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Menschenkenner und Menschenfreund, Abenteurer und Praktiker, Selfmademan und Weltmann, Tatsachenmensch und Engländer – wenn man all diese Eigenschaften addiert und die Summe zieht, hat man Edgar Wallace vor sich, eine der interessantesten Persönlichkeiten des heutigen England. Als Mensch liebenswürdig und verständnisvoll, als Mann der Feder in seinen Detektivromanen fesselnd, in seinen afrikanischen Novellen lebendig und packend. Er ist augenblicklich der populärste und meistgelesene Schriftsteller Englands. Seine Biographie »Menschen« zeigt uns seinen schweren und mühevollen Aufstieg.
In der Nähe von Greenwich wird er als Findelkind entdeckt und im Alter von neun Tagen von einem Fischträger adoptiert, der in dürftigen Verhältnissen lebt. Als er heranwächst, macht der Charakter seiner Adoptivmutter großen Eindruck auf ihn. Er erzählt, daß sie die sanfteste Frau war, die jemals gelebt hat. »Schreiben konnte sie nicht, aber lesen. Meistens las sie laut die Mordgeschichten, die in den Sonntagsblättern standen. Dann sprachen wir über Verbrecher . . .« Die Schule wird ihm zur Qual, und die Atmosphäre der anständigen Armen, in der er groß wird, macht ihn frühreif. Schon mit elf Jahren hat er einen Beruf: er verkauft Zeitungen in der City. Später hilft er in Buchdruckereien. Sehr bezeichnend für seinen unabhängigen Charakter ist es, daß er gegen seinen Arbeitgeber schon als zwölfjähriger Junge klagt, weil ihm unrechtmäßig Lohn abgezogen wird. Der Kleine tritt als sein eigener Anwalt vor dem Richter auf und gewinnt den Prozeß. Viel grübelt er über sich und seine Stellung zu den Menschen nach und lernt schon in früher Jugend zwei Dinge: »Niemals sich selber leid tun und niemals den Leuten bittere Wahrheiten sagen, wenn man nicht in der Lage ist, sie nieder zu schlagen.«
Das Haus seiner Eltern wird ihm zu eng. Als Koch und Kajütenjunge geht er auf ein Schiff, aber schon nach kurzer Zeit ist ihm dieses Leben verleidet, und er benutzt die erste Gelegenheit, nach Hause zurückzukehren. Aller Mittel bar, ist er gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt zusammenzustehlen. So schlägt er sich mühsam wieder zu seinen Eltern durch. Dann wird er Milchjunge, aber anstatt die Milch auszutragen, liest er Schauergeschichten. Nach einem vergeblichen Versuch, im Maurerberuf unterzukommen, läßt er sich als Soldat anwerben. In seiner freien Zeit schreibt er Gedichte und Lieder, zunächst für sich.
Mit seiner Truppe kommt er nach Südafrika. Eine Dame wird auf seine Gedichte aufmerksam und führt ihn in die Gesellschaft ein . . . Er macht mit Kipling und Mark Twain Bekanntschaft. Allmählich nimmt er zu den politischen Problemen und zu der Rassenfrage Stellung. Er schreibt für Zeitungen und ist ständig bedacht, seinen Stil zu bessern und zu vervollkommnen. Das Leben bringt ihn mit einflußreichen Schriftstellern und Politikern zusammen. Er nimmt seinen Abschied von der Truppe und wird Berichterstatter. In Kapstadt erscheint sein erstes Buch, »Die mißlungene Sendung«, ein Band Gedichte, die sich stark an Kipling anlehnen.
Inzwischen bricht der Burenkrieg aus, in dem er Berichterstatter großer englischer Zeitungen wird. Da er die strenge Zensur des Oberkommandierenden Kitchener durchbricht, kommt er in große Schwierigkeiten. Die nächsten Jahre bringen ihm einen Erfolg – er wird Chefredakteur des Johannisburger »Rand Daily Mail«, die heute eins der größten Blätter Südafrikas ist. Diese Periode in Johannisburg bezeichnet Wallace selbst als »die großartigste Zeit seines Lebens«. Er ist Schriftleiter eines vielversprechenden Blattes, hat ein Gehalt von zweitausend Pfund Sterling und kommt mit vielen bedeutenden Menschen zusammen. Dann erfaßt auch ihn die Spekulationspsychose, mühelos gewinnt er große Vermögen, verliert wieder alles, seine Stellung bricht zusammen, und er kehrt bettelarm nach London zurück. Northcliffe gibt ihm neue Anstellung.
In den großen Gerichtshöfen Londons bereichert er als Berichterstatter kriminalistischer Sensationsprozesse seine Menschenkenntnis. Als Journalist macht er große Reisen, kommt nach Kanada, nach Madrid, nach Marokko. Nicht befriedigt von seinem Beruf, gründet er, da kein Verleger seine Schriften herausgeben will, einen Selbstverlag, um seine Werke zu veröffentlichen. Er will sich »einen Ruf als Erzähler schaffen, und wenn er dabei Bankerott machen soll«. Und er macht Bankerott. Northcliffe hilft ihm wieder. Während des Weltkrieges ist er Militärberichterstatter für die »Birmingham Post«: Schließlich gelingt es ihm, sich als Berichterstatter durchzusetzen und als freier Mann seinen eigenen Plänen und Ideen zu leben.
Wallace ist ein Schriftsteller von außerordentlicher Fruchtbarkeit. Er schrieb hauptsächlich Detektivromane, aber seine afrikanischen Novellen besitzen größeren literarischen Wert. Er selbst schreibt über ihre Entstehung: »Als ich die Küste (die Westküste Afrikas) auf und ab fuhr, ehe ich das Kongogebiet betrat, sprach ich mit Beamten und erfuhr von ihnen die Sagen über die alten Kolonialbeamten: Von jenem Beamten, der in Grand Bassam drei Missetäter mit eigener Hand aufhängte, von sonderbaren und unheimlichen Palavern, die im Busch gehalten wurden; von Zauberdoktoren, Ju-jus und Fetischen; von Liberia und seinen englisch sprechenden Negern; von dem sonderbaren Sklavenvolk von Angola, das noch für eine Flasche Kunstrum gekauft und verkauft wird. In der Tat – ich heimste eine Unmenge von Wissen und Erfahrungen ein, die ich niemals aufbrauchen werde.«
Wallace hat mehrere Bände afrikanischer Novellen veröffentlicht. In diese Reihe gehört auch der vorliegende Band. Die packenden kleinen Geschichten sind dem Leben abgelauscht und ranken sich um bestimmte Typen. Sanders, Hamilton, Bones, Bosambo waren und sind lebende Menschen. Die afrikanischen Novellen zeichnen sich besonders durch einen eigenartig trockenen, aber köstlichen Humor aus und sind packend und spannend geschrieben. Wallace macht aus Taten keine Heldentaten, aus tapferen, pflichtbewußten Menschen keine Übermenschen. Jeder Überschwang liegt ihm fern. Knapp, fast sparsam geht er mit den Worten um, und deshalb sind sie gewichtig und gehaltvoll. Seine meisterhafte Erzählungskunst gibt ein unübertreffliches Bild des äquatorialen Westafrika. Der Leser hat neben der reizvollen Lektüre noch den Gewinn, ein Stück interessanter Kultur- und Kolonialgeschichte kennenzulernen.