Julius Wolff
Das schwarze Weib
Julius Wolff

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Als die von Kloster Schönthal vereint ausgezogenen Führer mit ihren beiden starken Haufen vor Schloß Nierenstein anlangten, um die Grafen Hohenlohe für ihren Wortbruch zu strafen und ihnen mit Gewalt zu nehmen, was sie gutwillig zu liefern sich nachträglich trotzig geweigert hatten, fanden sie es verschlossen und still wie ausgestorben. Auf ihr Rufen und ihre schärferen Herausforderungen kam zu ihrer Verwunderung keine Antwort, und so beschlossen sie denn den ungesäumten Angriff. Es begann zunächst eine allerdings ziemlich erfolglose Beschießung mit den Feldschlangen, die aber vom Schlosse aus ebensowenig eine Erwiderung fand wie die wörtlichen Drohungen. Da schritt man unter Florian Geyers Befehl zur Bestürmung der Wälle und Mauern, auf denen sich nur eine, wie es schien, sehr schwache Besatzung zeigte und sich tapfer wehrte.

Unterdessen machte sich Jäcklein Rohrbach an die Überbrückung des Grabens und die Berennung des Burgtores, selber einer der Vordersten dabei. An seiner Seite war Judika, den Speer in der Hand und auf ernsten Kampf gefaßt, ja ihn wünschend und erhoffend. Sie war auf dem Marsche gleichgültig gegen alles um sich her und noch schweigsamer als sonst gewesen und hatte sich sowohl von Florian wie von Jäcklein möglichst ferngehalten. Ihre sehr bleichen Züge hatten eine finstere Gespanntheit, als wäre sie mit sich zu einem besonderen Entschlusse gekommen, der keiner Mitteilung bedurfte oder zu seiner Ausführung vielleicht keinen gestattete. Jetzt aber, vor dem Beginn des Kampfes, ergriff sie eine auffallende Unruhe. Sie schaute sich oft um, als suchten ihre Augen etwas, was sie nicht fanden, so daß Jäcklein mehr als einmal warnte: »Judika, gib acht! bleib noch zurück!« Doch sie hörte nicht auf ihn.

Als aber die ersten dröhnenden, splitternden Axtschläge gegen das Burgtor fielen, rief innen eine Stimme: »Haltet ein! wir öffnen schon selber.«

Schnell sandte Jäcklein die Nachricht an Florian, er solle vom Stürmen ablassen und hierherkommen. Inzwischen hörte man jenseits des Tores das polternde Wegräumen der Verrammlung. Jäcklein, eine List vermutend, bereitete sich mit seinen zuverlässigsten Leuten auf einen Ausfall der Besatzung vor und suchte Judika aus der vordersten Reihe, in der sie immer noch stand, zurückzudrängen, was ihm nur einen verächtlichen Blick von ihr eintrug. Endlich öffnete sich das Tor und es erschien, von einigen Knechten umgeben, ein halb gepanzerter Graubart, den Spieß verkehrt geschultert als Zeichen der Ergebung oder des Überganges zum Feinde, und erklärte den erstaunten Angreifern, daß die Handvoll Verteidiger den nutzlosen Widerstand nicht länger fortsetzen, sondern das Schloß übergeben wollte.

Judikas Gesicht nahm bei dieser Kunde den Ausdruck einer großen Enttäuschung an, wie sie der Empfang einer höchst unwillkommenen Botschaft verursacht. Seufzend und wortlos wandte sie dem Tore den Rücken.

»Wo sind die Grafen?« frug Jäcklein den alten Reisigen, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte.

»Auf und davon!« war die kurze Antwort.

Ein Fluch platzte von Jäckleins Lippen. Dann rief er den Seinigen zu: »Kommt! wollen mal hinschauen!«

Sie drangen in den Burghof und in das Schloß selber hinein, in dem sie keinem Menschen begegneten, durchsuchten alle Räume, nahmen mit sich, wozu sie Lust hatten und was sie brauchen oder verwerten zu können glaubten, und zertrümmerten den Hausrat und alles, was nicht niet- und nagelfest war. Geschütze, Pulver und Stein fanden sie nicht.

Judika hatte sich inzwischen über den zum Übergange mit Strauchwerk, Balken und Brettern ausgefüllten Graben zurückbegeben und schritt dem Lager zu. Auf dem Wege dahin begegnete ihr Florian: »Was ist geschehen, Judika?«

»Das Schloß ist übergeben,« erwiderte sie verdrossen. »Sie sind schon drin.«

»Und die Grafen gefangen?«

Sie zuckte die Achseln und schwieg.

»Ihr scheint unzufrieden,« sprach er.

»Ja, ich hatte mich auf den Kampf gefreut,« gab sie ihm in einem Tone zur Antwort, dem er eine unheimliche Verstimmung anmerkte.

»Was habt Ihr, Judika?« frug er besorgt.

»Nichts, – geht hin, wo Ihr nötig sein werdet,« erwiderte sie schroff.

Kopfschüttelnd verließ er sie und eilte dem Schlosse zu. Da kam ihm, von einer Rotte Bauern geleitet, die gefangene und entwaffnete Besatzung entgegen. Es waren kaum zwanzig Mann, die den Ritter höflich grüßten, ihre Begnadigung von ihm erhoffend, weil sie ihn für den obersten Anführer hielten.

Jetzt stieg aus dem Schlosse eine dunkle Rauchwolke empor. Die Bauern hatten es nach der schnell beendeten Plünderung in Brand gesteckt.

Dennoch schritt Florian weiter und traf im Burghof Jäcklein Rohrbach mit dem Führer der kurzen Verteidigung. Der Alte war offenbar erbost, daß ihn seine Herren mit so wenigen Leuten im Stich gelassen und, statt sich mutig bis zum Äußersten zu wehren, das Schloß preisgegeben hatten. Aus seinen mürrischen und widerwilligen Geständnissen ging folgendes hervor.

Die beiden Grafen Ludwig und Friedrich von Löwenstein waren es gewesen, die die Grafen Hohenlohe gegen die Bauern wieder aufgehetzt und zur hochmütigen Zurücknahme ihres gegebenen Wortes bewogen hatten. Während der Ansammlung des Bauernheeres im Kloster Schönthal waren die Grafen Albrecht und Georg von Hohenlohe mit Pferden und Geschützen und mitsamt allen weiblichen Bewohnern des Schlosses ausgerückt und hatten sich nach Schloß Löwenstein begeben, um dieses mit vereinten und verstärkten Kräften gegen die etwa anziehenden Bauern zu behaupten.

»Na, die wollen wir kriegen!« lachte Jäcklein, und auch Florian war über die feige Flucht der beiden Grafen entrüstet.

Sie begaben sich in das Lager, und die Besatzung wurde auf dringende Fürsprache Florians, den Ehrenfried Kumpf dabei gegen Jäcklein unterstützte, begnadigt und, nachdem sie Urfehde geschworen, ohne Waffen entlassen.

Die Führer wollten nun beschließen, was weiter zu tun sei, und Jäcklein winkte Judika, daß sie an der Beratung teilnähme. Zögernden Schrittes kam sie heran, immer noch in der niedergeschlagenen Stimmung, die den Männern ein Rätsel war.

Jäcklein Rohrbach hatte eine dunkle Ahnung davon, daß er sich in der Nacht zu Schönthal Florian gegenüber ziemlich erbärmlich aufgeführt hatte. Nicht seine Trunkenheit reute ihn, die er sich selber sehr leicht verzieh, zumal er öfter Veranlassung dazu hatte; wohl aber wurmte es ihn, daß er sich von Florian so schnell unterkriegen lassen und diesem dadurch ein gewisses Übergewicht über sich eingeräumt hatte. Diese Scharte mußte er auswetzen, entweder durch ein einschmeichelndes Entgegenkommen oder durch ein doppelt sicher tuendes und selbstbewußtes Auftreten. Er wählte das seiner Natur näherliegende letztere Mittel ohne zu überlegen, ob es bei einem Manne wie Florian Geyer seinen Zweck erreichen würde. Daß Judika Zeugin seiner Schwäche gewesen war, wußte er ja nicht.

Florian riet, der geflüchteten Grafen Hohenlohe nicht weiter zu achten, es bei der Strafe der Einäscherung ihres Schlosses Neuenstein bewenden zu lassen und sich mit der gesamten Streitmacht auf die Städte Neckarsulm und Heilbronn zu werfen.

»Fällt mir gar nicht ein!« trumpfte Jäcklein protzig dagegen auf, »die sollen nicht denken, daß sie mit uns spielen können. Jetzt ziehen wir nach Schloß Löwenstein und machen mit der ganzen Gesellschaft da kurzen Prozeß. Und wenn der Herr Ritter bei dem Tanze nicht mittun will, so führe ich ihn mit meinen Neckartalern allein auf!«

»So!« lachte Florian, mehr belustigt als beleidigt von Jäckleins prahlerischem Benehmen. »Nun, der Herr Ritter wird mittun, wenn Ihr erlaubt, Jäcklein Rohrbach. Dagegen erwarte ich, daß Ihr nach der Einnahme von Löwenstein, die uns ja nicht allzulange aufhalten wird, mit mir zusammen Heilbronn besetzt, was viel wichtiger ist, als ob wir hie und da ein Schloß mehr oder weniger zum Himmel schicken.«

»Einverstanden!« erklärte Jäcklein, »aber eins müßt Ihr mir noch als Draufgeld zugeben außer Löwenstein, und es liegt so bequem auf unserem Wege von dort nach Heilbronn, – Schloß Weinsberg. Da müssen wir erst noch ausräuchern und dem Helfenstein, dem schändlichsten, verruchtesten und verhaßtesten aller Bauernschinder, den Garaus machen. Das stell' ich als Bedingung.«

Florian krauste die Stirn, und Judika, auf seine Entschließung äußerst gespannt, blickte ihn erwartungsvoll an. »Nun, Ritter Florian, Ihr besinnt Euch?« fuhr Jäcklein fort, »steht der gräfliche Kumpan doch Eurem Herzen noch näher als das arme Volk, dem Ihr Euch in Herchsheim gelobtet? Das wäre nicht gut für Euer Ansehen im Bauernheere.«

»Erspart mir und Euch die Antwort auf so ungeziemende Bemerkungen!« verwies ihm Florian streng.

»Entscheidet Euch und bekennt Farbe!«

»Und Ihr wartet, bis ich mich entschieden habe!« entgegnete Florian zornig aufwallend. »Dazu ist Zeit, wenn wir mit Löwenstein fertig sind.«

»Unnützer Aufschub!« brummte Jäcklein. »Was sagst du zu meinem Vorschlage, Judika?« wandte er sich nun an diese. »Brauchst du etwa auch noch Bedenkzeit?«

»Was ist da noch groß zu bedenken?« nahm statt ihrer Ehrenfried Kumpf das Wort. »Die Gerechtigkeit verlangt es, daß wir mit dem Helfensteiner abrechnen, und das Fazit –« ein kräftiger Lufthieb mit der Faust von oben nach unten, von einem grimmigen Blicke begleitet, ergänzte die Rede.

»Aha! da hört ihr's! der wird also nicht geschont! es muß Köpfe regnen, Judika!« rief Jäcklein mit einem häßlichen Grinsen, kehrte sich ohne weiteres ab und ging langsam davon. Ehrenfried Kumpf schloß sich ihm an.

»Judika, wie retten wir Helfenstein?« sprach Florian leise, als die beiden nun allein standen.

»Den wollt Ihr retten?« frug sie erstaunt und unwillig.

»Er ist mein Freund, Judika, und war auch der Eure von Kindheit an,« sprach Florian und fügte, als sie nichts darauf erwiderte, dringender hinzu. »Wir können ihn doch nicht in Unwissenheit lassen über das, was ihm droht.«

Judika starrte, das Haupt an den Speer gelehnt, düster zu Boden. Ihr stiegen Jugenderinnerungen auf, genossene Wohltaten, freundliche, aber auch schreckliche Bilder, und stritten in ihr um Spruch und Urteil. Plötzlich schüttelte sie sich wie vor einer schauderhaften Berührung, und »Nieder mit ihm!« stieß sie heftig hervor. »Schont, wen Ihr wollt, nur den nicht! Den zu retten helf' ich Euch nicht!«

»Aber denkt doch an sein Weib und Kind, die dann mit ihm dem Tode geweiht sind!« mahnte Florian.

Das griff ihr ans Herz, und schnell erwiderte sie: »Ja, ja! daran dacht' ich nicht; die müssen wir retten; um ihretwillen muß er gewarnt werden.«

»Aber wem soll man so gefährliche Botschaft anvertrauen?«

»Klaus Hornschuh, wenn Ihr keinen Besseren wißt und er sich dazu bereit finden läßt,« sagte Judika. »Doch still jetzt! Jäcklein beobachtet uns.«

Jäcklein hatte sich umgewandt, sah mit mißtrauischem, eifersüchtigem Blick die beiden miteinander reden und knurrte: »Da spinnt sich etwas an, was mir nicht gefällt.«

Zwei Tage später hielten die beiden Haufen das stark besetzte und gut bewehrte Schloß Löwenstein umzingelt. Es wurde hinein- und herausgeschossen, aber an eine Erstürmung der hohen und festen Mauern war ohne zu große Opfer von Menschenleben vorläufig noch nicht zu denken. Da überraschten die Grafen, die auch über geharnischte Berittene verfügten, die Belagerer durch einen kräftigen Ausfall, der zwar, und nicht ohne erhebliche Verluste, zurückgeschlagen wurde, dessen Abweisung aber doch nicht den Erfolg hatte, daß die Bauern mit den Weichenden in die Burg eindringen konnten. Florian und Jäcklein, nun die Stärke und Kampfart der Gegner kennend, wollten sich nicht zum zweiten Male unvorbereitet finden lassen, sondern einem etwa wiederholten Angriff nachdrücklicher begegnen und trafen ihre Maßregeln. Florian hieß den Anführer seiner schwarzen Schar beim nächsten Ausfall des Feindes sofort und ohne einen weiteren Befehl dazu abzuwarten den Sturm auf die Wälle an einem ihm bezeichneten Punkte zu unternehmen.

Der zweite Ausfall erfolgte am nächsten Morgen, war weit heftiger als der erste und führte zu einem langen, hartnäckigen Kampfe, der sich bald zugunsten der einen, bald zu der der anderen Partei zu wenden schien. Florian und Jäcklein sowie Ehrenfried Kumpf fochten selber tapfer mit und unter ihren Augen, stets an der bedrohtesten Stelle, mit einer wahrhaft herausfordernden Unerschrockenheit und Verwegenheit auch Judika. Sie warf sich mit blinder Wut in das dichteste Gedränge und durch das Lärmen und Getöse, das dort die stürmenden Landsknechte, hier die Mann gegen Mann auf ebenem Boden Ringenden machten, hörte man ihre laute Stimme ermutigend und anfeuernd, wo sie ein Schwanken einzelner oder mehrerer zu bemerken glaubte. »Haltet Stand! vorwärts! drauf, drauf! Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes! wir siegen, wir siegen! ich hab' eure Spieße gesegnet! schont keinen!« So schrie sie und schwang den Speer und stieß damit zu trotz einem der kämpfenden Männer. Florian sah es mit Schrecken, wie achtlos sie sich der äußersten Gefahr aussetzte. Die ihr von niemand in diesem Maße zugetraute Kraft ihres Körpers kam im behenden und kühnen Schwung ihrer Bewegungen zur vollen Geltung, und wie sie gleich einer Verzweifelten mit flammenden Augen im Handgemenge focht, hatte sie etwas Furchtbares und doch großartig, überwältigend Schönes, das selbst die auf sie eindringenden Feinde stutzig machte. Plötzlich kam ein geharnischter Reiter – Graf Friedrich von Löwenstein war es – auf sie losgesprengt, und mit dem frohlockenden Rufe: »Ho, schwarzes Weib! Dich such' ich!« holte er mit dem Schwert zum Schlage gegen sie aus. Sie streckte im natürlichen, fast unbewußten Trieb der Abwehr den Spieß gegen den Angreifer vor, wäre jedoch verloren gewesen, wenn nicht im selben Augenblicke Klaus Hornschuh, der sich beständig in Judikas Nähe gehalten hatte, seinen Speer dem Pferde des Grafen in den Bauch gestoßen hätte, so daß es strauchelnd zusammenbrach. Aber noch im Sturze des Reiters sauste sein Schwerthieb wuchtig auf Hornschuhs Schädel herab, ihn spaltend und den sofortigen Tod des treuen Mannes herbeiführend. Judikas Spieß traf den Grafen über der Halsberge und durchbohrte ihm die Kehle, daß er röchelnd verschied. Klaus Hornschuh war gerächt.

Diesmal siegten die Bauern vollständig und drangen, mit ihrer Überzahl den Ausfallenden den Rückweg abschneidend, durch das Tor. Die Verteidiger der Wälle mußten den hart Bedrängten im Burghof zu Hilfe eilen, und so gelang auch der Sturm der Landsknechte, die nun die letzte Wehr überstiegen.

Der Kampf innerhalb der Ringmauern war bald entschieden, jeder Fußbreit war genommen, und eine reiche Beute, auch an Geschützen, Pulver und Stein, fiel den Siegern in die Hände. Schloß Löwenstein ging in Flammen auf.

Die beiden Grafen Hohenlohe waren durch die Flucht auf schnellen Pferden entkommen, Graf Ludwig von Löwenstein aber wurde gefangen. Er mußte barhäuptig und barhändig, während die Bauernführer Hut und Handschuhe aufbehielten, sich in den evangelischen Bund schwören und wurde dann mitsamt den Frauen freigelassen.

Gegen Abend wurden die Toten bestattet, und Judika kniete in stillem Gebet auf einem der gemeinsamen Gräber, in dem sie Klaus Hornschuh ruhen wußte.

Als sie sich erhob und zum Gehen wandte, stand Florian vor ihr. »Kommt!« sprach er, »ich habe mit Euch zu reden, Judika.« Und sie gingen beide allein dem nahen Walde zu.

Dies bemerkte Jäcklein und schnell erwachte wieder das brennende Gefühl der Eifersucht in ihm. Er rief zwei Bauern zu sich heran und sagte zu ihnen. »Ihr paßt mir von Stund an auf das schwarze Weib, folgt ihr auf Schritt und Tritt, beobachtet und belauscht sie, was sie tut und was und mit wem sie spracht. Morgen früh macht ihr mir darüber Meldung!«

Die Burschen nickten dummpfiffig und schlichen sich seitwärts auf einem Umwege dem Gehölz zu, in dem Florian und Judika bald verschwanden.

Als die beiden letzteren von Gesträuch verdeckt und außerhalb aller menschlichen Gehörweite waren, begann Florian stehenbleibend. »Zunächst muß ich ernstlich mit Euch schelten, Judika! Was habe ich von Eurem heutigen Vordringen im Kampfe zu denken? Ihr seid der größten Gefahr nicht begegnet, nein, Ihr habt sie aufgesucht!«

Sie schlug die Augen nieder und schwieg. Ihr Busen hob und senkte sich vor mächtiger, innerer Bewegung. Und er fuhr fort: »Haltet Ihr Euch etwa für hieb- und stichfest? ich glaube nicht an den Unsinn des Fest- und Gefrorenmachens.«

»Ich auch nicht,« gab sie leise zur Antwort.

»So glaubt Ihr vielleicht an etwas wie eine göttliche Sendung, die Euch noch zu höheren Zwecken aufspart.«

»Auch das nicht,« lächelte sie trübe. »Denkt Ihr denn mitten im Gefecht nur einen Augenblick daran, daß Ihr verwundet werden oder fallen könntet?«

»Ich! ich bin ein Kriegsmann. Aber wenn Ihr gefallen wäret –«

»Nun? – so wäre ein ohnehin verlorenes Leben ausgelöscht, und ich läge still da unten neben Klaus Hornschuh,« sagte sie ohne aufzublicken.

Da stieg eine furchtbare Ahnung in ihm auf, die ihm das Herz klopfen machte. Wie betäubt stand er vor ihr und suchte nach Worten. »Ihr sollt nicht immer von einem verlorenen Leben sprechen, Judika!« stieß er endlich in seiner Verwirrung hervor, da er das, was ihn in diesem Augenblick durchdrang und erschütterte, nicht vor ihr auszusprechen wagte, und fügte dann besorgnisvoll hinzu: »Es schmerzt mich in tiefster Seele, so etwas von Euren Lippen zu hören.«

»So laßt uns von anderen Dingen reden,« erwiderte sie leise seufzend und schritt vorwärts. Er folgte ihr, und sie gingen schweigend nebeneinander weiter. Nach einer kleinen Weile sprach sie in völlig verändertem Tone: »Klaus Hornschuh ist tot. Wen wollt Ihr nun nach Weinsberg schicken?«

Er blieb wieder stehen. »Ich wüßte nur einen sicheren Boten, und das seid – Ihr!«

»Ich?!« fuhr sie erschrocken auf und noch einmal: »ich?!« sah ihm wägend, forschend ins Gesicht und sprach dann, gedankenvoll ein paarmal mit dem Kopfe nickend: »Nun, – also ich!«

»Ja? wirklich?« rief er hoch aufatmend, »Ihr wollt das Wagnis übernehmen?«

»Wenn Ihr es wünscht und mich fortschickt, – ja!« erwiderte sie erregt. »Und,« fuhr sie dann ruhiger fort, »Ihr habt recht, kein anderer kann es, kein anderer würde etwas ausrichten; wer weiß, ob ich es vermag; Ihr kennt ja den trotzigen Sinn des Grafen.«

»Weiß Gott!« sagte Florian. »Ich sprach heute noch einmal mit Jäcklein; er ist aber von seinem Vorhaben nicht abzubringen. Ihr wißt also, was Ihr Graf Ludwig mitzuteilen habt. Er soll sich in den Bundschuh schwören oder mit Weib und Kind machen, daß er fortkommt; sonst ist er rettungslos verloren. Ich breche morgen mit den Meinigen nach Neckarsulm auf; dort laßt mich Euch wiederfinden.«

»Und bin ich dort nicht,« fiel sie ein, »so fragt in Erlenbach nach mir, zwischen Neckarsulm und Weinsberg; dort habe ich Bekanntschaft. Christine Kranz, eine arme, wackere Frau, der ich einmal Gutes tun konnte, wird Euch von mir Kunde geben, wenn ich glücklich durchgekommen bin.«

»Gut! wann wollt Ihr abgehen?«

»Heut' abend, sobald es dunkelt,« erwiderte sie. »Damit gewinnen wir einen Vorsprung vor Jäcklein, der morgen noch das Nonnenkloster Lichtenstern plündern will.«

»So behüt' Euch Gott auf Eurem Wege!« sprach Florian. »Und noch eins! sagt dem Grafen: mein Schwert wachte über Eurer Sicherheit.«

Sie nickte ihm dankbar zu. »Aber was sagt Ihr Jäcklein, wenn er mich vermißt?« frug sie.

»Hm! Jäcklein!« Er überlegte. »Vorläufig, – ich wüßte nichts von Euch, und später – die Wahrheit.«

»Das eine wird er Euch nicht glauben, und über das andere wird er wüten und toben.«

»So laßt ihn toben; ich werde schon mit ihm fertig,« erwiderte Florian.

»Es dämmert,« sagte sie. »Bleibt noch hier, ich will allein zurückgehen und mich bereitmachen.«

Er faßte ihre Hand. »Judika! wenn Euch ein Leids geschähe –!«

»Seid ohne Sorge!« beruhigte sie ihn, »ich stehe in Gottes Hand und fürchte mich nicht. Der mich heute verschont hat, – der wird mich auch in Weinsberg nicht suchen.«

»Lebt wohl!« sprach er mit bewegter Stimme, »und – auf Wiedersehen, Judika!«

»Auf Wiedersehen, – Florian!«

Sie ging nach dem Lager zurück, und er schritt einsam in den dämmernden Wald hinein.


 << zurück weiter >>