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v. Keith beklommen Ich fürchte, offen gesagt, weniger, daß ihr ein Unglück zugestoßen ist, als daß mir ihr Verschwinden den Boden unter den Füßen wegzieht. Wenn das nicht von Menschlichkeit zeugt, dann sitze ich dafür seit drei Tagen Nacht für Nacht auf dem Telegraphenamt. – Mein Verbrechen an ihr besteht darin, daß sie, seit wir uns kennen, nie ein böses Wort von mir gehört hat. Sie verzehrt sich vor Sehnsucht nach ihrer kleinbürgerlichen Welt, in der man, Stirn gegen Stirn geschmiedet, sich duckt und schuftet und sich liebt! Kein freier Blick, kein freier Atemzug! Nichts als Liebe! Möglichst viel und von der gewöhnlichsten Sorte!
Anna Wenn man Molly nun nicht findet, was dann?
v. Keith Ich kann getrost darauf bauen, daß sie, wenn mir das Haus über dem Kopf zusammengekracht ist, reumütig lächelnd zurückkommt und sagt: »Ich will es nicht wieder tun.« – Ihr Zweck ist erreicht; ich kann mein Bündel schnüren.
Anna Und was wird dann aus mir?
v. Keith Du hast bei unserem Unternehmen bis jetzt am meisten gewonnen und wirst, so hoffe ich, noch mehr bei unserem Unternehmen gewinnen. Verlieren kannst du nichts, weil du mit keinem Einsatz dabei beteiligt bist.
Anna Wenn das sicher ist?!
v. Keith Ach so... ?!
Anna Ja, ja!
v. Keith Was hast du ihm denn geantwortet?
Anna Ich schrieb ihm, ich könne ihm noch keine Antwort geben.
v. Keith Das hast du ihm geschrieben?!
Anna Ich wollte erst mit dir darüber sprechen.
v. Keith packt sie am Handgelenk und schleudert sie von sich Wenn es nicht anders bei dir steht, als daß du mit mir darüber sprechen mußt, dann – heirate ihn!!
Anna Wer von Gefühlen so verächtlich denkt wie du, müßte doch über rein praktische Fragen ruhig mit sich reden lassen!
v. Keith Laß meine Gefühle hier aus dem Spiel! Mich empört, daß du nicht mehr Rassestolz in dir hast, um deine Erstgeburt für ein Linsengericht zu verkaufen!
Anna Was nicht du bist, das ist dir Linsengericht!
v. Keith Ich kenne meine Schwächen; aber das sind Haustiere! Dem einen fehlt es im Hirn und dem andern im Rückenmark! Willst du Wechselbälge zur Welt bringen, die vor dem achten Tage nicht sehen können?! – Ich gebe dir mit Freuden, wenn es mit mir vorbei sein soll, was ich von meiner Seelenglut in dich hineingelebt, auf deine Karriere mit. Aber wenn du dich vor deinem Künstlerlos hinter einen Geldsack verschanzest, dann bist du heute schon nicht mehr wert als das Gras, das dereinst aus dem Grabe wächst!
Anna Hättest du wenigstens den geringsten Anhaltspunkt darüber, was aus Molly geworden ist!
v. Keith Beschimpf mich nicht noch! – Ruft Sascha!
Anna Wenn du denn durchaus darauf bestehst, daß wir uns trennen sollen...
v. Keith Gewiß, ich bestehe darauf.
Anna Dann gib mir meine Briefe zurück!
v. Keith höhnisch Willst du deine Memoiren schreiben?
Anna Nein, aber sie könnten in falsche Hände geraten.
v. Keith aufspringend Sascha!!
Anna Was willst du von Sascha? – Ich habe Sascha einen Auftrag gegeben.
v. Keith Wie kommst du dazu?!
Anna Weil er zu mir kam. Ich habe das doch schon öfter getan. Im schlimmsten Fall weiß der Junge, wo er etwas zu verdienen findet.
v. Keith sinkt in den Sessel am Schreibtisch Mein Sascha! Wischt sich eine Träne aus dem Auge Daß du auch ihn nicht vergessen hast! – – Wenn du jetzt das Zimmer verläßt, Anna, dann breche ich zusammen wie ein Ochse im Schlachthaus. – Gib mir noch eine Galgenfrist!
Anna Ich habe keine Zeit zu verlieren.
v. Keith Nur so lange, bis ich mich deiner entwöhnt habe, Anna! – Ich bedarf meiner geistigen Klarheit jetzt mehr denn je...
Anna Gibst du mir dann meine Briefe zurück?
v. Keith Du bist grauenhaft! – Aber das ist ja das helle Mitleid von dir! Ich soll dich wenigstens verfluchen dürfen, wenn du nicht mehr meine Geliebte bist.
Anna Du lernst deiner Lebtag keine Frau richtig beurteilen!
v. Keith sich stolz emporreckend Ich widerrufe meinen Glauben nicht auf der Folter! Du gehst mit dem Glück; das ist menschlich. Was du mir warst, bleibst du darum doch.
Anna Dann gib mir meine Briefe zurück.
v. Keith Nein, mein Kind! Deine Briefe behalte ich für mich. Sonst zweifle ich dereinst auf meinem Sterbebett, ob du nicht vielleicht nur ein Hirngespinst von mir gewesen bist. Ihr die Hand küssend Viel Glück!
Anna Auch ohne dich! Ab.
v. Keith allein, sich unter Herzkrämpfen windend – Ah! – Ah! Das ist der Tod! – Er stürzt zum Schreibtisch, entnimmt einem Schubfach eine Handvoll Briefe und eilt zur Tür Anna! Anna!
In der offenen Tür tritt ihm Ernst Scholz entgegen. Scholz geht unbehindert, ohne daß man ihm noch eine Spur von seiner Verletzung anmerkt.
v. Keith zurückprallend ... Ich wollte eben zu dir ins Hotel fahren.
Scholz Das hat keinen Zweck mehr. Ich reise ab.
v. Keith Dann gib mir aber noch die zwanzigtausend Mark, die du mir gestern versprochen hast!
Scholz Ich gebe dir kein Geld mehr.
v. Keith Die Karyatiden zerschmettern mich! Man will mir meinen Direktionsposten nehmen!
Scholz Das bestärkt mich in meinem Entschluß.
v. Keith Es handelt sich nur darum, eine momentane Krisis zu überwinden!
Scholz Mein Vermögen ist mehr wert als du! Mein Vermögen sichert den Angehörigen meiner Familie noch auf unendliche Zeiten eine hohe, freie Machtstellung! Währenddem du nie dahin gelangst, einem Menschen irgend etwas zu nützen!
v. Keith Wo nimmst du Schmarotzer die Stirne her, mir Nutzlosigkeit vorzuwerfen?!
Scholz Lassen wir den Wettstreit! – Ich leiste endlich den großen Verzicht, zu dem sich so mancher einmal in diesem Leben verstehen muß.
v. Keith Was heißt das?
Scholz Ich habe mich von meinen Illusionen losgerissen.
v. Keith höhnisch Schwelgst du wieder mal in der Liebe eines Mädchens aus niedrigstem Stande?
Scholz Ich habe mich von allem losgerissen. – Ich gehe in eine Privatheilanstalt.
v. Keith aufschreiend Du kannst keine nichtswürdigere Schandtat begehen als den Verrat an deiner eigenen Person!
Scholz Deine Entrüstung ist mir sehr begreiflich. – Ich habe in den letzten drei Tagen den grauenvollsten Kampf durchgekämpft, der einem Erdenwurm beschieden sein kann.
v. Keith Um dich feige zu verkriechen?! – Um als Sieger auf deine Menschenwürde zu verzichten?!
Scholz aufbrausend Ich verzichte nicht auf meine Menschenwürde! Du hast weder Ursache, mich zu beschimpfen, noch meiner zu spotten! – Wenn jemand die Beschränkung, in die ich mich finde, gegen seinen Willen über sich verhängen lassen muß, dann mag er seiner Menschenwürde verlustig gehen. Dafür bleibt er relativ glücklich; er wahrt sich seine Illusionen. – Wer kalten Blickes wie ich mit der Wirklichkeit abrechnet, der kann sich dadurch weder die Achtung noch die Teilnahme seiner Mitmenschen verscherzen.
v. Keith zuckt die Achseln Ich würde mir diesen Schritt doch noch ein wenig überlegen.
Scholz Ich habe ihn reiflich überlegt. Es ist die letzte Pflicht, die mein Geschick mir zu erfüllen übrigläßt.
v. Keith Wer einmal drin ist, kommt so leicht nicht wieder heraus.
Scholz Hätte ich noch die geringste Hoffnung, jemals herauszukommen, dann ginge ich nicht hinein. Was ich mir an Entsagung aufbürden, was ich meiner Seele an Selbstüberwindung und Hoffnungsfreudigkeit entringen konnte, habe ich aufgewandt, um mein Los zu ändern. Mir bleibt, Gott sei's geklagt, keinerlei Zweifel mehr darüber, daß ich anders geartet als andre Menschen bin!
v. Keith im höchsten Stolz Gott sei Dank habe ich nie daran gezweifelt, daß ich anders geartet als andere Menschen bin!
Scholz sehr ruhig Sei es nun Gott geklagt oder Gott gedankt – dich hielt ich bis jetzt für den abgefeimtesten Spitzbuben! – Ich habe auch diese Illusion aufgegeben. Ein Spitzbube hat Glück, so wahr wie dem ehrlichen Menschen auch im unabänderlichen Mißgeschick noch sein gutes Gewissen bleibt. Du hast nicht mehr Glück als ich, und du weißt es nicht. Darin liegt die entsetzliche Gefahr, die über dir schwebt!
v. Keith Über mir schwebt keine andere Gefahr, als daß ich morgen kein Geld habe!
Scholz Du wirst zeit deines Lebens morgen kein Geld haben! – Ich wüßte dich vor den heillosen Folgen deiner Verblendung gerne in Sicherheit. Deswegen komme ich noch einmal zu dir. Ich habe die heilige Überzeugung, daß es für dich das beste ist, wenn du mich begleitest.
v. Keith lauernd Wohin?
Scholz In die Anstalt.