Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Halle in der königlichen Burg.
Von der einen Seite tritt Gylfe mit Gefolge, von der andern Gawin, gleichfalls von Pendragon und Rittern umgeben, ein.
Gylfe.
Sey mir gegrüßt, mein ruhmgekrönter Vetter,
In diesen Hallen, die sich gastlich öffnen,
Den edlen Gawin würdig zu empfangen.
In unsern Herzen zogst du siegreich ein,
So wie in dieses Land –
Gawin.
Laß es, o Base,
Laß es vergessen seyn, was mich hieher
Geführt; kein Wort erwähne zwischen uns
Mehr des Vergangenen; vorüber sey's,
Und in der Gegenwart beglückt und froh,
Will ich der neuen Freundschaft mich erfreuen.
Ich will mich spiegeln in der klaren Fluth,
Die mir kein leises Lüftchen trüben soll.
Gylfe.
Du hast, o Vetter, in ein Trauerhaus
Den Fuß gesetzet, das mit schwerer Hand
Der Himmel traf. Nicht, wie es sich geziemt,
Und wie wir gerne wollten, heißt die Freude
Auf dieses Hauses Schwellen dich willkommen.
In nächtlich düstres Trauerkleid gehüllt,
Tritt dir die Wirthin zum Empfang entgegen;
Die Stimme, die dich jubelnd gern begrüßte,
Ach, heiße Thränen haben sie erstickt!
Der frohe Ruf, der dich hieher geleitet,
Verstummt in diesen Hallen; diese Säle
Verschließen tiefes Leid, das bis hinaus
Noch durch die Pforten nicht gedrungen ist.
Gawin.
Was immer dieses Haus, o Königin,
Betroffen hat, es traf mein eignes Herz.
Seit ich die Waffen aus der Hand gelegt
Und ehrlich Frieden schloß mit meinem Vetter,
Ist schnell aus jeder kleinen Hasseswurzel,
Die sonst im Busen rankte, wundersam
Ein zartes Liebesblümlein hold ersprossen.
Deßhalb, Frau Gylfe, laß mich Kunde wissen,
Und redlich theilen deines Kummers Bürde.
Gylfe.
Das Söhnlein meines Herren, dieses Landes
Geliebte, schön erblühte Hoffnung ist
Gählings dahingewelkt frühzeit'gen Todes.
Gawin.
Das wolle Gott nicht, Base!
Gylfe.
Weil er's wollte,
Ist es geschehn.
Galwin.
Entsetzlich! – Und so schnell,
Daß solche Trauerbotschaft erst mein Ohr
In dieses Hauses Hallen treffen mußte?
Gylfe.
Vor wenig Stunden plötzlich erst ergriffen,
War keine Rettung mehr für ihn geblieben,
Wie sehr der Kunst erfahrne Meister strebten.
Im Wahnsinn tobt der Vater, rauft das Haar,
Und schlägt die Brust, die solchen Schmerz zu fassen
Nicht Raum gewährt. Laut tönen diese Mauern,
An die verzweiflungsvoll das Haupt er stößt,
Zurück den Jammer des Unglücklichen,
Und kaum vermag der Diener Wachsamkeit
Es zu verhüten, daß an's eigne Leben
Er nicht im Wahnsinn schon die Hand gelegt. –
Doch sieh! Dort kommt er selbst, bleich und zerrüttet,
Ein wandelnd Nachtgebild, das aus den Gräbern
Heraufgestiegen an die Oberwelt.
Vorige. Singald, mit allen äußerlichen Zeichen eines an Wahnsinn grenzenden Seelenschmerzes, kommt langsam aus der Seitenthür Er scheint die Umstehenden nicht zu bemerken. Wie er sich vorwärts bewegt, geben die Uebrigen, etwas in den Hintergrund tretend, Raum.
Singald.
Rührt ihn nicht an! – Seht ihr denn nicht? – er schlummert,
So laßt ihn ruhen. – Ha! Wer spricht hier? wer?
Bin ich nicht König und ihr wollt es wagen,
Ihr wollt behaupten, daß er todt? Bin ich
Ein Träumer oder alterschwach? Ein blöder,
Hirnloser Greis, dem schwerer Druck der Jahre
Auf seinem Nacken sinnverwirrend lastet?
Kenn' ich den ew'gen Lauf nicht der Natur?
Ihr Thoren! Habt ihr noch gehört, gesehn,
Der Winter habe je den Lenz verschlungen?
Der müde Herbst sinkt in das Leichentuch,
Das weiß und kalt die Erd' umhüllt und deckt;
Doch lebenskräftig steigt aus ihrem Schooß
Der jugendliche, liebesfrohe Mai.
Den Abend mag auf ihren schwarzen Flügeln
Die Nacht entführen, doch den Morgen nicht,
Den holden Knaben nicht, deß goldne Locken
Hervor aus blüh'nden Rosenkronen wallen. –
Was stehst du, alter König Branor, dort,
Weißröschen an der Hand, und blickst mich an?
Kommst du, ein Pilgersmann, aus jener Welt,
Und willst dein Erbe, das du scheidend ließest?
Hier ist kein Platz für dich, zieh' deines Weges,
Fort! – Fort! du und dein Kind! – Wie doch so bleich
O du mein Knabe, still und stumm, – und deine Augen
Geschlossen! Klare, lieblich milde Sterne,
Ihr blicket mich nicht an? Erloschen, – Nacht
Auf immer! Wehe! Dunkle Nacht und todt! –
Gawin
Daß ich von solcher unheilbaren Wunde
Verletzt dich finde, Vetter! eben jetzt,
Als uns ein neues Friedensband umfängt,
Weckt mir den Schmerz in meiner tiefsten Brust!
Singald
Du hier, mein edler Vetter? Ach, du siehst
Den Baum entwurzelt liegen, den das Wetter
Gebrochen eines furchtbaren Geschickes!
Mein Sohn ist todt! ach, und sein Vater
Hat eine Stimme nur für seinen Schmerz,
Und nur mit Thränen kann er dich begrüßen.
Gawin
Bejammernswerther Freund!
Singald
Kennst du die Qual,
Das eigne Leben doppelt zu verlieren?
Du bist nicht Vater, hast auf deinem Knie
Noch keinen Sohn gewiegt, weißt nicht, wie selig
Der Himmel wiederstrahlt mit seinen Wonnen
In eines Vaters frohbewegter Brust.
O, nehmt ihm Alles, was das Leben schmückt;
Wenn hold auf ihn der Kinder Auge schaut,
Däucht ihm ein blüthenvoller Hain die Welt!
Ein irrer Wanderer auf dieser Erde,
Beraubt und arm, dem die Natur
Ihr großes, weites Freudenhaus verschlossen,
Der nicht die Stelle kennt, auf der sein Haupt
Des Abends Ruhe finden, – der nicht weiß,
Ob eine Frucht ihn morgen laben werde,
Ob eine Quelle ihm die klare Fluth,
Den Durst zu kühlen, gastlich spenden werde;
Blickt er auf seines Kindes freundlich Haupt,
Ist er getrost; er kann es sehen, lieben,
Es fest umschlingen, nichts ist ihm geraubt –
Denn, o! sein größter Schatz ist ihm geblieben!
Gawin
Du trägst so mächtig Leid, mein guter Vetter,
Daß jeder Trost Verschwindet neben ihm;
So groß ist der Verlust, um den du weinst,
Daß, gegen ihn gehalten, arm und klein
Der Erde reiche Güter dir erscheinen.
Doch einen Balsam gibt's für alle Wunden,
Ein lindernd Mittel hilft für alle Qualen:
Die Zeit,
Singald
Ein stärkres noch – der Tod.
Das ist der Arzt, der mich gesunden macht.
Auf ihn vertrau' ich, harr' auf seine Hülse. –
Ja, einem Todten acht' ich jetzt mich gleich,
Ob ich auch walle unter Lebenden;
Darum vernehmt mein Wort, wie ich es rede:
In einer finstern Klause, schwarz behängt,
Tief in der Erde ödem Gruftgewölbe,
Steht meines Söhnleins Bahre, und herab
Auf seinen Sarg ergießt mit falbem Schimmer
Aus einer goldnen Ampel wankend Licht
Den Ungewissen Schein, und die Verwesung
Stillt ihre Gier an königlichen Leichen.
Dort sey fortan mein düstrer Aufenthalt!
Hinuntersteigen will ich, wo die Sonne
Die hellen Strahlen nimmer hin versendet,
Wo stumme Nacht die grauen Flügel breitet:
Und jeder Laut erstirbt lebend'ger Wesen.
Dort will ich wohnen, und der Erde Bauch
Mit meinen Klagen füllen, meinem Leid!
Hinab zu dringen wage Keiner je,
Und Ruhe gebt dem Todten dort und mir.
Ein alter Diener einzig dürfte nah'n,
Einmal an jedem Morgen, Kunde gebend,
Der Erd' erschienen sey ein neuer Tag,
Damit ichs wisse in des Grabes Schlunde;
Denn Licht und Dunkel wechseln nimmer dort,
Die Nacht abmessend und des Tages Stunden;
So will ich feiern meines Sohnes Tod,
Und leiden, was das Schicksal mir verhängt.
Ihr aber ehrt mein königliches Wort
Und traget heil'ge Scheu vor meinem Schmerz.
(Geht ab)
Vorige , ohne Singald
Gylfe
Vernommen habt ihr eures Herren Wort!
Das helle Licht der Seele ist erloschen,
Und farbenlose Nacht hat sie umhüllt.
Krank ist sein Körper, kränker noch sein Geist;
Darum, ihr Freunde, laßt die Zeit gewähren,
Die Alles heilet, heilet dann auch ihn:
Und seyd gewärtig Unsrer regen Sorge,
Das schwere Amt der Herrschaft zu verwalten. –
Es hat ein günstiges Geschick zur rechten Frist
Den König, Unsern Vetter, hergesandt:
Mit ihm berathen wollen Wir zur Stunde,
Was diesem Lande frommen mag und euch.
Ihr aber fügt euch ruhig eurer Pflicht
Und meinem Willen, wie es Dienern ziemt,
Denn im Gehorsam nur steht eure Ehre,
Und eures Herrschers Lob ist euer Ruhm.
So harrt gelassen, bis der Zukunft Faden
Sich abrollt von der Spindel des Geschickes,
Und unbezweifelt dann die Zeit gibt Kunde,
Ob seines Uebels euer Herr gesunde.
(Sie entläßt, mit der Hand deutend, die Versammlung. Alle, außer Gawin, gehen ab)
Gylfe. Gawin.
Gylfe.
Du siehst, o Herr, wie dieses Haus und mich
Die schwere Hand des Himmels hat getroffen,
Und keine Hoffnung scheint in solcher Noth.
Gawin.
Mit hohem Geiste tragend dein Geschick,
Trink' neue Kraft, o edle Königin,
Aus deines Muthes nie versiegter Quelle.
Gylfe.
Ach, nicht für so gefährlich hohe Stelle
Bin ich geboren; dieses schwache Haupt,
Ich weiß es wohl, ist nicht der Krone Last
Zu tragen mächtig; nicht
diese Hand vermag
Den schweren Stab der Herrschaft zu regieren.
Hätt' ich den Fuß aus meiner niedern Hütte
Nie in den königlichen Saal gesetzt,
Nie diesen Thron bestiegen, den – der Himmel
Sey Zeuge mir, – ich wissend nie begehrt!
Mir ward ein Sinn verliehn von der Natur,
Der sich nach häuslich stillem Glücke sehnt;
Mein Herz gefällt sich nicht in Macht und Glanz,
Wenn ihm der gleichgesinnte Busen fehlt,
Der Lust und Leiden mitempfindend theilt.
Nicht in Palästen wohnt des Lebens Glück,
Oft schließt's der Raum der niedern Hütte ein.
Gawin.
O wahrlich, Base, arm sind alle Kronen,
Des Goldes Schimmer ist ein leerer Tand;
Umsonst erglänzt der Marmor an der Wand,
Im stillen Herzen muß der Himmel wohnen,
Und – Base, das – erschaut man nicht auf Thronen.
Gylfe.
Aus meiner Seele redest du, Gawin!
Hier darf ich mich nicht zeigen, wie ich bin,
Nicht, wie ich gern es wollte, sanft und mild,
Im engen Kreise meinem Herzen leben;
Denn andre Pflichten hat die Königin.
Oft muß ich herrisch scheinen, hart und streng,
Muß lieben, was ich hass', und was ich liebe,
Muß ich oft feindlich hassen und bekriegen.
Ja, edler Vetter, laß es mich bekennen,
Laß mich vertrauend dir des Busens tief
Verborgnen Grund erschließen und mein Herz
Dir öffnen! Ach, ich bin nicht glücklich! – Jetzt,
Nach Jahren erst, fühl' ich es und erkenn' es –
Ich bin nicht glücklich und ich war es nie.
Im weiten Raume dieser schönen Erde
Stand ich allein, ein meerumspülter Fels,
Den Sturm und Wogen feindlich wild umrauschten;
An diese Brust hat nie sich liebend noch
Die gleich gesinnte traulich angeschmiegt,
Und Trost hat mir kein fühlend Herz gegeben.
In mich verschließend jede bittre Qual
Und alle herbe Leiden meiner Tage,
Hat mich des Mitgefühles süße Labung
Der Freundschaft linder Balsam nicht erquickt.
So steh' ich auf des Lebens stolzen Höhen,
Hoch auf des Glanzes strahlenhellem Gipfel,
Des schönsten Landes mächt'ge Königin,
An meinen Wink ein Sklavenheer gefesselt,
Und bettle von dem unbarmherz'gen Himmel
Nur um des Aermsten allgemeines Gut,
Nur um das Loos des karg genährten Fröhners,
Und neide selbst den Stiefsohn der Natur,
Der, mühsam ringend mit der harten Erde,
Das schlechte Brod ihr spärlich abgewinnt;
Denn, wenn er heimkehrt nach des Tages Last,
Der Arbeit schwere Mühsal hat ertragen,
Ruht er an einem treuen Busen aus:
Es schlingen holde Arme sich um ihn,
Ihn blicken klare Augen liebend an,
Und hingesunken an die treue Brust,
Ist er so hoch gestellt von dem Geschick,
Daß um sein stilles und bescheidnes Glück,
Um die verborgnen Kränze seiner Lust,
Um die
entfallnen Blüthen seiner Freuden –
Ihn eine Königin mit Thränen muß beneiden.
Gawin.
Wie tief empfind' ich deiner Worte Sinn!
O, was sind alle Güter dieser Welt,
Wenn nicht das Höchste, Herrlichste aus allen:
Ein liebend Herz zum Antheil uns gefallen.
Wo nicht der Liebe mildes Rosenlicht
Hinschimmert auf die freudenlose Erde,
Sprießt keine Blume zarten Glückes auf.
Gylfe.
Ja, theurer Gawin, du wirst mich verstehen!
Als ich, noch unbekannt mit meinem Herzen,
Dies Eine nur empfunden, daß ich leide,
Als noch die Sehnsucht, ohne Gegenstand,
Ein innres Feuer, wie aus Berges Schooß,
In meinem Busen aus sich selbst erglühte,
Als ich das Glück zu nennen nicht gewußt,
Das ich, vermissend, mich zu finden mühte,
Verglomm die Gluth im schmerzlichen Gelust.
Und wie ein Flämmchen, dem der Stoff gebricht,
Stets matter schimmert, bis sein sterbend Licht,
Von einem leisen Hauch berührt, erlischt, –
Wie in des Gluthlands wasserarmer Zone,
Wenn nicht der Thau die schmachtende erquickt,
Die zarte Blume senket ihre Krone,
So wär' auch ich erloschen und verblüht;
Doch leise, wie ein Flötenhauch verhallet,
Wär' ohne Schmerz mein Geist der Brust entwallet.
Doch nun ich ihn gesehn, nach dem ich strebe,
Nun mir sein Bildniß in der Seele flammt,
Sind tausend Pfeile mir durch's Herz gedrungen,
Ein furchtbar Leben ist in mir erwacht,
Wie wenn Gewitter drohend aufgezogen:
Es schäumen wild des Blutes heiße Wogen,
Ich jag', ein glühend Schreckbild, durch die Nacht,
Das grausend roth am fernen Himmel brennt,
Wie drohend der Komet den blut'gen Bogen
Heraufzieht durch das dunkle Firmament.
Gawin.
Beruhige die Stürme deines Blutes,
O Königin! und wie du sonst besonnen,
Beschwör' auch jetzt mit kräft'gem Bann die Flamme,
Die oft verderblich aus des Busens Haft
Mit Ungestüm zum Licht empor sich rafft.
Gylfe
(vertraulich seine Hand ergreifend).
Nicht ohne Gottes sichtbar mächt'ge Fügung
Hab' ich dich eben jetzt, o Herr, gefunden,
Im Augenblick verhängnißvoller Zeit,
Wo diesem Land ein Herrscherhaupt gebricht.
In dir ist mir ein freundliches Gestirn
An diesem dunkeln Himmel aufgegangen.
Der König, mein Gemahl, du weißt es selbst,
Ist so verwundet in der tiefsten Seele,
Daß nicht Genesung seines Siechthums ist.
Er kann nicht schiffen mehr in solchem Sturm,
Und dennoch, mein' ich, fordert diese Zeit
Wohl eine kräft'ge Hand, die es vermag,
Des lecken Schiffes Steuer zu regieren.
Er ist kein König mehr für dieses Land;
Urtheil', ob er ein Gatte sey für mich.
Gawin.
Was, Base, ficht dich an? Kaum kann ich glauben,
Daß ich der Rede kühnen Sinn verstanden!
Gylfe.
Nicht länger trag' ich die beschwerte Fessel,
Die mich gebunden hält an Leib und Geist.
Auch mir ward Recht ertheilt von der Natur,
Zu schöpfen aus des Lebens frischer Quelle,
Von der ich, durstend, nimmer noch gekostet.
Was zögr' ich länger noch? – Die Zeit entflieht,
Das Leben muß man haschen auf der Flucht,
Es zu genießen ward es uns gegeben,
Und jedes Wesen freut sich seiner Lust.
Zoll ich allein nur darben, wo vom Horn
Des reichen Ueberflusses Alles schwelgt?
Der Vogel schwingt sich jubelnd in die Luft,
Den Wurm durchschauert Ahnung seines Himmels,
Und seiner Wonnen Antheil ward auch ihm;
Trag' ich allein den Fluch nur des Geschickes,
Allein verdammt zu freudenlosem Seyn? –
Ein Ende machen kann ich meinem Leid,
Und will es! –
Noch strömet warm die Welle meines Blutes,
Noch darf ich mich gerechten Wortes rühmen:
Daß meiner Schönheit Blume, nicht verblüht,
Im vollen Glanze meiner Jugend prange.
Der Mann, für den mein Herz verlangend glüht,
Soll eine Fülle nie geahn'ter Wonne,
Von mir umfaßt, in meinen Armen finden.
Für ihn nur will ich leben, lodern, flammen,
An seiner Lippen Hauch will ich mich hängen,
Die Liebe will ich einer ganzen Welt
Für ihn allein in diesen Busen drängen! –
Deß aber seyd gewiß, wie ich auch wähle:
Ein König nur genügt der königlichen Seele!
(Sie geht ab.)
Gawin (allein).
Ist's möglich! Welch ein fürchterliches Wort!
Wem gelten diese Reden, diese Blicke?
Sie liebt mich, glüht für Gawin, ihren Feind!
Darum der Schmeichelworte süßes Gift,
Darum die Hand zum unverhofften Frieden
So schnell geboten? Damals schon, als sie,
Das Söhnlein ihres Herrn zu lösen, kam
In meines Lagers leicht erbaute Stadt,
Als sie gesehen, wie des Kriegers Auge
Fest auf des kräft'gen Weibes schönem Leib,
Mit gier'gem Sehnsuchtsblick verweilend, ruhte,
Ward ihre Gluth entflammt an meinen Wünschen;
Damals stürmt' ich noch rasch und keck hinaus
In's wilde Leben; nur der Sinne Lust
Zog zu des Weibes süßem Reiz den Mann;
Da hatt' ich noch das Höchste nicht erkannt,
Das uns zum Himmel mächtig trägt und hebt
Auf Seraphs Flügeln. Damals war die Brust
Noch nicht erglüht vom seligsten der Triebe,
Da schwebte noch kein Engel mir vorbei,
Da war das Herz noch nicht vom Stoffe frei,
Noch nicht verklärt zum Tempel frommer Liebe;
Doch als ich trat auf die geweihte Stelle,
In ihrer Hütte traulich stillen Raum,
Stand ich entzückt auf Paradieses Schwelle,
Die Erd' und ihre Bilder sah ich kaum;
Denn auf ein Bild der Engel durft' ich schauen,
Das allem Irdischen entzog die Brust,
Wie sie erschien, die huldigste der Frauen;
Wie Turturell ich sah in sel'ger Lust,
War eine heil'ge Flamm' in mir entzünden,
Die Erd' entschwand, der Himmel war gefunden!
Gawin. Pendragon.
Gawin.
Du kommst erwünscht! Auf, eile! laß das Volk
Zum nahen Aufbruch sich bereiten. Fort
Von dieses Landes ahnungsvollem Boden!
Noch heute schließen will ich den Vertrag,
Wie sie ihn wünschen; jeder Pakt gilt gleich,
Der schnell mich ziehen läßt aus diesem Reich.
Pendragon.
Was ist's, mein wackrer König, das den Sieger
Zum Flüchtling macht aus des Besiegten Land?
Gawin
Fort! Frage nicht! Weiß ich doch selbst nicht Kunde
Von meiner Seele Aufruhr mir zu geben;
Doch fort von hier treibt's mich mit mächt'ger Hand,
Als gält' es mir und meinem theuern Leben.
Die Königin –
Pendragon.
Ging sie nicht erst von dir?
Ist's
ihre Schönheit, die dich so erschreckt?
Suchst du zu fliehn vor ihrer Blicke Schlingen?
Gawin.
Wie aus der Hölle tiefstem Schlund entstiegen,
Wo Wahnsinn haust und Graun, und kalter Schrecken,
Seh' ich sie glühend durch das Leben fliegen.
Der Blicke düstre Flammenblitze wecken
Geheime Angst in mir, wie ich auch strebe,
Und wie mein Schicksal fürcht' ich sie und bebe!
Pendragon.
Seltsam, fürwahr! Held Gawin, solch ein Ritter,
Daß nicht der Leu ihn schreckt in seinem Grimm,
In Angst und banger Flucht vor einem Weibe?
Was ist der Grund so ungewöhnlicher
Erscheinung?
Gawin.
Eben, weil der Grund ihr fehlt,
Faßt mich ein Schauer wie mit Geisteshand. –
Was ich befohlen, eile zu vollziehn,
Indeß zum stillen Heiligthum der Liebe
Des Waldes dicht verschlungner Pfad mich führt.
Mir ist nicht heimlich hier in diesen Hallen,
Nicht wohnlich däucht mich der geschmückte Raum,
Aus dem der Todtenklage dumpfer Schall
Beim Eintritt unhold mir entgegen klang.
Mich drücken diese goldgezierten Wände,
Die Säulen stürzen wankend auf mich ein,
Es sinkt der Boden unter meinem Schritt,
Und in der Seele will ein dunkles Ahnen
Mich unverweilt zur schnellen Flucht gemahnen.
(Pendragon geht ab.)
Gawin allein.
Du kühler Wald mit deinen Laubgewinden,
Du trautes Dach, vom Rosenhag umfangen,
Mich zieht's zu dir mit liebendem Verlangen,
Und deinen Schatten eil' ich aufzufinden!
O, könnt' ich dich der Beste doch entraffen,
Könnt' in des Meeres Mitte ich dich stellen,
Umrauscht von wilden, unschiffbaren Wellen,
Ein stilles Eiland meiner Liebe schaffen:
Dann wär' ein sichrer Port mir aufgegangen,
Das Lebensschiff am Anker fest zu binden;
Säh' ich die Erd' auch meinem Blick entschwinden,
Den engen Raum beträt' ich ohne Bangen;
Denn in dem Kreis, den deine Arm' umfassen,
Ist Raum genug für jedes Glück gelassen.
(Geht ab.)
Platz vor Argelens Hütte, wie zu Anfang der zweiten Handlung.
Argele. Turturell.
Turturell.
(in die Ferne blickend).
Noch immer nicht! – und Abend ist es doch,
Und lange hinter dem Gebirge sank
Die helle Sonnenscheibe schon hinab. –
O, Mutter! sieh, dort ist schon Sternenlicht!
Es kommt die Nacht, doch der Geliebte nicht!
Argele.
Sey ruhig, Kind! es schwimmt ja glänzend noch
Die Abendröthe auf der Berge Spitzen;
Nur hin und wieder wird ein Sternlein los,
Und wallt hervor aus des Gewölkes Ritzen
Mit bleichem Schimmer, weil der Tag noch scheint.
Turturell.
O, lege deine Hand aus dieses Herz,
Dein armes Kind zu trösten und zu heilen;
Es muß vergehn vor namenlosem Schmerz,
Soll es getrennt von dem Geliebten weilen.
Argele.
Ei, sey getrost! Ist's doch ein schöner Ritter,
Dem du zu Will' und eigen dich gegeben.
Mein Töchterlein ist eine schmucke Braut,
Die bald, in Sammt und seidenem Gewand,
Mit güldner Spang' und Kettlein ausgeziert,
In seines Schlosses glänzend Prunkgemach
Als Eh'gemahl ein edler Herr sich führt.
Dann wirst du selig ruhn in seinem Arm,
Und eine hohe Herrin wirst du werden.
Turturell.
Mich reizt nicht eitel Goldesglanz und Schein!
O, meine Mutter, gern als niedre Magd
Wollt' ich ihm folgen und zu Willen seyn,
In harter Arbeit wollt' ich mich bemühn,
Ihm dienen, folgsam jedem leisen Wink,
Könnt ich ihn sehen nur mit meinen Angen.
Argele.
Bald wird er kommen, harre ruhig nur.
Turturell.
O, gib mir einen Namen, es zu nennen,
Was wundersam mich schmerzt und mich entzückt.
Im Herz des Herzens fühl' ich mich entzückt,
Und dennoch Thränen mir im Auge brennen.
Argele.
Ja, eine Frühlingsblume ist das Herz
Der zarten Jungfrau. Fest verschlossen bleibt
Der farbenhelle Kelch, bis sie der Strahl
Der warmen Liebessonne mild berührt,
Dann aber öffnet sie den Blüthenbusen,
Den sie sonst schüchtern barg im dunklen Laub,
Entfaltet hat sie den verborgnen Reiz,
Um, eine Braut, den Bräut'gam zu empfangen;
Nur wenn sie liebt, steht sie in vollem Prangen.
Turturell.
Doch schnell verblüht die zarte Blumenbraut,
Wenn sie den holden Bräutigam erschaut. –
Ha, dort! Sieh, Mutter! – Ja! er ist's! er ist's! –
O, ihm entgegen!
Vorige. Gawin.
Gawin.
Sey mir hold gegrüßt!
Laß unsre Lippen innig sich vereinen,
Im Kuß die flieh'nde Seele aufzuhalten.
Laß unsre Küsse in einander fließen
Gleich Thanestropfen in der Blumen Kelche,
Laß ihren holden Wechselschlag ertönen,
Der Wonne Echo seyn solch süß Berühren,
Ein seliger Gesang den Liebenden.
Turturell.
O, mein Geliebter!
Gawin.
Theure Turturell!
Argele.
Ihr macht viel mächtig Leid der armen Dirne.
Ist's doch ein Klagen, Jammern, wenn Ihr geht,
Ein Treiben, bis Ihr kommt, man möchte meinen,
Die Sonne lösche aus am Himmelsplan,
Um nie mehr aufzugehn und Licht zu bringen.
Gawin.
Dem harten Zwange leb' ich heute noch,
Den unfreiwillig ich ertragen muß,
Dann aber ist der ernsten Pflicht genügt,
Und zarte Liebe tritt in ihre Rechte.
Ja, meine süße, anmuthreiche Braut,
Bereite dich, die Hütte zu verlassen,
Den stillen Wald, den rosenduft'gen Hag,
Wo deiner Kindheit Träume hingeschwunden.
Turturell
O, bleibe hier, wo dich mein Herz gefunden!
Wo ist ein Raum, mir theuerer als der,
Wo ich zuerst dich sah, wo ich zuerst
Der Stimme holden Laut gehört, zuerst
Der Liebe Schwur empfangen und gegeben.
O, diese Hütte, leicht mit Rohr gedeckt,
Hat unter ihrem Dach, in ihren Wänden
Nur Glückliche beherbergt und umschlossen.
Auf diesen Boden fiel noch keine Thräne,
Des Schmerzes und der Qualen stumme Botin;
Die mir die Wehmuth ausgepreßt um dich,
Sie waren süß, und heilig sind sie mir,
Und von dem Abendhimmel funkeln sie,
Wie helle Lichter, golden her auf mich,
Als wären sie verwandelt in Gestirne,
In stiller Nacht den Liebenden zu leuchten.
Gawin.
Was dir genügt und deinem frommen Herzen,
Ist meiner heißen Liebe nicht genug.
Das, was mir theuer ist und mich beglückt,
Will ich umgeben mit des Glanzes Fülle:
Entkleiden will ich dich der woll'nen Hülle,
Die deinen Reiz umnebelt und verbirgt;
Um dieser Glieder holdes Ebenmaß
Soll bald ein prächtiges Gewebe wallen,
Den zarten Formen liebend angeschmiegt.
Ein weißer Zelter trage meine Braut,
Ein Königshaus sey Wohnung meiner Herrin;
Das schöne Haupt umstrahle eine Krone –
Turturell.
Allmächt'ger Gott!
Gawin.
Ja, lieblichste der Frauen,
Vernimm, was dich mit Lust erfüllen soll,
Was ich vor dir verborgen, wisse nun,
Und mitempfindend theile mein Entzücken:
Ich bin kein niedrer Ritter ans dem Heer –
Turturell.
Weh mir!
Gawin.
Der Höchste aus den Herrschern bin ich selbst.
Und daß du wissest, wem du dich ergeben,
Wem du der Liebe Blume aufgespart,
Wer dir sein Leben freudig hat geweiht,
Den Glanz der Hoheit legt zu deinen Füßen:
's ist König Gawin, der um dich gefreit!
Und ob auch Volk und Mannen ihm gehorchen,
Ob auch der Goldhort aus der Berge Schooß
Für ihn geholt wird, wenn sein Wink gebeut,
Das Köstlichste herschwimmt aus weiter Ferne –
's ist nicht der Reichthum, der sein Herz erfreut,
's ist nicht die Macht, die seine Wünsche stillet;
Du, Turturell, bist seiner Freuden Pfand,
Der Erbe Räume kannst nur du ihm schmücken,
Ihm däucht die Welt nur schön an deiner Hand!
Tlurturell (von Schauer ergriffen).
Weh mir! Verloren! Weh! –
Gawin.
Turturell
(singt unter Thränen).
Das Mädchen hört mit Beben
Des Königs Liebesgruß;
Als sie sein Arm umfangen,
Erbleichen ihre Wangen,
Und an dem ersten Kuß
Sie sterben muß!
(Während der letzten Verse bricht ihre Stimme, ihre Kniee wanken und sie sinkt kraftlos unter heißen Thränen in Gamins Arme.)