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In dieser allgemeinen Lust
Des Wiedersehns, zerschmelzend in Entzücken
Und unermüdlich, Brust an Brust
Und Arm in Arme, sich zu herzen und zu drücken,
Wird von dem guten Doppelpaar
Der einz'ge Umstand nicht ermessen,
Daß von dem Wonnefest, worin sie sich vergessen,
Die Scene zu Damask, nicht zu Palermo, war.
Ein Heer von Hämmlingen mit Schwertern und mit Stangen,
Von dem sie ringsum sich umfangen
Und plötzlich überwältigt sahn,
Erinnert sie nur gar zu bald daran.
Es fiel den Rittern hart, sich wehrlos zu ergeben:
Doch, unbewehrt und übermannt,
Was gibt der Mensch nicht um sein Leben?
Das gute Herz der Fürstin war bekannt:
»Sie wird des Mitgefühls sich nicht enthalten können
Und, wenn sie Alles ihr gestehn,
Gerührt von ihrer Noth, erweicht von ihrem Flehn,
Sie nicht zum zweiten Male trennen!«
Es läge nur an uns, wie jeder Leser sieht,
So möchten sie sich sehr betrogen haben können,
Allein wir haben selbst ein zärtliches Gemüth
Und mögen gern (wer will, kann unsrer Schwachheit lachen!)
Die Leute, wenigstens in Versen, glücklich machen.
In Prosa, freilich, geht's so leicht nicht immer an!
Die Fürstin also that, was die verliebten Seelen
Zu ihrer Güte sich versahn,
Und that noch mehr. Sie ließ, was jedes zum Roman
Von Anfang beigesteurt, gelitten und gethan,
Sich Alles haarklein vorerzählen
Und hatte große Freude dran.
Sie will sogar, es soll bis auf die Nachwelt bleiben,
Und ließ es in ein Buch mit goldnen Lettern schreiben,
Das man auf diesen Tag im Schatz zu Ispahan
(Setzt unser Mönch hinzu) vielleicht noch sehen kann.
»Das Schicksal, spricht die Frau, indem es Zoraiden
Zu eurem Richter macht, hat euer Glück entschieden;
Das Wie? soll meine Sorge seyn.
Von Stund' an bis zum Abschiedsfeste
Betrachtet euch als meine Gäste.«
Ein Jeder bildet leicht sich ein,
Welch eine freudentrunkne Scene
Auf dieses Wort erfolgt, wie Alles glücklich ist,
Sich ihr zu Füßen wirft, ihr Rock und Hand zerküßt,
Und, statt des Danks, nur abgebrochne Töne
Ihr stammeln kann. Es war recht schön zu sehn,
Und selbst der Königin trat eine Freudenthräne
Dabei ins Aug' und macht es doppelt schön.
Nun (um euch nicht mit warmen oder kalten
Abschildrungen von Dingen aufzuhalten,
Die immer sich von selbst verstehn)
Nehmt, wenn ihr wollt, das Alles sey geschehn.
Denkt euch die Glücklichen, zur Reise wohl versehn
Und mehr als königlich beschenkt von Zoraiden,
Wie im Triumph zu Schiffe gehn.
Schon fliegen sie im Reich der Nereiden
Lepanto zu, wohin vorerst ihr Lauf
Gerichtet ist. Ihr setzt die Stängen auf,
Und (ungeduldiger, als sie es selber waren,
Sie angelangt zu sehn) laßt ihr mit gutem Wind
Bei Negropont sie schon vorüber fahren.
Doch, wenn ihr glaubt, daß wir am Ende sind,
So habt ihr falsch gerechnet, liebe Leute.
Ihr seht die schwarze Wolke nicht,
Die, leider! dort sich an der Nordwestseite
Des Horizontes zeigt und wenig Trost verspricht!
Der wackre Sacristan, dem wir, bekannter Dingen,
Verpflichtet sind, dieß Alles nachzusingen,
Ist überzeugt, der Sturm, der uns bedräut,
Sey (ohne Widerspruch) Asmodi's Werk gewesen.
Er hatte, spricht er, schon so manche Fährlichkeit
Auf unsre Liebenden gehäuft und sie zum Bösen
So vielmal schon versucht, daß beides (wie er nun
Besorgen muß) umsonst gethan zu haben
Ihn wüthend macht. Er will nicht eher ruhn,
(Und schwört's beim großen feur'gen Raben,
Auf dem Beelzebub zu Sanct Walpurgis Nacht
Zum Blocksberg fliegt) bis er's dahin gebracht,
Sie alle, sammt dem Schiff', im Abgrund zu begraben!
Der Sturm, der jetzt auf einmal sich erhob,
War seines Meisters werth, sagt unser Mönch. Der Teufel
(Gott schirm' uns!) konnt' allein so grob
Zu Werke gehn, daran ist gar kein Zweifel.
Die Heiden selbst entsetzten sich darob,
Die doch so manchen Sturm gesehen;
Er wüthete, als sey die ganze Hölle los,
Und Alles glaubt, die Welt wird untergehen.
Zersplittert waren schon die Masten klein und groß,
Die Anker alle abgerissen,
Der Boden leck, der Bug vom Blitz geschlissen.
Die Heiden schrieen laut zu ihrem Bassomet,
Das Christenvolk zu Gott und seiner lieben Mutter:
Doch Alle sahn bereits ihr Bett'
Im Ocean und sich der Stachelrochen Futter.
Rosine nur, in einem Winkel, liegt
Auf ihren Knien, von Kleinmuth unbesiegt,
Und betet still zu Sanct Kathrinen.
Und Sanct Kathrine hört Rosinen,
Schaut aus der Himmelsburg mit mildem Blick' herab
Und schickt, um ihr Vertrauen zu verdienen,
Zu ihrer Rettung stracks den großen Christoph ab.
Zu Trümmern geht das Schiff, zu Grunde gehn die Heiden,
Und selbst die Unsrigen bereiten sich zum Scheiden:
Doch sie, zu deren Schutz Sanct Christoph sich geschürzt,
Zu tödten, wird Asmodi's Arm verkürzt;
Schnell, wie der feurigste Gedanke,
Wird er gefaßt und in den Pfuhl gestürzt
Die Unsrigen, auf seiner eignen Planke
Ein jedes, lebend zwar, doch kalt und ohne Sinn,
Treibt sanft die schnell bezähmte Welle
An eine niedre Uferstelle
Von einem nahen Eiland' hin.
Das Eiland war ein Fels, ringsum, doch ziemlich dünn,
Mit lockerm Grund verbrämt, im Felsen eine Zelle,
Wo Bruder Paul, ein guter Eremit,
Wohl in der winzigsten Capelle
Der ganzen Christenheit, der heil'gen Petronelle
Gewidmet, wie er kann, den Gottesdienst versieht.
Zu seinem eignen Dienst springt eine frische Quelle
Nicht weit davon; und um die Zelle blüht
Ein kleiner selbst gebauter Garten,
Der, wenn des Tages Fleiß die Eßlust aufgeweckt,
Mit Schoten, Kohl und Wurzeln aller Arten
Der Gnügsamkeit wollüst'ge Tafel deckt.
Zuweilen schießt auch wohl, im stillen Busch versteckt,
Sein Neffe, der die Wirthschaft hilft berathen,
Mit seinem Blaserohr' ihm einen Sonntagsbraten.
Wie Alles dieß mit Sanct Kathrinens Plan
Zusammen hing, und wie die beiden Eremiten
Für unsrer Liebenden Erhaltung sich bemühten,
Das reihet nun selbst sich Eins ans Andre an.
Wir hätten wenig in der Seherkunst gethan,
Wenn wir es nicht auf einen Blick erriethen.
Natürlich mußte hier (wie überall) das Beste
Der Himmel thun, sagt unser Sacristan.
Die Clausner, die in ihrem Felsenneste
So eines Funds sich wahrlich nicht versahn,
Sind über ihre schönen Gäste
Vor Freuden außer sich. Die Gäste haben zwar
Ihr reich beladnes Schiff verloren:
Allein was gibt der Mensch nicht gern für Haut und Haar?
Aus solcher Noth so wunderbar
Erhalten, sehen sie sich nun wie neu geboren
Und, gleich dem ersten Menschenpaar',
In diesem Paradies (für ihr Palerm verloren)
Zu Pflanzern einer neuen Schaar
Von Dienern Gottes auserkoren.
»Von ungefähr ist's nicht geschehn,
Spricht Paul der Eremit, ihr Lieben,
Daß auf dieß Eiland euch der Sturm uns zugetrieben!
Und, daß wir an der Zahl uns just vier Paare sehn,
Steht ganz gewiß im Lebensbuch geschrieben!
Von ungefähr ist's nicht geschehn;
Mein wackrer Neffe und Laurette
Erkennen, wie ihr seht, gehorsam den Beruf,
Wozu der liebe Gott die Menschen zweifach schuf.
Was kann man Bessers thun in ihren grünen Jahren?
Ich selbst erkläre mich, wofern zu einem Mann
Mit langem Bart' und halb bereiften Haaren
Frau Clare sich entschließen kann,
Daß ich ins siebente der heil'gen Sacramente
Ganz willig mit ihr treten könnte.
Ich bin ein Priester zwar, doch hindert das die Kron'
Auf meiner Scheitel nicht; und, statt nach Rom zu laufen
Und die Erlaubniß dort Sanct Petern abzukaufen,
Gibt mir Gott Vater selbst die Dispensation.
Non bonum est, spricht er mit dürren Worten,
Es ist dem Mann nicht gut, allein zu seyn
Und sein Geschlecht im Keime zu ermorden;
Um nicht zu brennen, sollt ihr frein!
Und sagten gleich die Patres alle Nein:
Der liebe Gott, der uns, (trotz ihren Schlüssen)
So wie wir sind, gemacht, muß das am besten wissen!«
So sprach der alte Paul, und, schweigend oder laut,
Erkläret sich die winzigste Gemeine
Der Christenheit, daß sie es auch so meine.
Das ganze Volk, das nun dieß neue Eden baut,
Wird, vierfach, noch in dieser Nacht getraut:
Damit der nächste Tag, wenn er herunter schaut,
Auf lauter Glückliche in dieser Insel scheine.
Die große Meisterin der Tugend und der Kunst,
Die Noth, ergießet nun die Früchte ihrer Gunst
Auf unsre edeln Müssiggänger.
Dem ältesten Naturgebot
Gehorsam, essen sie mit Schweiß errungnes Brod;
Dafür macht auch ein reicher Fliegenfänger
Bei seiner Sultanskost nicht halb so frisches Blut.
Die Lieb' entflammt im Manne Heldenglut,
Das Möglichste zu thun, das Aeußerste zu wagen;
Die Liebe gibt dem sanften Weibe Muth,
Was Männer schauern macht, mit Lächeln zu ertragen.
Vollkommnes Glück ist nicht der Menschheit Los.
Du gäbst es uns, Natur, wenn wir's zu tragen wüßten!
Dein weisestes Gesetz ist: »Laß dich nicht gelüsten!«
Zufrieden liegt in deinem Mutterschoß
Der gute Mensch, vergnügt mit seinem Los;
Stets glücklicher durch mitgetheilte Freude,
Getroster stets bei mitgefühltem Leide.
Nach diesem Maße war vielleicht von einem Pol
Zum andern keinem Volk' in seiner Haut so wohl,
Als unserm – (Nenne doch, o Muse,
Den Sitz der kleinen Colonie,
Die hier so glücklich war und selbst nicht wußte wie?)
Als unserm Volk – aus Lampeduse.
Rosinen, der die Schuld an ihre Schützerin
Stets schwerer auf dem Herzen lieget,
Seit sie auf ihrem Schoß' ein klein Kathrinchen wieget,
Der frommen Seele fällt's auf einmal in den Sinn,
Zur guten heil'gen Petronellen,
Die, ziemlich schlecht aus weichem Holz gedreht,
Auf dem Altar des kleinen Kirchleins steht,
Die heilige Kathrine zu gesellen.
Was wird ein Mann nicht seiner Frau zu Lieb?
Herr Sinibald, der schon den Tischler und den Schlösser
Zu machen lernte, greift, von angebornem Trieb
Gelehrt, sogleich mit Axt und Messer
Das Kunstwerk an; er zimmert, schnitzt und bohnt
Treufleißig, Tag und Nacht, mit manchem Kuß belohnt.
In Kurzem steht es da, vollendet, und – Rosinen
Wie aus dem Aug' heraus geschnitzt;
Doch, mit dem Krönchen, das ihr auf der Scheitel sitzt,
Und mit dem Schwerte, Sanct Kathrinen,
Wie sie mit ihrer Jungfraun-Schaar
Dem Fräulein einst im Traum' erschienen war,
So gleich, als hätte sie ihm in Person gesessen.
Ihr Namensfest erschien indessen,
Und, während ohne Rast die kleine Glocke schellt,
Wird sie der heiligen Petronelle
(Die ohne Neid die Oberstelle
Der Fremden überläßt) zur Rechten aufgestellt;
Rosine legt den angelobten Schleier
(Von einem Engel, wie man glaubt,
Gerettet aus dem Sturm') um ihrer Heil'gen Haupt;
Kniet betend dann vor ihr, in stiller Feier,
Bis die Versicherung, die Schuld sey nun bezahlt,
Ein Gnadenblick ihr in die Seele strahlt.
Mit seiner besten Festtagskrause
Der Heiligen zu Ehren angethan,
Stimmt Vater Paul ein laut Te Deum an;
Das glaub'ge Völkchen eilt nach Hause,
Und Alles endet sich mit einem frohen Schmause.
Ein Gleiches (ruft zum Schluß der gute Sacristan)
Woll' uns der liebe Gott mit allen Frommen geben,
Hier in der Zeit und dort im ew'gen Leben! |