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Der Sultan, (fuhr Scheherezade
In ihrer Wundergeschichte fort)
Wie ihm an einem so öden Ort
Vom schönsten Palast die hohe Façade
Auf einmal in die Augen stach,
Voll Freuden zu sich selber sprach:
Nun werden wir bald, will's Gott, verstehen,
Was uns seit gestern den Kopf zerbrach;
Den See, den Niemand zuvor gesehen,
Die Fische gelb, roth, blau und grau,
Den Mohren und die schöne Frau,
Die aus der Wand hervor gesprungen,
Die armen Fische angebohrt,
Und was die Fische, halb geschmort^
Pflichtschuldigst in der Pfanne gesungen:
Unfehlbar liegt von Allem dem
In diesem Schlosse das
Quamobrem
.
Von solcher Hoffnung angeschüret,
Verdoppelt er die Schritte mit Hast.
Allein, je näher dem Zauberpalast,
Je stärker seine Hoheit spüret,
Daß etwas ihn bei der Kehle faßt;
Zumal da außen und innen, im Hofe
Und in den Hallen, um und um,
Alles so öd' ist, Alles so stumm,
Und nirgends weder Schranz noch Zofe,
Noch Katze noch Hund sich sehen läßt.
Kein Mäuschen schleicht, kein Käfer summt,
Kein Sperling zirpt, kein Hummel hummt.
Alles gestorben! sogar im Dache
Auch nicht ein armes Käuzchennest!
Dem Sultan je länger je mehr die Sache
Bedenklich wird. Doch geht er zu;
Sieht Königspracht an allen Enden,
Viel Gold verschmiert an Decken und Wänden,
Kurz, Alles köstlich und zum Verblenden,
Nur überall die tiefste Ruh'.
Er schleicht sich horchend hin und wieder,
Steigt Treppen auf, steigt Treppen nieder,
Ruft endlich laut, wohl siebenmal;
Umsonst, ihm schallt aus Gang und Saal
Stets seine eigne Stimme wieder.
Wie er nun endlich herunter steigt,
Ein Garten sich seinen Augen zeigt;
Der schönste Garten, den je die Feen
Gepflanzt, und Augen je gesehen;
Die Wege mit kleinen Perlen bestreut,
Die Luft ein Meer von Balsamwellen,
Und Blumen von jeder Monatszeit,
Und Myrtenwäldchen und Silberquellen,
Und grauenvolle Dunkelheit
Mal'risch verletzt mit lichten Stellen;
Bäume, mit Blüthen und Frucht beladen,
Teiche zum Fischen, Grotten zum Baden,
Lauben zum Schlummern – mit
einem Wort',
Ein Gott erkieste sich solchen Ort
Zum Aufenthalt. Nur Eines fehlet:
Dieß Paradies ist unbeseelet.
Ueberall Fülle und Ueberfluß,
Nur nichts Lebendiges zum Genuß.
Kein Fischchen regt den stillen Teich,
Der Hain ist einem Grabmal gleich,
Kein Vogel singt aus Zweig noch Luft,
Kein Schmetterling saugt Lilienduft,
Kein Laubfrosch zwischen den Blumen hüpft,
Kein' Eidechs durch die Hecken schlüpft;
Was lebt, was Leben lügt sogar,
Verbannt aus diesem Garten war.
In dumpfem Sinnen ganz verloren
Irrt unser Sultan hin und her:
So (denkt er) hat mich noch nichts geschoren!
Und dennoch glaub' ich je länger je mehr,
Daß mir die Geister hier Esel bohren
;
Daß aller dieser Schein nur trügt,
Und etwas unter der Decke liegt.
Indem er dieses Lied sich singt,
Ein Ton ihm in die Ohren dringt,
Dem Aechzen eines Menschen gleich,
Der langsam unter Todesqualen
Sein Leben verhaucht. Der Sultan gleich
Dem Tone nach! – In einem ovalen
Mit Quadern ausgemaurten Teich,
Den ringsum hohe Linden krönen,
Ragt fern' ein Dom von schwarzem Stein
Hervor; dort schien es her zu tönen.
Er eilt zum Teiche; das bange Stöhnen
Aechzt immer lauter durch den Hain.
Der Sultan leidet große Pein
Vor Eifer, zu sehen und zu retten;
Erblickt an einer goldnen Ketten
Am Ufer einen kleinen Kahn,
Setzt über, steigt die Stufen hinan,
Und durch die halb geöffnete Pforte
Stürzt er sich in den Dom hinein.
Da steht er – Aber wo nehm' ich Worte
Für sein Erstaunen? – Beim blassen Schein,
Der dieses weiten Grabes Nacht
Sichtbar und schauerlicher macht,
Sieht er auf einem reichen Thron
Den Schatten von einem Königssohn',
Auf seiner Stirne die Krone blitzend,
In einen Scharlachmantel gehüllt,
Die Augen mit starren Thränen erfüllt,
In regungloser Stellung sitzend;
So todtenfarb, so abgezehrt,
Als hätt' er sich seit vielen Jahren
Von Gram und Thränen bloß genährt.
Begierig, von diesem wunderbaren
Geheimniß die Deutung zu erfahren,
Mitleiden und Hülf' im Angesicht,
Naht sich der Sultan ihm und spricht:
Vergib mir, wer du auch bist! dein Klagen
Drang mir zu Ohr. Vertraue mir
Die Ursach deiner Noth! und hier
Sieh mich das Aeußerste zu wagen
Für dich bereit!
»Welch ein Gesicht?
(Ruft jener, wie vom Blitz getroffen)
Welch eine Stimme, die mir zu hoffen
Befehlen darf? O, täusche mich nicht!
Bist du ein Gott?«
Der Sultan, betroffen
Von dieser Frage, fährt zurück
Betrachtet den Jüngling mit starrem Blick
Und spricht, indem er die breite Stirne
Sich reibt: Bin zwar ein Sterblicher nur
Und auch ein Sclave vom Gestirne,
Wie du; doch Alles, was Visapur
Vermag, soweit es reicht, erbiet' ich
Zu deinem Dienste!
»Du bist sehr gütig,
(Erwiedert seufzend, mit schwachem Ton,
Der lebende Schatten auf dem Thron)
Geholfen kann mir nimmer werden!
Mein Elend ist so wunderlich,
So einzig in seiner Art auf Erden,
Daß ihm, ich glaub' es festiglich,
Noch nie ein ander Elend glich!
Unglücklich durch Alles, was ich fühle,
Unglücklicher noch durch das, was ich
Nicht fühle!«
Der Sultan denkt bei sich:
Dem müssen wahrlich die Wörterspiele
Geläufig seyn, der übel sich fühlt
Und noch mit Gegensätzen spielt!
Allein, da jener von Brust und Rücken
Den Mantel hebt, – Gott! welch ein Bild
Entblößt sich seinen starrenden Blicken! –
Welch kläglich
Ecce-Homo-Bild
! –
Sein Leib, bis an die Hüften enthüllt,
Ist, wie von tausend Schlangenbissen,
Von Geißeln jämmerlich zerrissen,
Von Striemen geschwollen und ganz in Blut!
Ein Anblick, eines Teufels Wuth
In Thränen zu schmelzen! –
Der Sultan bedeckt
Sich schauernd die Augen mit beiden Händen.
Gott! (ruft er) und solch ein Anblick weckt
Nicht deinen Donner?
Der Jüngling spricht:
»Noch siehest du das Aergste nicht!«
Hebt nun auch von den bedeckten Lenden
Den Mantel auf. »Da schaue her!
So hat die Liebe mich mißhandelt!«
Der Sultan, mit Augen von Thränen schwer,
Schaut hin: – »Was seh' ich? In Stein verwandelt!
Verwandelt in schwarzen Marmorstein!
Nein, das muß wahrlich ein Blendwerk seyn!«
Und er betastet's. – »Gott! deine Gerichte!
Ist's möglich? – Was für arme Wichte
Wir Menschen sind! – Denn, könnte das mir
Nicht eben so wohl begegnen, als dir?
Doch gut! wenn wir das Aergste wissen,
Folgt doch nichts Aergers! Fasse Muth!
Daß Geister hier im Spiel seyn müssen,
Ist klar, auch ohne was Nähers zu wissen:
Doch meinen letzten Tropfen Blut
Weih' ich hiermit, dein Elend zu wenden,
Wo nicht, mein Leben mit dir zu enden.«
Mit Thränen und hoch gefalteten Händen
Dankt ihm der Jüngling seine Huld!
»Du siehst, es ist nicht meine Schuld,
(Spricht er) daß deine Knie zu umfassen
Gezwungen bin zu unterlassen!«
Traulich Gespräch nunmehr begann.
Der Sultan erzählt dem jungen Mann,
Was mit den Fischen vorgegangen,
Und wie ein unbezwinglich Verlangen
Ihn hergeführt an diesen Ort,
Um über dieß Wunder Licht zu empfangen.
Vermuthlich wird es (fuhr er fort)
Mit Eurer Geschichte zusammenhangen.
Doch ist's jetzt mehr, als Neubegier,
Es ist zu Eurem Nutzen und Frommen,
Was mich zu fragen zwingt, wie Ihr
In diesen kläglichen Stand gekommen?
Der Jüngling, nachdem er ihn ersucht,
Sich auf den Sopha niederzulassen,
Beginnt tief seufzend folgender Maßen:
»Was uns von jeher zum Bösen versucht,
Von jeher unsre Ruh vergiftet
Und alles Uebel angestiftet,
Wozu ein Gott die Erde verflucht;
Der holde Unhold, die Schlange der Schlangen,
In deren Zauberknoten wir
Uns ewig wider Willen fangen;
Der ewige Abgott unsrer Begier,
Der ewige Teufel, der uns peinigt,
Mit
einem Worte, das Himmel und Hölle
In vier unselige Töne vereinigt,
Ein Weib – ist meines Jammers Quelle.
»Mein Nam' ist Uzim-Oschantey;
Und eh' ich noch das Licht gesehen,
Begabten mich drei gute Feen
Mit Zärtlichkeit, Geduld und Treu.
Wer hätt' in diesem Geschenk der Feen
Verborgnes Gift voraus gesehen?
Wer dachte, mein Schicksal würde seyn,
Vom Morgen bis zum Sternenschein
Dem Himmel Klagen vorzuwinseln?
»Ich war der König der schwarzen Inseln,
Und dieser See, um den sie sich itzt,
Verwandelt in vier Hügel, winden,
War einst mein königlicher Sitz.
»Kaum nahm ich von meinem Thron Besitz,
So eilt' ich, (leider! für meine Sünden)
Das schönste Weib mir zu verbinden;
Ein Weib, (so dacht' ich im Rausch der Lust)
Worin die Liebe sich selbst gebildet!
»Wie glücklich ich war! wie übergüldet
Mir Alles schien! – An ihrer Brust
Lag ich im Himmel, in ihren Küssen
Schwamm meine Seele in Wonneflüssen;
So hatte sich die Zauberin
Bemächtigt von Allem, was ich bin!
Ich lebte nur von ihren Blicken.
Fünf Jahre flossen so dahin,
Fünf einzelne Tage in meinem Sinn,
Gewebt aus ewigem Entzücken.
»Wem fällt des Himmels Einsturz ein?
Ich liebte, glaubte, geliebt zu seyn,
Und meinte, so müßt' es ewig währen!
O Götter! warum mußtet ihr
Mich jemals eines Bessern belehren?
Warum mißgönntet ihr Glückliche mir,
Mit einem Irrthum mich zu nähren?
»Mein Schicksal wollt's! wer kann ihm wehren?
Einst, da ich – es war ein warmer Tag,
Der heißeste Tag in meinem Leben!
Leicht träumendem Schlummer hingegeben,
Im Garten auf einem Sopha lag;
Zwei Mägde der Königin, die eben
Vorüber schlenderten, hatten's gesehn
Und sachte sich herzu begeben,
Mir Luft mit Blumen zuzuwehn;
Sie setzten dazu sich auf die Knie
Und glaubten, ich schliefe. – Da hört' ich sie
Mit leiser Stimme zusammen flüstern:
»Wie reizend unser Sultan ist!
Wie schön er liegt! Bald würd' eins lüstern!
Wer Königin wär'!« – Ich sehe, du bist
Nicht wohl berichtet, sagte die zweite,
Fürsten sind nicht, wie andre Leute.
Wer dächte, so jung und wohlgemacht
Der König ist, daß Nacht für Nacht
Ein Andrer sich mit ihr erfreute?
»Was sagst du? Wie ginge das wohl zu?«
Sie reicht ihm, so oft sie sich zur Ruh
Begeben, in einer goldnen Tasse
Frisch Wasser (glaubt er) rein und hell,
Ich weiß nicht, aus welchem Wunderquell,
Auf den sich's herrlich schlafen lasse.
Nur gar zu herrlich! Der gute Mann
Denkt wenig in seiner Unschuld dran,
Es sey ein Trank, der während der Nacht
Sie sicher bei ihrem Buhlen macht.
»Wie mir hierbei zu Muthe gewesen,
Ist – was ich nicht beschreiben mag
Noch kann; denn Himmel und Erde lag
Mir auf dem Herzen: mein ganzes Wesen
Schien sich im Innersten aufzulösen.
Und gleichwohl hatt' ich noch die Kraft,
Den Todeskampf der Leidenschaft
Vor fremden Zeugen zu verhehlen;
Ich that, als schlief ich ungestört,
Und ließ, erwacht, die guten Seelen
Im Wahn', ich hätte nichts gehört.
»Kaum sah ich wieder mich allein,
So drang ich in den dicksten Hain;
Die ganze Natur stand schwarz vor mir,
Mir brachen die Knie im Gehen schier;
Ich sank an einen Felsenbach
Und sann in dumpfer Betäubung nach.
Es ist unmöglich, rief ich endlich;
Es kann nicht seyn! 's ist gar zu schändlich!
Zu ungeheuer! – Und dennoch – Gut!
Die Nacht wird sich erleben lassen!
Ich werde sehen, was sie thut,
Und bis dahin will ich mich fassen.
»Sie kam, mir allzu träge, die Nacht.
Wir speisten allein. Wie voller Reize
Sie war! Mit welchem verschlingenden Geize
Ich an ihr hing! die ganze Macht
Der Liebe in ihren Augen empfand!
Mit jedem Blick sie unschuldiger fand!
Wie unter ihrem süßen Geschwätze
Aller Verdacht so ganz verschwand!
So ganz, daß, wie sie zu guter Letze
Den goldnen Becher mir bot, ich fast
Den Schluß vergaß, den ich gefaßt.
Besann mich doch, erhaschte mit Glück
Am Fenster stehend den Augenblick,
Des Tranks, den ich zum Schein genommen,
Unbemerkt wieder los zu kommen;
Gab ruhig ihr dann den Becher zurück,
Und wir verfügten uns zu Bette.
»Kaum glaubte die Betrügerin,
Daß mich der Schlaf gefesselt hätte,
So stand sie auf. Der Vollmond schien
Durchs goldne Gitter tief ins Zimmer.
Sie bückte lauschend sich über mich hin,
Und: Schlaf, sprach sie, und möchtest du nimmer
Erwachen! warf mit eilender Hand
Um ihre Schultern ein leichtes Gewand
Und schlich davon.
Kaum war sie entwichen,
Ich auf, als trieb mich ein Wespenschwarm,
Fahr' in den Kaftan, untern Arm
Den Säbel, und komm' ihr nachgeschlichen.
Sie flog im Garten schon weit voran,
Der Liebe Schwingen an ihren Sohlen:
Ich Armer schlich auf glühenden Kohlen,
Schmiegte mich an die Hecken hinan,
Wagt's nur mit Blicken sie einzuholen.
Sie taucht' oft unter, kam wieder hervor,
Bis ich sie ganz aus den Augen verlor.
Ich suchte sie lange durch Lauben und Säle,
In Büschen und Grotten, am Wasserfall',
Im Rosenwäldchen und überall.
Da hört' ich – noch klingt's in meiner Seele –
Im Dunkeln eine Nachtigall.
Sie klagte, mit so geschmeidiger Kehle,
Mit so gefühlvoll wachsendem Schall,
Dann mit so sanft hinsterbendem Fall,
So rührend! – mir ward dabei ganz bange!
Ich hätte weinen mögen, allein
Ich konnte nicht, so hing wie Stein
Das Herz im Busen mir. – Nicht lange,
So klang aus dem Gebüsch' hervor
Der Königin Stimme mir ins Ohr.
»Behutsam schleich' ich bis zur Nähe
Von fünfzehn Schritten hinzu und sehe
Und sehe – Herr Sultan, rathet was? –
An einem Rosenbusch' im Gras
Die Schnöde, die dem häßlichsten Mohren,
Den je der Gambia
geboren,
Vertraulich kosend im Schoße saß;
Sah, wie sie sich selbst bei ihm vergaß;
Sah ihn mit ihren Locken spielen,
In ihres Busens Fülle wühlen –
Sah nichts mehr! mir verging das Gesicht,
Der Mond verschwand mit seinem Licht;
Doch hört' ich durch die unendliche Nacht
Zu meiner Qual die süßen Töne
Der allbezaubernden Sirene.
»Er hatt' ihr, schien's, den Vorwurf gemacht,
Sie lieb' ihn nicht – das Ungeheuer!
Und kannst du (sprach sie, mit einem Ton!
Mir selbst zerschmolzen die Nieren davon)
Ein Herz, das sich in ewigem Feuer
Für dich verzehrt – ein Herz, das nur
Für dich lebt, in der ganzen Natur
Nichts sieht, als dich, von dir getrennt
Nicht eine einzige Freude kennt –
Nur dann mit Wonne sich überfüllt,
Wenn's wieder an deinem Busen schwillt –
Du, dem's allmächtig in jeder Fiber
Erklingen muß, daß du mir lieber
Als Alles bist! – kannst du mit Klagen
Und Zweifeln so ein Herz zernagen?
Tyrann, was thu' ich nicht für dich?
Was kann ich mehr thun? Rede, sprich!
Schau' um zur Rechten und zur Linken,
Dein Wille ist Gesetz für mich!
Soll plötzlich unter Donner und Blitz
Hier dieser alte Königssitz
Vor deinen Augen in Trümmer sinken?
Soll ich den Mond herunterwinken,
Verwandeln der ganzen Erde Gestalt,
Dich, mich, mit aller Könige Schätzen,
Stracks auf des Atlas Spitze versetzen?
Befiehl! du kennest meine Gewalt!
»Hier konnt' ich mich nicht länger halten;
Ich mußte bersten auf dem Platz'
Oder dem Unhold den Kopf zerspalten,
Der diesen ganzen unendlichen Schatz
Von Liebe, ihr Herz, mir weggestohlen.
Ihr Schrecken (wer hätte mich hier geglaubt?)
Ließ mir den Augenblick, auszuholen;
Und plötzlich mit gespaltetem Haupt
Sank der Verräther zu ihren Füßen.
Flieh, rief ich mit wildem Ungestüm,
Rette dich eilends vor meinem Grimm,
Laß diesen allein für beide büßen!
»Sie schoß nur einen Blick auf mich;
Doch der entnervte mir alle Glieder.
Dann warf sie in Verzweiflung sich
Bei ihrem sterbenden Buhlen nieder.
Bald brüllte sie laut, daß ihr Geschrei
Ringsum die Hügel und Thäler füllte;
Bald wieder mit aller Schwärmerei
Der Liebe sank sie auf ihn, verhüllte
In ihrem Busen sein Todesgesicht,
Drückt's an ihr Herz mit ängstlichem Stöhnen,
Wusch es mit Strömen von heißen Thränen,
Rief ihm – (vergebens! er hörte sie nicht) –
Mit allen den süßen vertraulichen Namen,
Die je aus den Lippen der Liebe kamen;
Und wenn sie dann sah, er hörte sie nicht,
Stürmte sie wüthend in ihre Locken,
Zerkratzte, zerfleischte sich Wangen und Brust
Und schwor, daß sich der Mond erschrocken
In Wolken verbarg, der Rache Lust
Am Räuber von einem so theuren Leben
Sich bis zur Sättigung zu geben!
»Dieß Alles mußt' ich hören und sehn
Und konnte nicht von der Stelle gehn;
Bezaubert stand ich, ohne Vermögen,
Am ganzen Leib' ein Glied zu regen.
Schafft ihn hinweg aus meinem Gesicht
(Schrie sie mit Wuth zu unsichtbaren
Geistern, die ihre Diener waren)
Und hütet sein bis zum Gericht!
»Stracks fühlt' ich von ungesehenen Händen
Mich aufgehoben und weggebracht.
In eines finstern Kerkers Wänden
Verseufzt' ich den Rest der schrecklichsten Nacht.
Könnt einer durch Wünsche sein Leben enden,
Ich hätte mich selber umgebracht!
»Des folgenden Tages rief sie mich
Aus meinem Kerker. Ich sah sie mit Schauer
Von Fuß zu Kopf in tiefster Trauer.
Ihr Anblick gab mir einen Stich
Ins Herz. Ich mußte, sollte sie hassen,
Und doch! – so rührend, so mächtig schön
Stand sie vor mir, ich konnte nicht lassen,
Sie mit Entzücken anzusehn.
Allein in ihren Augen rollte
Der Rache Wuth, ein loderndes Roth
Brannt' auf den Wangen. – Du (rief sie) todt?
Für meine Liebe auf ewig todt!
Und hier, hier, wo ich schmachten sollte
Noch etwas leben, noch einer sich freun?
Sich freun, Geliebter, an deinem Grabe
Und meines Elends spotten? – Nein,
Ringsum soll Alles elend seyn!
Und du, dem ich's zu danken habe,
Verhaßter, dich vertilg' ich nicht!
In Martern sollst du als eine Gabe
Den Tod von mir erwinseln und nicht
Empfangen! –
Indem sie dieses spricht,
Schlägt sie mit ihrem Zauberstabe
Dreimal den Boden, – und plötzliche Nacht
Verschlingt den Tag, die Erde kracht,
Es rollen Donner in den Lüften,
Und Flammen fahren aus gähnenden Klüften!
Ich steh betäubt, des Zaubers Macht
Stürzt auf mich ein, mir starren die Glieder,
Und bei der Sinne Wiederkehr
Find' ich, o Schrecken! nur halb mich wieder;
Find' Alles verödet weit umher
Und meine Königsstadt nicht mehr,
Um deren Gunst die Inseln im Meer'
Und Schiffe von fernen Ufern warben;
An ihrer Stätte ein wallender See,
Und ihre Bewohner, wie Flocken Schnee
Unzählbar, in Fische von allerlei Farben
Verwandelt; die Moslems silbergrau,
Die Juden gelb, die Christen blau,
Und roth die Heiden. – Welch ein Fall!
Von welchem Glück! in so wenig Stunden!
Alles als wie ein Traum verschwunden!
»Und doch war dieß von meiner Noth
Das Bitterste nicht! Was Aergers, als Tod,
Erwartete mein in diesem Grabe,
Wo ich, von aller Hülfe bloß,
In Leiden, zum Ertragen zu groß,
So lange schon geschmachtet habe;
So lange, daß die Tage zu zählen
Mir Zahlen und Gedächtniß fehlen!
An jedem Morgen – kann solche Wuth
In einem so holden Busen brennen? –
Kommt sie, mich grausam bis aufs Blut
Zu geißeln mit unerbittlicher Wuth,
Bis ihre Arme nicht mehr können.
Vergebens schrei' ich zum Himmel empor,
Vergebens fleh' ich ihr mit Thränen;
Mein Winseln, mein erschöpftes Stöhnen
Ergetzt ihr rachedurstiges Ohr.«
Hier brach dem König die Stimm'; er weinte
Als wie ein Kind, und mit ihm weinte
Der gute Sultan bitterlich.
Und als sie des Weinens müde waren,
Da fuhr der Sultan auf und schwur
In seinem Grimme, beim Gott der Schaaren,
Noch einmal seinen großen Schwur:
Nicht Nasses und Trocknes von dieser Stund
Jemals zu bringen in den Mund,
Zu schlafen in keinem Federbette,
Nimmer zu waschen sein Angesicht
Und Frauenliebe zu pflegen nicht,
Noch je zu weichen von der Stätte
So lange, bis er das Lebenslicht
Der Zauberin ausgeblasen hätte!
»Sagt mir nur, wo ich sie finden kann,
Für alles Uebrige bin ich Mann!« –
»Um ewig ihren Gram zu nähren,
Schuf sie in einem finstern Wald
Sich einen traurigen Aufenthalt;
Sie nennt ihn den Palast der Zähren.
Dort liegt ihr Buhle – in armer Gestalt;
Kann weder sterben, weder leben,
Denn ihres mächtigsten Zaubers Gewalt
Erhält in ewig zitterndem Schweben
Den Aermsten zwischen Tod und Leben.
Er liegt sich selber unbewußt,
Mit offnen Augen, die nicht sehen,
Fühlt nicht ihr Herz an seiner Brust,
Hört nicht ihr ängstlich liebendes Flehen
Um einen Seufzer, um einen Blick,
Der, daß er sie noch lieb', ihr sage!
Stündlich kommt sie bei Nacht und Tage,
Zu sehn, ob nicht das strenge Geschick
Sich endlich ihrer Noth erbarme:
Und wenn sie sich, wie's immer geschieht,
Betrogen in ihrer Hoffnung sieht,
Erhebt sie so traurige Klagen, die Arme! –«
Wie? (ruft der Sultan) ich glaube schier,
Ihr habt noch gar Mitleiden mit ihr?
Das fehlte! – Mich soll sie nicht bethören!
Lebt wohl inzwischen, guter Schach,
Ihr sollt bald wieder von mir hören!
Der König schreit umsonst ihm nach.
Wir müssen dem Ding' ein Ende machen,
Ruft jener zurück, springt in den Nachen,
Setzt über, läuft und findet bald
Am Gartenende den finstern Wald,
Im Walde den Palast der Zähren
Sammt allen seinen Zubehören,
Erleuchtet mit Kerzen von gelbem Wachs',
Und über ihrem langweiligen Mohren
Die Dame, in Liebesschmerzen verloren.
Mit bloßem Säbel eilt er stracks
(Ohne sich, gleich dem zärtlichen Laffen
Von Ehgemahl an ihrem schlaffen
Busen, an ihren Haaren von Flachs
Und Augen von Mondschein zu vergaffen)
Wie ein Donnerwetter auf sie zu,
Und, eh sie sich umsieht, in
einem Nu,
Zischt ihr der Säbel um die Ohren,
Und schließt mit
einem Streich dem Mohren
Und seiner Getreuen – die Augen zu.
Siegreich, mit beiden Köpfen in Händen
Und sicher, er hab' es gut gemacht,
Der Zauberin Tod müss' Alles enden,
Kehrt nun mein Sultan ohn' allen Verdacht
Zum Dom zurück. Herr Bruder, Freude!
Ruft er und hält die Köpf' empor,
Wir sind geborgen! da bring' ich beide!
Nun stellt euch sein Erstaunen vor,
Da er den Schach, statt Gegenfreude
Und Jubel und Dank, mit einem Schrei',
Als ob nun Alles verloren sey,
In Ohnmacht fallen sieht. – Je länger
Je besser! – ruft er zornig aus:
Was hat nun wieder der Rattenfänger?
Ist's wieder nicht recht? – Ich bleibe zu Haus
Ein ander Mal! Der Teufel mische
Sich mehr in Lieb' und Zauberei
Und hole meinetwegen die Fische,
Den See und diesen Kerl von Brei
Mit seinen schwarzen Marmorspindeln!
Bei meinem Säbel! ein Kind in Windeln
Machte mir minder Plackerei
Als dieser Uzim-Oschantey!
Der gute Schach, der sich indessen
Erholt hat, fängt nun erst fürbaß
Zu jammern an: »Nun ist das Maß
Des Elends voll! Das Beste vergessen
Habt Ihr! Was helfen die Köpfe mir?
Ich bleibe Marmor für und für!
Der See bleibt See, die Fische – Fische,
Und weder Urgande noch Fanferluche
Kann helfen! die Königin konnt's allein,
Und die ist todt! Ach! ihr Erblassen
Raubt mir den letzten Hoffnungsschein.
Wer weiß? – Sie hatte kein Herz von Stein –
Sie hätte sich endlich erweichen lassen.
Nun ist sie hin, auf immer hin,
Dank Eurer allzu raschen Hitze!
Was ist mir Eure Hülfe nun nütze?
Ich bleib' auf ewig, wie ich bin.«
Der Sultan, so sehr bei diesen Klagen
Die Gall' ihm stieg, fand doch in sich,
Er hätte nicht viel darauf zu sagen.
Herr Bruder, sprach er, Ihr dauert mich!
Ich dachte, wie herrlich gut ich's mache!
Mein Wille war's; allein es scheint,
Ihr habt im Himmel keinen Freund!
Der Ausgang ist nicht meine Sache.
Doch sollt' in aller Welt denn nicht
Ein Mittel seyn? –
»Thut erst die Köpfe
(Versetzt der Schach) mir aus dem Gesicht!
Will gern' Euch meine Schwäche gestehn;
Ich kann das holdeste aller Geschöpfe
In solchem Stande nicht vor mir sehn.
Und, ach! was helfen mir alle Köpfe
Der ganzen Welt? – Der einzige, der
Noch helfen könnte, ist auch nicht mehr!«
Was meint Ihr damit? Was für ein Kopf?
»Hört ein Geheimniß! Seit alten Zeiten
Befand sich (erwiedert der gute Tropf)
In meinem Schatz' ein Eselskopf!«
Ein Eselskopf? ruft jener, ei, ei!
Herr Bruder Uzim-Oschantey,
Wenn Ihr's nicht wäret, bei meinem Leben!
Ich dächte, Ihr faselt! Ein Eselskopf
In einem Schatz? –
»Dieß ist es eben!
Ein Eselskopf an solchem Platz,
Da muß sich's doch von selbst ergeben,
Man legt so etwas nicht in Schatz,
Wenn's nichts Besonders ist.« –
Verzeiht,
Ich seh nun meine Blödigkeit;
Herr Bruder, beliebet fortzufahren!
»Der Schädel also (kurz zu seyn)
Lag, reichgeschmückt mit Edelgestein,
Seit vielen, vielen hundert Jahren
In einem schönen krystallnen Schrein',
Und neben ihm ein dicker Band
Mit goldnen Deckeln, zierlich getrieben,
In einer uralten Sprache geschrieben,
So alt, daß längst im ganzen Land
Kein Mensch ein Wort davon verstand.
Darin war Alles ausführlich geschrieben,
Woher, warum und wann und wie
Der Schädel in unsern Schatz gerathen,
Kurz, seine ganze Biographie,
Nebst vielen Gemälden, wo seine Thaten
Gepinselt standen auf goldnem Grund
Mit hohen Farben, fein und bunt.
Weil nun an diesem besagten Schädel
(Wie eine alte Sage ging)
Das Schicksal unsers Hauses hing:
So könnt Ihr denken, wie groß und edel,
Ja heilig, darf ich wohl sagen, gar
Der Eselskopf dem Volke war.
Um Alles mit einem Zug zu sagen:
Er wurde je im siebenten Jahr'
Auf einem blumenbekränzten Wagen
Durch Stadt und Landschaft Schau getragen;
Und alles Volk lief hinter drein
Und glaubte nun satt und selig zu seyn.
»Ihr werdet mich vermuthlich fragen,
Worin denn seine geheime Kraft
Bestanden? Laßt Euch also sagen:
Er hatte die große Eigenschaft,
Durch seine bloße Gegenwart
Alle Bezauberung aller Art
Mit allem Geister- und Feenwesen
Auf einmal gänzlich aufzulösen.
Genien, alles Feuers und Lichts
Beraubt in seiner Atmosphäre,
Zusammengedrückt von bleierner Schwere,
Standen vor ihm und – konnten nichts.
Nach Allem, was Ihr jetzo wißt,
Das Uebrige bald errathen ist.
Die Königin (die es gleichfalls wußte)
Sah, daß sie, um ihre Rachbegier
Nach Herzenslust zu büßen an mir,
Erst dieß Palladion rauben mußte.
Sie that's – wie ich zu spät erfuhr –
(Konnt' ich so Arges von ihr denken?)
Und, da ihr weder durch Kraft der Natur
Noch Zauberworte möglich war,
Den Schädel zu vertilgen gar,
So ließ sie ihn – ins Meer versenken;
Und so liegt bis zu dieser Stund'
All meine Hoffnung im Meeresgrund!«
Das ist ein böser Handel! (rief
Der Sultan aus) das Meer ist tief.
Dort einen Eselskopf zu fischen
Und just den rechten zu erwischen,
Ist keine Sache, worauf ein Mann
Sich große Rechnung machen kann.
Doch, eh wir ganz den Muth verlieren,
Geziemt sich, Alles zu probiren.
Ich lasse sogleich Befehl ergehen,
An allen Küsten, in allen Seen,
Flüssen und Teichen von Visapur
Nach Eselsköpfen zu fischen nur.
Ihr bleibt indessen bezaubert stehen;
Und daß Ihr, bis es besser wird,
Euch etwas leidlicher ennuyirt,
Schick' ich noch heut' Euch Zofen und Schranzen
Von meinem Hof', ein ganzes Heer;
Die sollen, bis ich wiederkehr',
In einem fort mit Singen und Tanzen
Pflichtschuld'ger Maßen Euch kuranzen.
Der edle Schach der schwarzen Inseln
Fängt nach Gewohnheit an zu pinseln,
Trennt ungern sich von seinem Freund;
Doch, da kein andres Mittel erscheint,
Läßt er dem Schicksal seinen Lauf
Und hört allmählich zu weinen auf.
Kaum ist der Sultan wieder zu Haus,
So gehn ins Reich Befehle aus.
Die Leute schütteln mächtig die Ohren:
»Was geht der Eselskopf uns an?«
Ich sorge, denkt mancher weise Mann,
Der Sultan hat den seinen verloren.
Allein der alte Fischer geschwind
Des kahlen Schädels sich besinnt,
Der neulich ihm ins Netz gegangen.
Ha! denkt er, wenn's der rechte wär'!
Da ließen sich wieder Bahams fangen!
Und brennend läuft' er nach dem Meer'.
Er sucht mit Fleiß dem Schädel nach,
Der neulich schier das Herz ihm brach,
Und findet ihn, mit Schlamm bedeckt,
Am alten Ort' im Sand versteckt.
Kurz, Freunde – (denn die Zeit ist edel!)
Es findet sich in kurzer Frist,
Daß dieser nämliche Eselsschädel
Der große Wunderschädel ist.
Der Sultan und der Fischer eilen,
Die Freude mit dem Schach zu theilen.
Der Schach den Schädel kaum berührt,
So wird er flugs entmarmorirt;
Die Königsstadt steht wieder da,
Den See kein Auge ferner sah;
Die Fische werden zu Bürgern wieder,
Wimmeln die Straßen auf und nieder
Bei Sonnen- und bei Mondeslicht,
Des alten Schlenders unvergessen;
Haben viel Müh' und karg zu essen,
Baun Tag und Nacht viel böhmische Schlösser
Ins Blaue hinein, hätten's gern besser
Und rathen immer und treffen's nicht.
Kurz, Alles ist wieder in seiner Pflicht. |