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Kalimas war gänzlich auf den Kopf gestellt. Es wurde ein Doppelfest gefeiert; im Landhause die kupferne Hochzeit und in der Fabrik das Einholen der Ernte.

Vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein und tagtäglich herrschte dort jetzt eine Geschäftigkeit, die immer größere Kreise und immer mehr Menschen in ihren Bann zog. Ringsumher wurde alles dadurch in Aufruhr versetzt.

Der Pflanzer hatte über zweihundert Gäste zu dem Fest geladen. Um die hundertfünfzig, für die in den langen Reihen der Fremdenzimmer in dem Landhause und den Nebengebäuden kein Platz mehr war, zu beherbergen, ließ er im Garten eine kleine Stadt aus leichten Hütten erbauen.

Der Bambus wurde in großen Karren von den Hügeln heruntergefahren; ein ganzes Heer von Zimmerleuten war zwischen Gebüschen und blühenden Beeten bei der Arbeit. In dem leeren Packhaus, das in eine Werkstatt umgewandelt war, sägten, hobelten und hämmerten die chinesischen Möbelmacher. Etwa zwanzig Frauen saßen, Vorhänge und Laken nähend, zwischen luftigen Bergen Musselin und Baumwollballen.

Schon seit einer Woche kam aus allen chinesischen Tokos der Umgegend, vom Bahnhof und aus der Hafenstadt, der Proviant. Die schweren inländischen Karren, die über die Auffahrt rollten, wankten unter den festgestauten Warenstapeln. Es stand schon ein ganzes Bollwerk von Weinfässern und Kisten voll Mineralwasser in der großen Schauer, und grau schimmernde Eisklumpen hielten das kühl, was die Hitze nicht vertrug. Unaufhörlich schleppten Inländer Jagdbeute herbei: in der Schlinge gefangene Hirsche, in die Falle gegangene Wildschweine, ganze Haufen Enten und Schnepfen und enorme Quantitäten Fisch. Die Frauen von Langean brachten ganze Stapel hellfarbiger Berg-Gemüse und prächtige bunte Früchte in den sich gleichmäßig auf ihren Köpfen wiegenden Wannen. Ein Restaurateur aus Batavia, der ein halbes Dutzend Köche mitgebracht, notierte gewichtig alles, was angebracht wurde.

Auf einem abgelegeneren Teil des Grundstücks wurde im Schatten eines kleinen Wäldchens ein Schwimmbassin angelegt. Es sah aus wie ein Meer, von steinernen Ufern umgeben. Die Wasserleitung nach der Fabrik war zu dem Zweck verlegt worden, und über eine Bettung von Kies und Holzkohle, die das schnelle Wasser läuterte, wurde ein auf den Hügeln entsprungener Bach dorthin gestaut. Der brausende schäumende Wasserfall ließ den Sonnenstaub tanzen.

In dem Maschinengebäude und ringsumher dröhnte der Lärm. Der Maschinist war mit seinen »Mandoers« Mandoer = inländischer Aufseher. und seinen Arbeitern damit beschäftigt, die elektrische Kraft des Dynamo in großen und kleinen Strömen über das ganze Grundstück zu verteilen. Bei hereinbrechender Dämmerung erstrahlten die Scheunen, das Packhaus und die Hüttenstadt in der Pracht unzähliger Funken. Die Leitung für die Illumination war fertig. Überall, an den Bäumen, an den Wänden, den langen Säulenreihen und den Dächern zogen sich eiserne Strähnen entlang, die in ausschießende Zweige und Ranken ausliefen. Es war wie ein vieltausendästiger Weinstock, der während dieser ganzen Festwoche in feuriger Blüte stehen würde.

Unzählige Gäste waren schon im Landhaus eingetroffen, aber es wurden noch immer mehr erwartet, und auf dem endlos sich hinstreckenden Weg von Kalimas nach dem Bahnhof war es ein unaufhörliches Kommen und Gehen. Die Stalljungen trabten mit Herden kleiner Pferde zu den verschiedenen Zügen, und der Chinese aus Kaliwangi wußte kaum noch, wie er das Futter für all die stationierten Tiere beschaffen sollte.

Währenddessen herrschte in der Fabrik, wo alles für das Fest hergerichtet wurde, eine ebensolche Geschäftigkeit.

Die neue Maschine war aufgestellt. Der Mandoer, der sehr stolz darauf war, hatte den Stahl und das Kupfer so geputzt, daß es bei jedem Sonnenstrahl in hundert Lichtern erglänzte. An den hohen Wänden hatten die Tüncher nicht eine Handbreit Raum vergessen; alles prangte jetzt in weißem Glanz. Der steinerne Boden war vollständig sauber gemacht. Ströme von Wasser hatten die Rinnen gereinigt, durch die der süße Saft laufen sollte. Schon waren die Maschinen ausprobiert worden, fest und sicher griff alles ineinander. Der große eiserne Körper, der starke Arbeiter, der Zuckerrohrzerquetscher und Süßigkeitszubereiter, erwachte aus seinem monatelangen Schlaf. Er füllte tief aufatmend die Lungen mit Dampf, spannte seine stählernen Sehnen und Muskeln an und erprobte seine Gelenke.

Inzwischen liefen die Mandoers durch alle Dessas der Umgegend, um die Männer anzuspornen, die mit ihren Büffelkarren das Rohr vom Felde holen mußten. Sie inspizierten die schwerfälligen Karren, ob auch nichts fehle an Rädern oder Deichseln, und ließen die Büffel, für deren Ankauf Kalimas das Geld vorgeschossen, aus dem Moor treiben, in dem sie sich wälzten. Mit grünlich braunem Schlamm bedeckt, stapften die schwerfälligen Tiere daher, langsam, ob der kleine Hirt auch noch so laut schrie und sie mit seinem Bambuszweig auch noch so sehr antrieb.

Die Dessaleute begannen sich nun auch zum Fest zu rüsten, denn es galt ihnen ebensogut wie den Europäern. Hier kam es nicht auf eine spezielle Einladung an, die ganze Umgegend war auf Kalimas zu Gast, und wer kam, der war willkommen. Die Frauen holten ihre Festgewänder aus der bemalten Truhe, wo sie in dem Duft von Blumen und »Akar-Wangi-Wurzeln« ruhten; und wer sie in das Pfandhaus getragen, verkaufte Hausrat und Feldgeräte, um sie wieder einzulösen. Der Goldschmied hatte viel zu tun mit dem Reparieren von Ohrringen und Busennadeln; die Männer saßen des Abends auf der »Baleh-Baleh« und putzten die Scheide ihres Kris blank und den zierlich geschnitzten Griff. Es wurde viel Reis geweicht und zu Pulver fein gerieben.

Im Umkreis einer Tagesreise freuten sich die Waronghalter und Süßigkeitsverkäufer zugleich auf das Vergnügen und auf den Verdienst. Sie kamen die Wege entlang zu Fuß und in schaukelnden kleinen Karren, um unweit des Landsitzes ihre Zelte aufzuschlagen.

Ein Dalang, der berühmt war wegen seiner Redegewandtheit, seiner Klugheit und wegen der Fertigkeit, mit der er, ohne ein einziges Mal steckenzubleiben, die vielhundertzeiligen Verse der alten Wayang-Dramen sprach, wurde erwartet. Und ihm voran eilte die Mär von der Kostbarkeit seiner vielen vergoldeten und bemalten Puppen, von dem vollen Klang seines von geschickten Musikanten bespielten »Gamelan« und von der Schönheit seiner Tänzerinnen in ihren vielfarbigen Gewändern.

Van Heemsbergen fühlte sich von diesem lärmenden üppigen Leben vollkommen überwältigt, wie von einem Ausbruch der Elemente: er begriff zum ersten Mal, welch eine gewaltige Macht das Geld verkörpert. Bisher war das für ihn nur eine unbestimmte Vorstellung gewesen. Als Student hatte er, der vorsichtigen Aufsicht seines Vormundes erst einmal entronnen, sein Erbteil mutwillig vergeudet. Und sei es nun in der Form einer reichen Heirat oder in der einer guten Anstellung oder durch das »Vabanquespielen« mit seinen Talenten: kommen würde das Geld später doch, dessen war er gewiß. Mit dieser Sicherheit in seinen Gedanken ließ er sich weiter wenig daran gelegen sein. Seine Sehnsucht zielte nach anderen Dingen. Indessen war der Reichtum, wie er ihn hier jetzt sah, nicht mehr eine Bequemlichkeit, ein persönliches Vergnügen für den Besitzer, sondern eine wirtschaftliche Macht. Er stand ihm gegenüber wie ein Bewohner grüner Landstriche, der in seinem Leben wohl einmal etwas über die Macht des vulkanischen Feuers gehört hat, einem eruptiven Vulkan gegenüberstehen würde. Die Natur der Dinge, die ganze Gestaltung der menschlichen Gesellschaft wurde dadurch eine andere in seiner Vorstellung. Er fragte sich erstaunt, wie er so lange zwischen Hirngespinsten gleichwie zwischen wirklichen Dingen hatte leben können.

Nach dem dreimal zerrissenen und dreimal von neuem begonnenen Brief, in dem er Ada sein Abweichen von dem mit ihr gemeinsam erwählten Wege erklärte, schrieb er einen triumphierenden zweiten, ein Loblied auf den Pflanzer, auf Kalimas, auf die Advokatur, auf den Reichtum, der dem Mutigen winkt.

Eine der Beamtenwohnungen war für ihn eingerichtet. Von seinem Zimmer aus konnte er den unaufhörlichen Strom von Menschen und Dingen sich nach dem Landhaus stauen sehen. Er sah alles in einer Geschäftigkeit wie auf einem Markt oder einem Löschplatz: die gebückten Lastträger keuchend und schwankenden Schrittes, das Einhertraben der Arbeiter und Aufseher, die Ankunft von Scharen festlich eingeholter Gäste.

Wenn er nach Kaliwangi ging, nach Soemberbaroe und Langean und in die Dessas der Umgegend, wo er in des Pflanzers Angelegenheit Gewißheit suchte, sah er ein ganzes Volk sich zur Freude rüsten. Und von den Hügeln herab sah er, wie sich das Land ringsumher, die Höhen, die Ebene, die Küste nach Kalimas zu bewegte.

Das Unternehmen dehnte sich in seinen Betrachtungen zu einem weiten Reich. Der Pflanzer ward zum König, zu einem prächtigen orientalischen Fürsten. Und was seine Augen sahen, das war sein: die Menschen, denn sie arbeiteten in seinem Dienst, mit ihrem Kopf oder mit ihrem Körper oder mit ihrem Gelde, und sie empfingen ihr Brot oder ihre Freude aus seiner Hand; die Tiere, denn sie zogen seine Lasten und pflügten seinen Schatz; die Erde, denn sie mußte sein Zuckerrohr tragen; der Fluß, denn er mußte seine Maschinen treiben. Schien es nicht fast, als sei selbst die Sonne, die den Boden läutert, die Dämpfe aufsaugt, die süße Reife bringt, seine zinspflichtige Bundesgenossin?

Jetzt öffnete der König seine Pforten, und über das ganze Land strömte seine Macht in Freude aus.

»Reichtum ist in unserer Zeit, was die fürstliche Macht im Mittelalter war und die Anführerschaft von Kriegsbanden zu Beginn unserer Kultur – das äußere Merkmal des geistig Überlegenen. Der kraft seiner selbst reich gewordene Reiche ist wie der König, und der Kriegsmann, der Herrscher, der Held, der zeitlich höchste Typus der Rasse, der älteste Sohn des Lebens.« Das war der Gedanke, den er in jener ersten Woche seines Lebens auf Kalimas in sich entsprießen, aufkeimen und wachsen fühlte, bis er alles andere überschattete.

Die Feste auf Kalimas hatten ihren Anfang genommen.

In der ungeheuren, durch angebaute ringsumher laufende Bogengänge bis ins Unendliche vergrößerten Hintergalerie des Landhauses, wo Wände und Säulen hinter blühenden Orangenbäumen, Palmen, Farnkräutern und Lianen verschwanden, wo der Marmorboden überflutet war von rosenroten Blättern, wo von den langen Reihen der Kronleuchter Wolken strahlend weißer, goldgelber, scharlachroter und purpurfarbener Orchideen herabhingen, war allabendlich die Festtafel für die hunderte von Gästen mit prächtigem Überfluß beladen. Die Tanzmusik erscholl die Nächte hindurch in den Sälen und in den langen Galerien unter den Bäumen, wo hunderte von Lichtkugeln, wie glänzendes Wunderobst in dem Blätterwerk prangend, Tageshelle verbreiteten. Es war eine Ruderpartie unternommen in einer Menge zierlicher mit Sonnensegeln bespannter, mit kühlen Matten bedeckter, mit Wimpeln und Kränzen lustig geschmückter Bote, den Fluß hinunter nach der Bai zu, von wo aus das weite grüne Land mit seinem halbkreisförmigen Hintergrund und der umwölkten Spitze des Tjeremai in der Ferne zu sehen war. In der Morgenkühle war eine lange Wagenreihe, von Reiterscharen umringt, den Weg nach dem Hügelwald hinaufgefahren, um die Ruinen eines Hindutempels zu sehen, die von einem schweigenden Alten bewachten Gräber von Muslim-Heiligen dort ringsumher und die Mengen grauer Affen, die ihm zahm die Früchte aus der Hand nahmen. Es wurden unaufhörlich Jagden veranstaltet, und bei dem Klang schmetternder Trompeten trabte die ganze Jägerschar die Auffahrt hinunter nach der Landstraße zu. Dann schlug ein Trupp die Richtung nach dem Fluß ein, nach den schilfreichen Buchten, wo die wilden Enten nisten; dort lagen die Flöße und warteten auf die geduldigen Späher. Ein zweiter ritt in die Ebene, um Schnepfen zu schießen. Ein dritter zerstreute sich im Wald, von inländischen Treibern geführt, die Wildschweine und Hirsche aufgejagt hatten. Ein vierter erklomm die rauh bewachsenen Hügel, wo die schrillen, dem Miauen von Katzen ähnlichen Schreie von Pfauen in dem frühen Morgen erklangen, während ihr prächtiges Gefieder wie rasch aufblitzende Regenbogen durch das Laubwerk schimmerte.

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