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Wie Phidias den Stein, der Paros Spitzen weißt,
Den ungeformten Stein, zur Venus werden heißt,
Der Stoff liegt vor ihm da, und wartet auf das Leben,
Das, mit Dädal'scher Hand, der Künstler ihm wird geben;
Er aber baut aus ihm das schönste Meisterstück,
Die ganze Göttin strahlt aus ihres Bildes Blick:
So gab der höchste Geist, der Schöpfer aller Welten,
Dem All die beste Form: es floh vor seinem Schelten
Das Chaos schüchtern hin, er streute seinen Schein
Und Ordnung und Verstand dem Stoff der Dinge ein.
Welch eine Schönheit glänzt in allen seinen Reichen?
Wie weislich weiß er sie zu Einem Zweck zu gleichen?
Wie find't ein tiefer Blick selbst in der Dämmerung,
Die unsre Augen schwärzt, Stoff zur Bewunderung!
Wie strahlt die Creatur vom mitgetheilten Lichte,
Wie schmückt der Schatten sie vom göttlichen Gesichte,
Wie malt, was, ohne ihn, dem Nichts sein Hoffen gab,
So prächtig einen Gott in hellen Spiegeln ab!
Du, die du selber mich dem Pindus zugeführet,
Wo des Askräers Lied den heil'gen Hain noch rühret,
O Muse, zeige mir die Form der ew'gen Welt,
Und was für ein Gesetz sie ewig drinn erhält.
Was zwingt die Körper stets in fließende Gestalten,
Die wandelnd, wie die Zeit, nie ihren Ort behalten?
Was düngt die Erde stets mit ihrer Kinder Staub?
Wodurch wird unser Leib verhaßter Würmer Raub?
Ja welch ein Wunder heißt selbst irdische Planeten,
Auf unbekannter Bahn, in dunkler Glut erröthen?
Dieß, Göttin, lehre mich, und leite meinen Sinn,
Der deinem Antrieb folgt, zum Quell der Wahrheit hin.
Dieß gränzenlose All von Welten und von Zeiten,
Der volle Inbegriff umleibter Geistigkeiten,
Malt sich in jeder Art im ideal'schen Reich
Mit andern Farben ab, ist nie sich selber gleich.
So viele Wesen sich mit andern Sinnen schmücken,
Und Leiber andrer Art die volle Erde drücken;
So viele Gattungen, in ungemess'ner Bahn,
Durch tausend Himmel sich der Gottheit ewig nahn:
So vielfach ist die Art, wie bloß uns zu vergnügen
(Wohlthätiger Betrug!) die Sinnen uns betrügen;
So vielfach ist in uns die ideal'sche Welt,
Die, wie er sie erblickt, der Sinn für wirklich hält,
Da doch, weit unter ihm, und über seinem Haupte,
Der das als Welt umschifft, was er ein Sandkorn glaubte,
Und diesen rothen Ball, den jener Erde nennt,
Im himmlischen Gefild' für eine Blum' erkennt.
Zwar liegt auch außer uns und in den Gegenständen,
Die ihren Ausfluß uns durch offne Sinnen senden,
Ein Theil des Grunds davon; doch die Beschaffenheit
Des Leibes, welcher uns der Dinge Bilder leiht,
Verändert ihren Druck; so wie vom lichten Wagen,
Den durch die hohe Luft äther'sche Pferde tragen,
Die Sonne gleiches Licht durch ihren Himmel sprüht,
Und, was ihr gleich sich naht, in gleichem Feuer glüht
(Nimmt ihre Kraft gleich ab, wenn sie sich muß verbreiten,
So wirket sie doch gleich aus allen ihren Seiten);
Allein der Gegenstand, nicht gleich geschickt zum Schein,
Saugt den geschenkten Glanz auf tausend Weisen ein,
Und läßt den harten Strahl jetzt blau, jetzt golden funkeln,
Jetzt, ganz verschluckt, den Stoff entfärben und verdunkeln.
Dort flattert niedrer Staub um deinen Tritt im Gehn,
Nein! Welten sind's, die sich zu deinen Füßen drehn;
Der Cherub denkt wie du, wenn von Gott nahen Himmeln
Er die Gestirne sieht im tiefen Aether wimmeln.
Der Wurm, den in der Fluth ein Needham spielen sieht,
Der, zwar unendlich klein, doch Ströme von sich sprüht,
Ist in dem Tropfen Naß, der ihm ein Weltmeer dünket,
Was uns ein Wallfisch ist, der ganze Seen trinket.
Selbst in der Glieder Bau zeigt sich die Aehnlichkeit,
Die Einfalt der Natur, der gleiche Unterscheid;
Das kleinre Seegeschöpf, unsichtbare Tritonen,
Und alle schreckt sein Grimm, die sein Gebiet bewohnen.
Und so, wie Needhams Blick, durch zauberisches Glas,
Ein solch kaum sichtbar Meer mit einem Sandkorn maß,
So hält ein Dämon, der durch Zwischenwelten steiget,
Wenn er sein leuchtend Haupt zu seinen Füßen neiget,
Und ihn ein ähnlich Glück die Erde finden läßt,
Der Menschen Sammelplatz für ein Ameisennest.
Und du, zu dessen Lust oft ganze Länder weinen,
Wie groß (erröthe nur!) wirst du ihm wohl erscheinen?
So ist das Kleine nur nach großem Maßstab klein,
Und Titan selbst wird dir was seine Stäubchen seyn,
Wenn du sein weites Reich mit höhern Kreisen missest,
In deren Tiefen du ihn, Erd' und dich vergissest.
Und wie der Raum, so ist der Folge Maß, die Zeit,
Stets theilbar, und für uns, bis zur Unendlichkeit.
Vergleiche deine Dau'r mit der Gestirne Leben,
Bestimmt, die Himmelsluft Aeonen durchzuschweben:
Sie scheint ein Augenblick, der, ungebraucht, verschwind't;
Doch wenn Orion selbst sein wartend Grab einst find't,
Wird, gegen jene Sphär', die, Gott! dich in sich siehet,
Er eine Rose seyn, die im Mittag verblühet.
Das Eulchen, das, voll Lust, in der erwärmten Luft,
Satt von geliebtem Licht, dem süßen Tode ruft,
Sieht seinen Gott, die Sonn', nur einmal sich entfärben,
Und freut sich mit dem Tag, den es verehrt, zu sterben;
Ein Augenblick, der uns, von Wollust leer, entweicht,
Ist ihm zur Lust ein Tag; sein kurzes Seyn verstreicht
In steter Wirksamkeit, und die verlängt Secunden,
Und gibt der Jahre Werth den wohlgebrauchten Stunden.
Auf gleiche Weise ist der Schule Qualität
Nicht das, was außer uns, in gleicher Form besteht.
Was diesem bitter dünkt, wird andern lieblich schmecken,
Und dich belustigt was, womit man mich kann schrecken.
Vielleicht daß einen Wurm, der in der Rose kriecht,
Ihr Glanz nicht roth bestrahlt. Wie viel entdeckt er nicht,
Was wir verworren sehn? Wie wird ihr süßes Rauchen
Ihn viel empfindlicher, als unsern Sinn, umhauchen?
Die Glut, die uns zerstört, wird, gleich dem lauen West,
Der Sonne Bürgern wehn, und Körpern von Asbest;
Wie der, den Grönland schickt aus den polar'schen Gründen,
Die holde Sonne haßt, und lechzt bei Abendwinden.
So wandelt unser Leib, das Werkzeug zum Gefühl,
Des Gegenstands Gestalt, und Form ist Sinnenspiel.
»Doch, da die Sinnen uns mit tausend Bildern triegen,
Die nur in uns, und nicht im Gegenstande, liegen,
Ist nicht die Wissenschaft, die man auf sie gegründ't,
Ein leeres Hirngespenst, das vor der Wahrheit schwind't?
Der uns so oft getäuscht, verdient wohl kein Vertrauen;
Vielleicht, daß alles, was wir hören, fühlen, schauen,
Ein Traum, ein Selbstbetrug, ein Spiel der Seele ist.«
Hört! wie ein Sextus sich im Zweifeln gar vergißt:
Welch übereilter Schluß! Weil, wenn wir dunkel sehen,
Uns, seinem Wesen nach, der Sinn muß hintergehen,
So ist's ein bloßes Nichts, was er uns dargestellt!
Wenn du, eh' noch der Tag die Felder aufgehellt,
Wenn nur ein falbes Licht entfernte Berge malet,
Und zitternd um das Haupt umwölkter Wipfel strahlet,
Den Baum, der sich von fern mit hundert Armen zeigt,
Für den Briareus hältst, der aus den Wolken steigt,
Wirst du so thöricht seyn, und nichts zu sehn vermeinen,
Weil dir die Dinge nicht, so wie sie sind, erscheinen?
Weil ein geeckter Thurm dir rund von ferne scheint,
Wird denn darum mit Recht sein Daseyn gar verneint?
Der Sinn muß trügrisch seyn, der Stoff muß uns verführen,
So lange wir in uns der Schöpfung Schranken spüren;
Und dieß wird ewig seyn. Nie wird die Nacht vergehn,
Die unsern Mittag trübt; so deutlich wir auch sehn,
Bleibt doch die Dämmerung, die einen Theil umfließet,
Indem der andre Theil des Lichtes Gunst genießet.
Und eben dieser Grad, der uns in Classen scheid't
(Weil den mehr Klarheit füllt, der mehr Verfinstrung leid't,
Weil jede Art die Welt mit andern Augen fasset,
Und der oft liebt und sucht, was jener schmäht und hasset),
Ist's, was den Trug des Stoffs und unsrer Sinne mehrt.
Doch, ward uns nicht ein Geist, der uns die Wahrheit lehrt
(Und der, dem jetzo noch sein Licht nicht aufgegangen,
Wird, wenn die Zeit ihm ruft, in gleichem Schimmer prangen),
Ein Geist, der Stoff und Bild von seinem Kleid entblößt,
Und, was zufällig ist, vom Wesentlichen lös't;
Dem kömmt der Ausspruch zu, der soll den Willen lenken,
Und oft, durch seine Macht, verblend'te Triebe kränken.
Indeß, weil doch der Sinn in ungetreuem Licht
Die Welt uns zeigt, und oft der Wahrheit Strahlen bricht,
So komm, und öffne uns, so weit dein Blick kann dringen,
Selbstleuchtende Vernunft, das Herz von allen Dingen.
Zeig' uns die wahre Form der geistervollen Welt,
Und führ' den sichern Blick auf ein entwölktes Feld;
Laß ihn den innern Grund von den Gestalten sehen,
Womit uns, nur zum Theil, die Sinne hintergehen.
Die Welt fließt ohne End' in neue Formen ein;
Kein Zeitpunkt sieht sie gleich. Selbst Sonnen, deren Schein
Uns jetzt den Tag gewährt und die die Nacht durchglänzen,
Fand eine ältre Zeit noch nicht in diesen Gränzen.
Ein alter Himmel wich, da noch umwölkt und schwach
Ihr kaum gebornes Licht aus seiner Rinde brach:
Und, o wie lang währt's wohl, daß sie noch strahlend blühen,
So werden sie, erblaßt, vor neuen Himmeln fliehen!
Die Erde, die uns zeugt und nicht behalten wird,
Hat kaum sechstausend Jahr' der Sonne Reich geziert;
Vielleicht, daß sie vorher ein andrer Wirbel kannte,
Wo sie in eignem Licht für andre Erden brannte:
Jetzt aber nährt sie uns, und gibt uns unser Kleid,
Das sie bald wieder nimmt und vor die Würmer streut.
Die Blumen, denen sie noch kaum ihr schönes Leben
Aus Zephyrs fruchtbar'm Mund zu unsrer Lust gegeben
Frißt sie bald wieder auf, und wird von Kindern satt,
Die sie dem Frühling kaum vom Thau geboren hat.
Das Wasser, welches kaum durch den beblümten Rasen
Sich wand, dampft in die Luft und wird zu leichten Blasen;
Beweget durch den West, schwebt der verdünnte Duft
Wie seidenes Gespinnst in der gewölbten Luft.
Bald aber fängt Aeol von Süden an zu stürmen,
Man sieht sich in der Luft gespannte Wogen thürmen,
Ein schweres Grau scheint uns den Himmel selbst zu nahn,
Der endlich gar zerfließt, und gießt die Erde an;
Ein himmlischer Firniß umfließt die frohen Matten,
Die Pflanzen säugt der Thau, den sie geschwitzet hatten,
Und bald wird dicht und fest, was vor leicht theilbar floß.
Aus faulen Thieren wächs't in Rheens fettem Schooß
Die Kost der Lebenden, und wenn auch die verderben,
So nährt die Folgezeit sich bloß von ihrem Sterben.
Wo ist die Ursach' doch von diesem Unbestand,
Dem schönen Unbestand, der ewig das Gewand
Der Körperwelt verkehrt; der, wo kaum Meere flossen,
Ein rauchendes Gebirg läßt aus den Wellen stoßen,
Und für Bewohner schmückt, gibt Flüssen neuen Lauf,
Häuft in gesunkner Flur beschäumte Fluten auf,
Und lässet aus dem Rest von halbverbrannten Erden,
Die lang die Welt geschreckt, verschönte Monde werden:
Wie Phönix aus dem Brand, der noch von Myrrhen fließt,
Mit neuen Schwingen steigt, und seine Gottheit grüßt.
Im Mark des Stoffs allein kann man die Ursach' lesen.
Ist nicht die ganze Welt ein All von geist'gen Wesen,
Die uns ihr Leib verhüllt und die ihr innrer Stand
In tausend Formen schränkt, weil sie der Ordnung Hand
An ähnliche gereiht? Ist in äther'schen Reichen
Ein Stern nicht selbst ein Thier, das einst der Tod wird bleichen?
Hier liegt der stille Grund, den, ganz im Stoff versteckt,
Der forschende Verstand, durch manchen Schluß entdeckt!
Die geist'gen Wesen sind's, die ewig sich erhöhen,
Sie sind's, aus deren Lauf die Aendrungen entstehen,
Wovon die Rede ist; ihr Leib, der Seele Kleid,
Entwickelt, wandelt sich, wie sie, von Zeit zu Zeit.
Die Liebe, die uns schuf, in deren Schooß wir leben,
Gab jedem Geist die Kraft sich steigend zu erheben.
Nicht jedem gönnt sein Glück der Engel Trefflichkeit;
Wo, was nur möglich ist, die Wirklichkeit erfreut,
Wird auch kein Wurm vermißt. Doch aus geringerm Leben
In einen höhern Stand sich stufenweis' zu heben,
Hiezu trägt jeder Geist die Kraft in seinem Schooß,
Und stets ist die Begier für seinen Stand zu groß.
Es zeigt die Energie der Triebe, die ihn regen,
Daß Ewigkeiten sie zu stillen nur vermögen.
Doch wie entschwinget sich der Seelen reger Fleiß,
Dem für ihr sehnend Herz noch zu umschränkten Kreis?
In allen Wesen, die ihr eignes Seyn empfinden,
Sind von zweifacher Kraft die Wirkungen zu finden.
Die eine nimmt vom Leib fühlbare Bilder an,
Und stellt sie so sich vor, wie sie den Sinnen nahn;
Die andre fühlt dabei, sie liebt, was sie vergnüget,
Und hasset das Phantom, das ihren Wunsch betrüget.
So schwach ist nie ein Geist, daß er nicht Bilder hegt,
Und beim Empfinden sich nach ihrem Druck bewegt.
Von Lieb' und Abscheu liegt die Spur in allen Herzen,
Sie öffnen sich der Lust, und scheuen sich vor Schmerzen.
Mit dieser Kraft sieht sich, was geistig ist, geschmückt,
Der Unterschied wird bloß in ihrer Form erblickt.
Wer mehr Ideen faßt, lebendiger empfindet,
Die Theile besser scheid't, sein Wissen tiefer gründet,
Wer schöner denkt und fühlt, von edlern Trieben glüht,
Mit stärkerm Flügelschwung aus seinen Schranken flieht,
Der überstrahlt das Heer der trägeren Substanzen,
So wie der Iris Pracht den Pöbel falscher Pflanzen.
Auch liegt in jedem Geist die ungleich starke Macht,
Ein sich verdunkelnd Bild, das wir einmal gedacht,
Wenn uns ein ähnlich's rührt, aufs neue zu genießen.
Dieß dient des Geistes Bahn erweiternd aufzuschließen.
Und wenn sich nach und nach der Bilder Menge mehrt,
Wird auch die Hauptidee lebhafter aufgeklärt.
Die wachsende Begier beflügelt jetzt die Kräfte,
Und macht sie wirksamer zum geistigen Geschäfte;
Die Seele dehnt sich aus, sie blühet auf, und weicht
Zu einer höhern Art, die ihr an Schönheit gleicht.
So wie ein Rosenknopf, vom Morgenroth bethaut,
Den süßen Nektar trinkt, der durch die äußre Haut
Sich rollend drängt; der Knopf fängt an sich sanft zu dehnen,
Der Sonnen Wärme schwellt die safterfüllten Sehnen;
Seht, wie ein junges Gold aus wallendem Rubin
Auroren ähnlich bricht, und lockt vom fernen Grün
Den buhlerischen West; enthüllt blüht unsre Augen
Die volle Rose an, und Mund und Nase saugen
Den angenehmen Schwall, der nun aus ihrer Brust
Sich strömend drängt, und füllt den Luftkreis ganz mit Lust.
So wirket die Natur geschaffner Geistigkeiten;
Die Uebung stärket sie, die Frucht gebrauchter Zeiten;
Durch sie wächs't unsre Kraft zu höhern Graden an,
Und dringt zu ihrem Ziel, und eilt stets mehr im Nahn.
Der vor auf leichtem Rohr der stillen Arethusen
Nur Hirtenlieder sang, fühlt jetzt die höhern Musen,
Und singt Aeneens Sieg. Ein Wurm, der Erde gleich,
Wählt sich, von ihr beschwingt, ein neu, ein schöner Reich;
Durch sie wird einst mein Mund, entwöhnt so schwach zu singen,
Dir, Herr, ein würdig Lied, gesellt zu Engeln, bringen.
So wachet allgemach, nach fester Ordnung Lauf,
Das unterste Geschlecht vom alten Schlummer auf,
Und mehrt der Pflanzen Schaar; bewegt von Frühlingswinden
Beleben sie das Thal, und blühen in den Gründen.
Der Floren duftig Volk hebt sich durch gleiches Recht,
Wenn es verblühend stirbt, zum thierischen Geschlecht.
Dann rauscht die laue Luft von flatterhaften Flügeln,
Die alte Liebe treibt sie den gewohnten Hügeln
Und jungen Blumen zu, wo sie einst selbst geblüht.
Im Steigen selber sinkt das irdische Gemüth
Zu seinem niedern Stamm, wie umgetriebne Erden,
Im Flug von eigner Last zurückgezogen werden.
Wer zählt die Stufen ab, durch die ein Geist muß gehn,
Bis wir, in gleichem Leib, ihn uns verbrüdert sehn?
Denn uns ersetzt der Tod, was wir durch ihn verlieren,
Aus Classen niedrer Art und anverwandten Thieren.
O Menschen! zürnet nicht, daß ihr von Thieren stammt!
Ihr seyd durch gleiche Huld; in euch und ihnen flammt
Dieselbe Kraft, wofür euch fälschlich größer machen?
›Ein Zwerg auf Stelzen reizt uns billig nur zum Lachen.‹
Wie groß ist denn von euch zum Vieh der Zwischenstand?
Wie sehr beweis't ihr stets, daß ihr ihm anverwandt?
Muß euern ganzen Werth nicht oft ein Wurm euch lehnen?
Wie groß ist wohl der Sprung von Grönlands dummen Söhnen
Zu dem erstarrten Bär, der ein verschimmelt Kraut
Aus Schneegebirgen kratzt; wenn der, in jenes Haut,
Sich bloß geschaffen glaubt um die genähten Nachen
Mit saur errungnem Thran und Fischbein schwer zu machen
Der rohe Hottentott, der wilde Kannibal,
Wie nah' sind sie dem Vieh? Ist nicht bei uns die Zahl
Der Arten fast so groß, als bei geringern Thieren?
Wie viele, die sogar die Menschenform verlieren,
Und zeigen Geist und Leib verwandten Thieren gleich?
Gesteht's, ihr Menschen, nur, die Demuth ziemet euch!
Wenn wenige von euch, gefaßt in enge Zahlen,
Im Arm der Weisheit, schon den Engeln ähnlich strahlen,
So steigen noch viel mehr zu dem Geschlecht herab,
Das ihnen und euch selbst einst euern Ursprung gab.
Mit welchem Schein raubt ihr unzähl'gen Geistigkeiten
Das gleich gegründ'te Recht zur Hoffnung bess'rer Zeiten?
Wo ist der Widerspruch, wo die Unmöglichkeit,
Die Willen und Verstand beseeltem Vieh verbeut?
Das schon so lebhaft fühlt, schon Theile übersiehet,
Schon Aehnlichkeit bemerkt und dunkle Schlüsse ziehet;
Das schon die Knospen zeigt, die einst in voller Pracht
Ein spätres Alter sieht, und fühlet schon die Macht
Der herrschenden Natur, und folget den Gesetzen,
Die, was die Welt bewohnt, sich scheuet zu verletzen.
Die Liebe, die der Welt ein ewig Leben gab,
Nimmt sie, sonst ohne Maß, nur bei den Thieren ab?
Wird sie, ja kann sie wohl, was sie einst schuf zum Leben,
Geschickt den Tod zu fliehn, dem Unding übergeben?
Die Hoffnung später Frucht soll schon im Keim vergehn?
Der Trieb zur Ewigkeit soll ungesättigt flehn?
Verehrer seiner Huld, der Geister künft'ge Brüder,
Heischt Ewigkeit und Lust vom öden Tode wieder?
O Thor! so fesselst du der Gottheit Zärtlichkeit,
Und hebst die Ordnung auf, die der Natur gebeut?
O du, in deren Brand selbst bess're Welten glühen,
Durch die, was lebt, sich zeugt, durch die die Auen blühen,
O Venus, lehre mich, wie ein erwachsend Thier
Aus seinem Samen steigt, und kleidet sich von dir!
Die nasse Flut, die Luft und die äther'schen Wellen
Sind aller Samen voll, und unsers Ursprungs Quellen.
Hier flattern, wie ihr Stand und die Natur sie treibt,
Die Geistigkeiten um, die nur der Stoff beleibt,
Der nie von ihnen weicht; die niedrigsten Substanzen,
Zu Florens Zucht bestimmt, die Seelen todter Pflanzen,
Die jetzt das Thierreich nimmt, und vom erblaßten Vieh
Stehn hier erwartend da; die Ordnung stellet sie.
Die Blumen, welche jetzt in lauen Thälern blühen,
Beginnen nun der Luft die Samen zu entziehen,
Die ihnen ähnlich sind (denn nur die Aehnlichkeit
Fügt alles, und verbannt den Zufall und den Streit);
So häuft der Same sich, den lauter Wesen dehnen,
Die sich, halb schlummernd noch, nach neuen Leibern sehnen;
Und wenn ein sanfter Wind, der, unsichtbar beschwingt,
Von Westen her sich wälzt, ihn in die Werkstatt bringt,
Wo für den neuen Geist ein Wohnhaus fertig lieget,
Wird er, o Cypria, von dir ihm zugefüget.
Denn in der Mutter Schooß ist's, wo der Leib sich baut,
Gleichstimmig jenem Geist, der sich ihm anvertraut,
Bis seines Glückes Ruf, der Tod, ihn wird entwenden.
Ihn bildet die Natur mit unsichtbaren Händen
Aus Wesen niedrer Art im mütterlichen Ei,
Und legt ihm dann den Geist aus fremdem Samen bei.
So wird des Zephyrs Zucht, das Volk der bunten Floren,
So jedes Thiergeschlecht, und selbst der Mensch geboren.
O Weisheit, welche hier sich schöpferisch bemüht,
Wo niemand ihren Arm in stiller Arbeit sieht!
Daß von dem Seelenheer, das alle Samen füllet,
Gerad die tauglichste in ihre Mutter quillet,
Und jenen Leib bezieht, der mit ihr stimmen wird,
Daß aller Zufall weicht, daß keine sich verirrt;
Dieß alles wirkest du, und würdest du ermatten,
So fiel' die schönste Welt ins Chaos trüber Schatten.
Unachtsam spüren wir die Folgen deiner Kraft,
Die, Menschen ungesehn, am Heil der Wesen schafft.
Allein, wie wirket sie? Ein Heer Plotin'scher Weisen
Ruft gar die Engel ab von überird'schen Kreisen;
Ihm wirkt dort, unbemerkt, in himmlischem Gewand,
Des Sylphen weise Kunst. Sieh', die äther'sche Hand
Aus ungebild'tem Staub gestirnte Blumen drehen;
Sieh', wie die Röhren sich von neuen Säften blähen;
Wie künstlich bauet er die reizendste Gestalt,
Und gibt ihr was vom Licht, das farbicht ihn umwallt;
Er mischet Himmelsthau in die belebten Säfte,
Und weht in ihren Schooß ambrosial'sche Kräfte
Mit Zephyr-Lippen ein. Wie säuselt das Gefild
Von ihrer Flügel Schwung! Ein andrer sitzt und bild't
Den thier'schen Samen aus; mit schöpfrischem Gefieder
Gießt er Gestalt und Reiz auf halbgeformte Glieder.
So zieht die Phantasie den schlummernden Verstand
Aus aller Schwierigkeit, und lös't das Gord'sche Band
Mit Alexanders Kunst. Laß himmlische Dämonen,
Anständiger bemüht, in ihren Sphären wohnen,
Die Erde sieht sie nie: so wenig Islands Strauch
Von goldnen Aepfeln strahlt, und streut arab'schen Hauch,
So wenig Philomel' aus den bekannten Büschen
Nach Libyen verirrt, wo Drachen feurig zischen.
Noch witziger irrt Grew, der, mit Platon'scher Hand,
Durch Wesen neuer Art der Möglichkeiten Land
Vermehrt. Im Zwischenraum von Stoff und Geistigkeiten
Gab ihnen Gott die Macht die Samen zu bereiten;
Sie fühlen nichts von sich, und wirken, ohne Geist,
Die Schönheit, die uns jetzt aus tausend Quellen fleußt.
Zwar klaget Baylens Witz die schöpfrischen Naturen
Nicht ohne Unrecht an, und findet Stratons Spuren
In einem Lehrgebäu, das ohne Gott nicht steht,
Und, ungereimt an sich, doch seine Macht erhöht.
Doch, darfst du wohl in Gott der Kräfte Einheit trennen,
Und, was die Weisheit schmäht, Triumph der Allmacht nennen?
Wozu dient ohne Noth ein unempfindlich Heer,
Entbehrlich in der Welt, an eignen Zwecken leer?
Und wird die Weisheit wohl verschwendrisch Mittel häufen,
Wenn sie mit Sparsamkeit kann gleichen Zweck ergreifen?
Der Geister innre Form und ihres Leibes Bau,
Des wesentlichen Leibs, der ewig und genau
Mit seiner Seele stimmt, und sich ihr gleich beweget,
Lös't uns den Knoten auf, den Kudworth schlecht zerleget.
Hierdurch wird von sich selbst jedwede Geistigkeit,
Dem innern Stand gemäß, an ähnliche gereiht.
›Der Leib, ihr zum Organ vom Schöpfer zugegeben,
›Muß sich zugleich wie sie, mit ähnlichen verweben.
›Und ewig laufen so, verknüpft durch Zeit und Ort,
›In stiller Harmonie die beiden Welten fort.‹
So, Brüder, werden wir! und nach gemess'nen Jahren
Läßt uns des Todes Gunst ein höher Glück erfahren.
Ihr, die die Tugend liebt, legt eure Schalen ab,
Nicht passend mehr für euch gebt willig sie dem Grab!
›Dort oben, im Gebiet von einer höhern Sonne,
›Erwartet euch bereits das Werkzeug reinrer Wonne,
›Ein neuer Leib, gemacht für euern neuen Lauf,
›Und schließt euch den Genuß von neuen Welten auf.‹
Dort öffnet die Natur sich gern den schärfern Blicken,
Und zeigt euch Bau und Fug von ihren Meisterstücken.
O Tod! du süßer Tod! dich scheuet nur ein Thor!
Du hebest das Geschöpf zu seinem Ziel empor;
Du trägst der Gottheit uns und unserm Glück entgegen,
Wie froh will ich mich einst in deine Arme legen!
Den Raum von uns zu Gott, den ew'gen Zwischenraum,
Füllt ein unendlich Heer, und füllet ihn doch kaum.
Sie steigen fröhlich auf, die glänzenden Dämonen,
In Reichen ohne Zahl, bis zu den hohen Thronen.
›Wovon, wenn unser Blick den Abstand schwindelnd mißt,
›Der niedrigste ein Gott, mit uns verglichen, ist.‹
Im Nähern wächs't die Kraft, und eilt in höhre Sphären;
Doch wird die Endlichkeit uns selbst den Gipfel wehren.
Dieß ist also der Grund, der die Gestalt der Welt,
Seit ew'ger Zeiten Lauf, verschönert dargestellt.
Wie sich der Geister Schaar aus ihren Schranken hebet,
Verläßt sie auch den Ort, wo sie vorher geschwebet.
So mischt, was Marmor war, sich mit der luft'gen Flut,
Sinkt thauend in ein Kraut, und mehrt der Thiere Blut,
Bis sich sein innres Licht aus seinen Wolken dränget,
Und selbst zur Seele wird, und einen Leib empfänget,
Der größre Bilder faßt. Dieß ist der ew'ge Fluß,
Auf dem, was lebt und fühlt, zum Ziele schiffen muß.
Und eben dieß Gesetz, wornach sich Thiere mehren,
Der Tod, der Leben ist und bauet im Zerstören,
Dieß ewige Gesetz, der Wesen steter Lauf,
Lös't die Verwirrung uns von größern Scenen auf.
Zum Höhersteigen kann verlöschenden Titanen,
So wie dem Thiere, nur der Tod die Wege bahnen.
Schau dort, wie jener Stern erstaunten Welten dräut
Und seine blut'ge Glut ins Unermess'ne streut!
Wie unbegreiflich schnell durchfährt er jene Höhen!
So schnell fliegt kein Gedank', ist gleich der Erde Drehen
Träg gegen seinen Flug! wie rauscht wohin er schießt,
Die heiße Himmelsluft, die sprudelnd ihn umfließt!
Sieh' ihn der Sonn' itzt nahn, er braus't in rothe Fluten
Titan'scher Flammen auf, wogegen Aetnens Gluten
Kühl wie der Westwind sind. Jetzt flieht er voller Grimm
Ins Ungemess'ne hin, Verwüstung droht aus ihm.
Ihm folgt kein Engelblick, in unbestimmbar'n Kreisen
Blitzt er die Schöpfung durch, und zeichnet seine Reisen
Mit Rauch und Brand und schreckt die Himmel die ihn sehn.
Jetzt naht er jenem Ball. Sieh' ihn sich wälzend drehn,
Wie ein zu schwacher Kahn, vom Strudel fortgezogen,
Sich wälzt und weicht der Macht der unaufhaltbar'n Wogen.
Er dampft von neuer Glut, aufwallend spritzt die See
Siedheiße Wellen aus in die gestirnte Höh';
Der Ball springt krachend auf, und fällt, durchfeu'rt, in Stücken.
O banges Trauerspiel den nachbarlichen Blicken!
Dort sinkt sein blasser Schweif, ein ausgespanntes Meer.
Das halbe Wirbel füllt, von Glut und Dünsten schwer,
Auf eine Erde hin; zerborstne Wolken fallen
Aus der zu leichten Luft mit Blitz und hohlem Knallen.
›So schwamm, nach Whistons Lehr', einst unser Erdenball;
›Ein unaufhaltbar Meer durchbrach den alten Wall,‹
Der Marmor selbst ward weich und strömte von den Höhen,
Und donnernd wälzten sich die aufgebirgten Seen.
Sieh' dort ein zärtlich Paar sich noch zuletzt umarmen.
Die Liebe weint um sie, die Flut kennt kein Erbarmen,
Sie reißt sie, halb entseelt, in wilden Strudeln fort,
Und trennt sie noch im Tod. Ein Jüngling fliehet dort
Aether'schen Felsen zu, gewöhnlichen Gewittern
Zu hoch, vom Zugang frei, und hofft mit bangem Zittern
Von offnen Klippen Schutz; doch hier ist alles Meer.
O Anblick der entseelt! Dort stürzt ein wüthend Heer
Von Löwen, fortgewälzt, auf halb erstarrte Schönen,
Und mischt dem goldnen Haar die zotticht-wilden Mähnen.
Wie wimmert menschlich's Ach! mit thierischem Geschrei
Erschrecklich untermischt, und ruft den Tod herbei!
O sieh' die Mutter dort die zarte Brust zerfleischen,
Und sterbend von der Fluth den zarten Säugling heischen,
Den ihr der Strom entriß, indem er, unbewußt
Der drohenden Gefahr, die mütterliche Brust
Mit weichem Arm umschlang. Mit wonnigen Gefühlen
Sah sie ihn kürzlich noch um ihren Busen spielen,
Und kostete das Glück, das sie sich einst versprach,
Mit froher Ungeduld zum voraus. Aber ach!
Da sie so zärtlich denkt, und sich vergißt im Küssen,
Stürzt über sie die Flut, das Kind wird fortgerissen,
Und speit mit Flut und Milch sein blutig Leben aus;
Sie selber reißt ein Strom mit schrecklichem Gebraus,
Vom Schmerz entseelt, dahin, sie trinkt mit starren Lippen
Die trübe Fluth, und stirbt gespießt an schroffen Klippen.
So vieles Elend wirkt ein sterbender Planet,
Der, ob er uns gleich irrt, doch nach Gesetzen geht,
Die ihm sein Schöpfer gab, und Welten dort zertrümmert,
Da eine andre hier, durch ihn verschönert, schimmert,
Wenn er, zur Furcht zu klein, magnetisch an sie fährt,
Und ein erfrornes Theil zur neuen Sonne kehrt.
Dann rauscht der alte Nord, gleich Cythereens Westen,
Ohnmächtig, mit Verdruß, in neu bekleid'ten Aesten,
Des neuen Himmels Gunst erweicht den starren Grund,
Das Eis wird plötzlich grün, und faule Wiesen bunt.
Dieß Schicksal gab dem Stern, der unsere Schalen erbet,
Die Schönheit, welche schon verblühend sich entfärbet.
Vielleicht hat er vorher, in einem andern Land
Des Unermeßlichen, Aeonen durch gebrannt.
Sein Ende naht zuletzt, er weicht aus seinen Gleisen,
Und schweifet manches Jahr in regellosen Kreisen,
Bis der getrennte Geist zu andern Himmeln fährt.
Der ungeheure Leib, vom grausen Tod zerstört,
Zerspringt und streut ein Meer von Asch und schwarzen Flammen
Den nahen Wirbeln zu, und fällt durchglüht zusammen.
Doch da die reine Flut, die die Gestirne weid't,
Sich nicht mit Erde schlämmt und keine Mischung leid't,
So häufen sich, im Fall, zerberstende Atlanten
Zum neuen Erdkreis auf; Gebirge, die kaum brannten,
›Erlöschen nach und nach; der wüthende Vulkan
›Macht, ringsum eingebirgt, sich manche neue Bahn.
›Er blitzet hie und da durch die zersprengten Klüfte
›Mit donnerndem Gebrüll in stauberfüllte Lüfte,
›Und schreckt den trüben Stoff, der sich chaotisch mengt,
›In abenteurliche Gestalten eingezwängt.
›Allein der mächt'ge Zug, den Orpheus Liebe nennte,
›Versöhnt auch hier zuletzt den Streit der Elemente.
›Die gröbste Masse ballt zum Kern des Klumpens sich
›Zusammen, formenlos, und gähret fürchterlich
›In wilde Flammen aus. Auf ewigen Altären
›Brennt Vesta's Feuer hier, und gießt durch tausend Röhren
›Der kalten Oberwelt erwärmend Leben ein.‹
Die Erde raucht von Dampf, verfloss'ne Grüfte streu'n
Erhitzte Nebel aus, die wolkicht aufwärts wallen,
Und, untermischt mit Blitz, in hohen Lüften knallen.
Der eingedämmte Dampf strömt, in der Erde Schooß
Gehäuft, in Seen aus, und reißt sich von ihr los.
Indem nun die Natur, den furchtbar'n Streit zu schlichten
Und den belebten Stoff umbildend einzurichten,
Arbeitet, zieht sie uns in diesen Kreis hinein,
Wo Titans quellend Meer ein unbegränzter Schein
Aether'scher Luft umgibt, die jene Erde drehet,
Zu denen er sein Licht mit Lust und Leben wehet.
Hier reißt der Strom uns fort; doch drang der Strahlen Macht
Den Dunstkreis noch nicht durch und die chaot'sche Nacht;
Bis nach und nach erweicht, vor der zu starken Sonnen,
Die Nebel, Strömen gleich, von Wolkenbergen ronnen;
So stürzt der wilde Nil von luft'gen Felsen ab.
Sie nimmt das tiefste Thal versammelnd in sein Grab;
Die Berge fangen an sich aus der Flut zu heben,
Geläutert fließt die Luft; die Erde fühlt ihr Leben,
Und trocknet bildsam auf, der grimme Nord vertauscht
Sein Reich mit Zemblens Eis; der neue Frühling rauscht
Auf sanften Flügeln her; besamte Wolken thauen
Ein perlend fruchtbar Naß auf die durchweichten Auen.
Ein einsam funkelnd Grün, gelockt vom Sonnenschein,
Durchbricht das schwarze Land, und lad't die Zephyrn ein;
Die, da sie sich verliebt mit Morgenwolken küssen,
Ein zahllos Blumenheer auf frohe Fluren gießen.
Nach manchem Jahre geht ein neu entstandnes Thier
Aus niedrern Classen aus, lebhafter an Begier
Und reifer zum Genuß, und sieht sich bald von gleichen
Und schönern noch umringt. In allen ihren Reichen,
In Vesta's dunklem Schooß, in Luft und Ocean,
Wächs't langsam die Natur zur fernen Blüth' hinan,
Und schmückt sich durch die Zeit in ihren Geistigkeiten.
Die Menschheit krönt ihr Werk, obgleich die goldnen Zeiten,
Die noch Saturn beherrscht, sie kaum vom Vieh getrennt.
So führet die Natur stets ein vollkommnes End'
Aus schwachem Anfang aus; so sproßt aus kleinen Zweigen
Die Ceder, königlich die Wolken durchzusteigen.
Doch währt der Blüthe Zeit, so lang gehofft, nicht lang',
Schon naht die Erde sich zu ihrem Untergang.
Wie, die des Gärtners Fleiß fast dreißig Jahr bemühet,
Die stolze Aloë, kaum dreißig Tage blühet;
So folgt ein welker Tod der kurzen Jugend nach;
Und die aus ihrem Schutt vor sechzig Altern brach,
Wird bald, zum Tode reif, dasselbe Mittel tödten,
Das sie so schön geformt aus flammenden Kometen.
Der beste Theil von ihr floh schon den Himmeln zu,
Wo Wahrheit, lautre Lust und tiefe Seelenruh'
Aetherisch auf sie strömt; dem Rest, den trägern Seelen,
Wird Gott zu ihrem Glück sich neue Wege wählen. |