Edgar Wallace
Die drei von Cordova
Edgar Wallace

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8

Dr. Essley machte in seinem Studierzimmer eine sorgfältige mikroskopische Untersuchung. Der Raum lag im Dunkeln, nur die sehr starke Lampe des Mikroskops verbreitete einiges Licht.

Offenbar war er mit dem Resultat zufrieden, denn er nahm das Präparat langsam aus dem Instrument und warf es ins Feuer. Dann drehte er das Licht im Zimmer wieder an.

Gleich darauf griff er nach einem Zeitungsausschnitt, der auf dem Tisch lag, und las ihn. Der Artikel interessierte ihn, denn es war der Bericht über den plötzlichen Tod von Mr. Augustus Fanks.

›Der Verstorbene‹ hieß es darin, ›besprach gerade mit dem bekannten Finanzmann Oberst Black die Einzelheiten einer geplanten Fusion, als er plötzlich zusammenbrach. Er starb, bevor noch ärztliche Hilfe geholt werden konnte. Man nimmt allgemein an, daß er einem Herzschlag erlegen ist.‹

Es wurde keine gerichtliche Leichenschau abgehalten, denn Fanks war in der Tat herzkrank gewesen und dauernd von einem Spezialisten behandelt worden.

Das war also das Ende von Augustus Fanks. Dr. Essley nickte langsam. Das war das Ende – und nun?

Er nahm einen Brief aus der Tasche, der seine Adresse trug, geschrieben in den großen Schriftzügen Theodore Sandfords.

Essley hatte den Millionär kennengelernt, als dieser noch mit Oberst Black auf gutem Fuß stand. Er war Sandford von Black empfohlen worden und hatte ihn schon mehrfach behandelt. Sandford nannte ihn stets den ›Doktor aus der Vorstadt‹.

›Ich stehe mit unserem Freund Black augenblicklich zwar auf etwas schlechtem Fuß, doch hoffe ich, daß unsere Beziehungen dadurch in keiner Weise beeinflußt werden, besonders, da ich Sie bitten möchte, einmal nach meiner Tochter zu schauen.‹

Essley erinnerte sich, daß er das schlanke junge Mädchen mit den lachenden blauen Augen schon gesehen hatte.

Er steckte den Brief wieder in die Tasche, ging in sein kleines Laboratorium und schloß die Tür. Als er wieder heraustrat, hatte er einen Mantel an und trug eine kleine Ledertasche.

Es gelang ihm gerade noch, einen Zug zur Stadt zu erreichen, und er kam um elf Uhr in dem Hause Mr. Sandfords an.

»Sie sind wirklich ein geheimnisvoller Arzt«, sagte der Eisenmagnat lächelnd, als er den Doktor begrüßte. »Besuchen Sie Ihre Patienten immer zu so nachtschlafender Zeit?«

»Die vornehmen Patienten, ja«, erwiderte Essley kühl.

»Es ist doch recht schade um den armen Fanks«, meinte Sandford. »Vor einigen Wochen habe ich noch mit ihm gespeist. – Hat er Ihnen übrigens erzählt, daß er einen Mann traf, der Sie in Australien kannte?«

Ein Schatten des Unmuts ging über das Gesicht des Arztes.

»Wir wollen lieber über Ihre Tochter sprechen«, erwiderte er wenig liebenswürdig. »Was fehlt ihr denn?«

Mr. Sandford lächelte verlegen.

»Es ist wahrscheinlich nichts von Bedeutung. Aber Sie wissen ja, daß sie mein einziges Kind ist. Manchmal bilde ich mir vielleicht nur ein, daß sie bleich aussieht. Mein Hausarzt in Newcastle sagt, daß sie völlig gesund ist.«

»So, so. Wo ist sie denn?«

»Sie ist im Theater«, gestand Mr. Sandford. »Sie müssen mich für einen Narren halten, daß ich Sie herrufe, um nach meiner Tochter zu sehen, wenn sie ins Theater gehen kann. Aber sie hatte gestern ein unangenehmes Erlebnis, das sie sehr mitgenommen hat, und ich bin froh, daß sie heute soviel Interesse am Leben zeigte, eine Operette zu besuchen.«

»Die meisten Väter sind töricht. Ich werde warten, bis sie zurückkommt.«

Er trat ans Fenster und schaute hinaus.

»Warum haben Sie sich eigentlich mit Black überworfen?« wandte er sich plötzlich wieder an Sandford.

Der Millionär runzelte die Stirn.

»Aus geschäftlichen Gründen!« antwortete er kurz. »Er will mich zu einer Sache zwingen, die gegen meine Interessen geht. Und ich habe ihm doch vor vier Jahren geholfen –«

»Er war Ihnen aber auch nützlich«, unterbrach ihn der Arzt.

»Das stand in gar keinem Verhältnis dazu«, entgegnete Mr. Sandford hartnäckig. »Ich gab ihm damals eine Chance. Ich habe dabei natürlich verdient, aber er hat mehr verdient. Das Geschäft hat sich inzwischen so entwickelt, daß es ein Unding wäre, eine Fusion mit anderen Firmen der Eisenindustrie einzugehen. Von diesem Standpunkt lasse ich mich durch nichts abbringen.«

»Ich verstehe.« Dr. Essley pfiff leise vor sich hin und ging wieder zum Fenster zurück.

Dieser Eigensinn muß gebrochen werden, dachte er. Und es gab nur einen sicheren Weg, das zu erreichen: die Tochter. Heute abend konnte er allerdings noch nichts tun, darüber war er sich klar.

»Vielleicht dauert es doch zu lange. Ich komme lieber morgen wieder.«

»Es tut mir sehr leid –«

Aber Essley unterbrach ihn sofort.

»Sie haben es nicht nötig, sich zu entschuldigen«, sagte er bissig. »Sie werden meinen Besuch schon auf der Rechnung finden.«

Mr. Sandford lachte, als er ihn zur Tür begleitete.

»Sie sind ein ebenso guter Geschäftsmann wie Ihr Freund.«

»Beinahe«, erwiderte Essley trocken.

*

Das Taxi, das er hatte warten lassen, brachte ihn zum Charing-Cross-Bahnhof. Er ging sofort in die nächste Telefonzelle und rief das ›Hotel Valet‹ in Bloomsbury an.

Er hatte allen Grund, mit einem gewissen Mr. Weld zusammenzukommen, der ihn von Australien her kannte.

Mr. Weld war im Hotel. Es dauerte nicht lange, bis der Portier ihn an den Apparat gerufen hatte.

»Hier ist Weld – Sie wollen mich sprechen?« meldete sich der Fremde.

»Ja. Mein Name ist Cole. Ich kenne Sie von Australien her und habe Ihnen von einem gemeinsamen Freund etwas auszurichten. Kann ich Sie heute abend noch sprechen?«

»Ja – wo wollen wir uns treffen?«

Dr. Essley hatte sich das schon sehr genau überlegt.

»Vor dem Haupteingang des Britischen Museums«, sagte er. »Dort ist es jetzt ruhig, und wir werden uns kaum verfehlen.«

Er erhielt erst nach einer kleinen Pause Antwort.

»Gut. In einer Viertelstunde?«

»Das wäre mir sehr angenehm. Auf Wiedersehen.«

Essley hängte den Hörer an, gab seine Tasche bei der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof ab und ging dann zu Fuß zur Great Russell Street. Absichtlich nahm er keinen Wagen, denn er wollte alles vermeiden, wodurch man ihn hätte wiedererkennen können. Vor allen Dingen wäre Black nicht damit einverstanden gewesen. Bei diesem Gedanken lächelte er. Die Great Russell Street lag vereinsamt da, nur ein Strom von Autos passierte die Straße in beiden Richtungen. Fußgänger waren kaum zu sehen.

Mr. Weld wartete schon vor dem Britischen Museum. Er war jung, groß und schlank und hatte intelligente, feine Gesichtszüge.

»Doktor Essley?« fragte er und ging auf den Arzt zu, als dieser stehenblieb.

»Das ist mein –«, erwiderte der Arzt, unterbrach sich aber sofort. »Mein Name ist Cole«, sagte er rauh. »Wie kommen Sie denn darauf, mich für Essley zu halten?«

»Ich erkannte Sie an der Stimme«, entgegnete Mr. Weld ruhig. »Es ist auch ganz gleich, welchen Namen Sie sich beilegen. Ich wollte Sie sprechen.«

»Das war auch mein Wunsch.«

Sie gingen nebeneinander her, bis sie zu einer Seitenstraße kamen.

»Was wünschen Sie denn?« fragte der Arzt.

Der andere lachte.

»Ich sagte Ihnen, daß ich Sie sprechen wollte. Aber Sie gleichen dem Essley, den ich kannte, kein bißchen. Er war größer und schlanker. Ich war auch immer der Meinung, daß der Essley, der in Australien ins Landesinnere ging, dort starb.«

»Das ist wohl möglich«, entgegnete der Doktor nachdenklich. Er wollte vor allem Zeit gewinnen. Die Straße war leer. Ein kleines Stückchen weiter wußte er eine Einfahrt, wo ein Mann eine ganze Weile liegen konnte, bis ihn eine Polizeistreife fand.

In einer seiner Taschen befand sich eine angefeuchtete Feder, sorgfältig in Pergamentpapier gewickelt. Er zog sie heimlich heraus, verbarg sie hinter seinem Rücken und nahm die Umhüllung ab.

». . . wirklich, Doktor Essley«, sagte Mr. Weld gerade, »ich habe den Eindruck, daß Sie unter falschem Namen auftreten.«

Essley betrachtete ihn.

»Sie denken zuviel«, sagte er leise. »Und außerdem – ich kann nicht einmal erkennen, wer Sie sind. Schauen Sie mir doch einmal ins Gesicht.«

Der junge Mann wandte sich ihm zu. Blitzschnell hob der Doktor die Feder.

Aber im gleichen Augenblick wurde sein Handgelenk mit stahlhartem Griff gepackt. Zwei Männer erschienen plötzlich, als ob sie aus dem Boden aufgetaucht wären. Es wurde ihm etwas ins Gesicht geworfen, und ein muffiger Geruch betäubte ihn. Er wehrte sich verzweifelt, aber die Übermacht war zu groß. Er hörte noch die Trillerpfeife eines Polizisten, dann fiel er zu Boden.

*

Als er wieder zu sich kam, sah er in das Gesicht eines Polizisten, der sich über ihn neigte. Instinktiv fühlte er mit der Hand an den Kopf.

»Sind Sie verletzt?« fragte der Beamte.

»Nein.«

Essley erhob sich mühsam, aber er stand noch sehr unsicher auf den Füßen.

»Haben Sie die Leute gefaßt?«

»Nein, sie sind entwischt. Wir haben sie erst in dem Augenblick entdeckt, als Sie zu Boden geschlagen wurden. Aber dann waren sie so plötzlich wieder verschwunden, als ob die Erde sie verschlungen hätte.«

Der Doktor sah sich nach der Feder um, aber sie war verschwunden.

Widerwillig nannte er seinen Namen und seine Adresse, und der Polizist rief ein Taxi heran.

»Sind Sie auch sicher, daß Sie nichts verloren haben?« fragte er.

»Nichts«, entgegnete Essley kurz.: »Sie täten mir einen großen Gefallen, wenn Sie diesen Vorfall nicht melden würden.« Bei diesen Worten steckte er eine Pfundnote in die Hand des Mannes. »Ich möchte nicht, daß die Sache in die Zeitung kommt.«

Der Polizist gab ihm das Geld zurück.

»Es tut mir leid, Sir, das kann ich nicht annehmen; selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht.« Er sah sich schnell um und sprach dann leise weiter. »Ein Beamter von Scotland Yard begleitet mich – ein hoher Beamter . . .«

Essley folgte der Richtung seines Blickes und sah, daß ein Mann im Schatten der Mauer stand.

»Er hat Sie zuerst gesehen«, sagte der Polizist, der noch sehr jung und redselig war.

Essley gehorchte einer Regung, die er sich selbst nicht erklären konnte, und ging auf den Fremden zu.

»Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet und hoffe, daß Sie auch noch die Freundlichkeit haben, diese Sache unerwähnt zu lassen. Es wäre mir äußerst peinlich, wenn in der Presse darüber berichtet würde.«

»Das kann ich mir denken«, erwiderte der Unbekannte. Er war in Gesellschaftskleidung; der Doktor konnte sein Gesicht nicht erkennen. »In dieser Angelegenheit müssen Sie schon alles uns überlassen, Doktor Essley.«

»Woher wissen Sie meinen Namen?« fragte der Arzt.

Der andere lächelte im Dunkeln und wollte fortgehen.

»Einen Augenblick!« Essley trat einen Schritt vor und schaute ihm ins Gesicht. »Ihre Stimme kommt mir bekannt vor!«

»Das ist möglich«, entgegnete der Fremde und schob ihn höflich, aber bestimmt beiseite.

Essley staunte. Er war selbst kein Schwächling, aber die Arme dieses Mannes waren hart wie Stahl.

»Ich glaube, Sie fahren jetzt am besten nach Hause«, sagte der Polizist ängstlich. Er wollte es sich weder mit dem offenbar einflußreichen Herrn noch mit seinem Vorgesetzten verderben diesem geheimnisvollen Mann von Scotland Yard, der plötzlich bei den verschiedensten Abteilungen auftauchte und ebenso schnell wieder verschwand. Manchmal entdeckte er Unregelmäßigkeiten, und es gab nachher Schwierigkeiten und Bestrafungen.

»Ja, ich werde fahren«, erwiderte der Doktor, »aber ich würde gern den Namen dieses Herrn wissen.«

»Der kann Sie doch nicht interessieren«, meinte der Polizist.

Essley zuckte die Schultern. Er mußte sich damit zufriedengeben.

*

Während er nach Forest Hill zurückfuhr, dachte er über seine seltsamen Erlebnisse nach, ohne aus ihnen klug zu werden. Wer mochten diese drei gewesen sein? Welche Absicht hatten sie verfolgt? Wer war der Mann, der im Schatten der Mauer gestanden hatte? War es möglich, daß die Leute, die ihn überfallen hatten, im Einverständnis mit der Polizei handelten?

Als er seine Wohnung erreicht hatte, war er der Lösung noch nicht näher gekommen. Er schloß die Haustür auf und trat ein. Außer ihm und der alten Frau im ersten Stock war niemand im Hause.

Sein Kommen und Gehen war unregelmäßig, und er hatte seinen Haushalt so eingerichtet, daß er die größte Bewegungsfreiheit besaß.

Er kam zu dem Entschluß, daß es mit Dr. Essley ein Ende haben mußte. Essley mußte aus London verschwinden. Oberst Black brauchte er nicht zu benachrichtigen – der würde Bescheid wissen. Nur die Sache mit Mr. Sandford und dessen Tochter mußte er noch regeln, dann wollte er Schluß machen.

Er ging in sein Arbeitszimmer und drehte das Licht an.

Auf dem Schreibtisch lag ein dünnes graues Kuvert. Er nahm es auf und betrachtete es. Der Brief mußte persönlich abgegeben worden sein. Sein Name und seine Adresse waren mit fester Handschrift geschrieben.

Zufällig streifte sein Blick die Schreibunterlage, und er schrak zurück.

Der Brief war hier in seinem Zimmer geschrieben, die Schrift mit seinem Löschpapier getrocknet worden!

Es konnte gar kein Zweifel bestehen. Das Löschblatt war frisch aufgezogen worden, und die Spiegelschrift der Adresse zeigte sich deutlich auf dem schneeweißen Papier.

Wieder sah er auf den Umschlag.

Ein Patient konnte es nicht gewesen sein; Patienten ließ er nie in seine Wohnung kommen. Seine Praxis war ohnehin ganz unbedeutend, sie diente ihm ja eigentlich nur als Vorwand. Außerdem war die Tür doch verschlossen gewesen, und er allein besaß einen Hausschlüssel. Zögernd riß er das Kuvert auf. Er fand nur einen halben Bogen darin, auf dem drei Zeilen standen:

Heute abend sind Sie uns entkommen. Sie haben nur noch zehn Tage Zeit, um sich auf das Schicksal vorzubereiten, das Sie erwartet.

Die vier Gerechten.

Er sank vernichtet in einen Stuhl.

Es waren die ›Vier Gerechten‹ gewesen – und er war ihnen entkommen!

Die ›Vier Gerechten‹! Er verbarg sein Gesicht in den Händen und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Zehn Tage gaben sie ihm noch. In zehn Tagen konnte er noch manches tun. Und doch packte ihn Todesangst, ihn, der ohne die geringsten Gewissensbisse so viele andere Menschen in den Tod geschickt hatte. Aber jetzt handelte es sich um ihn – um ihn selbst! Er faßte krampfhaft mit den Händen an seinen Hals und sah sich angsterfüllt im Zimmer um. Ihm, dem Spezialisten für Gifte, der immer so leicht mit dem Tode umgegangen war, der die alte Kunst der Borgias wieder zum Leben erweckt hatte und der der Justiz bisher stets entkommen war – ihm blieben nur noch zehn Tage! Nun gut, er wollte wenigstens diesen Mr. Sandford noch fassen. Das mußte um Blacks willen geschehen!

Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft, denn es galt, genaue Pläne für die Zukunft zu machen. Papiere und Dokumente brauchte er nicht zu vernichten, denn er besaß keine. Er eilte in sein Laboratorium und goß drei Flaschen in den Ausguß. Die vierte nahm er mit, die würde er noch brauchen. Sie war auch Black schon nützlich gewesen, diese kleine grüne Flasche mit dem Glasstöpsel, die er jetzt in seine Tasche gleiten ließ.

Dann drehte er den Wasserhahn auf, um alle Spuren der Gifte zu entfernen, die er ausgeschüttet hatte. Die Flaschen selbst zerschlug er und warf sie in den Abfallkasten.

Nachdem dies geschehen war, ging er in sein Schlafzimmer, das sich im Obergeschoß befand, aber er konnte keine Ruhe finden. Nach einiger Zeit stand er wieder auf, schloß die Tür ab und stellte außerdem noch einen Stuhl unter die Türklinke. Mit einem entsicherten Revolver in der Hand durchsuchte er den Kleiderschrank und schaute unter das Bett. Schließlich beruhigte er sich etwas, legte den Revolver unter sein Kissen und versuchte zu schlafen.

*

Am nächsten Morgen fühlte er sich elend und zerschlagen. Seine Wangen waren eingefallen, und schwere, schwarze Schatten lagen um seine Augen. Trotzdem kleidete er sich mit der gewohnten Sorgfalt an.

Gegen Mittag erschien er bei Mr. Sandford; er wurde sofort in das Empfangszimmer geführt.

Miss Sandford war allein im Raum, als er eintrat. Mit Befriedigung sah er, wie schön sie war.

Allerdings erkannte er auch sofort, daß er ihr unsympathisch war. Ihre Züge verfinsterten sich, als er sich ihr näherte.

»Mein Vater ist nicht zu Hause.«

»Das trifft sich ja vorzüglich. Dann können wir uns einmal ein wenig miteinander unterhalten.«

Er setzte sich, ohne dazu aufgefordert worden zu sein.

»Die Befürchtungen meines Vaters wegen meiner Gesundheit sind wirklich völlig grundlos.«

In diesem Augenblick trat Mr. Sandford ein und schüttelte dem Doktor herzlich die Hand.

»Nun, wie finden Sie meine Tochter?«

»Das Aussehen allein sagt noch gar nichts«, erwiderte Essley.

Jetzt konnte er die Manipulation mit der Feder nicht vornehmen. Er mußte auf der Hut sein. Er plauderte noch eine Weile mit den beiden und erhob sich dann.

»Ich werde Ihnen eine Medizin schicken.«

May verzog das Gesicht.

»Sie brauchen sie ja nicht zu nehmen«, sagte er ironisch.

»Darf ich Sie für Dienstag zum Essen einladen?« fragte Sandford.

Dr. Essley überlegte: Heute war Sonnabend – also in drei Tagen. Sieben Tage hatte er dann noch. Inzwischen konnte sich vieles ändern . . .

»Ja, ich werde kommen.«

*

Er nahm sich ein Taxi und fuhr zu einem Haus in der Nähe des Embankments. Er hatte dort Räume, die ihm schon oft nützlich gewesen waren.


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