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Die Welt, dieß weite Reich beseelter Wirklichkeiten,
War, den Substanzen nach, kein Werk gemess'ner Zeiten,
Obgleich ein steter Fluß die Form der Dinge treibt,
Und ihr verstärkter Lauf stets größern Kreis beschreibt.
Nein, wie im ersten Buch die Musen uns gelehret,
Hat stets ihr wandelnd Seyn dem Schöpfer gleich gewähret;
Sie hängt an seiner Macht, und zöge die sich ab,
So sänke gleich das All ins Undings finstres Grab.
Doch wie wirkt diese Kraft? Wie weit wird's uns gelingen,
Ins Unermeßliche mit schwachem Blick zu dringen?
Der ältsten Weisen Schaar, vom Trismegist gelehrt,
Hat jenen Wahn gezeugt, den noch der Indus ehrt,
Den einst Plotin erneut, Jochaides verdunkelt,
Und der mit blassem Schein in Böhms Aurora funkelt.
Die allzu fruchtbare, zu warme Phantasei
Ist die Gebärerin von dieser Schwärmerei;
Sie mischt und wechselt stets die Bilder mit den Sachen,
Die durch die Bilder uns der Witz soll sichtbar machen.
Der Irrthum dieser Schaar ergießt durch manchen Arm
Sein schlammicht Wasser aus. Der ernsten Zenons Schwarm
Läßt ein astralisch Licht das ganze All umfließen,
Und Leben und Verstand in alle Wesen gießen.
Plotin macht Gott zum Meer, aus dem die Geisterwelt
In tausendfachem Grad verschiedner Klarheit quellt;
Der Schaum, der diese Flut gleich einer Rinde decket,
Ist der entseelte Stoff, der alles Uebel hecket.
Jochaids Mißgeburt tiefsinn'ger Schwärmerei
Borgt von Plotin den Grund zum seichten Lehrgebäu,
Das er rabbinisch schmückt mit morgenländ'schen Bildern.
In unermeßlichen ätherischen Gefildern
(So träumt er) wallt ein Licht, das, rein und unbegränzt
Von allem Dunkel, frei die Ewigkeit durchglänzt:
Es hält, was durch die Zeit aus ihm hervorgeflossen,
Die Samen aller Ding' in seinen Schooß verschlossen.
Der Erstling seiner Kraft geußt den empfangnen Schein
Mit ungleich reinem Licht in zehn Canäle ein,
Die immer weniger vom Ursprungsglanze schmücket,
Je weiter sich ihr Lauf dem Mittelpunkt entrücket.
Dieß ist die höchste Welt, die helle Aziluth,
Der unvermischte Strom aus Ensophs reiner Gluth.
Mit etwas blasserm Schein gießt Briah ihre Strahlen
Der Welt der Geister zu, die, in gestirnte Schalen
(Ein dunkler Kleid) gehüllt, die finstre Unterwelt,
Den unbelebten Stoff, mit mattem Licht erhellt.
Doch Muse, schweig', und scheu' die heil'gen Dunkelheiten;
Ihr unsichtbares Licht glänzt nicht den Ungeweihten!
So zeugt der Irrthum sich in dem fruchtbaren Schooß
Der heißen Phantasie, und wird vom Beifall groß!
Kaum tilgt ein Hercules den hundertköpf'gen Drachen,
Der immer sich ergänzt und dräut mit neuen Rachen.
Du, Weisheit, dämpfest ihn, dein Blitz zerstreut den Wahn;
Komm, Göttin, zeige mir der Wahrheit sichre Bahn.
Die ganze Welt regt sich von thätigen Vermögen,
Die sich durch innre Kraft verändern und bewegen.
Die innerliche Form, der Wesen Unterscheid,
Hängt bloß an dieser Kraft und ihrer Thätigkeit.
Doch ist die Kraft nicht selbst das, was aus ihr entspringet,
So wie die Nachtigall nicht das ist, was sie singet.
Die Wirkung dieser Kraft, die ihr Geschlecht und Art
Durch das, was sie gebiert, den andern offenbart,
Ist bei der Creatur in Grade eingeschlossen,
Und nie der Quelle gleich, aus der sie ausgeflossen.
Nur Gott ist was er ist, und bleibt sein eigner Grund,
Da uns hingegen stets in seinem öden Schlund
Das wesenlose Nichts gleich todten Schatten quälte,
Wenn nicht der Kräfte Quell die unsre stets beseelte.
Jetzt zeigt sich unserm Geist das ewig feste Band,
Das die Geschöpfe knüpft an die allmächt'ge Hand.
Durch sie nur lebt der Trieb, der in den Wesen schläget,
Die einen körperlich, die andern geistig reget:
Obgleich die Aenderung der Kraft, die er beflammt,
Nicht von der Gottheit selbst, nein, von den Wesen stammt,
So bleibt der Schöpfer stets in gleicher Wirkung stehen,
Und schafft nie weniger, nie mehr als sonst geschehen.
›Auch hier verleitet leicht zu einem falschen Schluß
›Die Täuscherin, die ich so oft bekämpfen muß.
›Ein Werk, worauf Lysipp die Schöpferkunst verwendet,
›Wird mit dem letzten Druck der Künstlerhand vollendet.
›Sein Schaffen hat ein Ziel; steht deine Paphia,
›Praxiteles, einmal ganz glatt und fertig da,‹
Bedarf sie dein nicht mehr, und kann, um fortzuwähren,
Des Künstlers, den sie nun weit überlebt, entbehren.
Drum schließt die Phantasie: was einst geschaffen sey,
Besteh' nun durch sich selbst, von fremdem Beistand frei.
Doch läßt dieß Gleichniß auch sich auf den Schöpfer wenden?
Der Künstler gibt den Stein, der unter seinen Händen
Mit fremder Schönheit reizt, die ihm Kassandra leiht,
Nur eine neue Art der vor'gen Wirklichkeit;
Er schuf ihn nicht aus Nichts. allein die Kraft der Wesen
Kann nie sich von der Hand des ew'gen Schöpfers lösen;
Der Grund, warum sie nicht aus eigner Macht besteht,
Hört niemals auf zu seyn; so sehr sie sich erhöht,
Wird sie doch nie zu Gott, und was sie einst empfangen,
Muß jeden Augenblick sie stets von ihm erlangen.
Sing', Muse, nun, wie Gott den besten Zweck erfüllt,
Und was das Muster war, wornach er uns gebild't.
Der Wesen Inbegriff soll seinen Meister preisen,
Und seine Herrlichkeit im schönsten Abdruck weisen;
Drum schafft Gott eine Welt, die seiner Huld genießt,
Und jenes Licht empfängt, das schaffend aus ihm fließt.
Dieß ist der Zweck, den uns die Wahrheit heißt bemerken,
Der Gottheit Ehre liegt im Glück von ihren Werken.
Je mehr sie sichtbar wird, je mehr wird sie geehrt;
Was uns beseligt, ist, was ihren Ruhm vermehrt.
Dieß ist der Felsengrund, der zwei Kolossen träget,
Auf deren sichres Haupt sich unser Lehrbau leget.
Der eine stützt den Satz: daß, was empfindlich ist,
Der Wesen ganze Schaar, die Schöpfung in sich schließt.
Im andern gründet sich das Glück der Geistigkeiten,
Der Triebe Gegenstand, die Hoffnung bess'rer Zeiten.
Ist der Geschöpfe Glück des Schöpfers einzig's Ziel,
So stößt sein Allmachtshauch Empfindung und Gefühl
In so viel Wesen ein, als in der Möglichkeiten
Uneingeschränktem Reich sich ihrer Hoffnung freuten.
Was hilft's dem todten Stoff, daß er den Geistern nützt?
Was hilft's der Sonnenglut, daß sie die Welt erhitzt?
Kennt Vandycks Malerei den Reiz von ihren Zügen?
Kann sie ein schmeichelnd Glas wie Sylvien vergnügen?
Empfindet sie die Lust, die Phrynens Busen bläht,
Wenn der Bewundrer Heer bezaubert um sie steht?
Nein, unbekannt sich selbst, ergötzt sie fremde Blicke,
Und schlägt mit taubem Ohr das eitle Lob zurücke.
Zwar hat das Alterthum ein Wesen stets mißkennt,
Das bloß Ideen wirkt, vom Stoffe ganz getrennt;
Die Geister, denen es Empfindung beigeleget,
Sind von gestirntem Feu'r, das, wenn es sich beweget,
Gedanken fühlend zeugt, und unverweslich ist,
Weil, frei von trübem Stoff, sein reiner Lichtstrom fließt.
Auch unsre Zeiten hat der Irrthum noch beflecket,
Und aus dem alten Schutt sein stolzes Haupt gestrecket.
In Geister, welche sich vom Stoffe nie befrei'n,
Flößt er sein schleichend Gift sanft und unmerklich ein.
Das Laster hofft durch ihn sich vor des Richters Blitzen,
Vor gegenwärt'ger Angst und künft'ger Qual zu schützen.
Sein Freund, der Witz, hilft auch mit dienstbarem Bemühn,
Ihm trüglich die Gestalt der Wahrheit anzuziehn.
O Thor, um kurze Lust, und die kaum halb zu schmecken,
Soll dich mit ew'ger Nacht des Todes Grabmal decken?
Verachtet schmäht dein Sinn das Glück der Ewigkeit,
Und doch genießt er kaum die Hülsen von der Zeit.
Sie, welche jederzeit den Wahn erzeugt und nähret,
Die Phantasie, hat auch des Irrthums Wuchs vermehret,
Den ich bekämpfen will; aus ihrem Bilderschatz
Schmückt sie ihn reizend aus, und nimmt der Gründe Platz.
Fragt nur den Freigeist an, und dringt in ihn mit Gründen
Kaum wird er zweiflerisch sich aus dem Netze winden.
Was, spricht er höhnisch, was denkst du beim Worte Geist?
Ist's nicht ein leerer Schall, der dich mit Unsinn speis't?
Kann was entkörpert seyn, und ganz vom Stoff sich trennen?
Wär' es nicht eben das, was wir das Leere nennen?
So schloß schon ein Lucrez, und ohne roth zu seyn,
Stimmt noch zu unsrer Zeit manch falscher Weiser ein.
Man zweifelt, ob ein Geist (nach unsers Leibnitz Lehren)
Solch eine große Zahl von Bildern kann gebären,
Von Bildern, welche doch sein innres Wesen scheut,
Das keinen Sinn berührt, und Stoff und Dehnung meid't.
Und endlich (dieses ist der Kern von ihren Schlüssen)
Wer sagt uns, daß vom Stoff wir alle Kräfte wissen?
Betrogne Sterbliche! Vom unbegränzten All
Seht ihr den äußern Rand, die Schale nicht einmal,
Und rühmt euch doch getrost der Dinge Herz zu kennen,
Und wißt die Himmel selbst, wie Kircher, zu durchrennen.
O kaum gewordnes Nichts, das jetzt ein kurzer Wind
Gleich einer Blase dehnt, die, eh' sie ist, verschwind't;
O Thörichter, du willst in klippenvollen Tiefen
Und ohne Steu'r und Mast und Stern und Nadel schiffen?
Viel leichter prüfte dort der ersten Schiffer Heer,
In heil'ger Fichten Bauch, das laut verschreite Meer,
Die Nymphen sahn erstaunt in den beschäumten Gränzen
Ein fliegend Holz sich drehn, und Schild und Harnisch glänzen;
Allein sie schützt' ein Gott, Minerva führte sie,
Des goldnen Vließes Preis reizt' ihre Heldenmüh':
Du aber, schwacher Geist, wie kannst du dich erfrechen,
Und ohne Hülf' und Licht die finstre See durchstechen?
Verwegen schließest du, der Stoff empfinde nicht,
Weil dir es einzusehn Verstand und Sinn gebricht.
Ist das der helle Geist, den ihr so sehr erhebet,
Der Strahl von Gott, der einst sich selber überlebet?
Er zeugt sich mit dem Leib, fängt an mit ihm zu blühn,
Nimmt ab wie er, und ach! wie er wird er verfliehn!
Dieß ist des Dichters Schluß, der seinen Witz verschwendet,
Doch nur ein blödes Aug' mit seinen Flittern blendet.
Hier ist ein weites Feld, wo sich die Dichtkunst weis't;
Das muntre Frankreich trägt kaum einen seichten Geist,
Der hier den Witz nicht übt, stolz die Vernunft verhöhnet,
Mit Scherzen Gründe schlägt, und große Wörter tönet.
Doch dichte immerhin, und wandle, wenn du willt,
In ein beseeltes Weib Pygmalions Marmorbild;
Du magst nach deiner Art mit Mährchen uns betriegen;
Du thürmest Reime auf, hier sollen Gründe siegen.
Du sprichst, der Stoff empfind't, er ist's, der in uns denkt,
Die Bilder nimmt, verwahrt, trennt und zusammen hängt,
Sich in die Formen gießt, die ihm der Körper giebet,
Und in uns wünscht und scheut und hofft und haßt und liebet.
Doch sage, da der Stoff unendlich theilbar ist,
Ob diese geist'ge Kraft aus allen Theilen fließt,
Von dem was in uns denkt? Dieß mußt du uns bejahen,
Und deinen Satz zugleich dadurch dem Umsturz nahen;
Plotin hat längst für dich den starken Pfeil gespitzt,
Vor dem dein Luftgebäu kein Witz, kein Einfall schützt.
Denn sprich nur, ist das Bild, das jetzt dein Stoff empfindet,
In jedem Theile so, daß er's ganz in sich findet?
Ist dieß, so würde ja ein jeder Gegenstand,
Trotz dem, was man erfährt, unendlich oft erkannt.
Du würdest, wie Orest, nicht nur zwei Sonnen sehen,
Unzählbar würden sie vor deinen Augen stehen;
Dir würd' unendlich oft, was deinen Blick bestrahlt,
Was andre Sinne rührt, in dein Gehirn gemalt;
Es würde jeder Trieb, dein Hassen und Begehren,
In der betaubten Brust unendlich sich vermehren.
Von drei Antikyren wird, wer dieß glaubt, nicht heil!
Doch beuge klüglich dich, und weiche diesem Pfeil,
Sprich, jeder Theil des Stoffs, der in mir fühlt und denket,
Fühlt nur ein Stück des Bilds, das in den Sinn sich senket:
Nun sag' auch, wenn du dich beim Denken selbst erkennst,
Und dich unendlich schnell vom Vorgestellten trennst,
Ist dieß Gefühl getheilt, und wie wird es zerrissen?
Nur Eine Kraft kann es in Eine Wirkung schließen.
Was der Verstand ergründ't, des Scharfsinns hoher Flug,
Die Kraft, die Schlüsse häuft, des Willens sanfter Zug,
Dieß alles läßt sich nicht in Stoff und Bilder schränken,
Noch ohne Ziel getheilt, wie du erdichtest, denken.
Ein Beispiel mach' es klar; du gehst in einen Wald,
Und suchst, der Sonne müd', der Schatten Aufenthalt;
Im gleichen Augenblick steigt vom beblümten Wasen
Ein süßer Dampf empor, und eilt zu deiner Nasen;
Auch hört dein Ohr zugleich das Lied der Nachtigall,
Und sucht im fernen Fels den rauhen Widerhall.
Nun muß, nach deinem Wahn, von allen diesen Bildern
Sich jedes für sich selbst in deiner Seele schildern;
Der Blumen süßer Hauch drückt sich ganz anders ein,
Als auf der Silberflut der Sonne Widerschein.
Ein jedes fühlet sich (dieß folgt aus deinen Schlüssen)
Und sich allein, und kann nichts von den andern wissen.
Der Theil des geist'gen Stoffs, in dem der grüne Wald
Sich spiegelt, fühlet nur die eigene Gestalt;
Ein andrer wird allein vom Blumenduft entzücket,
Wenn in den dritten sich der Waldgesang nur drücket.
Nun widerspricht dir nicht, was die Erfahrung lehrt,
Wenn der verhüllte Geist auf sich die Blicke kehrt?
Ist's nicht Ein Mittelpunkt, zu dem von allen Dingen
Die Bilder, wie ein Strom, durch alle Sinnen dringen?
Vermöcht' ein Malebranche, der Schluß aus Schlüssen zieht
Und mit geschärftem Blick der Sätze Band durchsieht,
Durch die geschloss'ne Reih' entwickelter Ideen,
In ihrem Labyrinth die Wahrheit auszuspähen,
Wenn nicht ein Wesen wär', das alles in ihm denkt,
Das die Begriffe fügt und nach Gefallen lenkt?
Und würden nicht vielmehr im allgemeinen Trennen
Die Bilder feindlich sich einander niederrennen?
Der Stoff ist's also nicht, was denkt; ein Unterscheid,
Der tief im Wesen liegt, entfernt die Geistigkeit
Vom ausgedehnten Stoff; er kann sich nur bewegen
Und fühlt sich nicht; sie fühlt und weiß sich nicht zu regen.
So weit als möglich hat der ewige Verstand
Die Unempfindlichkeit aus seiner Welt verbannt.
Doch kann die Geisterwelt den Stoff nicht ganz verdringen.
Warum? Sein Beistand nützt den ungedehnten Dingen.
Er fördert ihren Zweck, weil er der Geistigkeit
Was ihr zum Wirken fehlt durch die Bewegung leiht.
Das aber, was sich Gott zum Wohlthun auserlesen,
Ist die beseelte Schaar der edlern geist'gen Wesen,
Die, nach ihm selbst geformt, zum Fühlen aufgelegt,
In ihrem Innersten den Trieb zur Freude hegt.
Es wallt sein Vaterherz zu den geliebten Kindern,
Und haßt der Schranken Neid, die seinen Einfluß hindern.
Sein Will' ist unser Glück; doch gleiche Seligkeit
Verbeut auf ewig uns der Wesen Unterscheid.
Warum denn schuf er uns, fragt Manes, nicht zu Engeln,
Fest in des Guten Wahl, und frei von strafbarn Mängeln?
O Thor! mit gleichem Recht klagst du die Erde an,
Daß sie der Nelken Pracht auch Distel, Löwenzahn
Und andern Pöbel mischt, nicht stets von Liljen strahlet,
Und statt gemeinem Gras, mit bunten Tulpen prahlet.
Vielleicht begehrst du auch, daß stete Weste wehn,
Und willst die schwarze See von Nektar glühen sehn;
Du heißest öden Sand mit Blumen sich erheitern,
Und Schiffe sollen dir an Diamanten scheitern.
O flieh aus einer Welt, der die Natur befiehlt,
Und zaubre dir ein Reich, worin die Wärme kühlt;
Den Bach, der bei uns rauscht, laß Operlieder singen,
Und aus des Frühlings Schooß Rubin und Perlen dringen.
Wie eng ist eine Welt, die nur Halbgötter trägt,
Die ein einförmig Licht mit gleicher Wonne pflegt!
Wie klein wird da die Zahl der Mannichfaltigkeiten,
Die fern Ein Endzweck ruft, und die harmonisch streiten!
Und kann die Gottheit sehn, daß ein unzählbar Heer
Das eines kleinern Glücks nach Graden fähig wär'
Umsonst zu seyn sich sehnt? Kann dieß die ew'ge Liebe?
O nein! Sie wallt zu uns mit allgemeinem Triebe,
Und flößet Wirklichkeit und zugezählte Lust,
Nach jedes Fähigkeit, in aller Wesen Brust.
Das Elend, welches jetzt die niedern Classen leiden,
Verliert sich nach und nach in eine See von Freuden.
Des Uebels ganze Summ', wie groß sie Baylen dünkt,
Ist kaum ein Regentropf, der in das Weltmeer sinkt,
Verglichen mit dem Glück, das noch entfernte Zeiten,
Von Titan nicht erlebt, den Geistern zubereiten.
Der innre Unterschied der wesentlichen Kraft
Ist, was die Einzelnheit in den Substanzen schafft.
Verschiedne Fähigkeit zu fühlbaren Gedanken
Vertheilt der Wesen Heer in abgemess'ne Schranken;
Und ein geheimes Band, das alle Geister reiht,
Knüpft Arten und Geschlecht nach ihrer Aehnlichkeit.
Dieß ist der Liebe Hauch, den Orpheus schon besungen,
Durch den Empedokles der Samen Streit verdrungen.
So ward die Geisterwelt, die durch Ideen lebt,
Und mit verschiednem Schwung zur Gottheit sich erhebt,
Die Weisheit schränkte sie in ungezählte Classen,
Die nach bestimmter Zeit sie höher steigen lassen.
Mit ungleich sattem Trieb naht der Natur Gebot,
Die einen ihrem Quell, die andern noch dem Tod.
Bekränzt mit stillem Licht, strahlt eine größre Sonne
Dort einen Cherub an, mit unvermischter Wonne.
Sein scharfes Auge sieht durch unsre Nebel hin,
Kein trübes Vorurtheil schwärzt seinen hellen Sinn.
Ihm zeigt sich die Natur in unverhüllter Schöne,
Sein geistig Ohr entzückt der Sphären Lobgetöne;
Manch neuer Sinn führt ihn ins innre Heiligthum
Der großen Schöpfung ein, wo des Erschaffers Ruhm
In ew'gen Flammen brennt auf ewigen Altären.
Er theilt die Seligkeit mit tausend Engel-Chören;
Der Wahrheit Urbild selbst wird stets von ihm erblickt,
Und reine Liebe ist's, was seine Brust entzückt.
So nähert er sich stets der Geister erstem Quelle,
Und wird im Nähern stets von reinern Strahlen helle.
Viel niedrer drängt sich dort auf zweifelhafter Bahn
Ein noch nicht reifer Geist zur Seelenruh' hinan.
Was hilft ihm die Vernunft, die ihn beglücken könnte,
Wenn seine Wahl sich nie von ihrem Ausspruch trennte?
Sein Herz verlangt nach Lust, die falsche Phantasie
Verdoppelt ihren Reiz, und raubt zugleich ihm sie.
Sie reizet die Begier, und weiß sie nicht zu stillen,
Und lockt mit eitelm Glanz den oft betrognen Willen.
Indem er hin und her ein Gut sucht, das ihn flieht,
Ruft ihn mit süßem Ton der Wollust Zauberlied.
Im blumenreichen Thal, wo unter Myrtenschatten
Der Venus Tauben sich im stillen Laube gatten,
Wo alles scherzt und liebt, und stets im lauen Wind
Ein unsichtbarer Dunst von süßen Seufzern schwind't,
Dort liegt die Zauberin auf buhlerischen Rosen.
Cytherens kleiner Sohn, nie müd ihr liebzukosen,
Schlingt sich, dem Epheu gleich, um ihre heiße Brust;
Ihr funkelnd Auge reizt zu untersagter Lust.
Ihr schwarzes Haar, das leicht um ihren Nacken schwebet,
Dämpft süßen Balsam aus; den West, der sie umwebet,
Schöpft sie voll Lüsternheit und kühlt den matten Gaum;
Der Liebesgötter Schaar verengt um sie den Raum,
Und spielet sorgenlos, doch schwirrt bei ihrem Scherzen
Manch unsichtbarer Pfeil in unverwahrte Herzen;
Der trunkne Bacchus liegt zu ihrem Fuß gestreckt;
Von weicher Flöten Schall zur Ueppigkeit erweckt,
Erhebt er sich, den Chor der Faunen und Mänaden,
Der in die Schatten floh, zum wilden Tanz zu laden.
Dieß ist der Wollust Hof, aus diesem Zaubergrund
Ruft sie dem Wandrer zu, ihr allzu süßer Mund
Bethört sein willig Herz, er küsset sein Verderben,
Und saugt aus ihrem Blick ein angenehmes Sterben.
Doch wenn die Zauberin ihn kurze Zeit berückt,
Raubt ihm ein Augenblick, was ihn vorher entzückt
(Wie ein treuloser Traum, indem er uns vergnüget,
Nur durch ein hold Gespenst des Herzens Sehnsucht trüget
Und von der Schattenlust kaum einen schwachen Rest,
Des Schattens Schatten, nur zu größerm Schmerz uns läßt);
Wo lauter Anmuth war, sieht er erstarrte Klippen
Und todten Sand gehäuft; Armidens süße Lippen,
Ihr Auge, reich an Lust, ist mit dem leichten Schwarm
Der Liebesgötter weg; er sieht vom dürren Arm
Des Ekels und der Reu' mit Abscheu sich umfangen.
Bald bleicht die kalte Furcht die schnell verblühten Wangen,
Wenn des Gewissens Spruch ihm seine Strafe droht;
Bald streicht die späte Reu' ihm ihr verhaßtes Roth
Aufs blasse Angesicht; von der genoss'nen Freude,
Bleibt nichts als die Begier, und nagt sein Eingeweide.
Doch da er liegt und seufzt, und seine Noth bethränt,
Und ohne Hoffnung sich nach einem Retter sehnt,
Blickst du, o Tugend, ihn, umglänzt von sanftem Lichte,
Voll innern Mitleids an, mit tröstendem Gesichte.
Die Kraft, die in sein Herz mit deinen Blicken fleußt,
Belebt mit neuem Muth den auferweckten Geist;
Du hebst ihn liebreich auf, und führst an deiner Seiten
Ihn deinen hohen Weg zu bessern Ewigkeiten.
In noch geringerm Grad hüllt dort ein Raupenkleid
Ein schwächer Wesen ein, und reizt oft unsern Neid.
Mit weniger Vernunft mißkennt es unsre Plagen,
Und braucht in steter Lust sein kurzes Maß von Tagen.
Befreit vom bleichen Neid, der unsre Ruh verzehrt,
Vom ekeln Unbestand, der unsre Wollust stört,
Schmeckt es die jetz'ge Lust, und säumt sich nicht im Wählen,
Und kennt die Mittel nicht, sich sinnreich selbst zu quälen.
Der Rose kühler Schooß, der Nelke Purpurgrund,
Reizt es, wie dich, Myrtill, Aminens kleiner Mund;
Sein Leben ist Gefühl, es schwimmt in trunknen Freuden,
Und seine Wonne stört kein vorgesehnes Leiden.
Zwar schließt ein enger Kreis die dunkeln Sinnen ein,
Allein es wird nicht stets in dieser Kindheit seyn:
Die Zeit, und jener Weg durch den die Wesen steigen,
Wird ihm ein neues Feld einst zum Empfinden zeigen;
Voll Wunders sieht es dann, den Geistern zugesellt,
Sein neues Daseyn an, und eine neue Welt.
So ist, was fühlt und denkt, an Graden mancherlei:
Doch keines ohne Lust, von Mängeln keines frei.
Der reinste Cherub fühlt den Damm der Endlichkeiten,
Den unsichtbarsten Wurm erwarten bess're Zeiten.
Von Gottes Hand geformt, stellt der Substanzen Schaar
Der ersten Züge Riß von seinem Wesen dar.
Je näher sie sich hin zu ihrem Urbild kehren,
Je herrlicher kann sie sein reiner Glanz verklären.
Sie fühlen alle sich, wenn von der äußern Welt
Ein geistig Bildniß sich vor ihre Augen stellt.
Und dieses Bild erweckt in den gerührten Herzen,
Das eine Lieb' und Lust, ein anders Haß und Schmerzen.
Des Willens Richtungskraft kann nie gleichgültig seyn,
Ein Vorwurf flößet stets Haß oder Neigung ein.
So hat der höchste Geist, was ihn vollkommen schmücket,
Mit oft gebrochnem Licht den Wesen eingedrücket.
Vom Quell der Möglichkeit, vom göttlichen Verstand
Ist die Vorstellungskraft mit weiser Kunst entwandt;
Und der Begierden Strom, die stets zum Urbrunn quillen,
Zeigt uns ein Schattenbild vom allerbesten Willen.
Kein Geist verschmäht sein Glück, und liebet was ihn kränkt,
Weil seine Neigung sich von selbst zum Bösen lenkt;
Nein, Witz und Leidenschaft betrügt die blöden Herzen,
Und lockt mit falschem Reiz zu angenehmen Schmerzen.
Die Lieb' umfasset nur was sie durch Schönheit rührt,
Was gut und nützlich scheint und süße Lust gebiert;
Sie ist der schönste Strahl vom schöpferischen Blicke,
Die Wurzel unsrer Lust, der Keim von höherm Glücke.
Zu dem was Gott selbst liebt, zu der Vollkommenheit,
Füllt dieser edle Trieb die Brust mit Zärtlichkeit;
Wo schöne Ordnung reizt durch weisliches Verbinden,
Eröffnet er das Herz, sie lebhaft zu empfinden.
Er treibet den Verstand, und setzt ihm Stacheln an
Wenn ihn der Schlaf besiegt; der Vorurtheile Wahn,
Der Irrthum flieht vor ihm; er gibt sich nicht zufrieden,
Und hört nicht auf, den Geist durch Flehen zu ermüden,
Bis er zur rechten Spur der holden Weisheit kehrt,
Die mit Zufriedenheit, der Geister Kost, sich nährt.
O Liebe, süßer Zug zu Wesen, die uns gleichen,
Du herrschest unbegränzt in allen Schöpfungs-Reichen.
Dich fühlt der schwächste Wurm, dich fühlen Seraphim,
Dich fühlt der Schöpfer selbst! Du führest uns zu ihm.
Du bist die Geberin der schönsten besten Freuden,
Und keine andre Lust bezahlt selbst deine Leiden.
O! tönte mein Gesang hoch, wie ein himmlisch Lied,
Rein, wie im Cherubin dein ew'ges Feuer glüht,
So süß wie deine Lust, so stark wie deine Triebe,
Dann wagt' ich kühn dein Lob, dann solltest du, o Liebe,
Des heiligsten Gesangs erhabner Inhalt seyn!
Weg, trunkne Sänger, weg, die ihr von Lieb und Wein,
Dort wo beim Faunen-Tanz die wilde Flöte schallet,
Auf feiler Phrynen Schooß mit starrer Zunge lallet;
Entweiht den Namen nicht, der Engeln heilig ist,
Womit der Himmel selbst den Unerschaffnen grüßt;
Den Namen, dessen Macht die bessern Welten ehren,
Und dessen Wunder uns einst Ewigkeiten lehren!
Die schönsten Bündnisse, die unsre Seele kennt,
Die keusche Flamme, die durch Hymens Fackel brennt,
Der holden Sippschaft Quell, die mächt'gen Sympathien,
Wodurch sich wechselweis' verwandte Seelen ziehen;
Du, Freundschaft, süßer Trost des Lebens, das von dir
Erst seinen Reiz empfängt, und Sicherheit und Zier;
Die höhre Liebe selbst, womit wir im Verlangen
Das menschliche Geschlecht und die Natur umfangen,
Sind nur ein Strahl von dir, den deines Anhauchs Macht
In unsrer kalten Brust, o Liebe, angefacht.
Geschwisterlich verwandt mit diesem schönen Triebe
Ist die Begier nach Ruhm, des edlen Lorbers Liebe;
Auch ist sie unserm Geist vom Himmel angestammt.
Sie spornt zur Tugend an. Von ihrer Glut beflammt,
Hat ein Prometheus sich der Sonne zugeschwungen,
Und den verbotnen Strahl und seine Straf' errungen.
Sie hat das erste Volk von Eicheln abgewöhnt,
Und seiner Enkel Pracht von einem Wurm entlehnt.
Durch sie erfand ein Theut der Wissenschaften Samen,
Durch sie blühn noch im Tod erblaßter Helden Namen.
Sie legt der Weisen Geist beseelte Flügel an,
Und hebt sie zum Gestirn auf untersagter Bahn.
Sie lehrte, Valla, dich der Schule Hohn zu sprechen,
Und am Aquin und Duns der Wahrheit Schmach zu rächen.
Durch sie hat Pisa's Stolz der Sterne Zahl vermehrt,
Und dich, Urania, durch Gläser sehn gelehrt.
Durch sie zwang Gerike, die Luft vor ihm zu fliehen,
Und hieß ein magisch Feu'r aus kalten Körpern sprühen.
Dem Newton zeigte sie im weißen Sonnenstrahl
Durch ein dreieckicht Glas der Farben heil'ge Zahl;
Von ihr gelehrt, hieß er in abgemess'nen Kreisen,
Bestrahlte Weiten stets um ihren Brennpunkt reisen.
Sie führte, Leibnitz, dich auf unbetretner Spur,
Durch manchen Labyrinth ins Innre der Natur;
Dir war der Ruhm bestimmt, den Stoff selbst zu beleben,
Und lauter Harmonie der schönsten Welt zu geben.
Doch eben dieser Trieb, wenn die Vernunft ihn nicht
In strengen Zügeln hält, und seine Hitze bricht,
Ist ohne Ruh' bemüht, sich und die Welt zu quälen,
Und opfert seiner Wuth erschlagner Brüder Seelen.
Er reizt die Herr'n des Nils den Himmel nah zu sehn,
Und von gebranntem Leim Gebirge zu erhöhn,
Wo unter theurer Last, mit Menschenblut gefüget.
Ihr moderndes Gebein in öden Winkeln lieget.
Er führt' einst Philipps Sohn durch manch entvölkert Land
Im blutigen Triumph, bis an den Indus-Strand.
Er feu'rte Cäsarn an, Roms Freiheit zu zertrümmern,
Und im erbleichten Glanz des Vaterlands zu schimmern.
Er stößt des Lieblings Dolch, der Wohlthat unbewußt,
Die ihn verwegen macht, in seines Fürsten Brust;
Ja, er bewaffnet selbst, dir, Herr der Welt, entgegen,
Die Thoren, die Ein Wink zu deinem Fuß kann legen.
So weicht die Ruhmbegier, die uns der Himmel gab,
Sobald ihr Führer fehlt, vom ebnen Gleise ab.
Sie soll den ew'gen Geist von diesem Ball entfernen,
Zu würdigerm Geschick in strahlenreichern Sternen;
Allein oft läßt sie sich von falschem Winde blähn,
Sie hebt sich, steigt, und wird sich bald im Staube drehn;
So stürzt den Phaëthon die Wuth der Sonnenpferde,
Die ihren Herrn vermißt, zur mütterlichen Erde.
Doch lehrt der öftre Fall den hintergangnen Geist,
Bis ihm ein sichres Licht die wahre Laufbahn weist,
Auf dem die Helden sich durch manchen Feind geschlagen,
Und den errungnen Preis den Himmeln zugetragen.
Der Gipfel alles Ruhms, den die Begier erreicht,
Ist eines Engels Glanz, der seinem Schöpfer gleicht.
Je fähiger die Zeit zu diesem Glück sie machet,
Je stärker wird der Brand im Nähern angefachet,
Bis endlich unser Seyn in seine Quelle sinkt,
Und unvermischte Lust in vollen Strömen trinkt.
Dieß ist der schönste Theil von dem vollkommnen Ganzen;
Das unbegränzte Reich empfindender Substanzen,
Die eine Leiter hält, an der das Ende fehlt,
Wo vom geringsten Wurm, den kaum ein Trieb beseelt,
Bis zu dem Cherubin, der sich in Gott verlieret,
Geschöpfe ohne Zahl des Schöpfers Bildniß zieret,
In ungleich hellem Glanz, wo jedes Schönheit liebt,
Und sich nach Wonne sehnt, und seine Kräfte übt;
Wo jedes, durch die Zeit mit reinerm Licht geschmücket,
In bess're Zukunft stets mit hellerm Auge blicket. |