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In jener dichterischen Zeit,
Mit deren Wundern uns der Amme Freundlichkeit
Durch manches Mährchen einst in süßen Schlummer wiegte;
Als sorgenfreie Mäßigkeit
Sich ohne Pflichten, ohne Streit,
Mit dem, was die Natur freiwillig gab, begnügte,
Kein Mädchen spann, kein Jüngling pflügte,
Und Manches thunlich war, was Seneca verbeut;
Eh noch der Stände Unterscheid
Aus Brüdern Nebenbuhler machte,
Und gleißnerische Heiligkeit
Das höchste Gut der Sterblichkeit,
Den frohen Sinn, um seine Unschuld brachte;
Und kurz, in jener goldnen Zeit,
Als Mutter Isis
noch, von keinem Joch entweiht,
Gesetze gab, wodurch sie glücklich machte,
Die Welt noch kindisch war und Alles scherzt' und lachte:
In dieser Zeit lebt' einst auf Latmos
Höhn
Ein junger Hirt, wie Ganymedes
– – Der schönste der sterblichen Erdebewohner:
Ihn auch rafften die Götter empor, Zeus Becher zu füllen,
Wegen der schönen Gestalt, den Unsterblichen zugesellet. schön,
Schön, wie Narciß
doch nicht so spröde,
Wie Ganymed, allein nicht halb so blöde.
Sobald man weiß, Endymion
War schön und jung, so denkt ein Jedes schon,
Daß ihn die Mädchen gerne sahen;
Zum mindsten liefen sie nicht oft vor ihm davon,
Das läßt sich ohne Scheu bejahen.
Die Chronik sagt noch mehr, als ich
Den Musen selbst geglaubet hätte:
Sie buhlten, spricht sie, in die Wette
Um seine Gunst; sie stellten sich
Ihm, wo er ging, in Steg' und Wege,
Sie warfen ihm oft Blumen zu
Und flohn dann hinter ein Gehäge,
Belauschten seine Mittagsruh'
Und guckten, ob er sich nicht rege.
Man sagt, daß er im Bad sogar
Nicht immer ohne Zeugen war;
Allein wer kann so was beweisen?
Genug, der Tag begann die Stirne kaum zu weisen,
So wurde schon von mancher schönen Hand
Der Blumenflur ihr schönster Schmuck entwandt;
So putzte schon, dem Schäfer zu gefallen,
Im Hain', am Bache, sich der Nymphen ganze Schaar;
Die badet sich,
die flicht ihr blondes Haar,
Die läßt es frei um weiße Schultern wallen.
Herab gebückt auf flüssige Krystallen
Belächelt sich die schöne Damalis.
Wie Vieles macht des Sieges sie gewiß!
Ein Mund, der Küssen winkt, ein Lilienhals und Nacken,
Der Augen feuchter Glanz, die Grübchen in den Backen,
Ein runder Arm und, o! der Thron der Lust,
Die blendende, kaum aufgeblühte Brust!
Mit
einem Wort, nichts zeigt sich ihren Blicken,
Das nicht verdient, selbst Götter zu berücken:
Sie sieht's und denkt, ob Leda
ihrem Schwan
Mehr Reizungen gewiesen haben kann?
Und zittert doch und wünscht: O, fände mich
Endymion nur halb so schön, als ich!
Die Schönheit wird mit Wunder angeblickt,
Doch nur Gefälligkeit entzückt.
War Juno nicht, war nicht Minerva schön,
Als Zeus den Paris ausersehn,
Den Streit der Schönheit zu entscheiden?
Man weiß, sie ließen sich, um bösen Schein zu meiden,
Dem Richter ohne Röcke sehn.
Sehr lange ließ der Hirt von einem Reiz zum andern
Die ungewissen Blicke wandern,
Und zehnmal rief ein neuer Blick
Den schon gefaßten Schluß zurück.
Untadelig ist Alles, was sie zeigen;
Beisammen sind sie gleich, allein
Scheint jede reizender zu seyn:
Was wird zuletzt des Schäfers Urtheil neigen?
Der Juno Majestät? der Pallas Würde? – Nein!
Die flößen nichts als Ehrfurcht ein;
Ein stärkrer Reiz wird hier den Ausschlag geben müssen.
Sie, die so zaubrisch lächeln kann,
Cythere lacht ihn an – er fällt zu ihren Füßen
Und beut der Lächelnden den goldnen Apfel an.
Gefälligkeit raubt unserm Schäfer oft
Die Gunst, worauf umsonst die stolze Schönheit hofft.
Die blasse Schaar der halb verwelkten Wangen
Erwirbt durch zärtliches Bemühn,
Durch Blicke, die an seinen Blicken hangen,
Und süßen Scherz manch kleines Recht an ihn.
Wie eifern sie, ihn liebzukosen!
Die schmückt sein Lamm, die kränzt ihm Hut und Stab;
Der Lenz ward arm an Blüth' und Rosen,
Sie pflückten ganze Haine ab;
Sie wachten, daß ihn nichts in seinem Schlummer störte,
Sie pflanzten Lauben hin, wo er zu weiden pflag;
Und, weil er gerne singen hörte,
So sangen sie den ganzen Tag.
Des Tages Lust schließt bis zum Sternenglanz
Manch muntres Spiel und mancher bunte Tanz;
Und, trennt zuletzt die Nacht den frohen Reihn,
So schläft er sanft auf Rosenbetten ein.
Die Nymphen zwingt der keuschen Göttin Schein
Sich allgemach hinweg zu stehlen;
Sie zögern zwar, doch muß es endlich seyn.
Sie geben ihm die Hand, die angenehmen Seelen,
Und wünschen ihm wohl zehnmal gute Nacht;
Doch, weil der Schlaf sich oft erwarten macht,
Bleibt eine stets zurück, ihm Mährchen zu erzählen.
An Böses wurde nie von einem Theil gedacht.
Der Schäfer war vergnügt, das Nymphenvolk nicht minder;
In Unschuld lebten sie beisammen, wie die Kinder,
Zu manchem Spiel, wobei man selten weint,
Den ganzen Tag, oft auch bei Nacht, vereint,
Und träumten (zum Beweis, daß Alles Unschuld war)
Nichts weniger, als von Gefahr.
Der Nymphen schöne Königin
Erfuhr – man weiß nicht wie – vielleicht von einem Faun,
Der sie beschlich – vielleicht auch im Vertraun,
Von einer alten Schäferin
(Der, weil sie selbst nicht mehr gefiel,
Der Jugend eitles Thun mißfiel),
Kurz, sie erfuhr das ganze Schäferspiel.
Man kennt den strengen Sinn
Der schönen Jägerin,
Die in der Götterschaar
Die größte Spröde war.
Kein Sterblicher, kein Gott vermochte sie zu rühren.
Was sonst die Sprödesten vergnügt,
Sogar der Stolz, selbst unbesiegt
Die Herzen im Triumph zu führen,
War ihrem größern Stolz zu klein.
Sie zürnte schon, nur angesehn zu seyn,
Bloß, weil er sie vom Wirbel bis zur Nase
Im Bad' erblickt, ward – Akton
einst – ein Hase.
Dieß Beispiel flößte selbst dem Satyr Ehrfurcht ein.
Ihr schien ein Blick sie schon zu dreiste anzufühlen;
Kein Zephyr wagt' es, sie zu kühlen,
Und keine Blume schmückt' ihr Haar,
Die einst, wie Hyacinth
, ein schöner Knabe war;
Von Liebe nur im Schlaf zu sprechen,
Hieß bei Dianen schon ein strafbares Verbrechen;
Kurz, Männerhaß und Sprödigkeit
Trieb selbst Minerva nicht so weit.
Man rathet leicht, in welche Wuth
Der Nymphen Fall sie setzen mußte!
Es tobt' ihr jungfräuliches Blut,
Daß sie sich kaum zu fassen wußte.
So zornig sahn die guten Kinder sie
In einem andern Falle nie.
Kallisto
ließ sich doch von einem Gott besiegen:
Das milderte die Schnödigkeit der That;
Doch, einem Hirten unterliegen,
Wahrhaftig! dieß war Hochverrath.
Ein fliegender Befehl citirt aus allen Hainen
Das Nymphenvolk, persönlich zu erscheinen.
Sie schleichen allgemach herbei,
Und keine läuft, daß sie die erste sey.
Die Göttin steht an ihren Spieß gelehnt
Und sieht mit einem Blick, der ihren Kummer höhnt,
Im ganzen Kreise nichts, als feuerrothe Wangen
Und Augen, die zur Erde niederhangen.
Hofft (spricht sie) nicht, durch Leugnen zu entgehn,
Man wird euch bald die Zunge lösen können;
Und werdet ihr nicht gütlich eingestehn,
So soll euch mir der Gott zu Delphi
nennen.
Durch Zaudern wird die Schuld nicht gut gemacht:
Nur hurtig! Jede von euch Allen,
Die sich verging, lass' ihren Schleier fallen!
Sie spricht's und – ach! wer hätte das gedacht?
Die Göttin spricht's, und – alle Schleier fallen.
Man stelle sich den Lärmen vor,
Den die beschämte Göttin machte,
Indeß der lose Cypripor
Auf einer Wolke saß und laut herunter lachte.
»Wie? rief sie voller Wuth empor,
(Und selbst die Wuth verschönert ihre Wangen)
Du, Wildfang, hast dieß Unheil angestellt
Und kommst noch gar, damit zu prangen?
Zwar rühmst du dich, daß alle Welt
Für ihren Sieger dich erkenne;
Daß Vater Zeus sogar, so oft es dir gefällt,
Von unerlaubten Flammen brenne
Und bald als Drache, bald als Stier,
Bald als ein böckischer Satyr
Und bald mit Stab und Schäfertasche
Der Nymphen Einfalt überrasche;
Doch trotze nicht zu viel auf deine Macht!
Die Siege, die dir noch gelungen,
Hat man dir leicht genug gemacht;
Wer selbst die Waffen streckt, wird ohne Ruhm bezwungen.
Auf mich, auf mich, die deine Macht verlacht,
Auf meine Brust laß deine Pfeile zielen!
Ich fordre dich vor tausend Zeugen auf!
Sie werden sich vor halbem Lauf'
In meinen feuchten Strahlen kühlen
Und stumpf und matt um meinen Busen spielen.
Du lachst? – So laß doch sehn, wie viel dein Bogen kann.
Versuch's an mir und sieg' – und lache dann!
Doch ständ' es dir, versichert, besser an,
Du kämst, statt Köcher, Pfeil und Bogen,
Mit einem – Vogelrohr geflogen.
Latonens Kindern
nur gebührt
Der edle Schmuck, der deinen Rücken ziert.
Bald hätt' ich Lust, dich wehrlos heimzuschicken
Und, weil der Flug dich nur zur Schelmerei verführt,
Dir deine Schwingen auszupflücken.
Doch flieh' nur, wie du bist; laß meinen Hain in Ruh',
Auf ewig flieh' aus meinen Blicken
Und flattre deinem Paphos
zu!
Dort tummle dich auf Rosenbetten
Mit deinen Grazien und spiele blinde Kuh
Mit Zephyrn und mit Amoretten!«
Diana spricht's. Mit lächelndem Gesicht'
Antwortet ihr der kleine Amor – nicht:
Gelassen langt er nur, als wie von ungefähr,
Den schärfsten Pfeil aus seinem Köcher her;
Doch steckt er ihn, als hätt' er sich bedacht,
Gleich wieder ein, sieht Phöben an und lacht.
Wie reizend schminkt der Eifer deine Wangen!
(Ruft er und thut zugleich, als wollt' er sie umfangen)
Ich wollte dir, wie Amors Wunde sticht,
Ein wenig zu versuchen geben;
Allein, bei meiner Mutter Leben!
Es braucht hier meiner Pfeile nicht.
An Spröden, die mir Hohn gesprochen,
Hat mich noch allezeit ihr eignes Herz gerochen:
Drum, Schwesterchen (doch unter dir und mir),
Was nützt der Lärm? er könnte dich gereuen.
Weit sichrer wär's, die kleine Ungebühr
Den guten Nymphen zu verzeihen.
Die Nymphen lächelten, und Amor flog davon.
Die Göttin zürnt und rächt an ihnen
Des losen Spötters Hohn.
Unwürdige – mir mehr zu dienen
(Spricht sie mit ernstem Angesicht),
Zur Strafe der vergess'nen Pflicht
Hat euch mein Mond zum letzten Mal geschienen.
Sobald sein Wagen nur den Horizont besteigt,
Sey euch verwehrt, im Hain herum zu streichen,
Bis sich des Tages Herold zeigt!
Entflieht mit schnellem Fuß, die einen in die Eichen,
Die übrigen zu ihren Urnen hin;
Dort liegt und schlaft, solang' ich Luna bin;
Sie spricht's und geht, die Drachen anzuspannen,
Die ihren Silberwagen ziehn,
Und die bestraften Nymphen fliehn
Mehr traurig, als bekehrt, von dannen.
Der Tag zerfließet nun
Im allgemeinen Schatten,
Und alle Wesen ruhn,
Die sich ermüdet hatten.
Es schlummert Thal und Hain,
Die Weste selbst ermatten
Von ihren Buhlerein
Und schlafen unter Küssen
Im Schoße von Narcissen
Und Rosen gähnend ein.
Der junge Satyr nur
Verfolgt der Dryas Spur;
Er reckt sein langes Ohr
Bei jedem leisen Zischen
Aus dem Gesträuch hervor,
Ein Nymphchen zu erwischen,
Das in den finstern Büschen
Vielleicht den Weg verlor.
Er sucht im ganzen Hain
Mit wohl zerzausten Füßen;
Umsonst! der Göttin Dräun
Zwang sie, sich einzuschließen;
Die armen Mädchen müssen
Für kürzre Nächte büßen
Und schlafen jetzt allein.
Dem Faun sinkt Ohr und Muth;
Er kehrt mit kühlerm Blut
Beim ersten Morgenblick
Zu seinem Schlauch zurück:
Er denkt, mich zu erhenken,
Da müßt' ich albern seyn;
Ich will die Liebespein
In süßem Most ertränken!
Indessen schwebt der Göttin Wagen schon
Nah' über jenem Ort, wo in des Geißblatts Schatten
Die Nymphen dir, Endymion,
Vielleicht auch sich, so sanft gebettet hatten.
Wie reizend lag er da! – Nicht schöner lag Adon
An seiner Göttin Brust, die seinen Schlaf bewachte,
Mit liebestrunknem Blick' auf ihren Liebling lachte
Und still entzückt auf neue Freuden dachte;
Nicht schöner lag, durch doppelte Gewalt
Der Feerei und Schönheit überwunden,
Der wollustathmende Rinald
Von seiner Zaubrerin umwunden,
Als hier, vom Schlaf gebunden,
Endymion. – Gesteht, daß die Gefahr
Nicht allzu klein für eine Spröde war!
Das Sicherste war hier – die Augen zuzumachen.
Sie that es nicht und warf, jedoch nur obenhin
Und blinzelnd, einen Blick auf ihn.
Sie stutzt und hemmt den Flug der schnellen Drachen,
Schaut wieder hin, erröthet, bebt zurück
Und suchet mit verschämtem Blick,
Ob sie vielleicht belauschet werde;
Doch, da sie ganz allein sich sieht,
Lenkt sie mit ruhigerm Gemüth
Den Silberwagen sanft zur Erde;
Bückt sich, auf ihren Arm gestützt,
Mit halbem Leib heraus und überläßt sich jetzt
Dem Anschaun ganz, womit nach Platons Lehren
Sich in der andern Welt die reinen Geister nähren.
Ein leicht beschattendes Gewand
Erlaubt den ungewohnten Blicken
Nur allzu viel – sie zu berücken.
Man sagt sogar, sie zog mit leiser Hand
Auch dieses weg – doch wer hat zugesehen?
Was sagt man nicht? – Und wär' es auch geschehen,
So zog sie doch beim ersten Blick
Gewiß die Hand so schnell zurück
Als jenes Kind, das einst im Grase spielte,
Nach Blumen griff und eine Schlange fühlte.
Indessen klopft, vermischt mit banger Lust,
Ein süßer Schmerz in ihrer heißen Brust;
Ein zitterndes, wollüstiges Verlangen
Bewölkt ihr schwimmend Aug' und brennt auf ihren Wangen.
Wo, Göttin, bleibt dein Stolz, die harte Sprödigkeit?
Dein Busen schmilzt wie Schnee in raschen Flammen!
Kannst du die Nymphen noch verdammen?
Was ihre Schuld verdient, ist's Tadel oder – Neid?
Die Neugier hat, wie Zoroaster lehrt,
Von Anbeginn der Weiber Herz bethört.
Man denkt, ein Blick, von ferne, von der Seiten,
Ein bloßer Blick, hat wenig zu bedeuten.
O! glaubet mir, ihr habt schon viel gethan:
Der erste Blick zieht stets den andern an;
Das Auge wird (so sagt ein weiser Mann)
Nicht satt vom Sehn, und Lunens Beispiel kann
Uns hier, wie wahr er sagte, lehren.
Der Gegenstand, der Ort, die Zeit
Wird die Entschuldigung der Göttin machen müssen.
Selbst ihre Unerfahrenheit
Vermindert ihre Strafbarkeit.
So neu sie war, wie kann sie wissen
(Wie Manche wissen's nicht!), daß man
Vom Sehn sich auch berauschen kann?
Sie schaut, und da sie so, wie aus sich selbst gerissen,
So unersättlich schaut, kommt sie ein Lüstern an,
Den schönen Schläfer gar – zu küssen.
Zu küssen? – Ja. doch, man verstehe mich,
So züchtig, so unkörperlich,
So sanft, wie junge Zephyrn küssen;
Mit dem Gedanken nur
Von einem solchen Kuß,
Wovon Ovidius
Die ungetreue Spur
Nach mehr als einer Stunde
(Laut seiner eignen Hand)
Auf seines Mädchens Munde
Und weißen Schultern fand.
Es kostet ihr, den Wunsch sich zu gestehen.
Sie lauscht und schaut sich um. Doch allgemeine Ruh'
Herrscht weit umher im Thal' und auf den Höhen.
Kein Blättchen rauscht. Jetzt schleicht sie leis' hinzu,
Bleibt unentschlossen vor ihm stehen,
Entschließt sich, bückt sich sanft auf seine Wangen hin,
Die, Rosen gleich, in süßer Röthe glühn,
Und spitzt die Lippen schon, und jetzt – jetzt wär's geschehen,
Als eine neue Furcht (wie leicht
Wird eine Spröde scheu!) sie schnell zurücke scheucht.
»Sie möcht' es noch so leise machen,
So könnte doch der Schläfer dran erwachen.
Was folgte drauf? Sie müßte weiter gehn,
Ihm ihre Neigung eingestehn,
Um seine Gegenliebe flehn
Und sich vielleicht – wer könnte das ertragen?
Vielleicht sich abgewiesen sehn –
Welch ein Gedanke! Kann Diana so viel wagen?
Bei einer Venus, ja, da möchte so was gehn!
Die gibt oft ungestraft den Göttern was zu spaßen
Und kann sich eh' im Netz' ertappen lassen
,
Als ich, die nun einmal die Spröde machen muß,
Bei einem armen trocknen Kuss'.
Und wie? Er sollte mich zu seinen Füßen sehn?
Dianens Ehre sollt' in seiner Willkür stehn?
Wie? wenn er dann den Ehrfurchtsvollen machte,
(Man kennt der Schäfer Schelmerei)
Und meiner Schwachheit ohne Scheu'
An einer Nymphe Busen lachte?
Wie würde die der Rache sich erfreun
Und meine Schmach von Hain zu Hain
Den Schwestern in die Ohren raunen!
Die Eine spräch's der Andern nach,
Bald wüßten's auch die Satyrn und die Faunen
Und sängen's laut beim nächtlichen Gelag'.
In Kurzem eilte die Geschichte,
Vermehrt, verschönt, gleich einem Stadtgerüchte,
Bis zu der obern Götter Sitz,
Dem Momus
, der beim Saft der Nektarreben
Die Götter lachen macht, und Junons scharfem Witz
Beim Theetisch neuen Stoff zu geben.«
Die Göttin bebt, erblaßt und glüht
Vor so gefährlichen Gedanken;
Und wenn sie dort die Neigung zieht,
So macht sie hier die Klugheit wanken.
Man sagt, bei Spröden überzieh'
Die Liebe doch die Vorsicht nie.
Ein Kuß mag freilich sehr behagen,
Doch ist's am Ende nur ein Kuß;
Und Freuden, wenn man zittern muß,
Sind doch (was auch Ovide sagen)
Für Schönen nicht gemacht, die gerne – sicher gehn.
Schon fängt sie an, nach ihrem Drachenwagen
Unschlüssig sich herumzudrehn;
Schon weicht ihr scheuer Fuß – doch bleibt er wieder stehn;
Sie kann den Trost sich nicht versagen,
Nur ein Mal noch (was ist dabei zu wagen?)
Den schönen Schläfer anzusehn.
»Noch ein Mal? ruft ein Loyolist
:
Und heißt denn das nicht Alles wagen?«
Vielleicht; doch ist es, wie ihr wißt,
Genug, die Göttin loszusagen,
Daß sie es nicht gemeint. Die Frist
War allzu kurz, euch Raths zu fragen;
Und überdieß, vergönnet mir zu sagen,
Daß Pater Escobar auf ihrer Seite ist.
Vorsichtig oder unvorsichtig,
Uns gilt es gleich; genug, so viel ist richtig,
Sie bückte sich noch ein Mal hin und sah
(Doch mit dem Vorsatz', ihn auf ewig dann zu fliehen)
Den holden Schläfer an. – Betrogne Cynthia
!
Schon kann sie ihm den Blick nicht mehr entziehen,
Und bald vergißt sie auch zu fliehen.
Ein fremdes Feuer schleicht durch ihren ganzen Leib,
Ihr feuchtes Aug' erlischt, die runden Knie erbeben.
Sie kennt sich selbst nicht mehr und fühlt in ihrem Leben
Sich jetzt zum ersten Mal – ein Weib.
Erst ließ sich ihr Gelüst mit einem Kusse büßen,
Jetzt wünscht sie schon – sich satt an ihm zu küssen;
Nur macht sie stets die alte Sorge scheu.
Diana muß sich sicher wissen
Und wird ein wenig Feerei
Zu brauchen sich entschließen müssen.
Es wallt durch ihre Kunst
Ein zauberischer Dunst,
Von Schlummerkräften schwer
Um ihren Liebling her.
Er dehnt sich, streckt ein Bein
Und schläft bezaubert ein.
Sie legt sich neben ihn
Aufs Rosenlager hin
(Es hatte, wie wir wissen,
Für eine Freundin Raum),
Und, unter ihren Küssen
Den Schlaf ihm zu versüßen,
Wird jeder Kuß – ein Traum.
Ein Traumgesicht von jener Art,
Die oft, trotz Scapulier und Bart,
Sanct Franzens fette Seraphinen
In schwüler Sommernacht bedienen;
Ein Traum, wovor, selbst in der Fastenzeit,
Sich keine junge Nonne scheut;
Der (wie das fromme Ding in seiner Einfalt denket)
Sie bis ins Paradies entzückt,
Mit einem Strom von Lust sie tränket
Und schuldlos fühlen läßt, was nie ihr Aug' erblickt.
Ob Luna selbst dabei was abgezielet;
Ob ihr das schelmische Gesicht,
Cupido, einen Streich gespielet, –
Entscheidet die Geschichte nicht.
Genug, wir kennen die und den,
Die gerne nie erwachen wollten,
Wenn sie Aeonen lang so schön
Wie unser Schäfer träumen sollten.
Was Jupiter als Leda's Schwan
Und als Europens Stier gethan,
Wie er Alkmenen hintergangen
Und wie der hinkende Vulcan
Sein Weibchen einst im Garn gefangen
;
Wie stille Nymphen oft im Hain
Dem Mann zum Raube werden müssen;
Wie sie sich sträuben, bitten, dräun,
Ermüden, immer schwächer schrein
Und endlich selbst den Räuber küssen;
Des Weingotts Zug, und wie um ihn
Die taumelnden Bacchanten schwärmen,
Wie sie von trunkner Freude glühn
Und mit den Klapperblechen lärmen;
Sie wiehern laut ihr Evoe!
Es hallt zurück vom Rhodope
;
Der Satyr hebt mit rasender Geberde
Die nackte Mänas
in die Höh'
Und stampft in wildem Tanz die Erde.
Ein sanfter Anblick folgt dem rohen Bacchanal.
Ein stilles, schattenvolles Thal
Führt ihn der Höhle zu, wo sich die Nymphen baden;
Diana selbst erröthet nicht
(Man merke, nur im Traumgesicht
Und von geschäftigen Naiaden
Fast ganz verdeckt), von ihm gesehn zu seyn.
Welch reizendes Gewühl! Es scheint vom Wiederschein
So mancher weißen Brust, die sich im Wasser bildet,
So manches goldnen Haars, die Flut hier übergüldet,
Dort Schnee im Sonnenglanz zu seyn.
Sein trocknes Auge schlingt mit gierig offnen Blicken
So viele Reizungen hinein,
Er schwimmt in lüsternem Entzücken
Und wird vor Wunder fast zum Stein.
Man glaubt, daß Cynthia hierbei
Nicht ungerührt geblieben sey.
So süß auch Küsse sind, wenn wir Tibulle hören,
So haßt doch die Natur ein wenig Einerlei.
Beim Nektartisch' und beim Concert der Sphären
Sind Götter selbst nicht stets von langer Weile frei.
Zum mindsten sagt's Homer. Wie wird denn satt von Küssen,
Diana sich zu helfen wissen?
Sie that (so sagt ein Faun, der sie beschlichen hat),
Was Platon's Penia
im Göttergarten that.
Was that denn die? – wird hier ein Neuling fragen.
Sie legte – Ja doch! nur gemach!
Schlagt euren Plato selber nach;
Es läßt sich nur auf Griechisch sagen. |