Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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Die Dachauer im Platzl.

Im August 1906 zogen die Dachauer mit Hans Straßmaier in die Gaststätte Platzl ein. Achtunddreißig Jahre haben sie die Stellung gehalten, dort geblasen, gespielt, getanzt, gejodelt und mit Kuhglocken gescheppert. Wie viele tausend Jodler und Landler sind da drin erklungen! Millionen Menschen haben in diesen langen Jahren da drinnen gelacht, gesungen und Zerstreuung gefunden. Jahre hindurch hing Abend für Abend das Plakat am Eingang: »Ausverkauft«. Der Münchner führte seine Besuche dorthin, hier trafen sich Nord und Süd und saßen in schönster Harmonie beisammen. Alle Gesellschaftsklassen waren hier zwanglos und manchmal sehr eng zusammen gepfercht. Da hielt ein Soldat sein Mädel fest an sich gepreßt und hatte keine Ahnung, daß neben ihm der bayrische Erbprinz saß. Neben einem hochgelehrten Professor, der sich studienhalber eingefunden, hockte ein Bauernpaar aus dem Bayrischen Wald, die sich zu ihrem goldenen Hochzeitstag diesen lang gehegten Herzenswunsch erfüllten. Da saß eine amerikanische Miß, angestrichen und gepudert und schüttelte sich vor Entsetzen, als sie von dem Bier ein wenig genippt. Schwyzer waren häufige Gäste, auch Franzosen und einmal, erinnere ich mich, hat der Herzog von Kent laut und fest mitgesungen: »Wo die Alpenrosen blühn . . .« Die norddeutschen Brüderstämme traten gleich in Massen auf und freuten sich 131 am meisten, wenn über sie Witze gemacht wurden. Bei den Bauernstücken lachten sie Tränen, obwohl sie kein Wort verstanden haben.

Es waren schöne, unvergeßliche Abende voll Lachen, Freude und sorgloser Zufriedenheit. Das Platzl war nicht nur im ganzen Reich, auch im Ausland bekannt. Wenn der Sender München eine Platzl-Übertragung machte, bekam ich von überall her, aus Norwegen, Dänemark, Siebenbürgen, Elsaß usw. Zuschriften. Deutsche in Holland haben sich für diesen Platzl-Abend ein Faß Münchner Bier und unsere Textbüchl schicken lassen und haben einige hundert Kilometer von der Sendestelle entfernt kräftig mitgesungen. Ein Brautpaar in der Steiermark hat eigens den Hochzeitstag verschoben und wollte zur Hochzeit die Platzl-Übertragung hören. Der Bräutigam sandte mir ein Telegramm, ich solle einige passende Worte einflechten. Leider konnte ich ihm diesen Wunsch nicht erfüllen, denn wir wurden auch verschoben. Wie bekannt und beliebt das »Platzl« war, bezeugt am besten die Tatsache, daß es in Berlin, Leipzig, Hamburg, Frankfurt, Zürich und vielen anderen Städten ein »Münchner Platzl« gab.

Eine weit verbreitete Ansicht war, daß das Platzl seine Volkstümlichkeit in erster Linie seinem Gegenüber, dem Hofbräuhaus, verdankt. Das stimmt nicht, diese Palme gebührt den Dachauern und den dort gebotenen bodenständigen Darbietungen.

Nicht immer war das Platzl so gut besucht. Das Platzl wurde in den neunziger Jahren als besseres Café-Restaurant eröffnet. Einige Zeit stand ein Neger als Portier vor dem Eingang – um, nach damaliger Anschauung, die Vornehmheit des 132 Etablissements zu unterstreichen; aber die Sache zog nicht recht. 1903 pachtete Karl Böhm die Gaststätte und hatte mehrere Jahre mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er versuchte es mit Damenkapellen und zwar mit einer Damen-Blaskapelle – aber obwohl die armen Mädchen ganz geschwollene rote Pappen von dem vielen Blasen hatten, der Besuch ließ zu wünschen übrig. Merkwürdig ist, damals gab man dem Gegenüber, dem Hofbräuhaus, Schuld an dem schlechten Geschäftsgang. Dann zog Böhm das große Los, indem er sich den unermüdlich fleißigen Straßmaier mit seinen Dachauern holte. Sofort hob sich der Besuch; dieses kann ich, ohne daß es nach Eigenlob riecht, konstatieren; denn 133 ich kam erst ein Jahr später, als die Sache schon in Schwung war. Ein unbestreitbares Verdienst des Herrn Böhm war es, daß er einsah, mit der Bauernmusi allein ließ sich das Geschäft nicht halten. Bald holte er sich Komödienspieler, Jodlerinnen und Schuhplattler dazu und so entstand allmählich das Platzl, das sich mit seinen Dachauern 38 Jahre lang in seiner Beliebtheit halten konnte. Einer der ersten Komödienspieler war Metzner Girgl; dieser holte sich seinen Passauer Landsmann, den Eringer Seppl, der bald durch seine Darstellungskunst der Liebling der Platzlbesucher wurde.

Während des Weltkrieges spielte das Platzl durch. Metzner Girgl und ich waren Soldaten. Metzner fiel gleich am Anfang, ich kam mit einer Verwundung durch, konnte draußen eine ausgezeichnete Truppe zusammenstellen und gab Vorstellungen im Stile der Dachauer.

Nach dem Weltkrieg trat Matthias Lettner als Teilhaber ein. Die Firma Böhm und Lettner erwarb das Haus und später noch die zwei anstoßenden Häuser. Der baulustige Lettner führte manche fortschrittliche Veränderung durch. Die wegen dem schlechten Geschäftsgang eingebauten Läden kamen heraus. Die Bühne in der Ecke mit dem kleinen Bauernhaus, das zugleich unsere Garderobe war, kam in die Mitte des Lokals, wir bekamen ein unsichtbares Orchester und schöne geräumige Garderoben. Wie fast immer im Leben, wenn alles recht schön und fertig ist, bröckelt das Alte ab.

1921 starb Straßmaier. Zuerst hatte ich mit dem damals schon kränkelnden Eringer die Direktion und 1931 ging auch er und ließ mich allein. Bis 134 1943 habe ich standgehalten, dann wollte mein Herz nicht mehr recht mitmachen, trotz der gegenteiligen Verordnungen.



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