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Wir überlassen nun die Flüchtlinge dem Glück',
Und kehren wieder zu Rosinen
Und ihrem, ohne sein Verdienen,
Aus ihrer Gunst gefallnen Freund zurück.
Der Irrthum mit dem Gartensaale,
Und wie Asmodi, nun bereits zum zweiten Male,
Die Zofe Cleliens (die ihn für Guido hielt)
An Clarens Statt ihm in die Hand gespielt;
Und wie der Brief, den ihm Laurette angekündigt,
Den wahren Guido fand, der jüngst so freventlich
Auf seine Rechnung an Rosinen sich versündigt:
Dieß Alles ist Euch noch erinnerlich.
Dem guten Sinibald, der in der ganzen Sache
Ein Spiel der bösen Geister war,
War, leider! nichts bekannt; und, statt der schweren Rache,
Die ihm Rosinchen und Frau Clar'
Bereiten, bringt (als er, von langer Wache
Ermüdet, kurz vor Tag entschlief)
Ein falscher Traum ihm den versprochnen Brief.
Und welchen Brief! Der Glückliche! Noch heute,
Noch diese Nacht, sobald der erste Schlaf die Leute,
Die nicht, wie er, auf Abenteuer gehn,
Gebunden hat, wird am bewußten Orte
Laurette bei der kleinen Pforte
Im Garten auf der Wache stehn,
Durch schweigende, leicht angelehnte Thüren
Ins Brautgemach ihn heimlich einzuführen.
Denn Hymen soll und muß des Festes Priester seyn!
Doch, weil sich seiner Fackel Schein
Nicht füglich zum Geheimniß schickte,
Wird Amor ihm sein Blendlaternchen leihn.
Nun denkt, wie unsern Mann des Briefchens Styl entzückte!
Wie oft und warm er's an die Lippen drückte,
Wie oft er's las und wieder las,
Und immer nach der Sonne blickte,
Die (däucht ihn) heute gar nicht von der Stelle rückte
Und, recht ihm zum Verdruß, wie angenagelt saß!
Zum Glücke lieh ihm Morpheus Schwingen,
Die Zwischenzeit zu überspringen.
Der Sonne Lauf war noch nicht halb vollbracht,
So war's in seinem Traum' auf einmal Mitternacht;
Und an der Hand der schleichenden Laurette
Befand er sich, durch eine Seitenthür',
Auf einmal in Rosinens Cabinete.
Die Schöne liegt auf einem Ruhebette
Und er, vor Lieb' und Wonne schier
Entseelt, auf seinen Knien, zerdrückt, zerküsset ihr
Die kleine Lilienhand, als wollt' er sie verschlingen.
Die Holde bücket sich auf ihn
Mit Blicken, die in Amors zartste Schlingen
Ihr unbewußt den trunknen Jüngling ziehn.
Wie reizend Lieb' und Scham auf ihren Wangen ringen!
Wie mächtig lockt die stumme Redekunst
Der Seufzer, die den keuschen Busen heben!
Ihr Auge schwimmt in zauberischem Dunst',
Indem noch matt die Hände widerstreben;
Ihr Zorn verspricht ihm Alles zu vergeben,
Und selbst ihr Widerstand ist eine Gunst.
War's Teufel-Amors Neid, war's St. Kathrinens Auge
Und unsichtbarer Schutz, (der nicht
Gestatten will, daß nur im Traumgesicht'
Ein Schmetterling an dieser Rose sauge)
Was unsers Träumers Glück auf einmal unterbrach?
Aus beiden bleibt die Wahl euch unbenommen.
Daß so zu rechter Zeit ihn eine Mücke stach,
Das war wohl nicht von ungefähr gekommen,
Denn um ein Ave später war's zu spat.
Asmodi oder Sanct Kathrine,
Uns gilt es gleich, wer von der That
Den Tadel oder Ruhm verdiene;
Genug, der Traum verschwand, gerettet war Rosine!
Der arme Tantalus schlang die begier'ge Hand
Um einen Leib von weichem Alabaster,
Verhoffte süßen Widerstand
Und griff – nach Luft mit ungefüllter Hand.
In seinem Leben war der Tag ihm nie verhaßter!
Doch faßt' er sich den Augenblick,
Dankt es des Traumgotts Zauberspiegel,
Der diesen Vorgenuß von seinem nahen Glück'
Ihm gönnt', und nimmt als Pfand und Siegel
Ihn an, daß bald, vielleicht in nächster Nacht,
Rosinens Huld den Traum zur Wahrheit macht.
Von dieser süßen Hoffnung trunken
Schlief er von neuem ein und lag (indeß der Brief
In Guido's Hände kam) noch tief
In weichen Schwanenflaum versunken,
Als ihn der Angelus zur Mittagstafel rief.
Stracks sprang er auf, warf sich in seine Kleider,
Und, wie natürlich, war der Brief
Sein erstes Wort. Allein von dem weiß, leider!
Kein Mensch im Hause was. Er schwört, es müss' ein Brief
Gekommen seyn: ihm wird in beide Ohren
Das Gegentheil beherzt zurück geschworen.
So, denkt er, hat ein Hinderniß
Den Vormittag Lauretten weggenommen:
Allein ihr Wort ist mir gewiß,
Das Briefchen muß noch vor der Vesper kommen.
Die Vesper kam, der Brief blieb aus;
Vergebens hütet' er den ganzen Tag das Haus
Und lag erwartungsvoll bis in die Nacht im Fenster;
Die Glocke schlug acht, neun und zehn,
Schon nahte sich die Stunde der Gespenster,
Und weder Brief noch Mädchen ließ sich sehn.
»Das ist zu arg! So wär' ich gar betrogen?
Man hätte mich nun zweimal aufgezogen?
Zwar hieße das – sich selber hintergehn,
Allein wer kann für Mädchenlaunen stehn?«
Er gürtet sich, schleicht um die eilfte Stunde
Sich weg, Rosinens Wohnung zu,
Und ging wohl zwanzigmal die Runde
Ums ganze Haus: allein da herrscht die tiefste Ruh.
Der arme Mensch verdreht mit Dehnen und mit Recken
Sich Hals und Fuß, den Schein von einer Lampe noch
An einem Fenster zu entdecken,
Drückt an die Thür sich an, legt hart vors Schlüsselloch
Sein lauschend Ohr, ob irgend was sich rege?
Wagt endlich gar verschiedne leise Schläge,
Dem Mädchen (die vielleicht im Dunkeln seiner harrt)
Ein Zeichen seiner Gegenwart
Zu geben. All umsonst! Wenn er die Glocke zöge,
Es hälfe nichts. Sobald Frau Clare schlief,
So schliefen euch die heil'gen Siebenschläfer
Von Ephesus nicht halb so tief.
Was war zu thun? Dem armen treuen Schäfer
(Zumal er schon der Schaarwach' Eisentritt
Im nächsten Gäßchen glaubt zu hören)
Bleibt nichts, als halb erstarrt und mit
Gesenkten Ohren heim zu kehren
Und nun, indem er sich im Bette wechselsweis'
In Flammen bald herum wälzt, bald in Eis,
Sein Seelenfieber noch durch Denken zu vermehren.
Der nächste Tag ging ihm nicht günst'ger auf.
Kaum hatt' er aus den Federn sich gelichtet,
So wirft er seinen Mantel um und richtet
Gerade nach Sanct Peter seinen Lauf.
Er hofft Rosinen dort zu finden,
Und dieses Mal lügt ihm die Hoffnung nicht.
Er stellt sich ihr so nahe vors Gesicht,
Als möglich war, und strengt bis zum Erblinden
Die Augen an, nur einen Seitenblick
Die Messe durch dem Engel abzulauschen.
Allein er mag den Standpunkt tauschen,
So oft er will – bald vorwärts, bald zurück,
Bald bei ihr stehn, bald ihr vorüber rauschen.
Ihr lieblicher Madonnenblick
Bleibt immer niederwärts in stiller Demuth hangen:
Und wenn die Glut der sanft geblähten Wangen
(Die doch vielleicht ein bloßer Wiederschein
Der Andachtsflamme war, die ihr im Busen brannte)
Ihn hoffen ließ, nicht unbemerkt zu seyn,
Was half es ihm? Ihr Blick, ihr Herz bekannte
Sich nicht dazu; und, eh die Messe ganz
Gesungen war, ging sie, nach jüngferlicher Sitte,
Die Augen stets auf ihren Rosenkranz
Herabgesenkt, mit leichtem kurzem Schritte
So harmlos neben ihm vorbei,
Als ob Herr Sinibald ein Kirchenpfeiler sey.
Bestürzt und kummervoll, die Querhand vor der Stirne,
Folgt er von ferne nach, sieht sie (doch ohne ihn
Zu würd'gen eines Blicks) durch ihre Thür' entfliehn
Und bleibt mit starrem Aug' und schwindelndem Gehirne,
Als hätt' er einen Geist bei hellem Tag gesehn,
Dem Hause gegenüberstehn.
Das Wunder übersteigt den Glauben!
Es ist genug, um einem weisern Mann',
Als er ist, den Verstand zu rauben.
Was sie so ganz und gar verwandelt haben kann?
Sie, die im zärtsten Netz, das Amor je gewoben,
Zugleich mit ihm sich fing, ihm schon die stärksten Proben
Der Zärtlichkeit zu geben willig war,
Nur vor zwei Tagen noch bereit war, ihm sogar
Die Rechte des Gemahls verstohlen einzuräumen;
Sie würdigt ihn nicht eines leisen Nicks,
Nicht eines Winks, nicht eines Seitenblicks?
So arg kann's einem doch in keinem Fieber träumen!
»Und doch – sollt's etwa Scham, sollt's bloße Laune seyn?
Will sie vielleicht mich auf die Probe stellen?
Ein guter Geist gibt dieß vielleicht mir ein!
Nun wohl! Geduld! es muß sich bald erhellen.«
In dieser Hoffnung pflanzt der treue Sinibald
Sich abermal in einen Hinterhalt
Rosinens Fenster gegenüber
Und harret in Geduld. Der Wind blies scharf und kalt:
Allein (Dank dem verliebten Fieber,
Das sein elektrisch Blut ihm durch die Adern jagt!)
In seinen Ueberrock bis an die Nasenspitze
Gewickelt, hätt' er über Hitze
Sich mehr als über Frost beklagt,
Hätt' ihm die Pein, vergebens aufzupassen,
Für andres Ungemach Empfindlichkeit gelassen.
Das Fensterglas (wiewohl von ihr bestrahlt)
War etwas matt, auch hier und da bemalt.
Doch däucht' ihn, da er schon zwei Stunden – nichts gesehen,
Er sehe sie, ihr Strickzeug in der Hand,
Schier drei Secunden lang' am Fenster seitwärts stehen;
Ein Trostgesicht, wodurch, so schnell es wieder schwand,
Sein armes Herz sich sehr erleichtert fand.
Zuletzt, nachdem er bis zur Vesper gegenüber
Gestanden, unverwandt nach dem verbotnen Haus
Den trüben Blick gekehrt, geht endlich gar der Schieber
Des Fensters auf. Rosine schaut heraus,
Wird ihn gewahr – Unglücklicher, Elender!
So ist's denn auch für diese Nacht
Um deinen Schlaf geschehn? – und schiebt zehnmal behender
Das Fenster wieder zu, als sie es aufgemacht.
Er rennt in Wuth davon, schwört, für sein ganzes Leben,
Der Melusinenbrut den Scheidebrief zu geben.
Seit Even (brummt er wie ein Bär
Den ganzen Weg nach Hause vor sich her)
Sind sie für uns die Wurzel alles Bösen!
O! wäre nie ein Weib gewesen,
Wir lebten, frei vom Sündenjoch,
Wie Kinder, allesammt in Edens Garten noch!
Die ganze lange Nacht vergeht ihm unter Schwüren,
Dem undankbaren Ding zu Lieb
Nicht einen Schritt mehr zu verlieren;
Und, wenn er, was der Zorn ihm eingab, niederschrieb,
Es wär' ein feines Werk, um an die Zungensünden
Von Juvenal und Pop' es hinten anzubinden.
Allein, kaum ruft der frühe Glockenlaut
Das Christenvolk Palerms im Sonntagsstaate
Aus allen Ecken ins Rorate,
So wird's ihm schon zu eng' in seiner Haut.
Er hielt's euch länger nicht um tausend Rosenobel
Im Bette aus. In einem Nu
Ist er gekämmt, beschuht, wirft seinen Zobel
Sich um, und frisch Sanct Peters Kirche zu!
Sie war bereits von tausend Kerzen helle,
Und in noch weniger als drei
Minuten war nicht eine lichte Stelle
Im Schiff', im Chor' und in der Sacristei
Von Sinibalds weit offnen Augen frei.
Um jede dämmernde Capelle
Schleicht er herum, und wo zu einem Beialtar
Das Volk sich drängt. Doch, was er suchte, war
Nicht hier. – »Sie wird bei Sanct Kathrinen
Zu finden seyn!« Er kommt, er sucht – auch hier
Ist, leider! wenigstens von ihr,
Nach der so bang' ihm ist, kein Ablaß zu verdienen!
Sie hatte, wie es scheint, auf diesen Sturm gezählt
Und, unbefleckt von seinem Blick zu bleiben,
Das fernste Klösterlein zur Andacht sich erwählt:
Doch freilich war's nicht schwer, auch dort sie aufzutreiben.
Genug, er sucht so lang vergebens, bis er sie
Da findet, wo sie ist. Auf einmal, wie
Aus freier Luft herab, fällt der vermeinte Guido
In einem Betstuhl' ihr vorüber auf die Knie;
Und unverzüglich läßt der hinkende Cupido
Aus seinen Augen, Strahl auf Strahl,
Der Liebe ganzes Arsenal
Wie Elliots Feuerkugeln spielen;
Nur zünden sie wie Elliotskugeln nicht,
Und ihr wird nichts davon zu sehen noch zu fühlen.
Ein Muttergottesbild, worauf ihr schön Gesicht
In frommer Andacht ruht, scheint selbst für sie zu streiten
Und bloß zu ihrem Schutz den Mantel aufzuspreiten.
Er mag sich noch so sehr bemühn,
Durch Blicke, Seufzer und Geberden
Von dem Madonnenbild' ihr Aug' auf ihn zu ziehn,
Er scheint gar nicht von ihr bemerkt zu werden.
Erst nach dem Segen, da das Volk sich schnell vertheilt,
Und Jedermann mit rother Nasenspitze
Und blauen Lippen heimwärts eilt,
Zückt im Vorübergehn, gleich einem raschen Blitze,
Ein stolzer Augenstrahl auf ihn
(Ein Strahl, wie Miltons Seraphin
Auf die empörten Engel schießen)
Und wirft ihn schier zu Boden hin.
Das Wahre ist, er blieb auf seinen Füßen,
So stark der Schlag auch war, noch ziemlich aufrecht stehn;
Ihn däucht sogar der Zorn in ihren Augen schön:
Kurz, diese seltsamste der Launen,
Wovon er nichts begreifen kann,
Erweckt ihm minder Schmerz als Wunder und Erstaunen
Und reizt nur desto mehr ihn an,
Um endlich doch den Grund der Sache auszuspähen,
Ihr auf dem Fuße nachzugehen.
Sein Unstern will, daß schon beim vierten Schritt'
Ein dunkler Körper, dick wie eine kleine Säule,
Ein wahres Mittelding von Kupplerin und Eule,
Auf einmal zwischen ihn und seine Sonne tritt.
Es war die Amme, die seit einer guten Weile
Die Augen nie von ihm verwandt.
Sie hatte ihn beim ersten Blick' erkannt
Und Alles wohl bemerkt, was vorgegangen,
Auch, als Rosine sich aus ihrem Kirchensitz'
Erhob, die Hälfte von dem Blitz,
Den sie auf Sinibald geschossen, aufgefangen.
Doch, wie sie ihn so übermüthig sieht,
Dem Fräulein dennoch nachzugehen,
Da reißt ihr die Geduld, und ihre Nase glüht,
Wie eines Truthahns Kamm. Er, der sie nie gesehen,
Kann, ob er's gleich bemerkt, doch nichts davon verstehen.
Was denkt er, will denn die Zigeunerin,
Die ihren Schnabel so zum Ohr des Engels rücket
Und stets dabei den Hals, soviel ihr doppelt Kinn
Verstattet, rückwärts dreht und funkelnd nach mir blicket?
Das Weib hat wohl viel Gutes nicht im Sinn!
Sie nahten, während er dieß denkt, sich einer Stelle,
Wo eine halb verfallene Capelle
(Durch ein mit Spinneweb' umhangnes Fenster kaum
So viel erhellt, um – nichts darin zu sehen,
Frau Claren den bequemsten Raum
Zu bieten scheint, dem Herrn den Kopf zurecht zu drehen.
Sie läßt vom Fräulein ab und winkt
(Geheimnißvoll, wie Sinibalden dünkt)
Ihm mit der Hand, ihr nachzugehen.
»Wie leicht man sich an Jemand irren kann,
Zumal bei Licht! (denkt unser Biedermann)
Dieß läßt uns bessern Ausgang hoffen,
Als vor der Anschein war.« – Er folgt getrost ihr nach;
Des Ortes Dunkelheit versprach
Viel Günstiges. Doch denket, wie betroffen
Mein Junker stand, da man, mit einer Pantomim',
Als wollte man ihm in die Haare fahren,
Ihn dergestalt begrüßt: »Verhaßtes Ungethüm,
Ich weiß nicht was mich hält, die Augen dir zu sparen?
Wie? du erfrechst dich, du falsche Creatur,
Nach solcher That, dem Fräulein noch dein Schlangen-
Gesicht zu zeigen, du? Nach einer That, die nur
Zu nennen, mir vor Scham die Lippen und die Wangen
Zu Asche brennten!«
Frau, mich soll der Antichrist
Verschlingen, (ungekocht, wofern' er hungrig ist)
Spricht Sinibald, wenn ich von dieser Keife
Und Eurer Wuth ein einzigs Wort begreife.
»O, unverschämt! Denkst du, durch diese List
Zum zweiten Mal' uns in dein Garn zu locken?
Eh spännen wir, beim trocknen Brod', am Rocken,
Ich und mein Fräulein, uns die Finger wund und weh!
Da, nimm dein Gold, den Sündenlohn, und geh
Zum Galgen, wo ich dich, will's Gott, noch hangen seh!«
Frau Isabell, erwiedert ihr der Ritter,
Bei Sanct Georg, warum Ihr dieß Gewitter
Mir auf den Nacken schickt, ist zu errathen schwer.
Ich war ja stets mit herzlichem Vergnügen
Bereit und bin es noch und wünsche ja nichts mehr,
Als diesen Augenblick (holt nur den Pfarrer her!)
Dem holden Fräulein beizuliegen.
Was schmählt Ihr denn? Ich hätte bessern Grund,
Mich über Euch recht bitter zu beklagen.
Mir einen Brief so heilig zuzusagen
(Wiewohl durch einen kleinern Mund,
Als Eurer ist) und bis auf diese Stund'
Ihn schuldig seyn und mich, wie einen armen Hund
In später Nacht, auf offnen Gassen
Vor Eurer Thür vergebens wimmern lassen,
Ist, dächt' ich doch, nicht wohl an mir gethan? –
»Wie? (schreit sie) siehst du mich für eine Närrin an?
Was schwatzest du von Briefen und von Nächten
Und kleinem Mund'? Entweder faselst du
Im Fieber oder füllst uns noch mit Spott dazu?
Das fehlte noch! – Allein was soll das Haberechten?
A dato an lass' uns der Herr in Ruh'
Und trage seine böse Waare,
Sein Herz sammt Zubehör, und seine gelben Haare,
Wohin er will: nach dem, was jüngst geschehn
Hat sich mein Fräulein hoch verschworen,
Nichts mehr von ihm zu hören noch zu sehn.«
Mit diesem Compliment läßt sie den Junker stehn
Und läuft davon, als brennten ihr die Ohren.
Der gute Sinibald greift an die seinen sich
Und fragt sich, ob er träume oder wache?
»Es waltet, denkt er, sicherlich
Ein Mißverstand in dieser Sache.
Nach dem, was jüngst geschehn, spricht die Gevatterin
Und wirft mein Geld mir vor die Füße?
Zuletzt kommt gar heraus, daß ich bezaubert bin
Und hier für fremde Sünden büße.
Was soll denn jüngst geschehen seyn?
Was kann geschehen seyn, um ohne mein Verschulden
Dergleichen Unfug zu erdulden?
Je mehr ich's überleg, je minder seh' ich's ein.
Doch, kann ich Clelien mich anzuhören zwingen,
So wird der Knoten wohl sich ohne Schnitt entschlingen.«
Er läßt drei Tage lang kein Mittel unversucht:
Allein Frau Clar' hält allzu gute Zucht,
Und Fenster, Thür' und Thor ist alles so verriegelt,
Als wär's mit Salomons Petschierring zugesiegelt.
Verzweiflungsvoll, von Lieb' und Eifersucht,
Von Rache und Begier zu siegen
Gespornt, (auch wohl aus Ueberdruß,
Mit einem leeren Bild, das weder Druck noch Kuß
Zurück gibt, alle Nacht auf Kohlen da zu liegen)
Folgt er zuletzt dem Rath des schwarzen Genius,
(Der Einfall war, wie man gestehen muß,
Asmodi's werth) nun selbst der heiligen Kathrinen
Zur Mittlerin sich zu bedienen.
Ein schlauer Kopf mit einer fert'gen Hand,
Ein Künstler, (wer dafür ihn wollte gelten lassen)
Vielleicht ein Phidias, als noch, die Phidiassen
Zu schätzen, dann und wann sich ein Perikles fand,
Jetzt freilich nur der krumme Ralf genannt,
War zu Palerm vor Kurzem angekommen.
Sein Handwerk war, zum Seelenheil der Frommen,
Madonnen, oder was von Bildern dieser Art
Ihm etwa angefertigt ward,
Um sehr civilen Preis aus Pappe zu erschaffen.
Das Beste war dabei die wenige Gefahr,
An seinen lieben Fraun sich etwa zu vergaffen,
Wie eher wohl der Fall bei neuern Meistern war;
Wofür ihm Unsre Frau im Himmel lohnen wolle!
Genug, der gute krumme Ralf,
Dem (wie die Sage ging, Sanct Lukas, kraft der Rolle,
Die er als Künstler spielt, zuweilen pappen half)
Ralf übernahm's, um dreimal acht Zechinen
Ein lebensgroßes Bild der heiligen Kathrinen,
Mit einem Wachsgesicht', ein Krönchen auf dem Rand
Des Scheitelhaars und Schwert und Palmen in der Hand,
Kurz, im Costume, – aus Pappe, Silberschaum
Und Knistergold, gar stattlich zu staffiren.
Das Bild war hohl und hatte sattsam Raum,
Um einen Mann, der keinen Weberbaum
Zum Speere führt, bequem darin zu bergen.
Herr Sinibald, wiewohl an seinem Bau ihn kaum
Sanct Lorenz übertraf, war doch nur unter Zwergen
Ein langer Mann und reicht der Jungfrau-Märtrerin,
Auf gleichen Füßen, kaum bis an ihr rundes Kinn;
Auch findet er in ihren breiten Hüften,
Von einem großen Wulst geschwellt
Und ringsum aufgepufft, ein ziemlich weites Feld,
Nach Nothdurft sich zu rühren und zu lüften.
Er trieb die Arbeit scharf, kam alle Tag' und sah
Dem Fortgang zu und half zur Sache rathen;
Und in acht Tagen stand das Kunstwerk fertig da!
Die Kenner fanden es ganz ungemein gerathen;
Man hatte zu Palerm so etwas nie gesehn:
Nur Schade, sagten sie, es aus dem Lande gehn
Zu lassen; denn ihm war, wie Meister Ralf berichtet,
Zu Rom im Lateran bereits ein Platz gemacht;
Ein Umstand, der den leisesten Verdacht
Von ferne schon im ersten Keim vernichtet.
Des Bildes Ruf erfüllt die ganze Stadt,
Man singt davon auf Märkten und auf Brücken;
Man läuft hinzu, man gafft und wird's nicht satt,
Die Kinder trägt man hin, die Alten gehn an Krücken;
Und weil nicht Jedes Zeit, zu ihm zu kommen, hat,
Ist Meister Ralf von freien Stücken
Erbötig, es dem Adel in der Stadt
Sogar umsonst ins Haus zu schicken.
Die Sache kommt, nachdem der erste Lärm
Vorüber war, zuletzt in ganz Palerm,
Als eine Neuigkeit Rosinen auch zu Ohren.
Ihr Eifer für Sanct Thrinen ist bekannt:
Sie war zwar nicht nach ihr genannt,
Jedoch an ihrem Tag geboren
Und hatte bei der Firmlung schon,
Nächst unsrer lieben Frau, zu ihrem Schutzpatron'
Aus eigner Wahl und Neigung sie erkoren.
Wer hatte bei so viel Devotion
Ein nähers Recht als sie, die Heilige zu sehen?
Doch unter so viel Volks, so weit
Und in ein Haus wie Ralfs zu gehen,
Verwehrt ihr Stand und ihre Sittsamkeit.
Denkt, wie sie glücklich ist, noch selben Tags von Claren
Des Meisters Dienstgefälligkeit
Aus seinem Munde zu erfahren.
Die blinde Tante zwar erinnert viel dabei:
»Es fehl' an Platz, es mache nur Beschwerden,
Es könnte leicht was dran zerbrochen werden;«
Allein das goldne Wort, daß nichts zu zahlen sey,
Weiß alle Schwierigkeit zu heben;
Zumal Rosine sich recht gern verbindlich macht,
Auf alle Fälle über Nacht
In ihrem Schlafgemach der Heil'gen Platz zu geben.
Die Sache wird nun ohne Zeitverlust
Bestellt; die Stunde kommt, und, ohne fremde Zeugen,
Hilft der bestochne Ralf, des Handels mitbewußt,
(Nachdem er eidlich sich zu einem ew'gen Schweigen
Verlobt, und Sinibald, daß seine Absicht rein,
Ja selbst kanonisch sey, hinwieder ihm geschworen)
Dem jungen liebeskranken Thoren
In Sanct Kathrinens Bauch hinein.
Sie stand in einer Art von Blenden
Mit Rauschgold ausgelegt (um einen Strahlenschein
Bei Kerzenlicht nmher zu spenden)
Auf einem Fußgestell von hartem Holze fest;
Und, wie die Dämmerung nichts mehr erkennen läßt,
So fassen sie mit vier hercul'schen Händen
Andächtiglich zwei Sänftenträger auf
Und steuern nun in vollem Lauf
Mit ihr nach Dame Kunigunden,
Wo Röschen und Frau Clar' schon an der Thüre stunden.
Man trägt sie frisch die Wendeltrepp' hinauf
Und setzt sie ab in Fräuleins kleiner Kammer.
Dem Junker pocht's im Busen wie ein Hammer,
Da er zum ersten Mal des Engels Stimme hört,
Die wie ein Silberglöckchen klinget;
Und, daß er nicht heraus ihr in die Arme springet,
Ist, was mit Mühe kaum die Klugheit ihm verwehrt.
Das Fräulein labt mit kindisch reiner Freude
Ihr kleines Herz an dieser Augenweide.
Frau Naseweis beguckt die Heil'ge um und an
Und wundert sich, wie Menschenwitz aus Pappe
Ein solches Werk zu Stande bringen kann.
Die alte Tante selbst in ihrer Nebelkappe
Kriecht allgemach aus Neugier auch heran,
Mit ihrem einz'gen Aug das Wunder anzuschielen
Und, aus Instinct, doch nur ganz leise, zu befühlen.
Ihr Beispiel steckt bald auch die andern alle an;
Doch keine von den drei Marien wittert,
Wie Meister Ralf den heil'gen Leib gefüttert.
Und nun, nachdem sie noch, zu guter Letz', am Schrein
Der Unschuldskönigin drei Ave auf den Knieen
Gebetet, winkt das alte Mütterlein,
Ans Spinnrad sich mit ihr zurückzuziehen,
Und Sanct Kathrine bleibt bis Schlafenszeit allein. |