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Schön. Die Vorigen.
Schön erscheint auf der Galerie zwischen den beiden mittleren Säulen, indem er vorsichtig den Vorhang teilt. über die Bühne wegsprechend Mein eigener Sohn!
Alwa ... Mit deinen Gottesgaben macht man seine Umgebung zu Verbrechern, ohne sich's träumen zu lassen. – Ich bin auch nur Fleisch und Blut, und wenn wir nicht wie Geschwister nebeneinander auf gewachsen wären...
Lulu Deshalb gebe ich mich auch nur dir allein ganz ohne Rückhalt. Von dir habe ich nichts zu fürchten.
Alwa Ich versichere dir, es gibt Augenblicke, wo man gewärtig ist, sein ganzes Innere einstürzen zu sehen. – Je mehr Selbstüberwindung ein Mann sich aufbürdet, um so leichter bricht er zusammen. Darüber hilft nichts hinweg als... er will unter den Tisch sehen.
Lulu rasch Was suchst du denn?!
Alwa Ich beschwöre dich, laß mich mein Glaubensbekenntnis für mich behalten! Als unantastbares Heiligtum warst du mir mehr, als du in deinem Leben mit all deinen Gaben irgend sonst jemandem sein konntest!
Lulu Wie denkst du darin doch so ganz anders als dein Vater!
Ferdinand kommt durch die Mitte, wechselt die Teller und serviert Brathähnchen mit Salat.
Alwa zu Ferdinand Sind Sie krank?
Lulu zu Alwa Laß ihn doch!
Alwa Er zittert wie im Fieber.
Ferdinand Ich bin das Servieren noch nicht so gewohnt.
Alwa Sie müssen sich was verschreiben lassen.
Ferdinand durch die Zähne Ich kutschiere gewöhnlich. – – Ab.
Schön auf der Galerie, über die Bühne wegsprechend Der also auch. Nimmt hinter der Brüstung Platz, sich nach Erfordernis mit dem Vorhang deckend.
Lulu Was sind das für Augenblicke, von denen du sprachst, wo man gewärtig ist, sein ganzes Innere zusammenstürzen zu sehen?
Alwa Ich wollte nicht davon sprechen. – Ich möchte nicht gern über einem Glas Champagner verscherzen, was mir während zehn Jahren mein höchstes Lebensglück gewesen.
Lulu Ich habe dir weh getan. Ich will nicht wieder davon anfangen.
Alwa Versprichst du mir das für immer?
Lulu Meine Hand darauf. Reicht ihm ihre Hand über den Tisch.
Alwa ergreift sie zögernd, preßt sie in der seinigen, drückt sie lang und innig an seine Lippen.
Lulu Was tust du...
Rodrigo steckt rechts den Kopf aus den Gardinen.
Lulu wirft ihm über Alwa hinweg einen wütenden Blick zu.
Rodrigo zieht sich zurück.
Schön auf der Galerie, aber die Bühne wegsprechend Und da ist noch einer!
Alwa ihre Hand haltend Eine Seele – die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt... O diese Hand...
Lulu harmlos Was findest du daran...
Alwa Ein Arm...
Lulu Was findest du daran...
Alwa Einen Körper...
Lulu unschuldig Was findest du daran...
Alwa erregt Mignon!
Lulu völlig verständnislos Was findest du daran...
Alwa leidenschaftlich Mignon! Mignon!
Lulu wirft sich auf die Ottomane Sieh mich nicht so an – um Gottes willen! Laß uns lieber gehen, ehe es zu spät ist. Du bist ein verworfener Mensch!
Alwa Ich sagte dir ja, ich bin der niederträchtigste Schurke...
Lulu Das sehe ich!!
Alwa Ich habe kein Ehrgefühl – keinen Stolz...
Lulu Du hältst mich für deinesgleichen!
Alwa Du? – du stehst so himmelhoch über mir wie – wie die Sonne über dem Abgrund... Kniend Richte mich zugrunde! – Ich bitte dich, mach' ein Ende mit mir! – Mach' ein Ende mit mir!
Lulu Liebst du mich denn?
Alwa Ich bezahle dich mit allem, was mein war!
Lulu Liebst du mich?!
Alwa Liebst du mich – Mignon...?
Lulu Ich? – Keine Seele.
Alwa Ich liebe dich. Birgt seinen Kopf in ihrem Schoß.
Lulu beide Hände in seinen Locken Ich habe deine Mutter vergiftet...
Rodrigo steckt rechts den Kopf aus den Gardinen, sieht Schön auf der Galerie sitzen und macht ihn durch Zeichen auf Lulu und Alwa aufmerksam.
Schön richtet seinen Revolver gegen Rodrigo.
Rodrigo bedeutet ihn, den Revolver auf Alwa zu richten.
Schön spannt den Revolver und zielt auf Rodrigo.
Rodrigo fährt hinter die Gardinen zurück.
Lulu sieht Rodrigo zurückfahren, sieht Schön auf der Galerie sitzen, erhebt sich Sein Vater!
Schön erhebt sich, läßt den Vorhang vor sich nieder.
Alwa bleibt regungslos auf den Knien.
Pause
Schön eine Zeitung in der Hand, nimmt Alwa bei der Schulter Alwa!
Alwa erhebt sich wie schlaftrunken.
Schön In Paris ist Revolution ausgebrochen.
Alwa Nach Paris... laß mich nach Paris...
Schön Auf der Redaktion rennen sie sich den Kopf gegen die Wand. Keiner weiß, was er schreiben soll... Entfaltet das Zeitungsblatt, geleitet Alwa durch die Mitte hinaus.
Rodrigo stürzt rechts aus den Gardinen, will die Treppe hinan.
Lulu vertritt ihm den Weg Sie können hier nicht hinaus.
Rodrigo Lassen Sie mich durch!
Lulu Sie rennen ihm in die Arme.
Rodrigo Er jagt mir sein Pistol durch den Kopf.
Lulu Er kommt.
Rodrigo zurücktaumelnd Himmel, Tod und Wolkenbruch! Hebt die Tischdecke.
Hugenberg Kein Platz!
Rodrigo Verdammt und zugenäht! Sieht sich um, verbirgt sich links hinter der Portiere.
Schön durch die Mitte, verschließt die Tür, geht, den Revolver in der Hand, auf das Fenster rechts vorn zu, schlägt die Gardine in die Höhe – Wo ist denn der hin?
Lulu auf den untersten Treppenstufen Hinaus.
Schön Über den Balkon hinunter??
Lulu Er ist Kunstturner.
Schön Das war nicht vorauszusehen. – Sich gegen Lulu wendend Du Kreatur, die mich durch den Straßenkot zum Martertode schleift!
Lulu Warum hast du mich nicht besser erzogen?
Schön Du Würgengel! Du unabwendbares Verhängnis! Mörder werden oder im Schmutz ertrinken; mich einschiffen wie ein entlassener Sträfling oder mich über dem Morast aufhängen. Du Freude meines Alters! Du Henkerstrick!
Lulu kaltblütig Schweig doch und bring mich um!
Schön Ich habe dir Hab und Gut verschrieben und nichts gefordert als die Achtung, die meinem Haus jeder Dienstbote zollt. Dein Kredit ist erschöpft!
Lulu Ich kann noch auf Jahre für meine Rechnung einstehen. Von der Treppe nach vorn kommend Wie gefällt dir mein neues Kleid?
Schön Weg mit dir, sonst schlägt's mir morgen über den Kopf, und mein Sohn schwimmt in seinem Blute. Du haftest mir als unheilbare Seuche an, an der ich bis in mein Grab meine Lebenszüge verächzen soll. Ich will mich heilen. Begreifst du mich? Ihr den Revolver aufdrängend Das ist dein Spezifikum. – Brich nicht in die Knie! – Du sollst es dir selbst applizieren. Du oder ich, wir messen uns.
Lulu hat sich, da die Kräfte sie zu verlassen drohen, auf den Diwan niedergelassen; den Revolver hin und her drehend Das geht ja nicht los.
Schön Weißt du noch, wie ich dich der Korrektionspolizei aus den Krallen riß?
Lulu Du hast viel Zutrauen...
Schön Weil ich eine Dirne nicht fürchte? Soll ich dir die Hand führen? Hast du selbst kein Erbarmen mit dir? Da Lulu den Revolver gegen ihn richtet Keinen blinden Lärm!
Lulu knallt einen Schuß gegen den Plafond.
Rodrigo springt aus der Portiere, die Treppe hinauf, über die Galerie ab.
Schön Was war das... ?
Lulu harmlos Nichts.
Schön die Portiere hebend Was kam da herausgeflattert?
Lulu Du leidest an Verfolgungswahn.
Schön Hältst du noch mehr Männer hier versteckt? Ihr den Revolver entreißend Ist sonst noch ein Mann bei dir zu Besuch? Nach rechts gehend Ich will deine Männer regulieren! Schlägt die Fenstergardinen in die Höhe, wirft den Kaminschirm zurück, packt die Geschwitz am Kragen und schleppt sie nach vorn Kommen Sie durch den Rauchfang herunter?
Geschwitz in Todesangst zu Lulu Retten Sie mich vor ihm.
Schön sie schüttelnd Oder sind Sie auch Kunstturner?
Geschwitz wimmernd Sie tun mir weh.
Schön sie schüttelnd Jetzt müssen Sie notwendig noch zum Diner bleiben. Schleppt sie nach links, stößt sie ins Nebenzimmer, verschließt die Tür hinter ihr Wir wollen keine Ausrufer. Setzt sich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf Es ist noch genug für dich drin. – Sieh mich an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutscher nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich an! Ich bezahle meinen Kutscher. Sieh mich an! Vergönne ich meinem Kutscher was, wenn ich den infamen Stallgeruch nicht verschnupfen kann?
Lulu Laß anspannen. Bitte. Wir fahren in die Oper.
Schön Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutschiere ich. Den Revolver in ihrer Hand von sich ab und auf Lulus Brust wendend Glaubst du, man läßt sich mißhandeln, wie du mich mißhandelst, und besinnt sich zwischen einer Galeerenschande und dem Verdienst, die Welt von dir zu befreien? Hält sie am Arm nieder Komm zu Ende. Es soll mir die glücklichste Erinnerung meines Lebens sein. Drück los!
Lulu – Du kannst dich scheiden lassen.
Schön sich erhebend Das war noch übrig. Damit morgen ein Nächster seinen Zeitvertreib findet, wo ich von Abgrund zu Abgrund geschaudert, den Selbstmord im Nacken und dich vor mir. Das wagt sich dir über die Lippen? Was ich von meinem Leben in dich hineingelebt, soll ich wilden Tieren vorgeworfen sehen? Siehst du dein Bett mit dem Schlachtopfer darauf? Der Junge hat Heimweh nach dir. – Hast du dich scheiden lassen? Du hast ihn unter die Füße getreten, ihm das Gehirn ausgeschlagen, sein Blut in Goldstücken aufgefangen. Ich mich scheiden lassen! Läßt man sich scheiden, wenn die Menschen ineinander hineingewachsen und der halbe Mensch mitgeht? Nach dem Revolver langend Gib her.
Lulu Erbarmen!
Schön Ich will dir die Mühe abnehmen.
Lulu reißt sich von ihm los, den Revolver niederhaltend, in entschiedenem selbstbewußten Ton – Wenn sich die Menschen um meinetwillen umgebracht haben, so setzt das meinen Wert nicht herab. – Du hast so gut gewußt, weswegen du mich zur Frau nimmst, wie ich gewußt habe, weswegen ich dich zum Manne nehme. – Du hattest deine besten Freunde mit mir betrogen, du konntest nicht gut auch noch dich selber mit mir betrügen. – Wenn du mir deinen Lebensabend zum Opfer bringst, so hast du meine ganze Jugend dafür gehabt. Du verstehst dich zehnmal besser als ich darauf, was höher im Wert steht. Ich habe nie in der Welt etwas anderes scheinen wollen, als wofür man mich genommen hat, und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin. – Du willst mich dazu zwingen, mir eine Kugel ins Herz zu jagen. Ich bin keine sechzehn Jahre mehr; aber um mir eine Kugel ins Herz zu jagen, dafür bin ich mir doch noch zu jung!
Schön auf sie eindringend Nieder, Mörderin! Nieder mit dir! In die Knie, Mörderin! Er drängt sie bis vor die Treppe. Die Hand erhebend Nieder – und wage nicht wieder aufzustehen!
Lulu ist in die Knie gesunken.
Schön Bete zu Gott, Mörderin, daß er dir Kraft gibt! Flehe zum Himmel, daß er dir die Kraft dazu verleiht!
Hugenberg unter dem Tisch aufspringend, den Sessel beiseitestoßend Hilfe!
Schön wendet sich gegen Hugenberg, Lulu den Rücken kehrend.
Lulu feuert fünf Schüsse gegen Schön und hört nicht auf, den Revolver abzudrücken.
Schön vornüberstürzend, von Hugenberg aufgefangen, der ihn in den Sessel niederläßt Und – da – ist – noch – einer...
Lulu auf Schön zustürzend Allbarmherziger...
Schön Aus meinen Augen! – – – Alwa!
Lulu auf den Knien Der einzige, den ich geliebt!
Schön Dirne! Mörderin! – Alwa! Alwa! – Wasser!
Lulu Wasser; er verdurstet. Füllt ein Glas mit Champagner und setzt es Schön an die Lippen.
Alwa kommt über die Galerie, die Treppe herunter Mein Vater! Um Gottes willen, mein Vater!
Lulu Ich habe ihn erschossen.
Hugenberg Sie ist unschuldig.
Schön zu Alwa Du bist es. Es ist mißglückt.
Alwa Will ihn aufheben Du mußt zu Bett. Komm.
Schön Faß mich nicht so an. – Ich verdorre...
Lulu kommt mit dem Champagnerkelch.
Schön zu Lulu Du bleibst dir gleich. Nachdem er getrunken, zu Alwa Laß sie nicht entkommen. – Du bist der Nächste...
Alwa zu Hugenberg Helfen Sie mir ihn aufs Bett bringen.
Schön Nein, nein, bitte, nein. Sekt, Mörderin...
Alwa zu Hugenberg Fassen Sie mit an. Nach links deutend Ins Schlafzimmer. Beide richten Schön empor und führen ihn nach rechts. Lulu bleibt neben dem Tisch, das Glas in der Hand.
Schön stöhnend O Gott, o Gott, o Gott...
Alwa findet die Tür verschlossen, dreht den Schlüssel und öffnet.
Gräfin Geschwitz tritt heraus.
Schön sich bei ihrem Anblick steil emporrichtend Der Teufel schlägt rücklings auf den Teppich.
Lulu wirft sich neben ihn, nimmt seinen Kopf auf den Schoß, küßt ihn Er hat es überstanden. Richtet sich auf, will die Treppe hinan.
Alwa Nicht von der Stelle! –
Geschwitz zu Lulu Ich glaubte, du wärest es.
Lulu sich vor Alwa niederwerfend Du kannst mich nicht dem Gericht ausliefern. Es ist mein Kopf, den man mir abschlägt. Ich habe ihn erschossen, weil er mich erschießen wollte. Ich habe keinen Menschen auf der Welt geliebt als ihn. Alwa, verlang, was du willst. Laß mich nicht der Gerechtigkeit in die Hände fallen. Es ist schade um mich! Ich bin noch jung. Ich will dir treu sein mein Leben lang. Ich will nur dir allein gehören. Sieh mich an, Alwa. – Mensch, sieh mich an! Sieh mich an! Von außen wird an die Tür gepoltert.
Alwa Die Polizei. Geht, um zu öffnen.
Hugenberg Ich werde von der Schule gejagt.