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Seit dem Erscheinen der letzten Auflage ist eine ziemlich lange Zeit verstrichen. Irgend welche Vorbereitungen für eine neue Durchsicht und Umarbeitung hat mein Vater nicht mehr getroffen. Inzwischen aber hat die Platonforschung eine wesentlich andere Gestalt gewonnen. Die philologisch-historische Forschung, deren »wertvoll klärende, ergänzende und berichtigende« Mitarbeit er selbst (S. 14) betont hatte, ist ebenso wie die der Historiker der Philosophie lebhaft fortgeschritten. Gerade die Sprachstatistik, der er sich nur zögernd und ohne innere Zustimmung anvertrauen mochte, ist zu wichtigen neuen Ergebnissen gelangt; sie hat zu der gänzlichen Umdatierung so entscheidender Dialoge wie beispielshalber Theaetet und Phaedrus und damit zu einer neuen Auffassung von Platons geistigem Werden geführt. Ein auf der Höhe der heute vorliegenden Literatur stehendes Buch müßte die Arbeiten von H. Maier über Sokrates, von H. v. Arnim, Pohlenz, Ritter, Wilamowitz über Platon – um nur einiges von dem Wichtigsten anzuführen – berücksichtigen oder doch zu ihnen Stellung nehmen. Es ist klar, daß sich daraus eine völlige Umgestaltung des Buchs ergeben würde, und da mein Vater selbst sie nicht mehr vornehmen konnte, so wäre es eben nach einer solchen Umgestaltung nicht mehr sein Buch.
Dazu kommt, daß mein Vater ja nicht eine Einführung in den Stand der Forschung oder ein Lehrbuch zu geben beabsichtigte. Sein Werk ist vielmehr der Ausdruck der Anschauung von Platons Persönlichkeit als Mensch, Künstler und Denker, wie sie sich ihm in langem, vertrautem Umgang erschlossen hatte. Es hieße das Buch in seinem Wesen und in seiner Wirkung völlig zerstören, wollte man nachträglich eine Auseinandersetzung mit den heute im Vordergrunde stehenden Problemen und wissenschaftlichen Arbeiten einfügen. Ein Buch von so persönlicher Art verträgt nur den unveränderten Abdruck; zu ihm haben sich deshalb Verleger und Herausgeber entschlossen.
Heidelberg, Mai 1920.
Wolfgang Windelband.