Frank Wedekind
Die vier Jahreszeiten
Frank Wedekind

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Winter

Der Tantenmörder

    Ich hab' meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ich hatte bei ihr übernachtet
Und grub in den Kisten-Kasten nach.

Da fand ich goldene Haufen,
Fand auch an Papieren gar viel
Und hörte die alte Tante schnaufen
Ohn' Mitleid und Zartgefühl.

Was nutzt es, daß sie sich noch härme –
Nacht war es rings um mich her –
Ich stieß ihr den Dolch in die Därme,
Die Tante schnaufte nicht mehr.

Das Geld war schwer zu tragen,
Viel schwerer die Tante noch.
Ich faßte sie bebend am Kragen
Und stieß sie ins tiefe Kellerloch. –

Ich hab' meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ihr aber, o Richter, ihr trachtet
Meiner blühenden Jugend-Jugend nach.

Auf dem Faulbett

    Auf mein Faulbett hingestreckt
Überdenk' ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt.
Daß ich nur immer klage.

Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jeder Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.

Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst überwunden –
Und dennoch, ich vergess' es nie,
Es waren doch schöne Stunden.

Trost

    Der Tod kommt bald und sicher,
Hält stets sich in der Näh'.
Er ist ein fürchterlicher
Tröster im Erdenweh.

Ich hasse ihn nicht aus Liebe,
Ich liebe ihn heiß aus Haß.
Wenn man unsterblich bliebe,
Wie grauenvoll wäre das!

Des Fressens und Weitergebens
Urewige Wiederkehr
Als höchsten Ertrag des Lebens
Ertrag' ich nicht länger mehr.

Wilhelmine

I
            Warum drängst du dich in meine Träume?
Warum hemmst du meiner Schritte Lauf?
Warum füllst du alle Himmelsräume,
Blick' ich nächtens zu den Sternen auf?

Stör' ich deiner Seele heiligen Frieden,
Warum machst du, Mädchen, dich so breit?
Und »Nicht doch!« entgegnest du entschieden
Wie der Genius der Enthaltsamkeit.

Ach, so kann es nicht mehr lange dauern;
Ach, es wälzt sich drohend Ach auf Ach;
Laß dir deine Zimmertür vermauern,
Oder fürchte den Zusammenkrach.

II
Und nun ist es doch gekommen,
Trotz des stolzen Sinns im Köpfchen;
Und wir haben von dem Töpfchen
Kühn den Deckel abgenommen.

Schwüler Paradieses-Brodem
Stieg mir schmeichelnd in die Nase,
Dennoch bangt' ich wie ein Hase
Vor dem Pechgeruch von Sodom.

Zwei von heißer Glut erfüllte,
Mitternächtlich helle Sterne
Blinken träumend in die Ferne,
Die sich scheu in Nebel hüllte.

Erdgeist

        Greife wacker nach der Sünde;
Aus der Sünde wächst Genuß.
Ach, du gleichest einem Kinde,
Dem man alles zeigen muß.

Meide nicht die ird'schen Schätze:
Wo sie liegen, nimm sie mit.
Hat die Welt doch nur Gesetze,
Daß man sie mit Füßen tritt.

Glücklich, wer geschickt und heiter
Über frische Gräber hopst.
Tanzend auf der Galgenleiter
Hat sich keiner noch gemopst.


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