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Erste Handlung.

Dicht verwachsene Waldgegend, eine große Eiche im Hintergrunde, seitwärts ein abgehauener alter Baumstamm. Ein heftiger Sturmwind heult durch den Forst.

Der Harfner

(ein fast hundertjähriger Greis, sitzt auf dem Baumstamme und spielt die Zither. Nach einigen kurzen Gängen läßt er sie ruhen und spricht):

Das ist die Stelle. Jene Eiche dort
Durchwühlt der Sturm, wie damals, so auch heut';
Auf diesem abgehau'nen Stamme hier,
Auf dem ich sitze, saß ich damals auch.
Noch hat ihn nicht der Moder aufgezehrt;
Nicht der Orkan den wurzelfesten Stock
Entrafft der mütterlichen Erd'; er hält
Dem Drange wider einer wilden Zeit. –
Ach Gott! auch mir pfiff manch ein kalter Wind
Seit jenen Tagen um den Bart, und sieh,
Ich lebe noch, und trage meiner Jahre
Und meines Unglücks Last. Wohl besser wär's,
Es fegte, statt dem weiß gebleichten Haar,
Der Sturm das falbe Gras auf meinem Grabe.
Doch nicht dem Lebenssatten naht der Tod;
Die frohe Jugend schlinget er hinab,
Der Lust und Freude blühn, das müde Alter
Muß mit des Lebens harten Mühen ringen,
Und kann nicht fort! – So geht's auch mir!
So schwand mir Lenz auf Lenz, und jedes Jahr
Saß ich auf dieser selben Stell' und spielt'
Ein tröstend Lied auf meiner alten Zither.
Gott besser's! –

(Er ergreift die Zither von neuem und spielt, den Blick auf den Boden geheftet.)

Der Harfner. Gawin und Pendragon erscheinen und winden sich durch das Dickicht.

Pendragon

(noch hinter der Scene).
Hier, Herr König Gawin, hier!
Nur frisch mir nach; hier lichtet sich das Holz.

Gawin.

Doch nicht der Himmel; der bleibt schwarz und düster.

Pendragon.

Glaubst du an Zeichen, Herr, so ist's nicht gut,
Daß solch ein furchtbar Ungewitter dich
Willkommen heißt auf dieses Landes Bode.

Gawin.

Das Ungewitter treff ich hier nicht an,
Ich bring' es mit; so sind die Zeichen günstig,
Und schönes Wetter wird, wenn's mir gefällt.

Pendragon.

So mach' es bald, o Herr, denn es thut noth! –
Doch sieh! – Welch eine wundersame Schau!
Ein alter Weißkopf, dem, so wie es scheint,
Fast ein Jahrhundert auf dem Nacken ruht,
Sitzt dort so still im wilden Sturm und spielt
Auf seiner Zither, als ob Frühlingswehn
Mit lauen Lüften ihn umsäuselte.

Gawin.

Ein rechtes Bild der kräft'gen alten Zeit.

Der Harfner

(steht auf).
Nun zieh' ich meines Weges wieder weiter
Mit leichten Schritten; denn der Hütte nah'
Ich mich nach Jahresfrist, und ruh' dort aus
Von meinem Irren, und drei Tage lang
Vergess' ich all' mein Leid und leb' im Glück;
Dann treibt mich wieder vorwärts mein Geschick.

Pendragon.

He, greiser Spielmann! bleib' und hör' ein Wort!

Harfner.

Laßt mich, ihr Herrn. Ich bin ein alter Mann,
Der keinem was zu Leide thut.

Pendragon.

Du sollst
Zu Lieb' uns etwas thun und nicht zu Leide.

Gawin.

Bist du des Weges kundig, alter Knabe,
So leit' uns aus dem Forst, wo wir verirrt,

Harfner.

Gar gern, wenn ihr mir folgen wollt.
Doch geh' ich langsam; denn die Knie wanken
Und nicht recht weiter wollen mir jetzt mehr
Die schwanken Füße.

Pendragon.

Und doch sitz'st du
Im Sturm so ruhig da und spielst die Zither,
Als wärest du ein rüst'ger Jüngling noch,
Der auf sein Liebchen harrt und wenig sich
Des schlimmen Wetters Unbill kümmern läßt?

Harfner.

Es hat die Zeit mich alt und starr gemacht;
Das Fleisch hat mir der Kummer abgezehrt,
Und da die trocknen Knochen haben kein Gefühl.

Gawin.

Wo ist denn deine Heimath?

Harfner.

Herr, ich habe keine.

Gawin.

Was sprichst du, alter Greis? Du hättest keine?

Harfner.

Die Welt irr' ich entlang Jahr ein, Jahr aus,
Und spiel' die Zither auf um ein Stück Brod;
Wird mir's gereicht und hab' ich's aufgegessen,
So zieh' ich weiter, such' ein andres Haus.

Pendragon.

Du trägst, fürwahr, an einer schweren Bürde! –
Und hast du keine Freud' und blüht dir nie
Ein Blümchen Trost auf deinem Weg?

Harfner.

Ich weine –
Und hab' ich ausgeweint, und ist in Thränen
Verschmolzen all mein Gram und all mein Sehnen,
Dann wird mir wieder leichter um die Brust.

Gawin.

So übst du eine schmerzenreiche Lust.

Harfner.

Mich hat die Hand berührt des Vaters oben:
Schmerz ist mein Leben, also soll's bestehn,
So ist's sein Wille. – Laßt uns weiter gehn.

(Sie gehen ab.)

Eine einsame Hütte im Walde. Argelens Wohnung. Kammer mit einer Seitenthür. Im Vordertheil der Bühne ein Stuhl, vor dem ein Rocken steht. Auf dem Tisch: eine erloschene Lampe. Seitwärts ein Kamin mit einem fast erloschenen Feuer. Im Hintergrunde ein Lager, auf dem Tulturell ruht.

Turturell

(erwachend, blickt erstaunt um sich).

Wie ist mir? – Welch ein wunderbarer Traum
Hat mich, in leichten Schlummer kaum gesunken,
Umgeben mit bedeutungsvollen Bildern,
Wie lebend anzuschaun!? – Ein Lilienstengel,
So sah ich, sproßte blühend zwischen Flammen:
Im Morgenthau erschloß sich kaum die Blüthe,
Und weißem Schnee der Berge glich ihr Busen.
Da färbte plötzlich sich das Feuer roth,
Und kämpfend schlugen die empörten Flammen
Hochlodernd über ihr erzürnt zusammen,
Und aufgezehrt zu Asche ward die Blume.
Wie wunderbar! – Im Zwielicht ist der Schlaf –
So sagt man – zauberkräftig, und die Träume,
Die er gebiert – sie treffen ein.

(Sie steht auf, geht an den Herd und zündet die Lampe an.)

Das Licht
Ist ausgebrannt. – Wo mag die Mutter seyn?

Mir ist so schauerlich hier ganz allein
In tiefer Nacht. Der Sturm kracht in den Föhren,
Und heult aus des Gebirges engen Schluchten;
Mir wächst die Angst mit jedem Augenblick.

(Sie geht unruhig umher.)

Sing' ich ein Lied? – Vielleicht entweicht die Furcht.

(Sie setzt sich an den Rocken, spinnt und singt.)

Es ging ein König jagen
In den Ardennerwald,
Er spürte ohn' Ermüden
Mit seinen edlen Rüden,
Sein goldnes Horn erschallt
Durch Feld und Wald.

Da hört er lieblich tönen
Ein klagend Liedelein;
Er folgt dem süßen Klingen
Und find't ein Mägdlein singen
In seinem Kämmerlein,
Still und allein.

Da ward ihm wohl und wehe,
Als er die Jungfrau schaut,
»Mußt mein, du Süße, werden!
Vor allem Volk der Erden
Grüß' ich dich meine Braut,
O Liebchen traut!«

Das Mägdlein hört mit Beben
Des Königs – –

Nein,
Mir preßt's die Kehle zu bei diesem Liede
Und Thränen treten gleich mir in die Augen,
Selbst weiß ich nicht warum, wenn ich es singe, –
Der Sturm braus't immer ärger durch den Wald!
Wo doch die Mutter heut so lang auch bleibt?
Mir ist so bang' um sie! – Wenn mittelwegs
Im Holz ihr nur kein Unglück widerfährt. –
Gelobt sey Gott! – da ist sie selbst!

(Sie läuft Argelen, die eben eintritt, mit offenen Armen entgegen.)

Tulturell. Argele.

Argele.

Mein Kind!
Mein Herzenstöchterlein! was ficht dich an?
Dein Busen stiegt, wie sturmempörte Wogen,
Die Lippe brennt, der Augen klare Lichter
Erglänzen, wie die Stern' in dunkler Nacht;
Du bebst und zitterst! Sprich, mein trautes Kind,
Warum so heftig und bewegt?

Turturell.

O Mutter!
Dem Himmel Dank, daß du mir heim gekommen!
Mich hat um dich die Sehnsucht schier verzehrt,
Und bange Furcht, weil von der Königsburg
Du nie so spät des Nachts noch heimgekehrt.

Argele.

Du armes Herz!

Turturell.

Ich konnte nichts erfinden,
Das mir den Muth gestärkt hätt' in der Brust,
Und nimmer wollte meine Angst verschwinden.

Argele.

Gehemmet war der Weg mit reis'gem Volke,
Das hergezogen kam in unser Land
Mit Gawin, seinem heldenmüth'gen König.
Wie dumpf das Meer am Strande braus't und tos't,
Tönt der verworrnen Stimmen hohler Schall
Aus der bewegten Menge. Durch die Straßen
Wogt, wie die Flut, ein undurchdringlich Heer
Von Mann und Rossen; denn es zieht fürwahr
Mit würdigem Gefolge, recht wie's ziemt
Für solchen mächt'gen Helden, Herr Gawin
Zu seines königlichen Vetters Burg.
Geschmückt sind alle Pforten, alle Säulen
Mit Blumenkränzen zierlich rings umhangen,
Den edlen Gast auch würdig zu empfangen.
Und lauter Jubel kündet, daß die Fehde,
Die lang gewüthet in verwandten Stämmen,
Die landverheerende, nunmehr geendet,
Und aus dem Boden, den der Krieg zertrat,
Die neuen Blüthen frisch und üppig dringen.

Turturell.

Was aber war des langen Haders Quelle,
Der so viel Unheil hat und Noth geboren?

Argele.

Viel Wunderbares tönt von Mund zu Mund,
Vererbet noch aus grauer Runenzeit,
Als König Magus herrscht' in diesem Lande,
De« Königs Schwangild Vater, der noch nicht
Mit seinem Volk in jenen dunklen Tagen
Zur heil'gen Lehre Christi sich bekannt. –
Es geht die Sage: König Magus zog
Einst rüstig aus ins ferne Land des Westen,
Zur Gattin sich Erlinden dort zu frei'n,
Die königliche Wittwe, hochberühmt,
Verborgne Zauberkräfte der Natur
Erspäht zu haben mit geheimem Wissen. –
Als die zuerst nun trat auf unsern Boden,
Forscht ihr Gemahl von ihr gewisse Kunde
Von seines königlichen Stammes Loos
Und den Geschicken kommender Geschlechter:
Da hieß die Königin Erlinde ihn
Achtsam zu spähen in der Hochzeitnacht
Von hoher Thurmeswarte, wenn die Nacht
Den weiten Sternenmantel ausgebreitet:
Dann würd' er in den Wolken staunend sehen,
Bedeutungsvolle Bilder rings gestaltet,
Die, was die Zukunft trägt in ihrem Schooße
Und erst gebären wird nach späten Jahren,
In jener Nacht dem Forscher offenbaren.«

Turturell.

Welch eine seltsam wunderbare Mähr'!

Argele.

Als nun der König, wie sie es befohlen,
Die Wart' erstiegen und die stille Nacht
Die dunkle Schattendecke rings gewoben:
Sieht er auf ihrem weiten schwarzen Grunde
Seltsame Zeichen flammend sich bewegen. –
Die Wolkenhülle sieht er schnell sich theilen,
Und Thiergebilde feurig, wild sich regen,
Und Löwen, grimme Tiger, Leoparden,
Der Wölfe raubbegierige Geschlechter,
Der wilden Bären und des Ures Zucht
Im grausen Kampfe durch den Himmel eilen,
So, daß er bald in seinem Geist erkannt,
Es sey ein Krieg, der mordend dort entbrannt. –
Wie Magus nun der Königin erzählet,
Was er gesehen an dem Himmelsbogen,
Gab von der Bilder Deutung sie ihm Kunde.
»Von dir« – so sprach sie – »wird ein Doppelstamm
Kriegsfroher Helden sprossen, tapfre Degen,
Den Löwen gleichend und den wilden Thieren,
Die du gesehen, und, wie jene dort
Am Himmel, sich im wilden Krieg befehden,
Wird deiner Enkel muthiges Geschlecht
In ew'gem Haß und Kampfe glühn und toben,
In steter Waffenarbeit ringend, her
Auf Kriegeswagen stürmend, sich begegnen,
Und bis der Letzte nicht von deinem Stamm gesunken,
Erlöschet nicht des alten Haders Funken.« –
Geschehen ist es so bis diese Stunde:
Erschlagen wurde König Gral im Kampf
Von seinem Bruder, doch nicht ungerächt.

Turturell.

Ich hörte Kund' einst dieser blut'gen That:
Dem Mörder trieb dann des Erschlagnen Sohn
In seine Augen einen goldnen Haken,
Daß beide Stern' entflossen in den Staub
Und er geblendet seine Tage schloß.

Argele.

Dann herrschte König Branor über uns,
Dem ward im späten Ehebette noch,
Als er ein achtzigjähr'ger Greis, ein Kind
Geboren, und Weißröschen nannte
Die späterzeugte Tochter König Branor.
Den überfiel sein Neffe Singald einst,
Und trieb den Alten fort von Thron und Land.
Nichts hörte man seit jener Zeit von ihm
Und von Weißröschen, seinem zarten Kinde,
Mit dem er floh.

Turturell.

Der arme alte Mann!

Argele.

Auch König Singald, der uns jetzt beherrscht.
Hat lange Zeit gekämpft mit seinem Vetter,
Dem tapfern König Gawin, der ein Gott,
So geht die Sage, waltet in der Schlacht,
Und fast des Gegners ganzes Land bezwungen.
Doch heute hat der alte Fluch ein Ende,
Und eitel hat Erlinde prophezeit;
Denn Alles, was er mit dem Schwert errungen,
Gibt Gawin wieder, und er ist bereit,
Mit heil'gem Eide Frieden zu beschwören
Auf ew'ge Zeiten, redlich, ohne Falsch.
Und daß die Herzen fester sich vereinen,
Wird Ritter Gawin in der Königsburg
Noch heut, ein hochwillkommner Gast, erscheinen.

Turturell.

Wie aber ist's geschehn, daß sich die Feinde,
Versöhnt, die Hände wieder friedlich reichen?

Argele.

Wie man erzählet, hat die Königin,
Frau Gylfe, die Gemahlin unsers Herrn,
Geheime Botschaft hin und wieder sendend,
Und milder Bitten süße Kraft versuchend,
Die Gegner ausgesöhnet und den Frieden
Zurückgegeben dem bedrängten Lande.

Turturell.

Die Königin? – Die! nie des Kampfes müde,
Im Lager wohnte und den zarten Leib
In ehernes Geschmeide eingehüllt?
Die, wie der Sturm herbraust auf schwarzen Schwingen,
Auf wildem Rosse durch die Reihen flog?
Wie kam der Fried' in dieses rauhe Herz?

Argele.

Seit sie inmitten beider Heere
Mit König Gawin Unterhandlung pflog
Und reiche Schätz' ihm bracht' als Lösegeld
Für König Singalds Sohn, den er gefangen
Und lang in Haft gehalten, hat sie selbst
Zuerst die Hand geboten zur Versöhnung.

Turturell.

Und sahest du den wackern Gawin nicht,
Ihn, der den Frieden bringt und goldne Tage?

Argele.

Vorausgesendet hat er sein Gefolge,
Doch kommt er selbst, bevor der Tag sich endet.
Ich hätte gern mein Aug' an solchem Herrn,
Mit ritterlichen Gaben hoch geschmückt,
Geweidet; doch der Abend kam, und weil
Ein heftig Wetter dunkel hergezogen,
Ich auch mein Töchterlein in Angst gewußt,
Wollt' ich nicht länger seiner Ankunft harren.

Turturell.

Hör', wie es stürmt!

Argele.

Es hat die Windsbraut sich
In dieses Waldes tiefer Schlucht verfangen,
Und heult, als ob sie aus dem Grund hervor,
Wie fest die Wurzeln in die Erde streben,
Die hundertjähr'gen Föhren wollte heben.

Turturell

(ihre Mutter umschlingend).
Laß Stürme brausen, Mutter, um uns her,
An deiner Brust winkt mir ein sichrer Port,
Und keines Wetters Unbill fürcht' ich dort.
Wie es auch tobt, bald ist die Angst entschwunden,
Hab' ich den Arm um deinen Hals gewunden.
(Man hört an der Thür pochen.)

Argele.

Wer pocht so spät des Nachts?

Gawin (von außen).
Besorge nichts,
Rechtliche Leute sind's.
(Man hört den Klang der Zither.)

Turturell (freudig).
Der Harfner ist's!
Hörst du sein Zitherspiel? O, öffn' ihm schnell!
(Argele öffnet die Thür.)

Vorige. Gawin. Pendragon und der Harfner treten ein.

Turturell

(geht dem Hafner entgegen und wirft sich an seine Brust).
Willkommen, alter Vater, tausendmal!

Argele (zu den Rittern).
Seyd mir gegrüßt, ihr Herrn, in meiner Hütte!

Turturell (zum Harfner).
Ich harrt' auf dich das ganze lange Jahr,
Recht wie ein Kind des Vaters, der entfernt.

Harfner (in die Höhe blickend).
Gelobt sey Gott!

Gawin (Turturell betrachtend).
Welch wundervolles Kind!

Pendragon.

Zwei Rittersleute, die, des Wegs nicht kundig,
Verirrt im Wald, und die nunmehr die Nacht
Und dieses Ungewitter überfiel,
Begehren Obdach hier von euch und Schirm,
Bis daß der Morgen graut.

Argele.

Ihr lieben Herrn,
Die Hütt' ist klein, doch euer soll sie seyn
Von Herzen gern, mit ihrer besten Habe.

Turturell.

(die indessen Gawin betrachtet und in seinen Anblick versunken war, doch ohne des Harfners Hand zu lassen).
Hier ruhet aus und seyd uns froh willkommen!

Gawin.

Nehmt unsern Dank voraus. Ha, Pendragon!
Wie holde Schönheit birgt das niedre Dach,
Wie süßer Liebreiz wohnt in diesen Zügen,
Wie reine Unschuld strahlt aus diesem Blicke!
So hab' empor von morgenlichten Höhn
Ich Engel oft im Traum entschweben sehn.

Pendragon.

Fürwahr, ein lieblich Blümchen, still erblüht
Im tiefsten Walde, wo es Niemand sucht.

Turturell.

Hier sitz' am Feuer, guter alter Vater,
Und ruh' dich aus, gepflegt von unsrer Liebe.
(Sie richtet ihm einen Sitz am Herde, setzt sich dann zu seinen Füßen und hält seine Hand.)

Gawin

(zu Argele, die unterdessen auch den Harfner begrüßt hat).
Du hegst da einen wunderbaren Gast,
Und möcht' es dünken, daß, ein Abgeschiedener
Von dieser Welt, er wiederkehrt aus jener.
Wer ist er? sprich!

Argele.

Alljährig kommt im Lenz,
Wenn oft die ersten Blüthen kaum den Schnee
Durchdringen, er zu unsrer Hütte her
Und weilt drei Tage hier, dann zieht er weiter.
So hat er es an sechzehn Jahre fast
Gehalten. Turturell, mein Mädchen dort,
Liebt wie ein Kind ihn, wenn er wiederkehrt,
Dann hat die Freude Ende nicht und Rast. –
Doch wer seyd Ihr? Gewiß von Gawins Leuten,
Und wollt zur Hofburg unsers Herren ziehn?

Gawin.

So ist's!

Pendragon.

Wie weit ist noch des Weges hin?

Argele.

In einer Stunde könnt ihr sie erreichen.

Turturell.

Doch heute bleibt bei uns und laßt's euch hier
Gefallen. Finster ist's und mächtig stürmt's.

Gawin

So reichen Schmuck schließt diese Hütte ein,
Daß ich das Ungewitter dankbar preise,
Das mich bewog, ein Gast in ihr zu seyn.

Turturell (für sich).
Das ist der schönste Ritter, den ich sah
Mein Lebelang! – Mir klopft das Herz
Bei seinem Anblick. Immer ruht sein Aug'
Auf mir, und zieht das meine nach, zu ihm.

Argele

Man wartet heute schon den ganzen Tag
Auf euren Herrn; sein ritterlich Geleite
Ist schon voraus.

Gawin

Mit keiner Königsburg
Tauscht Gawin diesen Ort, wo jetzt er weilt;
Er zürnt der Nacht, daß sie von hinnen eilt,
Und ihre süßen, heimlich stillen Freuden
Schon mit dem Schein der Morgenröthe scheiden.

Argele

Geh, Turturell, den Abendtrunk zu bringen
Für unsre Gäste, wie aus gutem Herzen
Ihn Armuth geben kann.

Turturell

Ich eile, Mutter!
(Ab.)

Vorige, ohne Turturell.

Gawin

Nun, Greis, wie fühlst du dich zur Stunde?

Harfner
Wohl und still, und danke Gott im Herzen!

Pendragon.

Du bist zu preisen, Mutter, daß du dir
Solch reizgeschmücktes Töchterlein erzogen.

Gamin.

Ha, welche Milde, welche süße Huld
Aus dieser Augen klaren Sternen strahlet!
Wie sich die Seel' in ihrem Blicke malet;
Der Anmuth Zauber, wenn sie sich bewegt,
Das Ebenmaß der zarten Glieder regt! –
Beim Glanz des Himmels, wen dies Mädchen liebt,
Wem diese lichtverklärte Huldgestalt
In süßer Regung Lust entgegen wallt,
Wem diese Perle eigen sich ergibt,
Er bat den Himmel sich voraus genommen,
Und welche Seligkeit auch dort ihm werde,
Er hat sie tausendfach auf dieser Erde!

Harfner (für sich).

Dort oben lebt der Vater von uns Allen,
Und seine Hand hebt wieder liebend auf,
Die in des Lebens Abgrund tief gefallen.

Argele.

Ja, edle Herrn, ich nenne mich beglückt!
Denn wie der Körper jede Zierde schmückt,
Ist jede Tugend, jeder Werth ihr eigen.
Wie dieses Kindes Herz und Seele rein,
Kann nicht der Sonne fleckenlose Scheibe,
Kann nicht der frische Schnee der Berge seyn.
Auch ist ihr, wer sie sieht und kennt, gewogen,
Und viele Herrn des Hofgesindes wünschten
Der holden Schönheit Knospe sich zu brechen.

Pendragon.

Will's glauben, Alte! – 's ist ein lüstern Volk,
Und wie die Raupen kriechts an jeder Blüthe.

Gawin.

Wer ist's, der stolz sich könnt' und rühmend preisen,
Er sey solch Kleinod würdig zu besitzen?
Und wenn den Thron mit Gold und Purpurglanz
Mit Edelsteinen, wie mit klaren Sternen
Geschmückt er bietet, daß das Auge selbst,
Von solches Schimmers Strahl berührt, erblindet:
Es ist kein Preis, den ihr auf Erden findet,
Der nichtig nicht an ihrem Werth verschwindet.

Pendragon.

Ja, ja, ich kann's begreifen, wie ein Herz,
Das noch der Jugend Woge rasch durchströmt,
Bei solchem Anblick hell in Flammen lodert;
Thut's doch mir alten Kriegsgesellen wohl,
Wenn so vor mir ein fräulich Bild der Huld
Vorüberschwebt, als trügen's Engelflügel!

Vorige. Turturell mit einem Kruge und Bechern, kommt durch die Mittelthüre.

Argele.

Nun laßt's euch munden! Turturell, kredenze
Du hier den schlechten Trank den edlen Rittern.
Der Wein ist wohl für solche Gäste nicht;
Doch nehmt vorlieb, wir sind geringe Wirthe.

Pendragon (lächelnd).

Ein frischer Trunk nach der beschwerten Reise,
So müden Wanderern als wir gebracht,
Und von so holder Schenkin dargereicht,
Möcht' auch dem König nicht verächtlich scheinen.

Turturell

(schenkt die Becher voll und reicht dem Harfner und Pendragon einen; den dritten, nachdem sie davon gekostet, dem Könige).

Auf Euer Glück! Mög' es Euch wohl bekommen!

Gawin.

Ersehnte Lust! den heißen Mund zu drücken
Auf dieses Bechers Rand, im Flug berührt
Von deiner Lippen zart entblühten Rosen!
Der Reben fließend Gold, das du gekostet,
Ist glühend Feuer, das ich gierig schlürfe,
Daß seine Gluth mein eignes Selbst verzehre!
O, edler Saft, der mir im tiefsten Leben
Die Seel' entzündet und die Adern schwellt,
Mit sel'ger Wonne ungestümen Strömen
Den letzten Tropfen will ich dürstend leeren!
So süßen Trank trinkt selbst nicht die Cikade,
Ob auch der Frühling sie zu Gaste lade,
Daß in des Morgens frischem Blumenthaue
Sich ihre stimmenreiche Kehle bade.

Turturell.

Du bist wohl gütig mit mir armen Magd, ,
Daß du die kleine Gabe scherzend rühmest.
Doch, denk', es sey so, wie du jetzt gesagt,
So wird der schlechte Wein ein edler Saft;
's kommt nur drauf an, daß man es selber glaubt.

Pendragon.

Wär's nicht schon spät und forderte der Schlaf,
Den wir fürwahr uns heute wohl verdient,
Nicht bald sein Recht, du solltest, schöne Wirthin,

Den Krug zu füllen müde werden und
Des Schenkenamtes bei so durst'gen Kehlen.

Argele.

Wollt Ihr zur Ruhe gehn? Dort findet Ihr
Das Lager Turturells, das diese Nacht
Sie gern dem müden Wandrer überläßt.

Turturell

(Gawin freundlich anblickend).
Mein Lager überlaßt dem Greise dort:
Es ist für ihn, so oft er kommt; Ihr findet
Wohl frisches Moos. Behelft Euch, wie Ihr könnt.

Argele.

Wir Beide finden Platz dort in der Kammer.
(Zu Gawin.)

Seyd Ihr ermüdet, dünket Euch wohl auch
Des frische Gras ein königlicher Pfühl.
Gehabt Euch wohl, bis Euch die Lerchen wecken!
(Geht ab.)

Vorige, ohne Argele.

Turturell.

Nun, Vater, komm, daß ich zur Ruh' dich leite.

Harfner.

Zur Ruhe leiten? Ja! Drei Tage lang
Vergess' ich all' mein Leid und leb' im Glück;
Dann treibt mich wieder vorwärts mein Geschick.

( Turturell führt ihn an der Hand zu ihrem Lager, wo der Harfner niederkniet und betet.)

Gawin.

Die Sterne neid' ich, die am Himmel brennen
Und ihren Strahl in deine Kammer senden;
Sie dürfen nicht, wie ich, die Blicke wenden,
Sich nicht von dir, geliebtes Leben, trennen.

Turturell.

Schlaf' süß, mein holder Gast, und mög' auf dich
Die stille Nacht den milden Frieden thauen!

Gawin.

O, möchte doch, du Sonne meiner Tage,
Im sanften Schlafe dir mein Bild erscheinen,
Vor deine Seele hingezaubert stehen,
Möcht' es um dich in Flötentönen wehen,
Wie ich dich gern mit Liebesworten grüßte! –
O, möchte doch, ruht, traulich hingegossen,
In süßem Schlummer deine Huldgestalt,
Von jedem Reiz der Anmuth hell umwallt,
Von jeder Schönheit Zauber mild umflossen –
Wenn meiner Liebe Wünsche dich umschweben,
Sich leise wogend dieser Busen heben,
Die Lippe stammelnd – wenigstens im Traume –
Auf meine Bitten holde Antwort lispeln!
O, eine sel'ge Nacht hätt' um mich her
Die Fülle alles Lebens dann verbreitet!
Und wenn der Tag auf seinem Strahlenwagen,
Hellflammend, tausend Sonnen auch entzündet,
Ein Lichtesmeer durch alle Himmel blitzt,
Es muß, besiegt, dem trauten Dunkel weichen,
Es wird den Glanz nicht dieser Nacht erreichen.

Turturell.

O, könnt' ich solchen mächt'gen Zauber üben,
Daß von der Nacht umhüllt und ihren Freuden,
Du nie gedächtest mehr von hier zu scheiden;
Den Tag wollt' ich von seinem Recht vertreiben,
Und nur die Nacht, die süße, holde Nacht
Sollt' ewig währen, zwäng' sie dich, zu bleiben.

Gawin (sie an sich ziehend).
O süßes Leben!

Turturell (sich loswindend).
Ruh' sanft, mein Freund!

Gawin

Nur noch ein Wort!

Turturell.

Denk', daß der Tag erscheint.
(Sie geht in ihre Kammer.)

Pendragon.

Ist's doch beinah', Herr König Gawin, als
Ob dieser Dirne klare Kindesaugen
Ein festes Netz geschlungen um dein Herz,
Und du umsonst versuchtest zu entrinnen.

Gawin.

Wär' ich entäußert menschlicher Natur,
In Stein und hartes Erz durch Zauberkraft
Gewandelt, und ihr Auge blickt' auf mich:
Es müßte sich das Herz in schnellern Schlägen
Selbst in dem kalten Marmorbusen regen.

Pendragon.

Bekränze immerhin dein Haupt mit Rosen,
Das lang des Helmes schwere Kuppel drückte;
Dir steht es an, jetzt minniglich zu kosen,
Da du als Held dich männlich hast bewährt.
Die rauhe Kriegesarbeit ist gethan,
Nun labe dich am Holden und am Schönen,
Trink' deiner Jugend vollen Becher leer;
Der schnelle Tag verschlingt, was er geboren,
Die Stunde flieht und keine Wiederkehr
Bringt uns die Zeit zurück, die wir verloren.

Gawin.

Nicht, die vorüberfloh, wünsch' ich zurück,
Die gegenwärt'ge möcht' ich ewig halten!
O, daß das Morgen nicht in seinem Werden
Das Gestern schon zur Welt geboren hätte;
Daß doch das Heute treu uns wolle bleiben!
Die Zukunft fürcht' ich, weil sie Gegenwart
Schnell zum Vergangnen macht. – Der Wechsel ist's,
Der immer wandelnde, der uns beherrscht;
Nicht das Beständige darf uns regieren.
Fest auf des Würfels Dauer möcht' ich bauen,
Der ewig sicher ruht und bleibt, und muß
Der Kugel mich, der rollenden, vertrauen.

Pendragon.

Das Neue drängt das Alte von der Stelle,
Und kaum, daß sich an eines Bildes Schein
Das Aug' erfreut', schwebt schon ein anderes
Im leichten Fluge vor dem Blick vorüber.
In einer Hütte einsam stillem Raum
Hat dieses Tages Sonne uns geleuchtet,
In eine hohe, goldne Königsburg
Führt morgen uns ihr glänzendes Gestirn,
Wo dich ein jauchzend Volk mit Festgepränge
Als Sieger grüßt, als edelmüthigen,
Der, was sein Schwert vom Feinde sich gewonnen,
Als Freund zurück den Schwächeren gewährt,
Und nichts behalten will von ihrer Habe,
Als ihrer Liebe unerzwungne Gabe.

Gawin

Es sey die Rede nicht von Mein und Dein;
Sie mögen nehmen, was sie selbst gelüstet;
Könnt' ich nur Fürst in dieser Hütte seyn!

Pendragon.

Du hast den alten Fluch der ew'gen Fehde
Durch deines Herzens Milde ausgesöhnt;
Der böse Geist der Zwietracht ist gebannt,
Der über dir und deinem Stamme schwebte.

Gawin

Vorüber wandeln ruhig die Geschicke
Am niedern Hause, wo die Armuth wohnt,
Um an der hohen Pforte anzupochen,
Wo stolzer Uebermuth sich frech erhebt. –
Hier wohnt der Friede und das stille Glück.
So lange dieses Daches Schirm mich deckt,
Bin ich bewahrt von guter Geister Nähe;
Aus meiner Seele bann' ich jede Sorge,
Die an der Welt verworrnes Treiben bindet,
So lange mich Ein Raum mit ihr umschließt;
Mir ist das Wort ein eitel leerer Schall,
Das nicht von ihrem Lobe wiedertönt,
Der Name, der die Holde mir nicht nennt,
Ist mir bedeutungslos und ohne Werth,
Und ausgelöscht aus meines Busens Grunde,
In dem sie einzig lebt und liebend herrscht,
Sind jene nicht'gen Schattenbilder, die
Im Weltgetümmel nur vorüberschwebten,
Mir nur im Aug' und nie im Herzen lebten!
Was ist die Burg von König Singald mir?
Was sind die Feste mir, die meiner warten?
Ein leerer Tand! – Die Seele fühlt ihn nicht!
Sie hebt die Schwingen freudig auf zum Licht,
Es sucht ihr Flug den sel'gen Himmelsgarten,
In dem ein Engel wallt in ew'ger Schöne,
Bestrahlt von seiner Heimath goldnem Glanz;
Daß lächelnd er, mit einem Blüthenkranz,
Der nie verwelkt, das Leben herrlich kröne.
O, daß er doch, auf Goldgewölkes Saume
Herschwebend, mir erschien im nahen Traume!

Der Vorhang fällt.


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