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Nachwort

Am 16. Dezember 1879 in Unterhaid am südlichen Böhmerwald geboren, von Vater- und Mutterseiten die Adern voll altem, frisch-lebendigem Bauernblut, ist Hans Watzlik eigentlich ein Landsmann Adalbert Stifters. Doch die zwei, Stifter und Watzlik, stehen beisammen wie Lärche und Föhre im Heimatwald; nur das Wurzelland ist das gleiche. –

»Aus verdämmerter Göttersage getaucht«, so erscheint dem Dichter Watzlik der Bauer, der Wäldler, der auch noch bei den letzten Herbststürmen ausrief: »Der Wode jagt!« und dessen unmündige Kinder beim nächsten Lenzdonner flüstern werden: »Es tort!« Urzeitliche Glaubenstrümmer in Gemüt und Seele, urzeitliche Kindheit in Blut und Gebärde, das spürt der Dichter als Bauerntum – in sich und in seiner Mitwelt: das ewig Dunkelgeistige im Menschen; im »Ring des Ossers«, im »Alp«, im »Phönix« – nun, mit einem Wort: vom Heimatberg Osser bis an Gottes Brunnen, somit bis in sein jüngstes Schaffen.

Dieses Bauerntum geht denn auch mit dem Göttlichen wie mit seinesgleichen um. Sein Bauerngott hält nur den andern Teil der Welt in Ordnung, von wo er gut Wetter oder Hagel schickt und sich damit die Freundschaft des Bauern erwirbt oder verdirbt. Watzliks Bauern sind noch vollblütige Heiden.

Die Göttermäre hatte schon in seinem ersten Buche zur Seite die Heiligenmäre blühen. Doch allen diesen bauernstämmigen Heiligen scheint »die Erde ... ein heiterer Apfel am Baume der Welt«. Und darin liegt des Dichters Glaubensbekenntnis aufgeschlagen: Alles Leben ist heilig! Darum sehen seine Bauern Gott; darum können wir dem Gnad (»Aus wilder Wurzel«) aufs Wort glauben, wenn er beim Anblick des silberhäuptigen Arbers stammelt: »Gott steht im Licht!« Darum glauben wir dem Eibenstöcker (»Heilige Saat«), daß er sich so stark spürt, inmitten einer zerschlagenen Welt und Zeit sogar den Herrgott trösten zu können.

Denn inwendig blüht es in diesen Bauernseelen, vielleicht wo um den Herzfleck herum, gar wundersam, manchmal, oder doch sehr heimlich und verborgen, und dafür wieder um soviel liebseliger. Und um dessentwillen wohl nimmt dann der Herrgott auch den Erzschelm und Erzbauern Kasper Dullhäubl (»Fuxloh«) in seine Seligkeit auf, den Dullhäubl, der die größte Verwandtschaft hat im Böhmerwald, was ich mir nun nimmermehr ausreden lasse.

Und so, wie selbst die Himmelfahrt dieses Erzböhmerwäldlers zu einem Schwänklein wird, läutet auch in den wirklichen Heiligenmären Watzliks das leise Glöcklein einer Narrengugel, freilich wie die des Zimmernschen Narren, über dem der Heiland unter der Wandlung lächeln mußte.

Irdischkeit und Ewigkeit halten sich in den Armen. Deshalb ist unserm Dichter der Tod nur ein Wachsen, ein Aufreifen. »Einverseelt« der Welt, kann die Seele des Menschen nur noch entlodern: »seine Seele verstäubet sich«.

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Sudetendeutsche Dichter haben eine besondere Sendung: sie sind Zeugen dafür, daß ihre Heimat deutsch ist. In Watzlik erweist es sich, daß das Böhmerwald-Deutschtum kein abgesprengter Volksteil ist, sondern ein Stück der deutschen Welt, die von der Untat von Versailles zertrümmert werden soll. Bei Watzliks Bauern wird es ihr nicht gelingen. Aus dem Eisenstein haben sich ihre Vorfahren die Heimat gerodet; da wölbt sich trotzig die Stirn des Enkels gegen Feind und Fährnis. Auf wilder Wurzel bekennen die Ahnen: »Der Mensch ist nit um der Freud' willen da ... Selig, denen der Schweiß aus der Achsel tropft ... Heilig der Werktag!« Und auf ihr Erdreich schwört der eine: »Mich vertreibt nix! ... Es kommt noch ein Krieg, viel grausamer als der unsere. So weit die schwarzen Forellen ins Gebirge gehen, so hoch wird das Blut steigen ... Und wenn das Blut bis über den Arber hinaussteigt und die Welt brennt an allen vier Ecken, das Land ist nit verloren. Da stehen wir ...« (»Aus wilder Wurzel«). Das ist derselbe gottübermächtigende Trotz, der sich in die Verse gesellte:

Herrgott, stell' dich in diesem Streit
auf unsre, die gerechte Seit'!
Läßt du uns frommes Volk in Stich,
wir müßten siegen wider dich!
Es ist nit geiler Frevelmut,
der also aus uns schreien tut.
Wir sind ein hart entschlossen Heer:
es ist uns nur um Deutschlands Ehr'!

Die Tiefe dieser Heimatliebe erschaut man in des Eibenstöckers Rede: »Wo in aller Gotteswelt find' ich ein so mildes Wasser und eine so linde Luft wie daheim?« Das Wasser ist häufig so mild, daß seine Kühle den Durstigen wie eine Otter in die heiße Zunge sticht, und die Luft so lind, daß der Hafer im Gebirg' erst unter den Schneewolken reift. Ja, so einfältig ist diese Heimatliebe gar, daß es ihr der Feind erst deuten muß, warum sie den Acker unter sich so über alles liebt – das Flecklein Deutschland. –

Sein Volk »aus der Verzweiflung dieser Zeit zu retten und zu weisen zur Verinnerlichung«, hat sich unser Dichter gelobt; und so schrieb er ihm und sich in einer ewigkeit-heitern Stunde auch den Trost:

Macht des Arms, des Schwertes, Macht versinkt.
Geist aus goldner Schale Ewigkeiten trinkt.

Das ist jene deutsche Frömmigkeit, die wuchtig werden und uns frei machen wird. Nein, es wird nicht verderben das Flecklein Deutschland unter uns, der Böhmerwald, das Reich: liebt nur eins im andern!

Im Böhmerwald, im Hornung 1925.
Karl Franz Leppa.

 

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