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Ann Learner hatte sich genötigt gesehen, Mr. Brook zu bitten, sie für einige Tage zu beurlauben. Sie hatte es sehr ungern getan, denn sie wollte keine Trauer vortäuschen, die sie nicht empfand. Aber durch die Ereignisse war ihr plötzlich die Leitung der Geschäfte im Kastanienhaus zugefallen, und es verging kaum eine Stunde, in der sie nicht in Anspruch genommen wurde.
Noch am Tage der Katastrophe war spät abends Crayton erschienen und hatte ihr seine Dienste angeboten.
»Einen besseren Anwalt können Sie nicht finden, Miss Learner«, versicherte er ihr dringlich mit einem vertraulichen Blinzeln. »Ich beschäftige mich zwar sonst nicht mit Erbschaftsangelegenheiten, aber bei Ihnen will ich eine Ausnahme machen. Und Sie werden mit mir zufrieden sein. Wie ich meinen Freund Milner kannte, hat er doch sicher kein Testament hinterlassen, denn davon hat er nie etwas hören wollen.«
Crayton verzog sein Mopsgesicht zu einem hämischen Feixen, dann kam plötzlich etwas Lauerndes in seine unsteten Augen. »Sagen Sie, Miss Ann, was ist das mit den Gerüchten? Ich habe so verschiedenes gehört. Es muß doch gleich geschehen sein, nachdem wir ihn nachts verlassen hatten.«
Ann hatte für die Bekannten ihres Onkels nie etwas übrig gehabt, und der Anwalt war ihr einer der Widerlichsten von allen. Sie hatte keine Lust, sich mit ihm über dieses Thema zu unterhalten, und antwortete daher nur mit einem stummen Achselzucken.
»Sonderbar, sehr sonderbar . . .« murmelte Crayton, kratzte sich mit einem Finger den spärlich behaarten Schädel und schien über etwas nachzudenken. »Und daß Stone auch dabei war . . .« Dann legte sich wieder das unangenehme Grinsen um seinen dünnen, bläulichen Mund.
»Nun, was glauben Sie, Miss Ann, wieviel werden wir erben, he?« fragte er und kniff verschmitzt die Augen zusammen.
Ann sprang empört auf und kehrte ihm den Rücken.
»Dafür habe ich mich noch nicht interessiert, Mr. Crayton«, meinte sie scharf.
»Haben Sie auch nicht nötig, Miss Learner«, kicherte er, und es klang, als ob ein alter Hahn krähte. »Es wird ein recht nettes Sümmchen sein. Ich schätze fünfzig- bis sechzigtausend Pfund, und das wird wohl stimmen.«
Ann war überrascht und wandte sich jäh zu dem Anwalt um.
»Ja, da staunen Sie, was? Er war ein sehr tüchtiger Mann, Ihr Onkel, und hat immer eine feine Nase für Geschäfte gehabt. – Es ist doch wohl alles versiegelt worden?« erkundigte er sich lebhaft. »Passen Sie nur gut auf, Miss Learner, denn es könnte nötig sein.«
»Wir haben zwei Schutzleute im Hause«, gab sie kurz zurück, und Crayton schien von dieser Mitteilung einigermaßen betroffen.
»Ausgezeichnet«, sagte er nachdenklich, »aber etwas seltsam, finden Sie nicht? Man setzt doch nicht so ohne weiteres Polizei in ein Haus. Es muß also doch irgend etwas an dem Gerede sein.«
Als er endlich einsah, daß aus dem jungen Mädchen nichts herauszubekommen war, entschloß er sich zu gehen.
»Also tun Sie nichts ohne mich, Miss Ann«, schärfte er ihr nachdrücklich ein. »Eine Erbschaft ist eine Rechtssache, und jede Rechtssache ist eine knifflige Geschichte, in der man sich auskennen muß, wenn man nicht zu Schaden kommen will.«
Er nahm ohne Umstände ihre Hände und schüttelte sie.
Als er gegangen war, eilte Ann mit gespreizten Fingern zum nächsten Wasserhahn und hielt die Hände minutenlang darunter . . .
Am folgenden Morgen kam aus London ein großes Polizeiauto, und Oberinspektor Burns traf Anordnungen für die Überführung der beiden Toten. Er ging dabei mit übertriebener Umständlichkeit und Vorsicht vor. Kein Wunder, daß der Wagen allgemeines Aufsehen erregte, als er unter der Bedeckung von fünf Polizisten die Rückfahrt antrat.
Dann schien sich Burns im Kastanienhaus gänzlich niederlassen zu wollen. Nick mußte ihm seine ziemlich umfangreiche Handtasche in den kleinen Raum zwischen Eß- und Arbeitszimmer bringen und sich bei dieser Gelegenheit gleich einem scharfen Verhör unterziehen. Aber er brachte es ohne irgendwelche Anstrengung fertig, eine so natürliche Beschränktheit an den Tag zu legen, daß er bald erlöst war.
Dann kamen Mag und Mrs. Emily an die Reihe, aber auch diese vermochten Burns nichts zu sagen, was ihn interessiert hätte.
Ann war in ihrem Zimmer eben mit den Eintragungen in das Haushaltsbuch beschäftigt, als es leise an ihre Tür klopfte Sie wandte überrascht den Kopf, war aber noch nicht dazu gekommen, ›Herein‹ zu rufen, als sich die lange schmächtige Gestalt des Oberinspektors auch schon durch die Tür schob. Er machte eine etwas linkische Verbeugung und saß gleich darauf, ohne eine Einladung abzuwarten, auf dem Stuhl, der neben dem kleinen Schreibtisch stand.
»Guten Abend, Miss Learner. Sie müssen verzeihen, daß ich Sie überfalle, aber ich wollte mir nur einmal auch diese Räumlichkeiten etwas näher ansehen.« Er blickte sich in dem Zimmer um und nickte dann beifällig. »Sehr nett haben Sie es hier.«
Er stand rasch wieder auf, trat zu den Fenstern, blickte interessiert hinaus und ging dann ohne weiteres in das anstoßende Zimmer.
Ann saß mit großen Augen wie gelähmt in ihrem Stuhl und wußte nicht, wie sie sich diesem sonderbaren Eindringling gegenüber verhalten sollte. Nach wenigen Augenblicken kam Burns mit leisen Schritten wieder zurück, und als er ihre betroffenen Blicke bemerkte, schlug er sich lächelnd an die Stirn.
»Schon wieder einmal meine Zerstreutheit, Miss Learner. Sie kennen mich ja gar nicht. – Oberinspektor Burns von Scotland Yard.«
Weder in dem unscheinbaren, bescheidenen Wesen des Mannes noch in seiner sanften Stimme lag etwas, das das bedrückende Gefühl gerechtfertigt hätte, das in Ann Learner plötzlich aufstieg. In ihrem Gesicht wechselten jäh Röte und Blässe, und als der Detektiv wieder neben ihr Platz nahm, suchte sie mit einem scheuen Augenaufschlag zu ergründen, was er wohl von ihr wolle.
»Sie haben hier eine wunderbare Aussicht, Miss Learner. Nach der Straße und nach dem Garten«, meinte er. »Ostseite und Südseite. Wer das auch so haben könnte!« Er seufzte leicht auf und faltete die Hände. »Und dieses Fenster« – er deutete auf das Fenster zur Rechten – »liegt gerade über dem Arbeitszimmer. – Sie waren natürlich auch müde und haben auch sehr fest geschlafen, denn Sie waren ja auch den ganzen Abend in der Küche, Miss Learner. Wenn auch nicht so lange wie die anderen . . .«
Er brach plötzlich ab, und seine ganze Aufmerksamkeit schien einer kleinen Pendüle zu gelten, die auf dem Kamin stand. Er erhob sich wieder, besah sich das alte Stück mit Kennerblicken und murmelte etwas vor sich hin.
»Pflegen Sie die Jalousien zu schließen, bevor Sie schlafen gehen?« hörte Ann plötzlich eine klare, durchdringende Stimme fragen. Burns stand beim Kamin und sah sie mit einem freundlichen Lächeln an. »Ich dachte nämlich, daß Sie vielleicht auf der Straße oder im Garten etwas beobachtet haben könnten«, meinte er leichthin. »Sie sind ungefähr gegen halb zwölf Uhr heraufgekommen, und wenn Sie da zufällig an eines der Fenster getreten wären, wäre es möglich gewesen, daß Ihnen irgend etwas aufgefallen wäre. Vielleicht haben Sie dem gestern keine Bedeutung beigemessen, aber heute ist jede Kleinigkeit von Wichtigkeit. Also denken Sie einmal nach . . .«
Er sprach schon wieder in seinem leisen, etwas schleppenden Tonfall, aber Ann war es, als ob mit jedem Wort eine ernste Gefahr näher kröche. Sie merkte zu ihrer großen Bestürzung, daß der Mann bis auf die Minute unterrichtet zu sein schien, und als er anfing, von den Fenstern zu sprechen, fragte sie sich, ob es sich hierbei wirklich nur um eine Annahme handle oder ob er vielleicht auch hierüber durch irgendeinen unerklärlichen Zufall etwas wisse.
Aber ein Gefühl, über das sie sich selbst nicht klar war, gab ihr den Entschluß ein, nicht zu sprechen, und sie empfand eine gewisse trotzige Befriedigung darüber, daß es dem Beamten unmöglich sein würde, in diesem Punkt einen Beweis zu erbringen. Allerdings schien die Sache den Oberinspektor schon nicht mehr zu interessieren, denn er begann wieder im Zimmer umherzuspazieren und betrachtete mit einer gerade zu kindlichen Neugierde alle möglichen Kleinigkeiten. Sogar einige Fotografien in bescheidenen Rahmen fanden sein Interesse. Eine von ihnen betrachtete er besonders lange und eingehend.
»Wohl Ihre Mutter, Miss Learner . . .?« fragte er, indem er seine Blicke zwischen dem Bild und Ann hin- und hergehen ließ.
Sie nickte und stellte die Fotografien mit peinlicher Genauigkeit wieder an ihren Platz.
»Eine geradezu sprechende Ähnlichkeit. Aber nicht ein Zug von Mr. Milner«, konstatierte er, indem er nochmals prüfend zu dem Bild hinsah. »Ihre Mutter war doch die Schwester Milners?«
Ann bejahte und wunderte sich, daß er auch über die Familienverhältnisse bereits unterrichtet schien.
»Hatte Mr. Milner noch andere Angehörige?« fragte er weiter.
»Soviel mir bekannt ist, nicht. Wenigstens haben Mutter und Onkel Frank nie von solchen gesprochen«, erwiderte Ann, und sie überlegte, warum Burns sie dabei so seltsam ansah.
»Sie müssen sich zuweilen sehr einsam gefühlt haben, Miss Learner«, sagte er plötzlich, und seine Stimme hatte einen warmen, herzlichen Ton. »Das Haus eines Junggesellen ist nichts für ein junges Mädchen.«
»Ich habe meinen Beruf, Mr. Burns«, wandte Ann ernst ein.
Der Oberinspektor lächelte. »Schön. Aber auch der Beruf ist schließlich nicht alles, wenn man« – er sah Ann schmunzelnd ins Gesicht und betrachtete sie – »zwanzig Jahre alt ist.«
»Vierundzwanzig«, verbesserte sie ihn mit einem leichten Lächeln.
»Also vierundzwanzig. Die vier Jahre spielen wirklich keine Rolle. Da braucht ein junges Mädchen doch noch andere Dinge: Freundinnen, ein bißchen Gesellschaft, einen Tanzpartner . . .«
Ann fühlte, wie seine Blicke immer forschender wurden, und das unheimliche Gefühl von vorhin kam wieder über sie.
»Dafür habe ich nie etwas übrig gehabt«, wehrte sie ab, und ihre Mundwinkel zuckten ein klein wenig verächtlich.
Burns saß mit einem Mal wieder neben ihr und begann mit den Fingern nervös auf die Tischplatte zu trommeln.
»Seit wann kennen Sie Mr. Harry Reffold, Miss Learner . . .?« Er hatte die Frage leicht hingeworfen und dabei schon wieder nach einem Gegenstand geblickt, der ihm zu gefallen schien, aber Ann war jäh emporgefahren, und die Hände, mit denen sie sich auf den Schreibtisch stützte, zitterten.
Der Detektiv drückte sie fürsorglich in ihren Stuhl zurück, und seine Hand strich beruhigend über ihren Arm.
»Aber, Miss Learner, das ist doch kein Grund, so zu erschrecken.« Er lächelte verschmitzt und drohte ihr mit dem Finger. »Der Beruf genügt eben doch nicht ganz für eine junge Dame. Aber damit wir bei der Sache bleiben: Wann und wo haben Sie also Mr. Reffold kennengelernt?«
Ann merkte, daß es auf dieses beharrliche Fragen kein Ausweichen gab, und sie überlegte blitzschnell, wie weit sie gehen durfte, ohne Reffold bloßzustellen, denn sie war nicht gewillt, die Verdachtsgründe, die gegen ihn vorliegen mochten, durch ihre Aussage noch zu verstärken.
»Vor etwa drei Wochen während der Fahrt von London hierher«, antwortete sie nun ohne weiteres, aber Burns merkte sofort, daß er auch weiterhin kein leichtes Spiel mit ihr haben werde.
»Und sind Sie seither öfter mit ihm zusammengetroffen?«
Ann sah ihn spöttisch an.
»Seit wann examiniert die Polizei junge Damen über solche Angelegenheiten? Im übrigen nehme ich an, daß Sie auch darüber informiert sein dürften, da Sie doch schon so viel zu wissen scheinen.«
Burns nahm die Ironie mit einem höchst freundlichen Gesicht hin und schien sie gar nicht zu verstehen. Jedenfalls aber ließ er sich dadurch nicht irremachen.
»Wissen Sie vielleicht etwas Näheres über den jungen Mann?«
Ann entschied sich dafür, den bisherigen Ton beizubehalten, da er ihr am wenigsten verfänglich schien.
»Ich bedaure, Ihnen nicht dienen zu können, Mr. Burns«, sagte sie sehr höflich. »Da mir Mr. Reffold noch keinen Heiratsantrag gemacht hat, hielt ich es nicht für schicklich, mich nach seinen Verhältnissen zu erkundigen.«
Sie sah den Oberinspektor herausfordernd an und er quittierte mit seinem sanften Lächeln.
»Sehr mitteilsam sind Sie gerade nicht, Miss Learner. Da hat es wohl keinen Zweck, wenn ich Sie frage, ob Mr. Reffold schon einmal hier im Hause war . . .?«
Das junge Mädchen fuhr empört auf. »Mr. Burns . . .«
»Also nicht«, fiel er beschwichtigend ein. »Ich dachte nur, daß er sich vielleicht für die Verhältnisse im Kastanienhaus interessiert haben könnte. Aber ich habe Sie nun schon allzulange in Anspruch genommen, Miss Learner, und Sie werden gewiß wichtigere Dinge zu tun haben, als meine Neugierde zu befriedigen.«
Er schüttelte ihr herzlich die Hand und verschwand mit seinen leisen Schritten wie ein Schatten.
Einige Augenblicke später vernahm Ann, wie er im Flur mit ziemlich lauter Stimme sprach, und gleich darauf hörte sie die Haustür ins Schloß fallen.
Sie trat rasch ans Fenster und konnte gerade noch sehen, wie er mit langen Schritten das Gartengitter entlangstapfte und dann um die nächste Ecke verschwand.
Sie zögerte und schien zu überlegen – dann eilte sie die Treppe hinab und blickte vorsichtig ins Eßzimmer. Als sie es leer fand, huschte sie zum Telefon und rief mit nervöser Stimme die Pension von Mrs. Benett an.
»Bitten Sie Mr. Reffold zum Apparat. Sagen Sie ihm, es sei sehr dringend«, sagte sie hastig, als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete.
Sie mußte ziemlich lange warten und konnte alle Geräusche in dem Raum, mit dem sie verbunden war, vernehmen.
Endlich hörte sie, wie sich rasche, feste Schritte näherten, und gleich darauf schlug Reffolds fragende Stimme an ihr Ohr.
»Mr. Reffold . . .?« Sie lauschte gespannt auf die Antwort, dann flüsterte sie überstürzt: »Seien Sie auf Ihrer Hut. Die Polizei scheint sich für Sie zu interessieren. Man hat mich über Sie ausgefragt, aber ich habe nichts gesagt. Natürlich auch vom Garten nichts. Also richten Sie sich danach.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte sie den Hörer auf die Gabel und atmete tief auf.
Als sie sich umwandte und das Zimmer verlassen wollte, mußte sie rasch nach der Anrichte fassen, um nicht in die Knie zu sinken. In der Tür zum Nebenzimmer stand Burns und sah sie mit einem strahlenden Lächeln an.
»Also Geheimnisse, Miss Learner«, meinte er und drohte schalkhaft mit dem Finger. »Wer hätte das gedacht!«
Dann ging er wirklich und schien es nun tatsächlich sehr eilig zu haben.
Mrs. Benett hatte einen scharfen Blick und war eine ausgezeichnete Menschenkennerin; für die Herren von der Polizei aber hatte sie eine geradezu instinktmäßige Witterung. Als Burns das Privatkontor in der ›Queen Victoria‹ betrat, war sich daher Mrs. Benett über diesen Besuch sofort im klaren.
Der Oberinspektor hatte kaum in seiner höflichen Art begonnen: »Ich möchte Sie um einige Auskünfte bitten . . .«, als ihn Mrs. Benett auch schon in das Kreuzfeuer ihrer schwarzen Augen nahm und ihm einen Klubsessel zurechtrückte.
»Wollen Sie, bitte, Platz nehmen, Herr Oberinspektor.«
Burns war von diesem Scharfblick äußerst überrascht und sah die höfliche Dame betroffen von der Seite an.
»Ich habe wohl das Vergnügen, mit Mrs. Benett zu sprechen? Verehelichte Thompson?«
Mrs. Benett liebte es nicht, wenn man diesen Punkt berührte, und wenn dies von Seiten der Polizei geschah, so hatte sie ein doppelt unangenehmes Gefühl, weil sie dann stets befürchten mußte, daß es sich um eine neue Lumperei ihres früheren Mannes handelte.
Aber der Oberinspektor ließ sie nicht lange im Zweifel, sondern ging geradewegs auf sein Ziel los.
»Ich möchte von Ihnen einiges über einen gewissen Mr. Harry Reffold wissen, der bei Ihnen logiert«, sagte er geschäftsmäßig. »Vor allem würde es mich interessieren, ob er die Nacht von Samstag auf Sonntag, also von vorgestern auf gestern zu Hause verbracht hat, beziehungsweise wann er heimgekommen ist. – Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß ich in amtlicher Eigenschaft frage«, er präsentierte ihr mit einem raschen Taschenspielergriff seine blinkende Polizeimarke, »und daß Sie Ihre Angaben eventuell werden verantworten müssen.«
Da war es also, was Mrs. Jane seit zwei Tagen stündlich erwartet hatte, und die Frage vermochte sie daher auch nicht eine Sekunde aus der Fassung zu bringen.
»Jawohl, Herr Oberinspektor«, bemerkte sie und neigte leicht den Kopf. »Ich stehe natürlich ganz zu Ihren Diensten. Nur weiß ich nicht«, sie zog etwas die Bräuen hoch und schien einigermaßen ratlos, »ob ich Ihnen so behilflich sein kann, wie ich möchte. Ich lasse natürlich meine Gäste nicht kontrollieren. Aber wir werden ja gleich sehen.«
Mrs. Jane tippte gemessen auf eine Taste, und gleich darauf flog ein sehr hübsches Stubenmädchen ins Kontor.
»Bessie«, fragte die Herrin und kramte dabei in den Papieren auf ihrem Schreibtisch, »kannst du dich erinnern, ob Mr. Reffold vorgestern abend zu Hause war oder wann er heimgekommen ist?«
Mrs. Benett tat so, als ob sie die Antwort nicht weiter interessiere, und setzte rasch eine Unterschrift unter einen Brief.
Bessie aber legte den Finger an ihr zierliches Stupsnäschen und dachte eine Weile angestrengt nach.
»Jawohl«, sagte sie plötzlich eifrig und bestimmt. »Da ist ja Mr. Reffold gar nicht ausgegangen, sondern den ganzen Abend daheimgeblieben, weil ihm nicht gut war. Sie wissen doch, Madam, daß Sie uns selbst aufgetragen haben, rasch zur Hand zu sein, wenn der Herr etwas brauchen sollte.«
Mrs. Jane sah mit dem einen Auge verbindlich auf Burns, der etwas enttäuscht schien, und ließ das andere gelangweilt durchs Fenster schweifen.
»Allerdings . . . Ich erinnere mich jetzt auch«, meinte sie. »Sie können einstweilen in meine Zimmer gehen, Bessie, und nach den Blumen sehen.«
Als das Mädchen verschwunden war, wurde Mrs. Benett plötzlich sehr ernst und feierlich.
»Es ist natürlich eine verantwortungsvolle Sache um so eine Aussage«, bemerkte sie zu Burns, »und ich möchte mich daher auf Bessies Gedächtnis doch nicht so ohne weiteres verlassen. Wenn es Ihnen recht ist, will ich noch das zweite Mädchen kommen lassen. Jedenfalls kann es nicht schaden.«
Sie wartete die Zustimmung des Oberinspektors nicht erst ab, sondern tippte wieder, und das andere Mädchen kam. Es war lange nicht so hübsch wie Bessie und auch nicht so freundlich. Als Mary die Frage vernommen hatte, zog es wie eine unliebsame Erinnerung über ihr breites, sommersprossiges Gesicht. »Natürlich weiß ich das. Mir ist ja dadurch die ganze Nacht verdorben worden, und gestern sollte ich doch mit Ihrer Erlaubnis tanzen gehen, Madam. Aber wenn man die Nacht vorher in den Kleidern geschlafen hat, so ist einem dieses Vergnügen gehörig verleidet . . .«
Mrs. Benett sah das Mädchen mit großen, fragenden Augen an.
»Jawohl, Madam«, greinte Mary. »Sie hatten ja befohlen, daß wir Mr. Reffold nicht zu lange warten lassen sollten, wenn er klingeln würde, und ich kann doch nicht so in das Zimmer eines Herrn laufen, wie ich gewöhnlich im Bett liege . . .«
Mrs. Benett blickte den Beamten sehr verschämt und um Entschuldigung bittend an und hieß dann Mary mit einer kurzen Handbewegung gehen.
Als Mary die Tür öffnete, fragte Burns plötzlich: »Nun, hat er geklingelt?«
»Gott sei Dank nicht«, gab das Mädchen schnippisch zurück und sah ihn von oben bis unten an. »Das hätte mir noch gefehlt . . .«
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, kreuzten sich die Blicke von Mr. Burns und Mrs. Benett wie Dolchklingen.
Der Oberinspektor schien etwas ratlos zu sein, Mrs. Jane aber aufrichtig betrübt, daß sie ihm nicht eine andere Auskunft hatte beschaffen können.
»Hat Ihre Pension vielleicht einen Nebenausgang, durch den sich Ihre Gäste unbemerkt entfernen können?« fragte Burns nach einer etwas peinlichen Pause.
Mrs. Benett war sehr gekränkt. »Was glauben Sie, Mr. Burns! Meine Pension ist doch kein Fuchsbau, aus dem man nach Belieben nach allen Seiten entweichen kann!«
Der Detektiv erhob sich und bürstete seinen abgegriffenen Hut umständlich mit dem Ärmel. »Ist Mr. Reffold zu Hause?«
Mrs. Benett hob bedauernd die vollen Schultern. »Ich werde sofort nachsehen lassen. Soll ich Sie anmelden?«
»Nein, danke«, lehnte Burns rasch ab. »Ich möchte lieber gleich selbst zu ihm gehen.«
»Bitte, wie Sie wünschen. Zimmer Nr. 12 bis 14 im ersten Stock rechts«, sagte Mrs. Benett sehr zuvorkommend, und der Oberinspektor machte eine linkische Verbeugung.
»Sie werden wohl kaum überrascht sein«, sagte er einige Minuten später, als ihn Reffold in sein Zimmer einließ, und lächelte dabei vergnügt. »Miss Learner war ja so liebenswürdig, mich bei Ihnen bereits anzumelden.«
Harry deutete höflich auf einen Sessel und zog überrascht die Brauen hoch.
»Ah, also Miss Learner war das? Ich hatte die Stimme wirklich nicht erkannt.«
Burns nickte mit einem leichten Schmunzeln. »Jawohl. Und ich habe mir die Freiheit genommen, zuzuhören.«
Er machte ein Gesicht, als ob er einen gewaltigen Trumpf ausgespielt hätte, und ließ Reffold nicht aus den Augen.
Dieser lächelte sehr fein. »Aha, ich verstehe: Ein kleiner netter Trick! Sie sind wohl aus dem Haus gegangen, um im Bogen wiederzukehren und Miss Learner beim Telefon abzufangen? Großartig. Ich hoffe nur, Mr. Burns«, seine Stimme bekam einen anderen Klang, und er sah den Detektiv eigentümlich an, »daß Sie die junge Dame nicht allzusehr erschreckt haben. Sie hat sicher nichts Böses beabsichtigt.«
Burns beruhigte ihn durch eine leichte Geste. »Oh, ich bin nicht so. Besonders jungen Damen gegenüber nicht«, versicherte er. Er betrachtete das gesunde, einnehmende Gesicht seines Gegenübers verstohlen aus den Augenwinkeln und schien in seiner Erinnerung zu suchen.
»Ich kann Ihnen über die Einleitung hinweghelfen, Mr. Burns«, sagte Reffold, schob dem Oberinspektor eine Zigarrenkiste hin, schlug die langen Beine übereinander und lächelte vergnügt. »Wozu sollen Sie sich erst lange den Kopf zerbrechen. Wir haben uns, soviel ich weiß, noch nie gesehen, und in Ihrem Familienalbum in Scotland Yard werden Sie mich auch nicht finden. – Das war es wohl, worüber Sie nachgedacht haben?«
Burns wählte sich sorgfältig eine der teuren Importen aus, biß die Spitze ab und begann gemächlich zu rauchen. »Mr. Reffold, wir wollen nicht Versteck spielen«, meinte er. »Irgendwie haben Sie bei der Sache im Kastanienhaus die Hände im Spiel gehabt, ich weiß augenblicklich nur noch nicht wie. Aber ich werde es herausbringen, darauf können Sie sich verlassen. Und dann wird die Sache für Sie vielleicht unangenehmer ausfallen, als wenn wir uns jetzt offen aussprechen.«
Harry faltete die Hände über den Knien, und der Oberinspektor bewunderte die wohlgepflegten starken Nägel.
»Sie sind so nett, Mr. Burns, daß ich Ihnen schon deshalb sofort eine umfassende Beichte ablegen würde, wenn ich etwas zu berichten hätte. Aber mein Gewissen ist so rein, daß ich mir nicht erklären kann, wodurch ich Ihre Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe.« Er wippte mit dem einen Fuß, und Burns' Blick wurde von dem eleganten schmalen Straßenschuh gefesselt.
»So ein Fuß müßte einen charakteristischen Abdruck geben, meinen Sie nicht?« grinste er, und in seine Augen kam ein eigentümliches Leuchten.
Reffold besah sich nachdenklich seinen Fuß. »Allerdings. Sehr charakteristisch.«
»Wollen wir eine kleine Probe machen?« fragte Burns mit einem sanften Lächeln und zog einen Bogen Papier aus der Tasche, den er langsam entfaltete.
»Mit Vergnügen, Mr. Burns, wenn Ihnen damit gedient ist«, erklärte Reffold. »Wollen Sie den rechten oder den linken?«
Der Oberinspektor besah sich seinen Bogen. »Sagen wir, den rechten . . .«
Er glättete das Papier, legte es rasch auf den Boden, und Harry setzte den Fuß in die mit schwarzem Stift dick umrissenen Konturen.
»Ungefähr dreiviertel Zentimeter schmaler und mindestens anderthalb Zentimeter kürzer, lieber Oberinspektor«, konstatierte er sachlich. »Außerdem ist das, was Sie hier haben, anscheinend ein Plattfuß.«
»Gummisohlen . . .«, brummte Burns und faltete übellaunig seinen Bogen zusammen. »Übrigens, sagen Sie mir doch einmal, was Sie hier in Newchurch eigentlich machen«, fuhr er dann in seinem sanftesten Tonfall fort. »Soviel mir bekannt ist, haben Sie keinen Beruf, der Sie hier festhalten würde, und es ist doch einigermaßen auffallend, wenn ein Mann wie Sie sich wochenlang in solch ein Nest setzt.«
Reffold sah den Oberinspektor erstaunt an. »Ich erhole mich«, meinte er mit würdevollem Nachdruck. »Und soviel mir bekannt ist, steht es jedem Engländer frei, dies zu tun, wo es ihm beliebt. Was das ›Nest‹ betrifft, so geht eben unser Geschmack in dieser Hinsicht auseinander. Mir gefällt es hier ausgezeichnet«, versicherte er und zeigte Burns lächelnd seine weißen Zähne.
Burns hatte das unangenehme Gefühl, in der ›Queen Victoria‹ auf der ganzen Linie abgeschlagen worden zu sein, und dieses Gefühl machte ihn gereizt.
Bevor er ging, wollte er wenigstens noch eine kleine Genugtuung haben und zu verstehen geben, daß er sich nicht so leicht zum Narren halten lasse.
»Wenn Sie sich nächstens nicht wohl fühlen, Mr. Reffold«, riet er wohlwollend und klopfte ihm gemütlich auf die Schultern, »und die armen Mädchen Ihretwegen in den Kleidern schlafen müssen, dann passen Sie auf, daß Ihre Sachen nicht eigenmächtig nächtliche Spaziergänge unternehmen. Sie könnten dadurch ganz unschuldig in ernste Unannehmlichkeiten geraten. Das hier«, er griff in die Westentasche und hielt Reffold rasch ein kleines, silbernes Schildchen unter die Augen, »habe ich unter dem Fenster von Milners Arbeitszimmer gefunden. Wie Sie sehen, sind die Initialen H. R. darauf eingraviert, und ich möchte wetten, daß es zu der Zigarrentasche gehört, die hier auf dem Tischchen liegt und eine so auffallend leere Ecke hat.«
Damit ließ Burns das Schildchen rasch wieder verschwinden und steckte gleichzeitig auch die Zigarrentasche zu sich.
»Sie entschuldigen, Mr. Reffold«, meinte er, »ich möchte nur die Sache in aller Ruhe etwas näher untersuchen.«
»Bitte, Mr. Burns«, erwiderte Harry mit verbindlichem Lächeln. »Aber ich an Ihrer Stelle würde die Zeit lieber dazu verwenden, ein bißchen in den Trümmern des Wildhüterhauses herumzustochern, das heute nacht niedergebrannt ist.«
Der Oberinspektor sah ihn mit einem raschen, forschenden Blick an, dann machte er ihm einen tiefen Bückling und verließ eiligen Schrittes und sehr nachdenklich die ›Queen Victoria‹.
Inspektor Webster erwartete Burns bereits ungeduldig vor der Tür des Kastanienhauses. Er war vor einer Weile aus London gekommen, geladen mit Neuigkeiten, die er loswerden wollte.
»Also, Dr. Shipley ist wieder da«, rief er freudig erregt. »Man hat ihn in der Nacht zurückgebracht und einfach vor die Haustür gestellt. Weiter ist nichts aus ihm herauszubringen. Er sieht sehr elend aus, ist aber doch heute früh bei der Totenschau gewesen. Die anderen Ärzte haben alle den Kopf geschüttelt, aber sein Befund lautet auf ›Tod durch Einatmung giftiger Dämpfe‹. Er hat der Kommission auch einen langen Vortrag gehalten, allerdings habe ich die Geschichte nicht recht verstanden. Ich bin ja kein Mediziner. Für uns ist die Hauptsache, daß Mordverdacht besteht. Ich habe Ihnen das Protokoll mitgebracht. Nun wissen wir also wenigstens, woran wir sind. Gibt es hier etwas Neues?«
Burns schüttelte melancholisch den Kopf, und als sie im Arbeitszimmer angelangt waren, vor dem ein Polizist Wache hielt, ließ er sich zunächst das Schriftstück geben. Er las es sehr aufmerksam durch, wobei er wiederholt innehielt und seine Blicke forschend durch den Raum schweifen ließ. Plötzlich schien ihm ein Einfall gekommen zu sein, und er dachte lange nach, wobei er sich den Platz vor dem Kamin aufmerksam ansah. Dann faltete er das Papier zusammen und steckte es zu sich.
»Haben Sie über die Gäste Erkundigungen einziehen lassen?« fragte er Webster, der planlos in allen Winkeln herumstöberte.
»Jawohl«, antwortete dieser, »alles besorgt. Es wird aber für uns dabei kaum etwas herausschauen. Einwandfreie Leute . . .« Er nahm am Schreibtisch Platz, zog einige Blätter aus seinem Taschenbuch und breitete sie vor sich aus. »Wollen Sie hören? Natürlich nur das Wichtigste, denn unsere Leute tragen ja immer zusammen, was sie nur kriegen können, und unsereiner kann sich dann durchbeißen.«
Burns nickte, und Webster begann in seinen Notizen zu blättern. »Also, da wäre zunächst Ernest Crayton. Einundfünfzig Jahre alt, Rechtsanwalt, Somerstown, Patschutt-Street 9. Ledig, hat aber ein Verhältnis mit Mrs. Joyce Winner, Witwe eines Eisenbahnangestellten, achtundvierzig Jahre alt. Ziemlich bedeutende Klientel, aber aus sehr zweifelhaften Kreisen. Hat unter anderen Jack Cornfield verteidigt, der wegen eines großen Kasseneinbruchs angeklagt war, und Miss Else Flesh, die wegen Wechselfälschungen vor Gericht stand. Beide freigesprochen. Persönlich nicht vorbestraft und nach den Polizeiakten einwandfrei.« Webster steckte seine Pfeife in Brand. »Dann hätten wir hier Dr. Charles Warner. Achtundfünfzig Jahre alt . . .«
Burns unterbrach ihn. »Brauchen wir nicht . . .«
»Hab ich mir auch gedacht«, nickte der Inspektor. »Aber es sind einige ganz nette Sachen, die man da erfährt. Der gute Mann soll jede Woche zweimal nach London fahren und dort alle Unterhaltungslokale abgrasen, in denen es gefällige Damenbedienung gibt.«
»Lassen Sie ihm doch das Vergnügen«, meinte Burns ungeduldig.
»Nun, meinetwegen. Alle Hochachtung, wenn er das in seinem Alter noch aushält . . . Nun kommt also Mr. Robert Vane, Chef von Praighton & Wellmann, dreiundfünfzig Jahre alt. War Bankangestellter, heiratete dann die Tochter des alten Arthur Praighton und übernahm die Firma. Jetzt Witwer. Altes Bankhaus, nicht mehr das, was es war, aber noch immer gute Provinzkundschaft. Hauptsächlich Überseespekulationen und Exoten. Persönliche Verhältnisse: Sehr wohlhabend, führt großes Haus. Hat gesellschaftliche Beziehungen zu hohen Stellen, besonders zum Schatzamt und zum Kolonialamt und zu mehreren Parlamentsmitgliedern . . .«
»Weiß ich alles«, meinte Burns, »weiter . . .«
»Warum sagen Sie das nicht gleich?« brummte Webster etwas unwirsch. »Glauben Sie, es macht mir Vergnügen, so viel zu reden? – Thomas Flesh, Brompton, Beak-Street 12, eine der größten Handelsfirmen Englands. Vierundvierzig Jahre alt, ledig. Ist am Kleinen Westend-Theater und am Chinelly-Theater beteiligt. Verkehrt viel in Künstlerkreisen und steht in Beziehungen zu verschiedenen bekannten Artistinnen. – Glauben Sie, daß dieser Mann ein Interesse daran hatte, Milner und Stone umzubringen?«
»Warum nicht?« warf Burns lakonisch ein. Webster machte ein ziemlich verblüfftes Gesicht.
»Na, schön . . . Hätten wir also noch Oberst Roy Gregory, zweiundfünfzig Jahre. Erst Kavallerieoffizier, dann beim Stab von Kitchener. Im Kriege wiederholt ausgezeichnet. Seit 1920 bei der indischen Armee in verschiedenen Spezialverwendungen. Hat vor ungefähr vier Monaten seinen Abschied genommen. Gründe unbekannt. Kriegsministerium auf vertrauliche Anfrage sehr reserviert. Scheint sehr vermögend zu sein, da auf großem Fuße lebend . . . Komische Auskunft, wie?«
Der Oberinspektor hatte das Kinn in die Hand gestützt und sann eine Weile nach.
»Es wird vielleicht notwendig sein, Webster«, unterbrach er das Schweigen, »daß Sie hier in Newchurch bleiben. Können Sie es so einrichten?«
Webster horchte interessiert auf. »Wenn es sein muß, warum nicht? Wie Sie wissen, hat ja der Chef selbst angeordnet, daß ich den Fall mit bearbeiten soll. Haben Sie vielleicht eine besondere Aufgabe für mich?« Er sah Burns erwartungsvoll an.
Dieser nickte. »Logieren Sie sich in der ›Queen Victoria‹ ein und schenken Sie Mr. Reffold, der dort wohnt, Ihre Aufmerksamkeit. Aber seien Sie vorsichtig, denn der Mann ist nicht so einfach zu behandeln.«
»Das lassen Sie meine Sorge sein«, meinte Webster kurz und warf sich in die Brust. »Ich bin auch nicht von gestern und habe schon mit verschiedenen geriebenen Kunden zu tun gehabt. Glauben Sie, daß wir da auf einer Spur sind?«
Burns rieb sich nachdenklich die Nase. »Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Aber vielleicht wenigstens auf einer Spur, die uns auf die Spur führt . . .«
Der Inspektor machte ein etwas langes Gesicht und dachte eine Weile nach, um hinter den Sinn dieser Worte zu kommen.
»Wissen Sie, Burns«, sagte er dann, »ich möchte in dieser Sache gern noch Erfolg haben, denn Ende dieses Jahres nehme ich meinen Abschied.«
Burns sah ihn aus melancholischen Augen an.
»Das ist eine ausgezeichnete Idee, lieber Webster«, meinte er mit einem tiefen Seufzer. »Denn wenn wir in dieser verdammten Geschichte nichts ausrichten, so wird man uns ohnehin beide zum Teufel jagen.«