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(Elsa und zwei Mägde mit Lichtern treten aus der unteren Tür der Kemenate.)
Ortrud (sich demütigend vor Elsa niederwerfend)
Hier zu deinen Füßen.
Elsa (bei Ortruds Anblick erschreckt zurücktretend)
Hilf Gott! So muß ich dich erblicken,
die ich in Stolz und Pracht nur sah!
Es will das Herze mir ersticken,
seh' ich so niedrig dich mir nah!
Steh auf! O spare mir dein Bitten!
Trugst du mir Haß, verzieh ich dir;
was du schon jetzt durch mich gelitten,
das, bitte ich, verzeih auch mir!
Ortrud
O habe Dank für so viel Güte!
Elsa
Der morgen nun mein Gatte heißt,
anfleh' ich sein liebreich Gemüte,
daß Friedrich auch er Gnad' erweist.
Ortrud
Du fesselst mich in Dankes Banden!
Elsa
In Frühn laß mich bereit dich sehn –
geschmückt mit prächtigen Gewanden
sollst du mit mir zum Münster gehn:
Dort harre ich des Helden mein,
vor Gott sein Eh'gemahl zu sein!
Sein Eh'gemahl!
Ortrud
Wie kann ich solche Huld dir lohnen,
da machtlos ich und elend bin?
Soll ich in Gnaden bei dir wohnen,
stets bleibe ich die Bettlerin!
(Immer näher zu Elsa tretend.)
Nur eine Kraft ist mir geblieben,
sie raubte mir kein Machtgebot;
durch sie vielleicht schütz' ich dein Leben,
bewahr' es vor der Reue Not!
Elsa
Wie meinst du?
Ortrud
Wohl, daß ich dich warne,
zu blind nicht deinem Glück zu traun;
daß nicht ein Unheil dich umgarne,
laß mich für dich zur Zukunft schaun.
Elsa
Welch Unheil?
Ortrud
Könntest du erfassen,
wie dessen Art so wundersam,
der nie dich möge so verlassen,
wie er durch Zauber zu dir kam!
Elsa (von Grausen erfaßt, wendet sich unwillig ab; voll Trauer und Mitleid wendet sie sich dann wieder zu Ortrud)
Du Ärmste kannst wohl nie ermessen,
wie zweifellos ein Herze liebt?
Du hast wohl nie das Glück besessen,
das sich uns nur durch Glauben gibt?
Kehr bei mir ein! Laß mich dich lehren,
wie süß die Wonne reinster Treu'!
Laß zu dem Glauben dich bekehren:
Es gibt ein Glück, das ohne Reu'!
Ortrud (für sich)
Ha! Dieser Stolz,
er soll mich lehren,
wie ich bekämpfe ihre Treu'!
Gen ihn will ich die Waffen kehren,
durch ihren Hochmut werd' ihr Reu'! usw.
Elsa
Laß mich dich lehren,
wie süß die Wonne reinster Treu usw.
(Ortrud tritt, von Elsa geleitet, mit heuchlerischem Zögern durch die kleine Pforte ein; die Mägde leuchten voran und schließen; nachdem alle eingetreten. Erstes Tagesgrauen.)
Friedrich (tritt aus dem Hintergrunde vor)
So zieht das Unheil in dies Haus!
Vollführe, Weib, was deine List ersonnen;
dein Werk zu hemmen fühl' ich keine Macht!
Das Unheil hat mit meinem Fall begonnen,
nun stürzet nach, die mich dahin gebracht!
Nur eines seh' ich mahnend vor mir stehn:
Der Räuber meiner Ehre soll vergehn!
(Nachdem er den Ort erspäht, der ihn vor dem Zulaufe des Volkes am günstigsten verbergen könnte, tritt er hinter einen Mauervorsprung des Münsters.)
(Allmählicher Tagesanbruch. Zwei Wächter blasen vom Turm das Morgenlied; von einem entfernteren Turme hört man antworten.)
(Während die Türmer herabsteigen und das Tor erschließen, treten aus verschiedenen Richtungen der Burg Dienstmannen auf, begrüßen sie, gehen ruhen an ihre Verrichtungen usw. Einige schöpfen am Brunnen in metallenen Gefäßen Wasser, klopfen an die Pforte des Palas und werden damit eingelassen.)
(Die Pforte des Palas öffnet sich von neuem, die vier Heerhornbläser des Königs schreiten heraus und blasen den Ruf, dann treten sie wieder in den Palas zurück. Die Dienstmannen haben die Bühne verlassen.)
(Aus dem Burghofe und durch das Turmtor kommen nun immer zahlreicher brabantische Edle und Mannen vor dem Münster zusammen; sie begrüßen sich in heiterer Erregtheit.)
Die Edlen und Mannen
In Frühn versammelt uns der Ruf,
gar viel verheißet wohl der Tag!
Der hier so hehre Wunder schuf,
manch neue Tat vollbringen mag!
In Frühn versammelt uns der Ruf usw.
(Der Heerrufer schreitet aus dem Palas auf die Erhöhung vor dessen Pforte heraus, die vier Heerhornbläser ihm voran. Der Königsruf wird wiederum geblasen; alle wenden sich in lebhafter Erwartung dem Hintergrunde zu)
Der Heerrufer
Des Königs Wort und Will' tu' ich euch kund:
drum achtet wohl, was euch durch mich er sagt!
In Bann und Acht ist Friedrich Telramund,
weil untreu er den Gotteskampf gewagt.
Wer sein noch pflegt, wer sich zu ihm gesellt,
nach Reiches Recht derselben Acht verfällt.
Die Männer
Fluch ihm, dem Ungetreuen,
den Gottes Urteil traf!
Ihn soll der Reine scheuen,
es flieh' ihn Ruh' und Schlaf!
Fluch ihm, dem Ungetreuen!
(Beim Rufe der Heerhörner sammelt sich das Volk schnell wieder zur Aufmerksamkeit.)
Der Heerrufer
Und weiter kündet euch der König an,
daß er den fremden, gottgesandten Mann,
den Elsa zum Gemahle sich ersehnt,
mit Land und Krone von Brabant belehnt.
Doch will der Held nicht Herzog sein genannt –
ihr sollt ihn heißen: Schützer von Brabant!
Die Männer
Hoch der ersehnte Mann!
Heil ihm, den Gott gesandt!
Treu sind wir untertan
dem Schützer von Brabant!
Hoch der ersehnte Mann usw..
Heil ihm! Heil dem Schützer von Brabant!
(Neuer Ruf der Heerhornbläser.)
Der Heerrufer
Nun hört, was er durch mich euch sagen läßt:
Heut feiert er mit euch sein Hochzeitfest;
doch morgen sollt ihr kampfgerüstet nahn,
zur Heeresfolg' dem König untertan;
er selbst verschmäht der süßen Ruh' zu pflegen,
er führt euch an zu hehren Ruhmes Segen!
(Er geht mit den vier Heerhornbläsern in den Palas zurück.)
Die Männer
Zum Streite säumet nicht,
führt euch der Hehre an!
Wer mutig mit ihm ficht,
dem lacht des Ruhmes Bahn!
Auf! säumt zu streiten nicht,
führt euch der Hehre an!
Gott hat ihn gesandt
zur Größe von Brabant!
Von Gott ist er gesandt
zur Größe von Brabant!
Wer mutig mit ihn ficht usw.
Von Gott ist er gesandt!
(Während das Volk freudig durcheinander wogt, treten im Vordergrunde vier Edle, Friedrichs sonstige Lehensmannen, zusammen.)
Der dritte Edle
Nun hört, dem Lande will er uns entführen!
Der zweite Edle
Gen einen Feind, der uns noch nie bedroht?
Der vierte Edle
Solch kühn Beginnen solle ihm nicht gebühren!
Der erste Edle
Wer wehret ihm, wenn er die Fahrt gebot?
Friedrich (ist unbemerkt unter sie getreten)
Ich!
(Er enthüllt sein Haupt.)
Die vier Edlen (fahren entsetzt zurück)
Ha! Wer bist du? – Friedrich!
Der vierte Edle
Seh' ich recht?
Der erste, zweite und dritte Edle
Du wagst dich her, zur Beute jedem Knecht?
Der vierte Edle
Hier wagst du dich her?
Friedrich
Gar bald will ich wohl weiter noch mich wagen,
vor euren Augen soll es leuchtend tagen!
Der euch so kühn die Heerfahrt angesagt,
der sei von mir des Gottestrugs beklagt!
Die vier Edlen
War hör' ich? Rasender! Was hast du vor?
Weh dir! Verlorner du, hört dich des Volkes Ohr!
(Sie drängen ihn nach dem Münster, wo sie ihn vor dem Blicke des Volkes zu verbergen suchen.)
(Vier Edelknaben treten aus der Tür der Kemenate auf den Söller, laufen munter den Hauptweg hinab und stellen sich vor dem Palas auf der Höhe auf. Das Volk, das die Knaben gewahrt, drängt sich mehr nach dem Vordergrunde.)
Edelknaben
Macht Platz!
Macht Platz für Elsa, unsre Frau:
Die will in Gott zum Münster gehn.
(Sie schreiten nach vorn, indem sie durch die willig zurückweichenden Edlen eine breite Gasse bis zu den Stufen des Münsters bilden, wo sie dann sich selbst aufstellen.)
(Vier andere Edelknaben treten gemessen und feierlich aus der Tür der Kemenate auf den Söller und stellen sich daselbst auf, um den Zug der Frauen, den sie erwarten, zu geleiten.)
(Ein langer Zug von Frauen in prächtigen Gewändern schreitet langsam aus der Pforte der Kemenate auf den Söller; er wendet sich links auf dem Hauptwege am Palas vorbei und von da wieder nach vorn dem Münster zu, auf dessen Stufen die zuerst Gekommenen sich aufstellen.)
Die Edlen und Mannen (während des Aufzugs)
Gesegnet soll sie schreiten,
die lang in Demut litt!
Gott möge sie geleiten,
Gott hüte ihren Schritt!
(Die Edlen, die unwillkürlich die Gasse wieder vertreten hatten, weichen vor den Edelknaben aufs neue zurück, welche dem Zuge, da er bereits vor dem Palas angekommen ist, Bahn machen. Elsa ist, prächtig geschmückt, im Zuge aufgetreten und auf der Erhöhung vor dem Palas angelangt; die Gasse ist wieder offen, alle können Elsa sehen, welche eine Zeitlang verweilt.)
Sie naht, die Engelgleiche,
von keuscher Glut entbrannt!
(Elsa schreitet aus dem Hintergrunde langsam nach vorn durch die Gasse der Männer.)
Heil dir, o Tugendreiche!
Heil dir, Elsa von Brabant!
Gesegnet sollst du schreiten!
Heil dir usw.
Die Frauen
Heil dir usw.
(Außer den Edelknaben sind auch die vordersten Frauen bereits auf der Treppe des Münsters angelangt, wo sie sich aufstellen, um Elsa den Vortritt in die Kirche zu lassen; unter den Frauen, welche ihr noch folgen und den Zug schließen, geht Ortrud, ebenfalls reich gekleidet; die Frauen, die dieser zunächst gehen, halten sich voll Scheu und wenig verhaltenem Unwillen von ihr entfernt, so daß sie sehr einzeln erscheint: In ihren Mienen drückt sich immer steigender Ingrimm aus. Als Elsa unter dem lauten Zurufe des Volkes eben den Fuß auf die erste Stufe zum Münster setzen will, tritt Ortrud heftig hervor, schreitet auf Elsa zu, stellt sich auf derselben Stufe ihr entgegen und zwingt sie so, vor ihr wieder zurückzutreten.)
Ortrud
Zurück, Elsa! Nicht länger will ich dulden,
daß ich gleich einer Magd dir folgen soll!
Den Vortritt sollst du überall mir schulden,
vor mir dich beugen sollst du demutsvoll!
Die Edelknaben und die Männer
Was will das Weib? Zurück!
(Sie drängen Ortrud nach der Mitte der Bühne zurück.)
Elsa
Um Gott! Was muß ich sehn?
Welch jäher Wechsel ist mit dir geschehn?
Ortrud
Weil eine Stund' ich meines Werts vergessen,
glaubst du, ich müßte dir nur kriechend nahn?
Mein Leid zu rächen will ich mich vermessen,
was mir gebührt, das will ich nun empfahn!
(Lebhaftes Staunen und Bewegung aller.)
Elsa
Weh, ließ ich durch dein Heucheln mich verleiten,
die diese Nacht sich jammernd zu mir stahl?
Wie willst du nun in Hochmut vor mir schreiten,
du, eines Gottgerichteten Gemahl?
Ortrud (mit dem Anschein tiefer Gekränktheit)
Wenn falsch Gericht mir den Gemahl verbannte,
war doch sein Nam' im Lande hoch geehrt;
als aller Tugend Preis man ihn nur nannte,
gekannt, gefürchtet war sein tapfres Schwert.
Der deine, sag, wer sollte hier ihn kennen,
vermagst du selbst den Namen nicht zu nennen!
Die Männer
Was sagt sie? Ha, was tut sie kund?
Die Frauen und Knaben
Sie lästert!
Die Männer
Wehret ihrem Mund!
Ortrud
Kannst du ihn nennen, kannst du uns es sagen,
ob sein Geschlecht, sein Adel wohl bewährt?
Woher die Fluten ihn zu dir getragen,
wann und wohin er wieder von dir fährt?
Ha, nein! Wohl brächte es ihm schlimme Not –
der kluge Held die Frage drum verbot!
Männer, Frauen und Knaben
Ha, spricht sie wahr? Welch schwere Klagen!
Sie schmähet ihn! Darf sie es wagen?