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Ich sang, wie Gottes Huld sich unzählbare Wesen,
In Reihen ohne Maß, zum Gegenstand erlesen;
Und wie die Weisheit sie in einen Leib gehüllt,
Nach dessen Vorwurf sich die Kraft zu denken bild't.
Die ganze Welt ist bloß ein All von Geistigkeiten,
In die vom Quell des Seyns sich stete Ströme leiten;
Der formenreiche Stoff, unfähig zum Gefühl,
Hat ihren Dienst allein zu seines Daseyns Ziel.
Wie trügend ist der Schluß, dem Weise kaum entgehen;
Weil wir von dem, was ist, nur bloß die Schalen sehen,
So ist die Körperwelt nur eine todte Last,
In Schranken mancher Art willkürlich eingefaßt?
Nein! was der Sinn uns zeigt, was in die Augen wallet,
Was das Gefühl erregt, was in die Ohren schallet,
Sind Bildungen des Stoffs, der Geister in sich schließt,
Und von dem Kern nur bloß die äußre Hülse ist.
Nun führe, Göttin, mich durch aller Wesen Reihen,
Von denen, die das Licht aus innrer Schwäche scheuen,
Bis zu dem reinsten Geist, der in dem Lichtmeer lebt,
Das ewig uferlos der Gottheit Thron umwebt;
Und zeige, wie der Raum, der alle Classen füget,
Die Form, die Schönheit schafft, die unsre Sinnen trüget.
Der ganze Kreis, der sich, voll von äther'scher Flut,
Um unsre Sonne dreht (die in dem Brennpunkt ruht,
Und ihr heilsames Licht zu sechzehn Erden sendet,
Die ein geheimer Zug in eignen Bahnen wendet),
Scheint vom Unendlichen der schlechtste Theil zu seyn,
Und schließt die niedrigsten der Geistigkeiten ein.
Hier ist der dunkle Ball, an dem die Menschen hängen
Und um ein schimmernd Nichts, das keinem bleibt, sich drängen.
Nimmt in der Welten Zahl er gleich den untern Platz,
So ist sein Kreis doch voll von unerkanntem Schatz.
Er soll zu höherm Glück die Seele vorbereiten,
Drum ward er ausgeschmückt mit so viel Trefflichkeiten,
Die, ist ihr Reiz gleich groß, doch die Gewohnheit bald
Mit ekler Galle färbt. Der kurze Aufenthalt
(Kaum einer Herberg gleich) auf der zu kleinen Erden
Soll uns durch sie versüßt, nicht paradiesisch werden.
Die Wollust, die uns hier ein irdisch Gut gewährt,
Soll nur ein Vorschmack seyn, der die Begierden mehrt,
Mit angefachtem Fleiß nach jenem wahren Leben,
Aus dieser Dämmerung, erwachend, hinzustreben.
Doch, thränenwerthes Volk, dein Endzweck und dein Stand,
Selbst deine Hoffnungen, die sind dir unbekannt!
Vergessend, welch ein Glück die Arme nach dir strecket,
Hängst du dich an ein Gut, das dir nur Durst erwecket,
Zwar du gewahrst es selbst; mit unvergnügtem Sinn
Verläss'st du es, und schwärmst zu tausend andern hin,
Die dein nie satter Geist bald wird zu flüchtig finden,
Die ewige Begier vom Wünschen loszuwinden.
Ein schönes Hinderniß reizt dich betrüglich an,
Vor Lust vergissest du dein Ziel und deine Bahn.
So riefen dem Ulyß die lockenden Sirenen
Vom zauberischen Strand mit tödtlich süßen Tönen;
So nahm das kleine Heer, das diesen noch entging,
Der süße Lotus ein, der Aug' und Zunge fing;
Das rauhe Ithaka ward jetzt mit Lust vergessen;
Jedoch der Held zieht fort, und läßt sie Lotus essen.
O Mensch, wann lernst du einst, wozu du ewig bist
Und daß dein Herz zu groß für diesen Erdball ist!
Benachbart mit dem Nichts, füllt dort ein traurig Heer
Den unbestrahlten Raum. Von innerm Lichte leer,
Empfind't es kaum sich selbst; den Schlaf, der es bestricket,
Stört kaum ein schwaches Bild, das in den Leib sich drücket.
Auch sie bedeckt ein Kleid, von dichtem Stoff gewebt,
Durch den der Gegenstand vor ihrem Sinne schwebt;
Doch weil kein größer's Haus ihn mit der Welt verbindet,
Was Wunder, daß er kaum sein dunkles Seyn empfindet;
Er fühlt zwar, doch nur schwach; auch scheinet seine Brust
Zum Schmerze noch zu träg, und noch nicht reif zur Lust;
Unthätig bleibt er stets im Gleichgewichte liegen,
Von bittrer Unlust frei, unfähig zum Vergnügen.
Aus diesen Wesen sind die Körper aufgehäuft,
Die man sonst insgemein im Minern-Reich begreift.
Du, Leeuwenhoeck, zeigst uns mit scharfbewehrten Augen,
Was Menschenblicke sonst nicht zu bestrahlen taugen;
Zeigst dem erstaunten Blick den ganzen Stoff belebt,
Und wie das Sandkorn selbst von regen Thierchen webt;
Vor deines Scharfsinns Strahl ist unsre Nacht verschwunden,
Der Erde kleinsten Punkt hast du bewohnt gefunden.
So gründet unsern Satz, den die Vernunft gebeut,
Auch der Erfahrung Spruch, und hilft der Sinnlichkeit.
Doch kein vergrößernd Glas führt die geschärften Blicke
Aufs unterste Geschlecht der Creatur zurücke;
Denn diese deckt ein Leib vom feinsten Stoff erbaut,
Den selbst kein Leeuwenhoeck, kein Needham jemals schaut.
Er läßt sich nicht aufs neu in kleinre Wesen schneiden,
Die sich in andern Stoff, nach gleicher Regel, kleiden.
Hingegen das Gewürm, wovon im Tropfen Naß
Ein Hook, ein Swammerdam, viel Millionen maß,
Läßt ein sichtbarer Leib in schärfre Augen dringen,
Ein Leib, der fähig ist, sich zeugend zu verjüngen.
Dieß zeigt, daß unter ihm noch tiefre Classen gehn.
Doch endlich bleibt der Geist bei einer Gattung stehn,
Die allen andern weicht, ob ihr der Trost gleich bleibet,
Daß einst die späte Zeit sie weckt und höher treibet.
Ein jedes Glied der Zahl, der unmeßbaren Zahl,
Vom niedrigsten Geschlecht, trägt ein natürlich Mal,
Das von den andern es im Wesen unterscheidet.
Die Kraft, die es bewegt, der Leib, der es bekleidet,
Hat was ihm eigen ist; auch was es jetzt empfind't,
Ob seine Bilder gleich nur matt und einzeln sind,
Ist nicht vollkommen gleich mit dem, was andre reget,
Die sonst die Aehnlichkeit am nächsten zu ihm leget.
O Mannichfaltigkeit die hier mein Auge füllt!
O Weisheit, Geist der Welt, wie groß wird mir dein Bild!
Der Seraph steht erstaunt, und wünscht dich zu ermessen,
Doch er ermißt dich nicht, häuft er gleich Größ' auf Größen.
Noch mehr, ein ewig Band hält jede Geistigkeit
Des niedrigsten Geschlechts ans Ganze angereiht;
Weil alle Wesen sich zu gleichen Zwecken schwingen,
Und zu des Ganzen Zier verschiednen Beitrag bringen.
Der Schöpfer (ehret ihn, so oft sein Nam' erschallt,
Ihr Sonnen, lichter Staub, der seinen Fuß umwallt!)
Hat durch der Liebe Zug den innern Streit geschlichtet,
Und das Manchfaltige harmonisch eingerichtet.
Auch da, wo unser Sinn nur blasse Gleichheit sieht,
Strahlt Ordnung, Schönheit, Lust in ein verklärt Gemüth.
Kein finstres Chaos mischt die kämpfenden Substanzen,
Hier herrscht der Weisheit Arm, und schaffet Ruh' im Ganzen.
Um einen Grad erhöht, beseelt das Pflanzenreich,
Ein besseres Geschlecht, doch Thieren noch nicht gleich.
Auch dir, du holde Zucht der immer fruchtbar'n Floren,
Wird in dem schönen Leib ein Wesen angeboren,
Das sich und ihn genießt. Kein Gras, kein unwerth Kraut,
Wird aus Aurorens Brust erquickend angethaut,
Das nicht im weisen Bau von wohlgefügten Röhren
Dem gleichgestimmten Geist Empfindung kann gewähren.
Du lachst, bestäubtes Heer Megarischer Eukliden,
Daß wir den Pflanzen selbst Empfindlichkeit beschieden?
Die Muse thut es nicht; der Weisheit milder Hauch
Hat längst sie schon beseelt, und die Erfahrung auch.
Zeigt ihrer Glieder Bau (ein Werk, das selbst die Weisen
Zu schwach es durchzusehn, nur voll Erstaunen preisen)
In seinem Wesen selbst, in Bildung und Gestalt,
Nicht eine Aehnlichkeit, die in die Augen strahlt,
Mit andrer Thiere Leib? Ein wundersam Gespinnste
Von Nerven nimmt die Flut der eingesognen Dünste,
Und kocht das süße Blut, das von der Sonn' erhitzt
Sich durch der Adern Höhl' in alle Glieder spritzt;
Die eingeschöpfte Luft durchweht in tausend Röhren
Den angefachten Leib, und hilft das Leben nähren.
Ist nicht der Thiere Leib mit gleicher Kunst gewebt?
Der Same selbst durch den sich jedes überlebt,
Nimmt eigne Glieder ein, die im Geschlecht sich trennen,
Und ohne Liebe nicht sich selbst erneuern können.
Durch dich, o Paphia, durch dich lebt die Natur;
Auch Blumen fühlen dich, dein Trieb gebiert sie nur.
Sobald dein warmer Hauch, den uns, auf lauen Schwingen,
Des Frühlings Erstlinge, die muntern Weste bringen,
Den rauhen Nord verjagt, und Schnee und Wolken fliehn,
Dringt aus der Erde Schooß ein jugendliches Grün.
Die Samen dehnen sich, und fühlen deine Triebe,
Die ganze Erde haucht die eingeflößte Liebe.
Die Bäume schmückt ihr Kleid, der Vögel lüft'ges Heer
Ruft dir frohlockend zu, dir heitert sich das Meer;
Es glänzt, ich weiß nicht was, im Auge junger Schönen,
Und ihren Busen schwellt ein unbekanntes Sehnen.
Dieß, Liebe, wirkest du, und so erhält durch dich,
Und deinen süßen Zwang, der ganze Erdkreis sich.
Wenn mit Linneus nun in Florens buntem Kinde
Ich so viel Aehnlichkeit mit andern Thieren finde,
Und sein belebter Leib, durchaus organisirt,
Ein aromatisch Blut durch tausend Adern führt,
Was hindert uns, es auch, gleich Thieren, zu beseelen?
Kann wohl dem Geisterreich ein möglich Wesen fehlen?
Sprich nicht, wir sehen nicht, daß sie ein Gliedmaß ziert,
Das zum Empfinden taugt und fremden Eindruck spürt.
Seit wann hat die Natur uns ihren Schooß entdecket?
Bleibt uns der größte Theil der Zwecke nicht verstecket?
Auch die Veränderung im eingenommnen Platz,
Die den Gewächsen fehlt, bekämpft nicht meinen Satz.
Der Austern träges Volk, das an den Felsen klebet,
Vertauscht nur durch Gewalt den Ort, an dem es lebet.
Verändert gleich das Kraut die erste Stelle nie,
Ist's doch nicht regungslos; es öffnet selber früh
Den halbgeschloss'nen Kelch den angenahten Strahlen,
Und schließt bei ihrer Flucht die sternengleichen Schalen,
Es wend't sein blühend Haupt verliebt der Sonne zu,
Grüßt sie, da sie erwacht, und sucht mit ihr die Ruh'.
Die Seelen, welche wir den Pflanzen zugegeben,
Naht schon ihr innrer Stand dem animal'schen Leben;
Wirksamer als die Art, die unter ihnen schläft,
Kennt ihre Kraft schon mehr das geistige Geschäft.
Sie fühlen, weil ihr Leib die Bilder vor sie stellet;
Doch ist ihr Bild der Welt gleich dämmernd aufgehellet,
So fühlen sie doch schwach und ohne Deutlichkeit,
Und was? Vielleicht daß sie der Weste Kuß erfreut;
Vielleicht empfinden sie den Balsam ihrer Düfte,
Und athmen voller Lust die süßen Frühlingslüfte;
Der Sonne wärmend Licht, des Aethers reiner Fluß,
Wer zweifelt, daß er sie nicht viel vergnügen muß?
Auch wird der Thau, womit sie laue Nächte tränken,
Nicht ohne Wollust sich in ihre Adern senken.
Hier ist ein weites Feld den Dichtern aufgethan,
Wo sich ihr muntrer Witz erfindend üben kann;
Doch krönt nur ein Vielleicht, was sie begeistert singen,
Und Klio schweigt voll Ernst von zweifelhaften Dingen.
Noch keine Zahl umschränkt den weiten Zwischenraum,
Von Libans altem Stolz, dem lüft'gen Cedernbaum
Bis zu den Thieren auf, die sich vernünftig nennen,
Und, trotz der Aehnlichkeit, ihr Urgeschlecht verkennen.
Der Muscheln stachlicht Heer naht sich noch sehr dem Kraut;
Ihr kaum belebtes Fleisch schließt eine rauhe Haut,
Bewundernswerth gedreht, meßkünstlerisch gekerbet,
Und mit verborgner Hand, zur Scham der Kunst, gefärbet,
In deren Labyrinth, von Titan undurchscheint,
Manch weichbeschaltes Ei zur Perle sich versteint.
Der Fische stummes Volk, die Nachbarn der Najaden,
Trägt ihr beschwingter Leib in ungegründ'ten Pfaden,
Den regen Thieren gleich; doch kehrt ihr stumpfer Sinn
Sie mehr zu Florens Reich, als zu den Thieren hin.
Den Raum vom Schuppenvolk zu den vollkommnern Thieren,
Die auf dem trocknen Land in Wäldern sich verlieren,
Erfüllet das Gewürm, das Erd' und Luft erfüllt,
An harten Rinden nagt, und selbst im Marmor wühlt.
Der Wälder schwarzen Forst durchbrüllen wilde Rachen,
Die im bewehrten Leib sich Schwächern furchtbar machen.
Doch hat die Weisheit sie in unwirthbaren Sand,
Wo Glut und Dürre tobt, von uns hinweggebannt,
Uns nützet bloß ihr Tod, von andern auch das Leben,
Die ohne Zwang uns Milch und warme Wolle geben:
Da andre, deren Fleisch uns die Natur heißt scheu'n,
Zu Last und Arbeit stark, uns ihren Rücken leihn.
Ja selbst das wilde Vieh (was wird ein Mensch nicht wagen?)
Zwang die Gewalt der List nicht gern das Joch zu tragen.
Die Jovial'sche Luft belebt der Vögel Schaar,
Und bringt ihr frühes Lied der nähern Sonne dar.
Das reine Element, worein sie muthig schweben,
Scheint über niedres Vieh des Adlers Reich zu heben.
Der Schwalbe kluger Fleiß, der ihre Wohnung fügt,
Der Nachtigall Gesang, der Bäume selbst vergnügt,
Die süße Vielfachheit, die ihre Stimme drehet,
Jetzt gurgelt, jetzt vertieft, jetzt wunderschnell erhöhet,
Naht sie der Menschlichkeit. Wie singt von ihrer Lust
Die liederreiche Luft, wenn in der kleinen Brust
Sich Venus mächtig dehnt, sobald der West uns grüßet,
Und alles, was empfind't, in neuer Brunst zerfließet?
Welch eine hohe Kunst zeigt sich in der Structur
Der schönsten Leiber uns, worein sich die Natur,
Nach jedes Art, gehüllt! Wie zeigt nur eine Mücke
(Ein ungeachtet Thier) im schönsten Meisterstücke
Des gliedervollen Leibs, daß sie ein Gott gebaut?
O hättest du, Lucrez, mit Bonnets Blick geschaut,
Du hättest dich bemüht, mit deinen süßen Weisen
Ein deiner würdig Ziel, den Schöpfer selbst, zu preisen.
Doch wie? da solch ein Leib dem Thier Gefühl verspricht,
Genießt ihn nicht ein Geist? Dieß glaubt Descartes nicht,
Und liebt, den alten Wahn Pereirens zu erneuern,
Den, lange schon vor ihm, die Lust zu Abenteuern
Zu einer Lehre trieb, die (was er selbst kaum glaubt)
Der Sinnlichkeit sogar das arme Vieh beraubt.
Er macht sie ohne Kunst zu künstlichen Maschinen,
Die doch sich selber nichts, den Menschen wenig dienen.
Sein neblichter Begriff schließt seines Schöpfers Macht
In enge Gränzen ein, die er selbst ausgedacht.
Kann die vollkommne Welt ein möglich Wesen missen,
In welcher uferlos unzähl'ge Arten fließen?
Die Weisheit, leidet sie daß einem Punkt der Welt
Ein möglicher Gebrauch, ein Zug der Schönheit fehlt?
Was für ein Meer von Lust verflösse ungeschmecket?
Wie viele Anmuth blieb' unbrauchbar und verstecket?
Wo nur der träge Mensch, von schlechtrer Lust entzünd't,
Sie zwar empfinden kann, und sie doch nicht empfind't.
Viel weniger entfernt Rorar sich von der Wahrheit.
Ja, ja, gesteh' es nur, du Geist voll hoher Klarheit,
Du Herr der ganzen Welt, den keine Fliege ehrt,
Der Sonn' und Himmel mißt, und Sterne laufen lehrt,
Und kennt nur nicht den Weg sein irdisch Glück zu bauen,
Gesteh', erhabner Mensch, zum mindsten im Vertrauen,
Du bist von gleichem Stamm mit dem verworfnen Vieh,
Ja oft nimmt's dir den Preis, und du bedenkst es nie.
Sey nicht so kühn, o Mensch, auf eingebild'te Rechte,
Du bist nur eine Art von einerlei Geschlechte.
Wie viel ist, das dir fehlt und eine Raupe hat?
Zwar ein geringer Raum scheid't dich um einen Grad
Von niedern Thieren ab; dich bläht dein tiefer's Wissen,
Du kennst die eitle Kunst zu zweifeln und zu schließen;
In einer weitern Sphär' verbreitet sich dein Sinn,
Und deine Neugier fliegt zu fernen Welten hin.
Du fühlest zärtlicher, und bist, mit weicherm Herzen,
Geöffneter der Lust, empfindlicher zu Schmerzen.
Doch, o der kleinen Zahl die dieser Vorzug schmückt,
Die höhern Wesen gleicht und in die Zukunft blickt!
Ihr andern, seyd ihr's gleich die sich am meisten blähen,
Vergeblich strebet ihr nach untersagten Höhen,
Im Staub, den Würmern nah'! Was euern Hochmuth nährt,
Ein Schatten der Vernunft ist keines Neides werth.
Mehr Mittel, die Begier erhitzt, nicht satt, zu machen,
Der Thränen bittern Trost, das Recht um nichts zu lachen,
Mehr Kenntniß falscher Lust, mehr Stoff zum Ueberdruß,
Gönnt euch der Vogel gern. Er theilet den Genuß
Fast jeder Lust mit euch, und läßt euch nur die Plagen;
Die Sorgen, die in euch der Freuden Knospe nagen,
Den unruhvollen Blick in das, was künftig ist,
Den Vorzug läßt er euch! Ihr wünschet, er genießt,
O höret auf, euch noch mit eurer Schmach zu brüsten!
Sey dir zur Plage klug, sey schlau zu neuen Lüsten,
Sey ein Sardanapal, kein Vieh beneidet dich.
Betrinke dich in Blut, umkränzter Wütherich,
Zertritt den freien Staat, und kauf' um Millionen
Von Seelen deiner Art unsichre Königsthronen.
Doch sieh von deiner Höh' einst jenen Würmern zu;
Wie eifrig baut ihr Fleiß an der gemeinen Ruh'!
Kein Stolz theilt ihre Müh', ihr Ruhm ist, andern nützen;
Der Gipfel der Begier, vor Mangel sich zu schützen;
Kein innerlicher Streit schwächt die gemeine Kraft;
Der ehrt sich, der dem Staat den größten Nutzen schafft.
So folgt ein schlechter Wurm den angenehmen Trieben
Der lockenden Natur, und freut sich sie zu üben;
Und du, dem die Vernunft der Tugend Reiz erhöht,
Bist trotzig, daß dein Herz der Menschheit Ruf verschmäht.
Doch, ist's vielleicht die Kunst, die übers Vieh dich hebet?
Der Kreis der Wissenschaft, die dein Verstand erstrebet?
Die Weisheit, welche dir in vollem Licht sich weis't? –
O still! der Dinge Kern enthüllt kein ird'scher Geist,
Nur Wenige von euch, verschwistert mit den Engeln,
Befreit ihr günstig Glück von den gemeinen Mängeln,
Und heitert ihren Blick von euern Nebeln auf;
Der andern Füße trägt ein zweifelhafter Lauf
Der fernen Wahrheit zu, und oft sehn sie im Dunkeln
Ein fabelhaft Gespenst an ihrer Stelle funkeln.
Und wie? Verdient die Kunst, die euern Stolz beschönt,
Die allzu schwache Kunst, daß ihr die Thiere höhnt?
Ihr stützt den Himmel zwar mit marmornen Kolossen,
Und häuft Gebirge auf, die durch die Wolken stoßen;
Doch, nimmt euch nicht ein Wurm, der mit geerbtem Fleiß
Aus sich sein Wohnhaus spinnt, den schlecht verdienten Preis?
Das weiße Paros muß den rohen Stoff euch geben,
Die Spinne kann ihr Zelt aus ihrem Leibe weben;
Sie führt es in die Luft, vom Sturme nicht erschreckt,
Der Memphis Säulen selbst mit Schutt und Sand bedeckt.
Die Bienen, welche dort, wo Hyblens Thäler blühen,
Der Erd' Ambrosia aus jungen Blumen ziehen,
Was gleichet ihrer Kunst? – Erschöpft ein Reaumür,
Sie nur zu kennen stolz, nicht Jahre über ihr?
Ein Werk, das Archimed nicht klüger cirkeln könnte,
Vollführt sie ungelehrt und sonder Instrumente.
Sprich nicht, ein blinder Trieb, ein willenloser Zwang
Bestimmt der Bienen Fleiß, der Nachtigall Gesang,
Des Seidenwurms Gespinnst; dieß heißt in leeren Tönen
Die Wahrheit, der du weichst, mit deinem Stolz versöhnen.
›Zeig' uns das Thier, das nichts als bloßes Uhrwerk sey;
›Auch Thieren wohnt ein selbst sich regend Wesen bei.‹
Auch in des Löwen Brust schlägt was von jenen Trieben
Der Großmuth und des Zugs, den, der uns dient, zu lieben,
Cytherens süße Brunst, die mit dem Herzen spielt,
Wird von den Thieren auch, oft menschlicher, gefühlt;
Man lehrt uns ein Insect im Fleiß zum Muster nehmen;
Und sollte Manchen nicht Ulyssens Hund beschämen?
Doch nicht zu weit, mein Sinn! Ein unverlierbar Recht
Erhöhet über sie das menschliche Geschlecht.
Jetzt sind sie nicht was wir; und wird nach fernen Tagen
Sie einst ihr künftig Glück auf unsre Staffel tragen,
So wird ein gleicher Weg, den alle Geister gehn,
In bess're Nachbarschaft uns über sie erhöhn.
Uns würdigt die Natur mit mütterlichen Händen,
Was sie Vortrefflich's hat, verschwendrisch zuzuwenden;
Uns kleid't ein schönrer Leib, und was die Erde trägt,
Wird willig von ihr selbst zu unserm Fuß gelegt.
Uns zollt der Berge Schacht; in tiefen Meeresschlünden
Muß sich zu unserm Schmuck die weiche Perle ründen;
Und vom versengten Süd bis zum gefrornen Pol
Ist Luft und Sand und Meer von unserm Reichthum voll.
Und was vermag die Kunst? Sie schafft dem öden Sande
Des Frühlings Anmuth an, und läßt im trocknen Lande
Beschäumte Schiffe gehn, mit Korn und Frucht beschwert,
Die ihr sinnreicher Fleiß im Meere blühen lehrt;
›Indem wir ewig sie von Grad zu Grade treiben,
›Wird nichts uns unversucht und nichts unmöglich bleiben.‹
Klag' nicht, o Plinius, der Menschen Mutter an,
Daß sie uns nicht, wie Vieh, mit Fellen angethan,
Nicht wie den Fisch beschuppt, mit Federn nicht beschenket,
Noch, stummen Austern gleich, in Schalen eingesenket.
»Uns, rufst du rednerisch, uns wirft sie nackend aus;
Das Vieh bewehrte sie; die Muscheln deckt ihr Haus;
Den Vogel weicher Pflaum: wer muß sich nicht beklagen;
Ist's billig, für das Vieh mehr Sorg' und Huld zu tragen?«
Wie blendet dich dein Witz! Für ein geringes Glück
Gäbst du die Schönheit ihr und tausend Lust zurück.
Von unsern Schönen wirst du wenig Dank erlangen.
Sie tauschten schwerlich gern die Rosen ihrer Wangen
Um warmen Schwanenflaum, und eine Lilienbrust
Auch noch so schön beschuppt, erweckte wenig Lust.
Und warum willt du uns denn unsern Schmuck entziehen?
Wie klein ist der Verlust von dem, was dein Bemühen
Undankbar'n geben will? Die heiße Zärtlichkeit,
Die in der Mutter Brust für ihre Kinder schreit,
Ersetzt durch Müh' und Kunst, was aus bedachten Gründen
Uns die Natur versagt. Wofür sind weiche Binden?
Wofür trägt dort ein Baum ein sanftes Flaumenhaar?
Bringt nicht Natur und Kunst uns ihre Hülfe dar?
Wie wenig Billigkeit stützt deine Dichterklagen!
War's Wohlthat nicht, was du begehrst, uns zu versagen?
Der Mensch bleibt wie zuvor der Liebling der Natur,
Ihm schenkt sie ihren Schatz, ihm ziert sie Wald und Flur.
Die andern Thiere sieht, in unzählbaren Classen,
Er, unter sich gereiht, ein kleinres Glück umfassen.
Dieß ist der Arten Zahl, aus der der Ball besteht,
Der langsam sich verzehrt, indem er uns erhöht.
Ihn heißt ein innrer Zwang in schneckengleichen Kreisen,
Um Titans feur'gen Sitz, mit gleichem Wälzen, reisen.
Durch sein bestimmtes Drehn wird uns der Tag geschenkt,
Wenn er der Sonn' uns zeigt, die Nacht, wenn er sich schwenkt.
Dann blitzt Aurorens Aug', da unser Strich erbleichet,
Die Gegenfüßler an, und ihre Nacht entweichet.
Der Unterschied des Stands, der uns zur Sonne hält,
Die Arten, wie ihr Strahl auf unsre Fläche fällt,
Verändern ganz und gar die Form der äußern Erden,
Und lassen dreimal sie sich selber ungleich werden.
Dort am erfrornen Nord, wo sich sein ewig Eis
Nach seinem Sterne sehnt, von andrer Glut nicht heiß,
Herrscht Frost und öder Tod mit allgemeinem Grauen,
In stiller Dämmerung, durch unwirthbare Auen.
Hier lacht der Frühling nie, kein blühend Kraut lockt hier
Den frischen Zephyr an und ein verirrend Thier.
Der Liebe süßer Brand, den jeder Welttheil fühlet,
Erstirbt hier um den Pol, und wird in Eis gekühlet.
Kaum, daß ein Zembla noch ein seltner Schein erhellt,
Und hier und da den Fels ein weißer Fuchs durchbellt;
Froh, wenn er unterm Schnee ein faulend Moos erblicket.
Das menschengleiche Volk, das dieser Himmel drücket,
Fühlt auch des Erdstrichs Neid, der seinen Körper krümmt,
Und selbst dem matten Geist sein dumpfes Feuer nimmt.
Dort, wo, der Sonne nah, die Mittagsgegend raucht,
Und der beglänzte Sand nur Glut und Flammen haucht,
Verzehrt der stete Strahl das siedende Geblüte,
Und wie die Ader kocht, so brauset das Gemüthe.
Die Liebe wird hier Wuth, die Rachsucht zügelfrei,
Der Witz geblähter Schwulst, die Andacht Schwärmerei.
Den aufgebirgten Sand, den nie ein Grün beschattet,
Durchzischt ein Schlangenheer, das sich mit Hydern gattet.
Der Löwen dürrer Schlund ächzt hier nach heißem Blut,
Und aus des Tigers Blick blitzt seines Himmels Glut:
Der Mensch gleicht seinem Vieh; die sanfte Menschenliebe
Rührt kraftlos seine Brust: nur blutbegier'ge Triebe,
Nur zügellose Brunst und wilde Eifersucht
Verzehren sein Gehirn, und sind der Gegend Frucht.
Die ihr der Länder Recht in heil'ge Tafeln ätzet,
Und was die Pflicht gebeut, was sie versaget, setzet;
Lykurge jedes Volks, zwingt nicht nach Einer Schnur,
Nach einerlei Gesetz, die streitende Natur.
Vergebt dem Himmel was, und mildert euer Fodern!
Die Glut erstirbt nie ganz, in der die Afern lodern:
Hemmt weislich ihre Wuth, und zeigt die Mittel an,
Wie man der Triebe Brand am klügsten kühlen kann;
Erlaubt dem Norden nicht, was ihr dem Süden schenket,
Und wisset, daß das Recht oft nach der Lust sich lenket.
Ein selig Mittel schränkt die andern Zonen ein;
Die Billigkeit der Luft, der Sonne warmer Schein,
Besamt das lockre Land, gemalt mit tausend Farben,
An Bacchus Gaben reich und gelb von schwangern Garben.
Zwar ändert die Natur, in vorgeschriebner Zeit,
Die liebliche Gestalt, und wechselt stets ihr Kleid,
Gibt uns im Sommer oft der Mohren Glut zu fühlen,
Läßt schon im Herbst den Nord mit starren Flocken spielen.
Doch jede Jahrszeit ist an eignen Freuden reich,
Wir würden bald zu satt, wär' unsre Lust stets gleich.
Allein des Winters Frost, der uns in warmen Zimmern
Den Herbst genießen läßt und hüllt der Wiesen Schimmern
In sein einfärbig Weiß, schärft den gestumpften Sinn
›Und selbst Entbehrung wird durch Wechsel zum Gewinn.‹
Wie fröhlich grüßen wir die mildern Frühlingswinde,
Wie lieblich schäumt und rauscht uns durch die nackten Gründe
Der aufgelös'te Schnee, wie froh lauscht unser Ohr
Der ersten Nachtigall, der Lerchen frühem Chor!
›Wie wonnig fühlen wir im allgemeinen Weben
›Und Streben der Natur auch unser neues Leben!‹
Glückselig, wen sein Stern in Zonen leben heißt,
Wo eine milde Luft wohlthätig ihn umfleußt!
Des Himmels Mäßigkeit verschönert auch die Geister,
Vernunft wird leichter hier der Leidenschaften Meister,
Das Herz fühlt zärtlicher, der Witz ist schön und rein,
Geordnet der Verstand, und die Empfindung fein.
Dort wo aus heitrer Luft entwölkte Sonnen scheinen,
Herrscht Witz und Dichtungskraft in lorbeerreichen Hainen.
Durchs ganze Thierreich fließt die Kraft vom nähern Strahl,
Die Blumen glänzen mehr, nie weicht der West dem Thal;
Die Wälder duften dort von ewiggrünem Laube,
Und Daphnens Haar wird nie dem rauhen Nord zum Raube;
Sidon'scher Aepfel Gold strahlt ungepflanzt im Wald,
Der stets vom Wettgesang der Nachtigallen schallt;
Der Hügel breiter Schooß grünt von Falerner-Reben,
Die ganze Gegend wallt von innerlichem Leben.
Dort aber wo das Land zum weißen Pol sich senkt,
Spürt Mensch und Vieh und Baum, daß ihn der Himmel kränkt.
Zu Phlegma wird der Witz, die Leidenschaft wird träge,
Das Blut schleicht matt dahin durch die gehemmten Wege;
Den Forst schreckt rauhes Wild, und, leer an edlerm Erzt,
Wird nur von Stahl und Blei der Berge Schacht geschwärzt.
Dieß ist der Ordnung Frucht; in allen ihren Reichen
Muß innre Harmonie das Mannichfache gleichen.
Verlaß, o Muse, nun den niedern Gegenstand,
Und suche deinem Blick ein neu, ein himmlisch Land.
Schwing dich mit flücht'gem Fuß und unverwandten Augen
Den bessern Welten zu, die rein're Strahlen saugen;
Wo Geister höh'rer Art, aus unsrer Nacht gereis't,
Ein himmlisch Element mit lautrer Wonne speis't.
Was für ein Weltenheer, das unter mir sich drehet?
Was für ein Tempel, der sich über mir erhöhet?
Welch eine Harmonie bezaubert Ohr und Blick?
Die ihr hier ewig wohnt, wie reizt mich euer Glück!
O! daß mich Erd' und Zeit so weit von euch entfernen!
Dort, wo ein weißes Licht, gemischt aus tausend Sternen,
Sich um den Himmel krümmt, wo nie der Tag erbleicht,
Dort wohnt die frohe Schaar, die unsrer Erd' entweicht.
O dreimal Selige! die ihr hieher entronnen!
Euch nährt der Engel Kost, euch glänzen hellre Sonnen,
Die Nebel fliehn dahin; verklärt von reinem Licht,
Seht ihr, mit welcher Nacht der Tag der Menschen ficht.
Doch, eure Seligkeit läßt selbst sich noch vermehren.
Weit über euerm Haupt schöpft, in den höchsten Sphären,
Der Seraph Götterlust aus dem vollkommnen Quell,
Und wird, der Welt zu hoch, nur von der Gottheit hell.
Wie staunst du, schwacher Geist? Von himmlischen Gedanken
Aufwallend, haßt dein Herz die ihm zu engen Schranken,
Vergiß dein Vaterland, blick nach der Sterne Bahn,
Sieh' jener Welten Glanz, sieh' ihre Bürger an.
O Mannichfaltigkeit! o Schönheit! o Entzücken!
Welch ein Zusammenfluß von weisen Meisterstücken!
Wie stimmt mit ihrem Leib, wie stimmt mit ihrer Brust,
Die schöne Wohnung ein? Wie einfach ist die Lust,
Die in den zärtlichen und wohlgebild'ten Seelen
Die Tugend süßer macht, und billiget ihr Wählen?
Ein allgemeiner Trieb, ein unauflöslich Band,
Verknüpft die Seelen hier; kein Unterschied im Stand
Stört die gemeine Lust, Ein Herz, Ein Zug im Willen
Eilt in der Tugend sich, in gleichem Maß, zu stillen.
Bricht schon ans manchem Geist des Wesens Trefflichkeit
Mit höherm Schimmer aus; ihn trübt kein bleicher Neid.
Er fühlt den Vorzug kaum; bemüht, ihn nicht zu wissen,
Läßt er ihn, unbemerkt, auf seine Freunde fließen,
Und jeder ist sein Freund. Er ist, der Gottheit gleich,
(Wie glänzend ist dieß Lob!) nur für die andern reich.
Das Band, wodurch schon hier auf dieser düstern Erden
Ein tugendhaftes Paar kann paradiesisch werden,
Die Liebe, o wie wird sie hier so schön gefühlt!
Hier ist sie keine Brunst, die im Genuß sich kühlt,
Des Geistes Kräfte schwächt, die Tugend unterdrücket,
Das Herz mit Wuth durchstürmt und die Vernunft ersticket.
O nein! voll Zärtlichkeit knüpft sie ein gleiches Paar
Fest an die Tugend an; was jedem eigen war,
Ist jetzt des andern Gut, eins wird aus zweien Herzen,
Von gleichen Trieben reg, verschlossen allen Schmerzen.
Mich rührt kein andrer Wunsch, als dich beglückt zu sehn,
Du schmeckest keine Lust, als durch mein Wohlergehn.
Beglückte! die ihr seyd, die Gottheit liebt euch beide,
Und ruft euch unzertrennt zu gleichgefühlter Freude.
Doch was verspricht vom Geist ein solches Herz uns nicht?
Die Wahrheit liegt vor ihm in ihrem eignen Licht.
Er wiegt der Wesen Kraft, er faßt den Stoff in Zahlen,
Dringt in der Dinge Mark, und klebet nicht an Schalen.
Nie hemmt des Körpers Last des Geistes freien Lauf;
Von neuen Sinnen faßt er neue Bilder auf;
Manch' fühlend Gliedmaß zeigt ihm neue Eigenschaften,
Die, unsichtbar für uns, an andern Körpern haften.
Vielleicht, daß manche nur Ein Sinn der Welt verbind't,
Und der nur durchs Gesicht, der nur durchs Ohr empfind't.
Wo tausend Düfte sich ambrosialisch mengen,
Und die gewölbte Brust mit sanftem Zufluß drängen,
Und wo der ganze Leib in Balsammeeren wallt,
Wer mißte Ohr und Aug' in diesem Aufenthalt?
Dort aber, wo die Luft von holden Tönen zittert,
Und das gebrochne Thal stets mit Musik erschüttert,
Wo tausend Kehlen stets zum Wirbeln offen sind,
Wo Wald und Fels und Flut der Töne Macht empfind't,
Der Bach harmonisch rauscht, die Luft harmonisch wallet,
Und wenn der Nymphe Lied in Felsen widerhallet,
Der Hain melodisch rauscht, wer hielt' es wohl für Pein
In einer solchen Welt sonst nichts als Ohr zu seyn?
Wie schwindelt meinem Geist, wie hört er auf zu denken,
Wenn seine Blicke sich in jene Tiefe senken,
Die kein Geschöpf ermißt, wo in gewohnten Höhn
Sich Sterne ohne Zahl mit ihren Bürgern drehn.
O wie vergißt er sich bei ihrer Arten Menge,
Und unterliegt der Zahl, und wird sich selbst zu enge!
Noch mehr! die Sterne selbst sind Thiere, sind beseelt,
Damit in keinem Reich ein Thier zum Bürger fehlt,
Rauscht die astral'sche Luft von selbstbelebten Ballen,
Die, andrer Thiere voll, ihr Element durchwallen.
›Du, dem der größte Stern ein strahlend Pünktchen scheint,
›Sag' an, mit welchem Recht wird dieser Satz verneint?
›Du sprichst: »er überwiegt zu Millionen Malen
›Die Sonn', und seine Bahn ermüdet unsre Zahlen;
›Auch wälzt er ohne Rast und unveränderlich
›Um eine größre Sonn' im gleichen Kreise sich;
›Was ist hierin, um ihn mit Leben zu beschenken?
›Wer könnte sich ein Thier von solcher Größe denken?
›Was sehen wir an ihm, das einen innern Geist
›Der seinen Körper regt, auch nur vermuthen heißt?«
›Gemach! ein rascher Schluß kann leicht uns hintergehen;
›Wie wenig ist's, was wir an einem Sterne sehen?
›Das Käferchen, das dort um goldne Blumen schleicht,
›Täuscht auf dieselbe Art ihr schimmernd Licht vielleicht;
›Wer weiß es, ob sie nicht in seinem winzig kleinen
›Prismat'schen Augenglas ihm Sternenbilder scheinen
›Und jenes Aelchen, das im Blut des Aales schwimmt
›Und dem geschärft'sten Blick kaum als ein Pünktchen glimmt,
›Vermuthet es, die Welt, die es als Herr durchstreichet,
›Sey auch ein lebend Thier, das ihm an Bildung gleichet?‹
Ein Keppler, ein Cassin merkt an der Sterne Bahn
Das Regelmäßigste von ihrem Umlauf an;
Unzähl'ge Aendrungen sind ihm vielleicht verstecket,
Die aus der Nachbarschaft ein hellers Aug entdecket,
Sie wachsen wie ein Thier (die Erde lehrt uns dieß),
Das Alter zehrt sie aus, auch ist ihr Tod gewiß;
Durch ihn wird ihre Seel' auf neuen Grad erhoben.
So, Schöpfer, können dich die Morgensterne loben!
Nun, Muse, lehr' uns auch, was für Verschiedenheit,
Die Geister aller Art in zwei Geschlechter scheid't.
Nicht nur der Zweck allein, der, ihre Art zu mehren,
Das eine zeugen heißt, das andere gebären,
›Macht diesen Unterschied; nein, tief im Innern liegt
›Was durch die Trennung selbst sie mehr zusammen fügt.‹
Wir, die der Leib verführt uns selber zu mißkennen,
Wir, die den Geist (uns selbst) als fremde von uns trennen,
Sind durch zwei Kräfte reg, die so geartet sind,
Daß diese dann erst blüht, wenn jene welkt und schwind't.
Die eine fühlt den Leib, und was durch alle Sinnen
Zu ihrem innern Sitz für Bilder denkbar rinnen;
Mit unsichtbarer Kunst stellt sie, nach manchem Jahr,
Ein einst gesehnes Bild mit frischen Zügen dar;
Ein unerschöpfter Schatz von geist'gen Schildereien,
Die ihr Natur und Kunst aus tausend Quellen leihen,
Liegt schimmernd vor ihr da, und sie zertrennt und bind't,
Vermischt und ändert sie, wie sie es gut befind't.
Sie nimmt den Eindruck an, der ihre Sinne reget,
Sie liebt, sie hofft, und wird dem Leide gleich beweget,
Wiewohl nach Geister Art. Der Zug, der unsre Brust
Zu holden Schönen dringt, und die Begier zu Lust
Entsteht aus ihrem Schooß; sie ist's die sich vergnüget,
Wenn das gesehnte Glück in unsern Armen lieget.
Ganz anders wirkt in uns der forschende Verstand,
Mit dialekt'scher Kunst lös't er der Dinge Band;
Er nimmt den Bildern ab, was sie dem Sinne kleidet
Und sieht scharfblickend nur was jedes unterscheidet.
›In unsre innre Welt bringt Ordnung er und Licht,
›Sieht ungetäuscht dem Wahn ins lügende Gesicht,
›Macht Klugheit und Gebühr zu unsrer Triebe Hütern,
›Und lenkt den Willen nur zu wesentlichen Gütern.‹
Zwar schlingt ein zartes Band sich beiden Kräften um,
Und wenn die eine schweigt, ist auch die andre stumm;
Ein glänzender Verstand vermag auch schön zu denken,
Und bloß aufs Blenden wird kein schöner Geist sich schränken;
Doch Eine herrschet stets und schwächt der andern Macht,
So wie bei vollem Mond in unbewölkter Nacht
Der andern Sterne Heer mit blasserm Lichte funkelt,
Und ihrer Nymphen Reiz Dianens Glanz verdunkelt.
Wer hört dein Heldenlied, unsterblicher Virgil,
Hört deiner Dido Schmerz, und schmilzt nicht in Gefühl?
Die Seelen stehen dir zu jedem Eindruck offen,
Bereit, wie du befiehlst, zu fürchten und zu hoffen;
Wenn Nisus, halb entseelt, durch seinen Kuß die Flucht
Der Seele seines Freunds noch aufzuhalten sucht,
Den letzten Hauch empfängt aus dem geliebten Munde,
Dann, hingestreckt auf ihn, aus hundertfacher Wunde
Sein eignes Leben strömt, wer wünscht, indem er weint,
Nicht, selbst um diesen Preis, sich einen solchen Freund?
So hauchet, durch die Kunst, die Zauberkunst der Musen,
Der fühlende Poet in seiner Hörer Busen
Welch eine Seel' er will, – indeß ein Archimed
Mit faltenvoller Stirn in seinen Cirkeln steht,
Und ungerührt von dem, was weiche Seelen reget,
Den Lauf der Sphären mißt, der Körper Kräfte wäget.
So macht dort zarter Sinn, hier herrschender Verstand
Die zwei Geschlechter uns im Geisterreich bekannt.
Das anmuthsvolle Volk, gemacht uns zu beglücken,
Empfing ein fühlend Herz, gleich fähig zu entzücken
Und selbst entzückt zu seyn. Des Mädchens junge Brust
Fühlt ungelehrt den Reiz der zugedachten Lust.
Sie fühlen zärtlicher, weil alle ihre Sinnen,
Empfindlicher gebaut, von feinern Geistern rinnen,
Die muntre Phantasie nimmt, weichem Wachse gleich,
Die Bilder lebhaft an; ihr holdes Herz ist reich
An sanftern Wallungen, und frei von den Gewittern
Der wilden Leidenschaft, die unsre Brust erschüttern:
So wie bei heitrer Luft sich die zufriedne See
Vom stillen Zephyr bläht, es wallt die blaue Höh'
In immer gleichem Trieb, und locket die Najaden
Um Amphitriten sich, mit stillem Spiel, zu baden.
Des Geistes Zärtlichkeit, gebild't uns zu erfreu'n,
Drückt auch dem schönen Leib sein holdes Wesen ein.
Wie reizend ist er nicht? Wen muß er nicht entzücken?
Wie lad't der Mund zum Kuß, wie strahlt aus ihren Blicken
Die sanfte Liebe aus, und legt uns Ketten an,
Die ohne Schande selbst der Weise tragen kann!
O Thoren! die ihr uns die Liebe fliehen lehret,
Wißt, daß ihr der Natur nicht ohne Strafe wehret;
Sie schafft die Lieb' in uns, sie läßt die Schönen blühn,
Und rächt den frechen Stolz, an allen, die sie fliehn.
Doch nicht nur Paphia gesellt sich unsern Schönen,
Der lorberreiche Pind schallt selbst von ihren Tönen:
Hier irrt noch Sappho's Lied, so süß stimmt nicht der Schwan
An Strymons grünem Rand sein frohes Sterblied an;
Sie sieht Germanien und unsrer Zeit zu Ehren,
Geistreiche Karschin, dich, der Musen Zahl vermehren;
Durch eine Schöne füllt Colombo's Ruhm die Welt
Und Rowens englisch Lied ertönt im Sternenfeld.
Ihr Schönen, ehrt den Werth, den die Natur euch schenkte,
Erkennt den Reiz, den sie in eure Seelen senkte!
Zürnt, daß des Vorurtheils und der Gewohnheit Macht
Euch um den schönsten Theil von euerm Schmuck gebracht!
Im zarten Keim erstickt, noch eh' sie aufgegangen,
Der Seele Fruchtbarkeit; die Sorge für die Wangen
Verdrängt den edlern Wunsch auch sittlich schön zu seyn,
Und ach! so flößet ihr nichts als Begierden ein!
Ein Toutou, ein Amant, ein Stutzerchen, zum Scherzen
Kaum gut genug – wie klein denkt ihr von euern Herzen,
Wenn solch ein Tand sie füllt! Der bleibe stets entehrt,
Der euch, ihr Schönen, einst des Fächers Kunst gelehrt;
Der euch dem jungen Herrn, der ohne Seele lachet,
Dem stolzen Federhut und Westen hold gemachet,
Der einem schönen Kopf, voll Puder, leer an Geist,
Mit Blicken voll Gefühl die Augen folgen heißt,
Worin der Himmel uns sich scheinet aufzuklären,
Wenn sie Zaïrens Kampf mit edeln Thränen ehren.
Wie sehr bedauern wir Lucindens schönen Mund,
Durch den sie Suada schien, eh' er uns selbst gestund
Wie sehr wir uns geirrt; der sie Cytheren gleichte,
Bis er, sobald er sprach, die Grazien verscheuchte;
Den Mund, der, wenn ihn Geist und feiner Scherz bewegt,
Entzückte Weisen selbst zu euern Füßen legt.
Dieß ist der Unterschied, nach welchem jede Classen
Der Wesen sich in zwei Geschlechter theilen lassen.
Das, wo die obre Kraft die Seelen stärker macht,
Das keine Arbeit scheut und der Gefahren lacht,
Mit Schmerz und Blut und Tod ein tönend Nichts erringet,
Mit tieferm Sinne denkt, und in die Wahrheit dringet;
Dieß hat Deukalion, wenn nicht die Sage trügt,
Mit schöpferischem Wurf aus hartem Stein gefügt;
Die andre hat ein Gott aus weicherm Ton gebauet,
Und dem anmuth'gern Leib ein zärter Herz vertrauet;
Sie lieben das Gefühl, und ihre weiche Brust
Ist auch empfindlicher, zu falsch- und wahrer Lust.
Zwar nahet die Natur oft Geist und Leib der Schönen
Der Männer rauhrer Art und Mavors wilden Söhnen;
So wie ein Lydier oft sein Geschlechte schmäht,
Und im schwatzhaften Chor die Spindel weibisch dreht.
Wie streut Camilla dort, wohin ihr Muth sich dränget,
Furcht, Schrecken, Flucht und Tod? Ein schwerer Köcher hänget
Den braunen Schultern an, ihr gelbes Haar fliegt wild,
Und die gedrückte Brust beschützt ein goldner Schild.
Sie folgt Dianen nach, von Liebe unbesieget;
Von Wald und Jagd allein und wildem Streit vergnüget;
Und doch verläßt sie nicht die angeborne Art;
Sie, die ihr Heldenherz vor Amors Macht verwahrt,
Entgeht nicht der Begier (ihr Tod muß sie bezahlen),
Der weibischen Begier in Chlorens Raub zu strahlen,
Sein Köcher lockt sie an, sein tyrisches Gewand,
Und der beschuppte Leib reizt Aug' und Wunsch und Hand.
Und mitten in dem Sieg, den ihre Waffen geben,
Beschließt sie, als ein Weib, ihr heldengleiches Leben. |