war in sehr verdrossener Stimmung, denn sie wußte nicht, bis zu welchem Punkte sie dieser Bewegung folgen müsse und hatte bedeutende Summen für die nächste Liquidation engagirt.
– Werden Sie denn von Ihrem Gemahl nicht unterrichtet? fragte Jantrou scherzhaft. Er ist doch bei der Gesandtschaft in guter Stellung.
– Ach, mein Mann! murmelte sie mit verächtlicher Geberde. Von meinem Mann kann ich nichts erfahren.
Jantrou ward immer heiterer und trieb die Dinge so weit, daß er eine Anspielung auf ihren Liebhaber, den Generalprokurator Delcambre machte, welcher – wie man behauptete – ihre Differenzen bezahlte, wenn sie sich überhaupt entschließen konnte zu zahlen.
– Und Ihre Freunde vermögen nichts? Weder bei Hofe, noch in der Gesetzgebung?
Sie that als verstände sie nicht und fuhr in bittendem Tone fort, ohne die Augen von ihm zu wenden!
– Seien Sie doch liebenswürdig ... Sie wissen etwas.
In seinem wüthenden Verlangen nach allen Weiberröcken, die ihn streiften, – nach den schmutzigen ebenso wie nach den eleganten – hatte er schon einmal den Gedanken, sich sie zu gönnen, wie er sich brutal ausdrückte, diese Spielerin, die so vertraulich mit ihm that. Allein, bei dem ersten Worte, bei der ersten Geberde hatte sie sich mit einem solchen Widerwillen, mit einer solchen Verachtung aufgerichtet, daß er sich geschworen hatte, den Versuch nie mehr zu wiederholen. Mit diesem Menschen, den ihr Vater mit Fußtritten empfangen hatte, – ach, niemals! So tief war sie noch nicht gesunken!
– Liebenswürdig? Warum sollte ich es sein? sagte er lachend und mit verlegener Miene. Sie sind es auch nicht mir gegenüber.
Sogleich wurde sie ernst. Ihre Augen nahmen einen Ausdruck der Härte an. Sie wandte ihm den Rücken um fortzugehen, als er verdrossen und in der Absicht sie zu verletzen hinzufügte:
– Sie sind Saccard vor der Thür begegnet, nicht wahr? Warum haben Sie nicht ihn befragt, da er Ihnen nichts verweigern kann?
Sie kam plötzlich zurück.
– Was wollen Sie damit sagen?
– Was Sie darunter verstehen wollen ... Spielen Sie doch nicht die Geheimnißvolle; ich habe Sie bei ihm gesehen und ich kenne ihn.
Eine Empörung ergriff sie; der ganze, noch lebendige Stolz ihrer Race stieg aus dem trüben Grunde, aus dem Kothe auf, in welchem ihre Leidenschaft sie mit jedem Tage mehr versinken ließ. Sie gerieth übrigens nicht in Zorn und sagte blos mit knapper, rauher Stimme:
– Für wen halten Sie mich, mein Lieber? Sie sind verrückt ... Nein, ich bin nicht die Geliebte Saccard's, weil ich nicht wollte.
Da verbeugte er sich grüßend, mit der ausgesuchten Höflichkeit eines Litteraten.
– Nun denn, Madame, Sie haben sehr Unrecht gehabt. Glauben Sie mir: wenn sich wieder eine Gelegenheit darbietet, versäumen Sie sie nicht; denn Sie, die Sie stets auf Nachrichten jagen, werden dieselben ohne Mühe unter dem Kopfkissen dieses Mannes finden. Mein Gott, ja; dort wird bald das Nest sein, Sie brauchen nur mit Ihren schönen Fingern hineinzugreifen.
Sie entschloß sich zu lachen, gleichsam als theilte sie seinen Cynismus. Als sie seine Hand drückte, fühlte er, daß die ihrige ganz kalt sei. Sollte sie sich wirklich mit der Frohne begnügt haben, die Geliebte dieses eiskalten, knochigen Delcambre zu sein, – diese Frau mit den so rothen Lippen, von der man behauptete, daß sie unersättlich sei?
Der Monat Juni ging zu Ende. Am 15. dieses Monats hatte Italien Oesterreich den Krieg erklärt. Anderseits hatte Preußen in kaum zwei Wochen, nach überwältigenden Märschen Hannover überfluthet, die beiden hessischen Großherzogthümer, Baden und Sachsen erobert, indem es wehrlose Völkerschaften im tiefen Frieden überrumpelte. Frankreich hatte sich nicht gerührt. Die wohl unterrichteten Leute flüsterten an der Börse, daß es im Geheimen mit Preußen verbündet sei, seitdem Bismark den Kaiser in Biarritz besucht hatte; und man sprach geheimnißvoll von den Kompensationen, mit welchen ihm seine Neutralität vergolten werden sollte. Nichtsdestoweniger trat eine unheilvolle Baisse ein. Als am 4. Juli die Nachricht von Sadowa, dieser so plötzliche Donnerschlag kam, gab es einen Sturz sämmtlicher Werthe. Man glaubte an eine erbitterte Fortsetzung des Krieges; denn Oesterreich war zwar von Preußen geschlagen worden, aber es hatte Italien bei Custozza besiegt, und man sagte schon, daß es Böhmen aufgab und seine Heeresmacht sammelte. Am »Korbe« regnete es Verkaufs-Aufträge, man fand keine Käufer mehr.
Als Saccard am 4. Juli sehr spät, gegen sechs Uhr, sich in die Redaktion der »Hoffnung« begab, traf er daselbst Jantrou nicht an. Dieser führte seit einiger Zeit ein sehr regelloses Leben; er verschwand plötzlich, unternahm lange Streifzüge, von welchen er vernichtet, mit trüben Augen zurückkehrte, ohne daß man wußte, was ihn mehr verheerte, die Dirnen oder das Alkohol. In dem Augenblicke, als Saccard ankam, leerte sich eben die Redaktion; es war nur mehr Dejoie da, der im Vorzimmer, auf einer Ecke seines Tisches seine Mahlzeit einnahm. Saccard schrieb zwei Briefe und schickte sich eben an wieder fortzugehen, als Huret mit hochgeröthetem Gesichte hereinstürzte und ohne die Thüren zu schließen, ausrief:
– Mein guter Freund ... mein guter Freund! ...
Er drohte zu ersticken und preßte beide Hände an die Brust.
– Ich komme von Rougon ... Ich bin gelaufen, weil ich keinen Fiaker hatte. Endlich habe ich einen gefunden ... Rougon hat eine Depesche erhalten. Ich habe sie gesehen ... Eine Nachricht, eine Nachricht ...
Mit einer heftigen Geberde hieß Saccard ihn schweigen, dann beeilte er sich die Thüren zu schließen, weil er Dejoie mit gespitzten Ohren herumschleichen gesehen hatte.
– Nun, was denn?
– Nun denn, der Kaiser von Oesterreich tritt Venedig an den Kaiser der Franzosen ab, dessen Vermittlung er annimmt, und Letzterer wird sich an die Könige von Preußen und Italien wenden, um einen Waffenstillstand zu erwirken.
Stillschweigen trat ein.
– Das ist also der Friede.
– Augenscheinlich.
Betroffen, noch ohne bestimmten Gedanken, stieß Saccard einen Fluch aus.
– Donnergottes! Und die ganze Börse ist in der Baisse!
Dann fragte er mechanisch:
– Und keine Seele weiß diese Nachricht?
– Nein, die Depesche ist vertraulich; die betreffende Notiz wird im »Moniteur« morgen noch nicht erscheinen. Paris wird vor achtundvierzig Stunden sicherlich nichts erfahren.
Das war wie ein Donnerschlag, ein plötzliches Aufleuchten. Er lief von Neuem zur Thür und öffnete sie, um zu schauen, ob Niemand horchte. Und er war außer sich; er pflanzte sich vor den Deputirten hin und faßte ihn bei den beiden Aufschlägen seines Leibrockes.
– Schweigen Sie, nicht so laut! Wir sind die Herren, wenn Gundermann und seine Bande noch nicht benachrichtigt sind ... Verstehen Sie? Nicht ein Wort, Niemandem in der Welt, weder Ihren Freunden, noch Ihrer Frau ... Es trifft sich glücklich, daß auch Jantrou nicht da ist; wir allein werden von der Sache Kenntniß haben und wir werden Zeit haben, zu handeln. Oh, ich will nicht blos für mich allein arbeiten, Sie gehören mit dazu und unsere Kollegen von der Universalbank ebenfalls. Aber ein Geheimniß bleibt nicht Geheimniß, wenn Mehrere davon wissen. Alles ist verloren, wenn morgen vor der Börse die geringste Indiskretion begangen wird.
Sehr erregt und betroffen ob der Größe des Schlages, den sie versuchen wollten, versprach Huret absolutes Stillschweigen und sie theilten die Arbeit unter sich auf und beschlossen, daß man den Feldzug sogleich beginnen müsse. Saccard hatte schon nach seinem Hute gegriffen, als sich ihm noch eine Frage auf die Lippen drängte.
– Also Rougon ist es, der Sie beauftragt hat, mir diese Nachricht zu bringen?
Er hatte einen Augenblick gezögert, denn er log. Die Depesche hatte ganz einfach auf dem Schreibpulte des Ministers gelegen und er hatte, einen Augenblick allein geblieben, die Indiscretion begangen, sie zu lesen. Allein sein Interesse lag darin, daß zwischen den beiden Brüdern vollkommene Eintracht herrsche und darum schien ihm diese Lüge sehr geschickt, umsomehr, als er wußte, daß sie kein Verlangen trugen, sich zu treffen und über diese Dinge zu sprechen.
– Nun, diesmal hat er sich gut benommen, erklärte Saccard, daran ist nicht zu zweifeln. Also vorwärts!
Im Vorzimmer war Niemand als Dejoie, der sich angestrengt hatte etwas zu hören, ohne jedoch genau zu verstehen. Sie sahen ihm seine fieberhafte Aufregung an; er hatte eben die ungeheure Beute gewittert, die in der Luft lag, war dermaßen erregt von diesem Geruch des Geldes, daß er sich an das Fenster des Flurs stellte, um ihnen mit den Augen zu folgen, wie sie durch den Hof schritten.
Die Schwierigkeit lag darin, rasch und dennoch mit großer Vorsicht zu handeln. Auf der Straße verließen sie sich. Huret übernahm die Abendbörse, während Saccard trotz der späten Stunde sich auf die Jagd nach den Remisiers, Coulissiers und Wechselagenten machte, um ihnen Kaufaufträge zu geben. Allein er trachtete diese Aufträge nach Möglichkeit aufzutheilen, aus Furcht, daß er Argwohn erwecken könnte, und vor Allem wollte er den Schein wahren, als würde er die Leute nur zufällig treffen, anstatt daß er sie aufsuchte, was auffallen hätte müssen. Glücklicherweise kam ihm der Zufall zu Hilfe. Er bemerkte auf dem Boulevard den Wechselagenten Jacoby, mit welchem er zuerst Scherz trieb und den er dann mit einer Operation betraute, ohne denselben allzusehr in Erstaunen zu versetzen. Hundert Schritte weiter traf er ein dickes, blondes Mädchen, von welchem er wußte, daß es die Geliebte eines anderen Agenten Namens Delarocque, des Schwagers Jacoby's sei; und da sie sagte, daß sie ihn diesen Abend erwarte, beauftragte er sie damit, ihm eine Zeile zu übergeben, die er mit Bleistift auf eine Karte schrieb. Dann, da ihm bekannt war, daß Mazaud am Abend einem Banket ehemaliger Schulgenossen beiwohnte, richtete er sich so ein, daß er ihn im Restaurant traf und änderte dort die Aufträge, die er ihm an demselben Tage bereits gegeben hatte. Die Gunst des Schicksals vervollständigte sich, als er gegen Mitternacht heimkehrend auf Massias stieß, der eben aus dem Variétés-Theater kam. Sie gingen zusammen die Rue St.-Lazare hinauf und er hatte Zeit, sich als ein Original aufzuspielen, als ein Mensch, der an die Hausse glaubt. Ach, sie wird nicht sogleich kommen, meinte er; aber schließlich ertheilte er ihm Kaufaufträge für Nathansohn und andere Coulissiers, indem er sagte, er gehe im Namen einer Gruppe von Freunden vor, was ja im Grunde die Wahrheit war. Als er zu Bett ging, hatte er in der Hausse eine Position für mehr als fünf Millionen Werthe eingenommen.
Am folgenden Morgen war Huret schon um 7 Uhr bei Saccard, dem er erzählte, wie er an der Abendbörse, auf dem Trottoir vor der Passage de l'Opéra, gearbeitet habe. Er habe so viel als möglich kaufen lassen, immerhin mit Maß, um die Kurse nicht allzu sehr zu treiben. Seine Aufträge erreichten die Höhe einer Million; und weil sie den Zug noch viel zu bescheiden fanden, beschlossen die Beiden, die Arbeit sogleich fortzusetzen. Sie hatten den Vormittag für sich. Aber vorher stürzten sie sich auf die Zeitungen, zitternd, daß sie dort die Nachricht finden könnten, eine Notiz, eine Zeile, welche ihre Kombination über den Haufen stürzen könnte. Doch nein; die Presse wußte nichts; sie stack mitten im Kriege, überschwemmt mit Depeschen, mit ausführlichen Berichten über die Schlacht bei Sadowa. Wenn vor zwei Uhr keine Nachricht in die Oeffentlichkeit drang, wenn sie eine Stunde, nur eine halbe Stunde an der Börse für sich hatten, war der Streich gelungen und sie ließen ein verheerendes Ungewitter über das Judenthum los, wie Saccard sagte. Und sie trennten sich von Neuem und Jeder ging nach einer anderen Seite, um weitere Millionen in dem Kampfe zu engagiren.
Saccard verbrachte den Vormittag in den Straßen, in der Luft herumschnüffelnd, in einem solchen Bedürfniß herumzulaufen, daß er nach seinem ersten Wege den Wagen entlassen hatte. Er trat bei Kolb ein, wo der Klang des Goldes ihm köstlich die Ohren kitzelte, wie eine Siegesverheißung. Und er besaß die Selbstbeherrschung, dem Bankier, der noch nichts wußte, nichts zu sagen. Dann ging er zu Mazaud hinauf, nicht um einen neuen Auftrag zu geben, sondern um Unruhe wegen des gestern ertheilten zu heucheln. Auch da wußte man noch nichts. Nur der kleine Flory verursachte ihm einige Angst durch die Beharrlichkeit, mit welcher er ihn umkreiste: die einzige Ursache dessen war die tiefe Bewunderung des jungen Beamten für das finanzielle Genie des Direktors der Universalbank; und da Fräulein Chuchu ihm ein schweres Geld zu kosten begann, riskirte er einige kleine Operationen und träumte davon, die Aufträge seines großen Mannes kennen zu lernen und mit von seinem Spiele zu sein.
Endlich, nach einem flüchtigen Frühstück bei Champeaux, wo er die große Freude hatte, das pessimistische Gejammer Mosers und Pilleraults zu hören, welche einen weiteren Kurssturz voraussagten, fand sich Saccard – um halb ein Uhr – auf dem Börsenplatz ein. Er wollte, wie er sich ausdrückte, die Leute kommen sehen. Die Hitze war drückend, eine glühende Sonne brannte senkrecht über den Häuptern, goß ein weißes Licht über die Treppenstufen aus, deren Ausströmung das Peristyl in eine schwüle Backofenhitze tauchte; und die leeren Sessel krachten in diesen Flammen, während die Spekulanten die schmalen Schattenstreifen hinter den Säulen suchten. Unter einem Baum im Garten bemerkte er Busch und die Méchain, die bei seinem Anblick ein lebhaftes Gespräch begannen; es schien ihm sogar, daß alle Beide sich anschickten ihn anzusprechen, dann wieder, daß sie sich eines Andern besonnen. Wußten sie denn etwas, diese Lumpensammler in den Koth gefallener Werthe, die ewig auf der Suche waren? Er schauerte einen Augenblick zusammen. Doch jetzt rief ihn eine Stimme und er erkannte auf einer Bank Maugendre und den Kapitän Chave, im Streit mit einander. Der Erstere verhöhnte das jämmerliche Spiel des Kapitäns, diesen Louisdor, im Kontantgeschäfte gewonnen, wie man in einem Provinz-Kaffehause nach einer endlosen Reihe von Piquet-Partieen einige Francs einstreift. Konnte er nicht heute ein ernstliches Geschäft auf sicheren Gewinn wagen? War die Baisse nicht sicher, so klar wie die Sonne? Und er rief Saccard zum Zeugen: nicht wahr, daß die Baisse fortdauern werde? Er, Maugendre, hatte in der Baisse eine starke Position eingenommen und war so sehr überzeugt, daß er sein Vermögen daran gewagt haben würde. In dieser Weise direkt befragt antwortete Saccard nur mit Lächeln und Kopfnicken. Dabei machte er sich im Stillen Vorwürfe, diesen Mann nicht aufklären zu können, den er ehemals so arbeitsam, so verständig gekannt hatte, als er noch Theerdecken verkaufte. Allein, er hatte sich absolutes Stillschweigen geschworen und er besaß die Grausamkeit des Spielers, der das Glück nicht stören will. Ueberdies ward in diesem Augenblicke seine Aufmerksamkeit abgelenkt: der Wagen der Baronin Sandorff fuhr vorüber. Er folgte dem Wagen mit den Blicken und sah ihn an der Ecke der Rue de la Banque halten. Plötzlich dachte er an den Baron Sandorff, Rath der österreichischen Botschaft; die Baronin wußte sicher und konnte nach Weiberart durch eine Ungeschicklichkeit Alles verderben. Schon war er quer über die Straße gegangen und er umschlich jetzt ihren Wagen, welcher unbeweglich und still dastand, mit dem Kutscher, der steif auf seinem Bocke saß. Doch jetzt ward eines der Fenster herabgelassen und er trat mit galantem Gruße näher.
– Nun, Herr Saccard, hält die Baisse noch an?
Er glaubte, sie wolle ihm eine Falle stellen.
– Jawohl, Madame, antwortete er.
Dann, als sie ihn ängstlich anblickte, mit jenem Zucken der Augen, welches er bei den Spielern sehr wohl kannte, begriff er, daß auch sie nichts wußte. Ein Strom warmen Blutes stieg ihm in den Schädel und erfüllte ihn mit Wonne.
– Also, Herr Saccard, Sie haben mir nichts zu sagen?
– Meiner Treu, Madame, nichts, was Sie nicht schon wüßten.
Und er entfernte sich, indem er sich sagte: »Du warst zu mir nicht liebenswürdig und darum wird es mir eine Freude machen, wenn Du bei der Ueberschwemmung einen Schluck trinkst. Vielleicht wirst Du dann bei einer anderen Gelegenheit artiger sein.« Niemals hatte sie ihm begehrenswerther geschienen; er war sicher, daß die Stunde kommen werde, wo sie ihm angehören wird.
Als er auf den Börsenplatz zurückkehrte, sah er Gundermann in der Ferne, aus der Rue Vivienne auftauchen und dieser Anblick verursachte ihm einen neuen Schauer. So klein er auch in der Entfernung schien, so war er es dennoch, mit seinem langsamen Gange, mit seinem gerade aufgerichteten, bleichen Kopfe, Niemanden anblickend, gleichsam allein in seinem Königthum, inmitten der Menge. Und er folgte ihm, von Schreck erfüllt, und trachtete jede seiner Bewegungen zu erklären. Als er Nathansohn auf ihn zutreten sah, glaubte er Alles verloren. Doch der Coulissier zog mit enttäuschter Miene wieder ab und Saccard schöpfte neue Hoffnung. Entschieden: der Bankier hatte seine Alltagsmiene. Und dann begann sein Herz freudig zu pochen, denn er sah Gundermann bei dem Zuckerbäcker eintreten, um Bonbons für seine Enkelinen zu kaufen. An Krisentagen that er dies niemals.
Es schlug ein Uhr; die Glocke kündete die Eröffnung des Marktes. Es war eine denkwürdige Börse, einer jener großen Unglückstage, – durch eine Hausse herbeigeführt, was so selten geschieht – die wie eine Legende in der Erinnerung haften. Zu Beginn, in der drückenden Hitze, sanken die Kurse noch tiefer. Dann tauchten plötzlich zum Erstaunen der Menge vereinzelte Käufer auf, gleich den Plänklerschüssen vor der Schlacht. Allein, in dem allgemeinen Mißtrauen wollte das Geschäft nicht recht in Fluß kommen. Die Käufer mehrten sich, wurden lebhafter auf allen Seiten, in der Coulisse, im Parket; man hörte nur mehr die Stimmen Nathansohns unter der Kolonnade, Mazaud's, Jacoby's, Delarocque's am Korbe, welche ausriefen, daß sie alle Papiere zu jedem Preise nehmen; und es ging ein Zittern, eine wachsende Bewegung durch die Menge, ohne daß Einer in der Verwirrung dieser unerklärlichen Wendung sich zu entschließen wagte. Die Kurse waren langsam gestiegen, Saccard hatte Zeit, dem Massias neue Aufträge für Nathansohn zu geben. Er bat auch den kleinen Flory, der vorüber eilte, seinem Chef Mazaud einen Zettel zu übergeben, in welchem er diesen beauftragte zu kaufen und immerfort zu kaufen; so daß Flory, der den Zettel las, von einem Zuversichts-Taumel ergriffen, das Spiel seines großen Mannes spielte und für seine eigene Rechnung ebenfalls kaufte. Und in diesem Augenblicke, um drei Viertel auf zwei Uhr schlug der Blitz mitten in die Börse ein: Oesterreich trat Venedig dem Kaiser ab, der Krieg war zu Ende. Woher kam diese Nachricht? Niemand wußte es, sie drang aus allen Mündern zugleich, sogar zwischen den Pflastersteinen hervor. Irgend Jemand hatte sie gebracht und Alle wiederholten sie mit einem Geschrei, das immer mehr anschwoll wie das Brausen der Meeresfluth zur Zeit der Aequinoctialstürme. Inmitten dieses entsetzlichen Getöses gingen die Kurse in wüthenden Sprüngen in die Höhe, vor dem Schlußläuten hatten sie sich um 40–50 Francs gehoben. Es war ein unbeschreibliches Getümmel, eine jener tollen Schlachten, wo Alle durcheinander rennen, Soldaten und Offiziere, um ihre Haut zu retten, betäubt, geblendet, ohne klares Bewußtsein von der Lage. Die Stirnen waren in Schweiß gebadet: die unerbittliche Sonne, die auf den Treppenstufen glühte, entzündete einen lodernden Brand auf der Börse.
Bei der Liquidation, als man das Unglück ermessen konnte, erschien es ungeheuer. Das Schlachtfeld war mit Verwundeten und Trümmern bedeckt. Der Baissier Moser gehörte zu den am schwersten Betroffenen. Pillerault büßte schwer seine Schwäche, daß er ein einzigesmal der Hausse untreu geworden. Maugendre verlor fünfzigtausend Francs: es war sein erster größerer Verlust. Die Baronin Sandorff hatte so große Differenzen zu bezahlen, daß Delcambre – wie man erzählte – sich weigerte das Geld herzugeben. Und sie war ganz weiß vor Zorn und Haß, wenn man nur den Namen ihres Gatten nannte, des Botschaftsrathes, der die Depesche früher als Rougon selbst in Händen hatte, ohne ihr ein Wort zu sagen. Die haute banque, die jüdische Bankwelt, hatte eine furchtbare Niederlage, ein wahres Gemetzel erlitten. Man versicherte, Gundermann habe für seinen Theil allein acht Millionen verloren. Und man war darob allgemein verblüfft. Wie war es möglich, daß er nicht benachrichtigt gewesen? Er, der unbestrittene Herr des Marktes, dessen Commis die Minister waren und der die Staaten in seiner souverainen Abhängigkeit hielt! Es war eben ein Zusammentreffen von außerordentlichen Umständen, wie es die großen Schläge des Zufalls herbeizuführen pflegt. Es war ein unvorhergesehener, blöder Krach, der aller Vernunft und aller Logik Hohn sprach.
Indessen verbreitete sich die Geschichte und Saccard wurde ein großer Mann. Mit einem Zug seines Rechens hatte er fast alles Geld eingestreift, welches die Baissiers verloren. Für seine Person hatte er zwei Millionen eingesackt. Das Uebrige sollte in die Kasse der Universalbank fließen oder vielmehr zwischen den Händen ihrer Verwaltungsräthe zerfließen. Mit großer Mühe vermochte er Madame Caroline zu überzeugen, daß der Antheil Hamelins an dieser Beute, welche mau den Juden so legitim abgenommen, eine Million betrage. Huret, der mit am Werke gewesen, hatte sich einen königlichen Antheil genommen. Die Anderen, wie Daigremont, der Marquis de Bohain, ließen sich nicht lange bitten. Alle votirten dem vortrefflichen Direktor Danksagungen und Beglückwünschungen. Und besonders ein Herz entflammte in Dankbarkeit für Saccard, dasjenige Florys, der zehntausend Francs gewonnen hatte, ein Vermögen, welches ihm gestattete, mit Chuchu eine hübsche, kleine Wohnung in der Rue Condorcet zu beziehen und mit ihr zusammen am Abend Gustave Sédille und Germaine Coeur in den theueren Restaurants aufzusuchen. Bei dem Blatte mußte man Jantrou ein Geschenk machen, der in hellen Zorn gerieth, weil man ihn nicht benachrichtigt hatte. Dejoie allein blieb melancholisch in seinem ewigen Bedauern, daß er eines Abends vergebens das Glück in der Luft vorüberziehen geahnt hatte.
Dieser erste Triumph Saccards war gleichsam die Blüthe des Kaiserreiches auf seiner Höhe. Er trat in den Glanz des herrschenden Systems ein; er gehörte zu den ruhmvollen Reflexen desselben. Am Abende jenes Tages, an welchem er zu seiner Größe herangewachsen war mitten unter dem Zusammenbruch von Reichthümern; in der Stunde, da die Börse nur mehr ein trostloses Trümmerfeld war, schmückte sich und illuminirte ganz Paris wie aus Anlaß eines großen Sieges; und Feste in den Tuilerien und Volksbelustigungen in den Straßen feierten Napoleon III. als den Herrn Europa's, so hoch stehend und so groß, daß die Kaiser und Könige ihn zum Schiedsrichter in ihren Streitigkeiten wählten und ihm Provinzen übergaben, damit er dieselben unter sie auftheile. Wohl hatten sich in der Kammer Proteststimmen erhoben; Unglückspropheten kündigten undeutlich die furchtbare Zukunft an, daß Preußen anwachsen werde durch Alles, was Frankreich geschehen ließ, daß Oesterreich geschlagen, Italien undankbar sein werde. Doch diese ängstlichen Stimmen wurden durch Gelächter und Wuthgeschrei unterdrückt und Paris, der Mittelpunkt der Welt, hatte am Tage nach Sadowa alle seine Avenuen und alle seine Monumente illuminirt, ohne die schwarzen, eisigen Nächte zu ahnen, die wenige Jahre später kommen sollten, die Nächte ohne Gaslicht, nur durch die Lunten der Kanonenkugeln erhellt. Von der Freude an seinem Erfolge überströmend trieb sich Saccard an jenem Abend in den Straßen herum, auf dem Concorde-Platze, in den Champs-Elysees, auf allen Trottoirs, wo Lampions brannten. Von der Fluth der Spaziergänger mitgerissen, die Augen geblendet von dieser Tageshelle, konnte er sich dem Glauben hingeben, daß man illuminire, um ihn zu feiern: war nicht auch er der unerwartete Sieger, derjenige, der inmitten der Katastrophen sich erhob? Ein einziger Verdruß hatte ihm die Freude verdorben: der fürchterliche Zorn Rougons, der Huret davongejagt hatte, nachdem er begriffen, woher dieser Streich auf der Börse kam. So war es denn nicht wahr, daß der große Mann sich als guter Bruder gezeigt und ihm die Nachricht gesandt hatte? So mußte er denn auf diesen hohen Beschützer verzichten, ja, den allmächtigen Minister sogar angreifen? Vor dem Palaste der Ehrenlegion angekommen, welcher von einem riesigen Kreuze überragt war, das unter dem schwarzen Nachthimmel flammte, faßte Saccard diesen kühnen Entschluß; ja er wird ihn bekämpfen an dem Tage, wo er sich dazu stark genug fühlen wird. Und betäubt von den Gesängen der Menge und von dem klatschenden Geflatter der Fahnen kehrte er durch das flammende Paris nach der Rue Saint-Lazare heim.
Zwei Monate später, im September, beschloß Saccard, durch seinen Sieg über Gundermann kühn gemacht, daß man der Universalbank einen neuen Aufschwung geben müsse. In der Generalversammlung, welche am Schlusse des Monats April stattgehabt, wies die vorgelegte Bilanz für das Geschäftsjahr 1864 einen Gewinn von neun Millionen aus, die Prämie von 20 Francs mit inbegriffen, welche bei der Kapitalsverdoppelung nach den 50 000 Stück neuen Aktien zu bezahlen war. Der Gründungskosten-Conto wurde vollständig abgeschrieben, den Aktionären wurden ihre fünf Prozent, den Verwaltungsräthen ihre zehn Prozent bezahlt und dem Reservefond außer den statutenmäßigen zehn Prozent ein Betrag von fünf Millionen zugewiesen. Die dann noch verbleibende Million gestattete die Vertheilung einer Dividende von zehn Francs per Aktie. Das war ein schönes Resultat für eine Gesellschaft, welche noch nicht ganz zwei Jahre bestand. Allein, Saccard ging mit fieberhafter Hast vor, wandte auf das finanzielle Terrain die Methode der intensiven Kultur an, heizte und überheizte den Boden, auf die Gefahr hin, die Ernte zu verbrennen. Er setzte zuerst im Verwaltungsrathe, dann in einer außerordentlichen Generalversammlung, welche am 15. September stattfand, eine zweite Kapitalserhöhung durch; das Aktienkapital wurde abermals verdoppelt, von fünfzig Millionen auf hundert Millionen gebracht, indem hunderttausend Stück neue Aktien ausgegeben wurden, Stück für Stück ausdrücklich den Aktionären vorbehalten. Allein, diesesmal wurden die Aktien mit 675 Francs ausgegeben d. i. mit einer Prämie von 175 Francs, welche dem Reservefond zugewiesen wurde. Die wachsenden Erfolge, die bereits abgeschlossenen vortheilhaften Geschäfte und vornehmlich die großen Unternehmungen, welche die Universalbank durchzuführen sich anschickte: das waren die Gründe, mit welchen diese Schlag auf Schlag durchgeführte Kapitalserhöhung gerechtfertigt wurde; man mußte der Bank eine Bedeutung und eine Solidität geben, welche zu den von ihr vertretenen Interessen im richtigen Verhältnisse standen. Der Erfolg war übrigens ein unmittelbarer: die Aktien, welche an der Börse seit Monaten auf einem Durchschnittskurse von 750 gestanden, stiegen in drei Tagen auf 900.
Hamelin hatte aus dem Orient nicht zurückkommen können, um in der außerordentlichen Generalversammlung den Vorsitz zu führen. Er schrieb seiner Schwester einen Brief, in welchem er seinen Bedenken Ausdruck gab über die überstürzte Geschäftsführung bei der Universalbank. Er vermuthete wohl, daß man bei dem Notar Doktor Lelorrain abermals falsche Anmeldungen gemacht habe. In der That waren nicht alle neuen Aktien in legaler Weise gezeichnet worden und die Gesellschaft hatte Titres in Händen behalten, welche die Aktionäre abgelehnt hatten; und da die Einzahlungen nicht erfolgt waren, hatte man im Wege eines Austausches von Erklärungen diese Titres abermals auf den Conto Sabatani gestellt. Ueberdies hatten andere Strohmänner, Beamte, Verwaltungsräthe, der Gesellschaft ermöglicht, eigene Aktien zu zeichnen, so daß sie nunmehr im Besitze von nahezu dreißigtausend Stück eigener Aktien war, welche eine Summe von siebzehn und ein halb Millionen repräsentirten.
Diese Lage war nicht nur ungesetzlich, sie konnte auch gefährlich werden, denn die Erfahrung hat gezeigt, daß jedes Bankinstitut, welches in seinen eigenen Papieren spielt, verloren ist. Doch Madame Caroline antwortete ihrem Bruder nichtsdestoweniger in heiterem Tone und neckte ihn, daß er jetzt der Angstmeier geworden, so daß sie, die ehemals so Mißtrauische, ihn jetzt beruhigen mußte. Sie versicherte ihm, daß sie unaufhörlich die Augen offen halte, aber nichts Verdächtiges bemerke, im Gegentheil, von Bewunderung erfüllt sei für die großen, klaren und logischen Dinge, deren Zeugin sie ist. Die Wahrheit war, daß sie natürlich nichts von alldem wußte, was man vor ihr geheim hielt und daß sie in Betreff aller übrigen Dinge durch ihre Bewunderung für Saccard, durch die Sympathie, welche die Thätigkeit und die Intelligenz dieses kleinen Mannes ihr einflößten, geblendet wurde.
Im Monat Dezember wurde der Curs von 1000 Francs überstiegen. Angesichts dieses Triumphes der Universalbank begann die hohe Bankwelt sich unbehaglich zu fühlen; man traf Gundermann auf dem Börsenplatz, wie er mit zerstreuter Miene und mit seinem fast automatischen Gange bei dem Zuckerbäcker eintrat, um Bonbons zu kaufen. Er hatte seine acht Millionen bezahlt, ohne eine Klage vernehmen zu lassen, ohne daß seine Vertrauten ein Wort des Zornes oder des Grolles von seinen Lippen fallen hörten. Wenn er verlor, was selten genug war, pflegte er zu sagen, dies sei recht so und dies wird ihn lehren, weniger unbesonnen zu sein; und man lächelte darüber, denn Niemand konnte sich die Unbesonnenheit Gundermanns vorstellen. Allein diesmal schien die harte Lektion ihm im Magen zu liegen; der Gedanke, daß er, der so kühle Mann, der Gebieter über Thatsachen und Menschen, von diesem Halsabschneider und leidenschaftlichen Narren Saccard geschlagen worden, war ihm sicherlich unerträglich. Seit jener Zeit ließ er ihn denn auch nicht mehr aus den Augen und er war sicher, daß er sich Vergeltung holen werde. Angesichts der günstigen Stimmung, welche die Universalbank umgab, hatte er sogleich Stellung genommen, als ein Beobachter, der überzeugt ist, daß die allzu raschen Erfolge, das trügerische Gedeihen zu den schlimmsten Katastrophen führen. Indeß war der Curs von 1000 noch immer ein vernünftiger und er wartete noch, um in die Baisse zu gehen. Seine Theorie war die, daß man an der Börse die Ereignisse niemals herbeiführen, höchstens sie voraussehen und ausnützen könnte, wenn sie einmal da waren. Die Logik allein herrschte, die Wahrheit war eine Allmacht in der Spekulation ebenso wie anderwärts. Wenn die Curse eine übertriebene Höhe erreichten, mußte auch der Sturz kommen; die Baisse würde mit mathematischer Sicherheit sich vollziehen und er würde zur Stelle sein, um seinen Calcul sich verwirklichen zu sehen und seinen Gewinn einzustreifen. Bei dem Curs von 1500 wollte er in den Kampf eintreten. Bei 1500 begann er denn auch Universalbank zu geben, anfänglich wenig und bei jeder Liquidation mehr, nach einem im Voraus festgestellten Plane. Er bedurfte keines Syndicats von Baissiers, er allein genügte; die vernünftigen Leute würden schon die Wahrheit herausfühlen und bei seinem Spiel mitthun. Er wartete in kühler Ruhe, daß diese geräuschvolle Universalbank, welche so rasch den Markt eroberte und sich wie eine Drohung vor der jüdischen haute banque aufpflanzte, rissig werde und er gedachte sie dann mit einem einzigen Ruck zu Boden zu werfen.
Später erzählte man, daß Gundermann selbst es war, welcher im Geheimen Saccard den Ankauf eines alten Gebäudes in der Rue de Londres erleichterte, welches der Direktor der Universalbank demoliren wollte, um an der Stelle desselben den Palast seiner Träume aufzuführen, in welchem er seine Anstalt mit königlicher Pracht unterbringen wollte. Es war ihm gelungen, den Verwaltungsrath für die Sache zu gewinnen und die Arbeiter gingen um die Mitte des Monats Oktober ans Werk.
An dem Tage, da der Grundstein unter großen Feierlichkeiten niedergelegt wurde, fand sich Saccard gegen 4 Uhr in der Redaktion des Blattes ein, um daselbst Jantrou zu erwarten, welcher zu den befreundeten Blättern gegangen war, um ihnen Berichte über die Grundsteinlegung zu bringen. Da empfing Saccard unerwartet den Besuch der Baronin Sandorff. Sie hatte zuerst nach dem Chefredakteur gefragt und war dann wie zufällig auf den Direktor der Universalbank gestoßen, der sich ihr galant für alle Auskünfte, die sie wünschen konnte, zur Verfügung stellte, wobei er sie in das reservirte Zimmer führte, das im Hintergrunde des Korridors lag. Und sie gab dem ersten brutalen Angriffe nach, auf einem Divan, wie eine Dirne, die im Voraus auf das Abenteuer gefaßt ist.
Allein es trat eine Complication ein; Madame Caroline, die einen Weg in dem Quartier Montmartre zu machen hatte, kam einen Augenblick zur Zeitung herauf. Sie erschien von Zeit zu Zeit in der Redaktion, um Saccard eine Antwort zu bringen oder einfach Nachrichten von ihm einzuholen. Sie kannte übrigens den Bureaudiener Dejoie, den sie hier untergebracht hatte und blieb jedesmal eine Minute stehen, um mit ihm zu plaudern, ganz glücklich über die Dankbarkeit, die er ihr bezeugte. An jenem Tage fand sie ihn nicht im Vorzimmer und trat daher in den Couloir ein, wo sie ihm begegnete. Er hatte wieder einmal an der Thür gehorcht, es war bei ihm jetzt eine Krankheit, er zitterte vor Fieber, preßte sein Ohr an alle Schlüssellöcher, um die Geheimnisse der Börse zu erlauschen. Aber was er diesesmal gehört und begriffen, hatte ihn ein wenig verwirrt und er lächelte verlegen.
– Er ist da, nicht wahr? sagte Madame Caroline, indem sie weitergehen wollte.
Allein er hielt sie zurück und weil er nicht Zeit hatte, eine Lüge zu ersinnen, sagte er stammelnd:
– Ja, er ist da, aber Sie können nicht eintreten.
– Wie, ich kann nicht eintreten?
– Nein, er ist mit einer Dame.
Sie wurde ganz weiß und er, dem die Situation unbekannt war, zwinkerte mit den Augen, streckte den Hals vor und suchte mit komischer Mimik das Abenteuer zu erklären.
– Wer ist die Dame? fragte sie mit knapper Stimme.
Er hatte keinen Grund, ihr, seiner Wohlthäterin, den Namen zu verheimlichen. Er neigte sich zu ihrem Ohr und sagte:
– Es ist die Baronin Sandorff. Oh, sie treibt sich schon lange um ihn herum.
Madame Caroline blieb einen Augenblick unbeweglich. In dem Dunkel des Ganges konnte man die fahle Blässe ihres Gesichtes nicht bemerken. Sie fühlte ein so grausames Leid im Herzen, daß sie sich nicht erinnern konnte, jemals so gelitten zu haben; und die Betäubung wegen dieser furchtbaren Wunde war es eben, welche sie an diesem Platze festnagelte. Was sollte sie jetzt anfangen? Sollte sie diese Thür einrennen, sich auf diesen Mann stürzen, Beiden einen Skandal machen?
Und während sie noch völlig willenlos, wie geistesabwesend dastand, trat plötzlich Marcelle, die heraufgekommen war, um ihren Gatten abzuholen, mit heiterer Miene auf sie zu.
Die junge Frau hatte in der letzten Zeit ihre Bekanntschaft gemacht.
– Schau, Sie sind es, liebste Frau? Denken Sie sich, wir gehen heute Abends ins Theater. Oh, es ist eine ganze Geschichte, es kostet uns nicht viel; Paul hat ein kleines Restaurant entdeckt, wo wir uns für 35 Sous die Person gütlich thun.
Jetzt trat auch Jordan aus seinem Zimmer und unterbrach lächelnd seine Frau.
– Ja, zwei Speisen, ein Fläschchen Wein und Brod nach Belieben.
– Und dann, fuhr Marcelle fort, nehmen wir keinen Wagen, denn es ist so vergnüglich, zu Fuße nach Hause zu gehen, wenn es noch nicht zu spät ist. Heute Abends sind wir reich und wir werden uns noch einen Mandelkuchen um 20 Sous vergönnen. Es soll ein vollständiges Fest werden.
Und sie entfernte sich entzückt am Arme ihres Gatten. Madame Caroline, welche sie bis ins Vorzimmer begleitet hatte, fand endlich wieder die Kraft, zu lächeln.
– Unterhalten Sie sich gut, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
Dann ging auch sie. Sie liebte Saccard und nahm das Erstaunen und den Schmerz über diese Entdeckung mit, wie eine schmähliche Wunde, die sie nicht zeigen wollte.