Christian Jacob Wagenseil
Mustapha und Zeangir
Christian Jacob Wagenseil

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Vierter Aufzug.

(Saal wie im ersten Aufzug.)

Erster Auftritt

SOLYMANN. (tritt mit bloßem Schwerd, begleitet von etlichen Stummen, ebenfalls mit Säbeln bewaffnet, ein. In der linken Hand hat er Mustapha's offenen Brief.)
Wo ist der Frevler? – Meinem Zorne soll
Er nicht entrinnen. – Mit Entzücken will
Ich's sehen, wenn das Racheschwerd ihn trifft,
Der Tod mit Flor sein Antlitz decket. – O!
Du Bösewicht ohne Gleichen! War es dir
Noch nicht genug, daß nah' an meinem Thron
Der Aufruhr auszubrechen drohte? – Wolltest
Du auch der Perser König mich verrathen?
(Er schlägt auf den Brief)
Hier ist dein Urtheil! – Hier hast du den Tod
Selbst über dich gesprochen.
(Zu den Sklaven)
Sklaven, dort –
Dort seht ihr ihn! Auf, eilt und stoßet rasch
Das Schwerd in den verrätherischen Busen!

Zweyter Auftritt

Vorige. MUSTAPHA (sitzt in einem hintern Zimmer und schreibt. Wenn sich die Schwarzen ihm nahen, springt er auf, und will heraus in den Vorgrund.)

SOLYMANN.
Zurrück, Verräther!

MUSTAPHA.
Vater!

SOLYMANN.
Fort! Was willst du?

MUSTAPHA.
Ich? – Sterben.

SOLYMANN.
Ja,, das sollst du! Sklaven, auf!
Haut ihn zusammen!

MUSTAPHA.
Ah!
(die Schwarzen hauen auf ihn ein, er sinkt zu Boden, und sie legen ihn auf eine Ottomanne.)

SOLYMANN.
Es ist geschehen! –
So sterbe jeder, der es frevelnd wagt,
Nach einem Thron zu streben. – Bringt mir her,
Was er geschrieben hat. – Ich will doch sehen,
Ob er die Frechheit so weit trieb, am Throne
Des Todes noch zu trotzen?
(Mustapha ächzt im Schmerz)
Wie, er athmet?
Ist noch nicht todt? – Wohl denn, so mag er leben,
Bis ich das Blatt gelesen.
(Ein Schwarzer übergiebt ihms. Er liest)
"Liebste Fatime!
Wenn du dieses Blatt erhältst, bist du vielleicht schon
dem Tode nahe, denn eine solche Treulosigkeit, deren
man mich zeiht, und die man auch dir schwerlich ver-
borgen hat, müßte wohl dein Herz brechen. Doch
nein, Geliebte! So ein Gedanke kam nie in meine
Brust. Zeangir, mein Freund und Bruder, wir dir
den Zusammenhang erklären. Um mein und dein
Leben zu retten, und unser Wiedersehen zu bewirken,
ward ich von Boshaften beredet, zu diesem Betrug die
Hand zu bieten, Pflicht und ehrerbietung gegen einen
Vater zu verletzen, der – auch wenn er strenge ist –
doch noch Vater bleibt und meine Ehrfurcht verdient" –
Ha, was ist das!

MUSTAPHA.
Mein Vater!

SOLYMANN.
Licht! ach Licht
In dieser Finsterniß!

MUSTAPHA.
Es ist geschehen!
Des Schicksals Sprich erfüllt. – Ermanne dich,
O Solymann!

SOLYMANN.
Nein, ich muß mehr noch hören. (liest weiter)
"Der Betrug kommt von Rustan. Er gab ihn an, nun
weißt du genug. Ich sterbe ruhig, wenn du von mei-
ner Unschuld überzeugt bist. – Leb wohl!"
Ach, Hilfe! Hilfe! – Sklaven, eilt nach Aerzten! –
wer mir ihn rettet, den verkannten Shon,
Dem sey ein Königreich zum Lohn gelobt.
(Ein Sklave unterstützt Mustapha durch seinen Arm, so daß er zum Sitzen kommt, und das Publikum ihn bis zum Augenblick des Sterbens sehen kann.)

MUSTAPHA.
Vergebens! – Ach, ich fühle schon den Tod
In jeder Nerve! – O, vergieb es mir,
Mein Vater! Ach, ein edles Weib zu retten,
Des Kerkers Eisenthor zu öffnen ihr, –
Das überwand des Herzens bange Zweifel,
Und leitete zum schändlichen Betruge.
Ich büße schwer dafür.

SOLYMANN.
Vergeben? Wie?
Ich soll vergeben, der dich morden hieß?
O Sohn, geliebter Sohn! Vergieb du mir,
Dem Rasenden, auf dessen tollen Ruf
Die Schwerder hell ob deinem Haupt geblitzt.
Noch hoff' ich, daß des himmels Macht dich rette,
Dein Leben friste, das mir theuer ist.
Ah! schrecklich, fürchterlich ward ich betrogen,
Durch List und Schurkerey. Sprich, warst du ganz
Unschuldig? hast dir gar nichts vorzuwerfen?

MUSTAPHA.
So wahr ich bald vor meinen Richter trete,
So wahr mir der Prophete gnädig sey,
Unschuldig bin ich, und vergebe Jedem,
Der Böses mir gethan, von ganzem Herzen.

SOLYMANN.
Du sollst gerochen werden fürchterlich,
Mein Sohn! Es sterbe der Verräther unter
Erlesnen Martern. Tropfenweise soll
Das schwarze Blut aus seinen Adern rinnen,
Und immer will auf neue Qual ich sinnen.

MUSTAPHA.
Vergieb ihm, Herr! Er war das Werkzeug nur
In einer höhern Hand, mich zu verderben.
Was uns beschieden ist, im Lauf zum Ziele
Zu dulden, ja, das muß geduldet seyn.
Da hilft kein Sträuben, und gleichwie der Topf
Den Töpfer niemals meistern kann, – so müssen
Auch wir dem Meister ruhig stille halten,
Der unsers Leben Plan gezeichnet hat. –
Gieb mir die Hand, mein Vater! Lasse mich
Zum letzenmal mit Innigkeit sie küssen!

SOLYMANN.
Sohn, schone mein mit deiner Engelsgüte,
Ich, ihrer unwerth, winde krampfhaft mich
Wie ein getretner Wurm vor dir. O wehe!
Du, ach! du kannst das Unrecht nicht vergeben,
Das dir durch mich geschah. – Schon donnert mir
Der Rache Stimme fürchterlich ins Ohr:
"Du bist verflucht, hast an dem Paradieß
Dein Theil verloren!" (Man hört Waffengetöse)
Weh mir, ich höre schon
Von ferne her Geheul der Furien, –
Der Ketten Rasseln – blanker Schwerder Klang. –
Gerechter Gott, ich bin – ich bin verloren.
(Mustapha stößt einen Seufzer aus und stirbt)

Dritter Auftritt

Vorige. Achmet (tritt mit Janitscharen, alle die Schwerter entblößt, herein.)

SOLYMANN.
Was wollt iht? – Sucht ihr mich? – O, ich verberge
Mich nimmermehr. – Heran, zu mir heran! –
Vollendet eilends, nehmt mein Leben hin,
Zur Sühne dessen, was ich angerichtet,
Als Zorn und Wuth mein hartes Herz umgab.
Hier – seht! – hier liegt der Sohn, gemordet auf
Befehl des Vaters. – Tödtet mich, ich bin
Nicht werth, daß ich noch lebe.

ACHMET.
Ha, Tyrann!
Ist das dein Sohn, der hier im letzten Röcheln
Den Geist verhaucht? und hast du ihn gemordet,
So ruf' ich Wehe, dreyfach schrecklichs Wehe
Aus über deinem Haupt. – Komm, mord' auch mich!
(Er entblößt die Brust)
Dieß Herz durchstoße, das ihn heiß geliebt.
O warum zögerte so lang mein Schritt
Zur Rettung? – Himmel, warum träumt' ich doch,
Es könn' auch wohl in eines Tiegers Brust
Ein Herz noch wohnen, welchem Vaterliebe
Nicht fremd sey? – O Mustapha, mein Freund,
Mein Bruder, der erst Werth dem Leben gab,
Du, dessen Freundschaft mich so hoch beglückt,
Warum mußt' ich zu spät' erscheinen? – Ah!
Warum hab ich so streng dein Wort erfüllt,
Geglaubt, daß die Gefahr verschwunden sey,
Daß meines Arms du nicht bedürftest? O!
Wie fürchterlich ward ich getäuscht! – Und nun,
Da die Gefahr, die Freunde mir verriethen,
Wild über dir geschwebt, – komm ich zu späte. –
Ich will, ich mag nicht leben ohne dich,
Doch will ich auch nicht eher sterben, als
Bis ich jeden in des Todes Staub
Gestreckt, der dich, du edler Prinz, verrathen. –
Mir nach, ohr Kampfgesellen! – Königlich
will ich euch lohnen jeden Kopf, den ihr
Von blutbetrieften Picken oder Schwerdern
Mir wild entgegen schleudert.
(Achmet voran, die Ianitscharen hinter ihm, wollen wegeilen. Solymann nimmt jenen beym Arm und sagt)

SOLYMANN.
Achmet, halt!
Nur ich verdiene deine Rache, denn
Nur ich, im tollen Sturm der Leidenschaft
Ließ ihn ermorden, sah und hörte nicht,
Als seine Unschuld er beschwor. – Ich trat
Die heilige Natur, die Vaterpflicht,
Die Stimme der Gerechtigkeit mit Füßen.
Ich hörte nicht Zeangirs Jammerton,
Der für den armen Bruder wimmerte.
Dem Gifte der Veräumdung ganz allein,
Das Rustan ausgesprüzt, lieh ich mein Ohr,
Und nur des Weibes glatter Schmeicheley
War offen meine Brust. Drum tödte mich
Zuerst, dann treffe schnell der Rache Schwerd,
Wer dir der Rach', Erzürnter, schuldig scheint.

ACHMET.
Du daurst mich, Herr! du warst ja nur der Ball,
Mit dem die Bösen spielten. Kann denn der
Dafür, wenn er dem nächsten besten in
Die Augen springt? – Glaubst du, ich sey ein Kind,
Das an dem Tische sich durch Streiche rächt,
An dem es unvorsichtig sich gestoßen?
Mein Schwerd ist nicht für deine Brust geschliffen.
Auch wenn dein Sohn noch lebte, nimmermehr
Wär' ein Verrath im Plan gewesen, dich
Zu kränken, aber Flucht von dir, vom Hof
Und all' dem höfischen Gesindel, das
Nur sinnt und laurt auf anderer Verderben.
Ein fernes stilles Land hätt' uns empfangen,
Vom Ocean umflossen, wo kein Neid,
Kein Trug und keine nied're Flaschheit uns
Das kruze Leben bittern sollte. – Ach,
Es war ein schöner Plan, im Schooße der Natur
Von tausend Lebensstürmen auszuruh'n,
Mit eig'ner Hand ein kleines Feld zu bau'n,
Und jedem Tag, nach ruhevoller Nacht,
Gestärkt, aus unsrer Hütte mit Gesang
Und mit Gebet und heiterm Sinn entgegen
Zu gehen, statt vom Schwarm der Höflinge,
Soldaten und Verschnittenen umgeben,
Von froher Kinder Reihen sich umtanzt,
Und statt von Sklavinnen – gezwungen – sich
Vom Weib des Herzens nur geliebt zu sehen.

SOLYMANN.
Und diesen Plan hat meine wilde Faust
Zerrissen? Weh und dreymal Weh dem Mörder!

ACHMET.
Zu diesem Leben wollte Mustapha
An meiner Hand ich leiten. – Nun, es ist
Vorbey! – Der Blitz zertrümmerte das Schloß,
Das ich auf Sand gebaut. Die Rose sank,
Vom Mittagsstral getroffen, nieder, die
So lieblich mir gedüftet. – Ach, ich steh
Allein mit meinem Schmerz. Kein Mensch auf Erden
Kann von mir nehmen diese Zentnerlast.
Wild, wie empörtes Meer, kocht's mir im Busen.
Blut! – Blut! – Es fließ an des Freundes Gruft,
Wenn Ruhe noch dieß Herz erfüllen soll.

SOLYMANN.
Hier meine Hand, du sollst gerochen werden,
Eh' in die Flut des Meeres die Sonne sinkt.
Wie könnt' ich dem vergeben, der durch List,
Im Höllenpfuhl geschmiedet, mich des Sohnes
Beraubte? – Ha, wie beb' ich! – Blicke nicht
Herab, o Gott! auf mich, den Sohnesmörder!
(schlägt sich vor die Stirne)
Hier steht es, hier an meiner Stirne: "Mörder"!
Ihr Seligen von dorten, blicket nicht
Auf mich Verworfnen! – Jammer ist mein Loos,
Und nicht Erbarmung! – Jeder junge Tag
Wird seine Pforte mir zur Qual eröffnen;
In jeder Nacht wird die Gestalt des Todten
Vor meinem Lager blutig stehen, – drohen
Mit der geballten Faust, – um Rache heulen,
Zu mir Verdammtem, auchum Mitleid flehen,
Und wenn im kalten Schweiß ich liege, mich
Verlassen, weggewandten Blicks. – Verloren,
O Gott! verloren für die Ewigkeit! –
Wer rettet mich von dieser Qual? – willst du
Es, Achmet? –

ACHMET.
Kann ich's, Herr?

SOLYMANN.
Ich brauche Rath
Und Trost in jeder Stunde, bis der Tod
Mein Elend endet. Komm, o komm und sey
Mein Freund!

ACHMET.
Recht gerne, wenn's dein Herz beruhigt.
doch daß die Blutschuld nicht auf deinem Reiche
Wie Pest im Mittag ruhe, Gott und sein
Prophet sie nicht an dem Schuldlosen räche,
So tilge den Verräther von der Erde,
Deß Werk sie ist. Mir aber, Herr, vergönne
Daß ich der armen Gattin Mustapha's
Und ihrem Sohn des Jammers Thräne trockne,
Dem Herzen Tröstung bringe, deine Gnade
Verkünd' und dann dem Kerker sie entreisse,
In dem sie nun so mache Monden schmachtet.
Sie war das höchste Gut des Mannes, der
So schändlich starb. – Wenn du ihr Gutes thust
Und ihrem Kinde, o! so dankt es dir
Sein Geist, der uns vielleicht jetzt still umschwebt,
Eilt ausgesöhnt dem Paradiese zu.

SOLYMANN.
Gewähret sey, was du gebeten hast.
Such' ihr ein Schloß in angenehmer Gegend,
Dort wohne sie in Ruh und Einsamkeit.
Kein Wunsch bleib' unerfüllt, und kein Bedürfniß,
Klein oder groß, bleib' ungestillt. Ihr Sohn
Sey einst der Erbe meines Kaiserthrones.
Die Tugend seines Vaters, seiner Mutter,
Verleih' ihm Glanz, uns seiner Völker Liebe
Entschädig' ihn dereinst als Mann für das,
Was er als Kind so unverdient gelitten.

ACHMET.
Gott segbe dich, Monarch, ich danke dir
Und eile – –

SOLYMANN.
Dieser ring entschließt die Thüre
Des Kerkers dir, weis' ihn nur vor.

ACHMET.
Und nun
Noch einen Augenblick zu dir, – zu dir,
Entseelter Freund!

(Er naht sich Mustaphas Leichnam, hält die eine Hand vor die Augen, und faßt mit der andern eine Hand des Todten. auf einmal stürzt er auf die Kniee, läßt den Kopf auf die starre Brust sinken, küßt den Mund, und sagt gerührt, indem er nach einer kurzen Pause aufsteht:)

Leb wohl, leb ewig wohl!
(Dann verbeugt er sich vor dem Sultan, und geht mit den Soldaten ab. Alle stecken die Schwerter ein.)

Vierter Auftritt

SOLYMANN. (allein)
Wie ist dir, Solymann? – Nicht wie es sollte.
Von ihnen, die den schönen Plan geboren,
Läßt keins sich sehen. – wo sie stecken mögen?
Da lassen sie mich stehn mit etlichen
Verschnittenen, gleich einem blöden Knaben,
Den's ja der Mühe werth nicht ist, zu achten,
Und schmieden heimlich wieder Pfeile, die
Mein Herz verwunden sollen. – Nur Geduld,
Bald habt ihr ausgeschmiedet, und ich will
Durch eure Pläne blut'ge Striche machen,
Die Höll soll, wuthgrinsend, sie belachen.

Fünfter Auftritt

Solymann. Roxane.

ROXANE.
Dank dem Propheten, denn du lebest, Sultan!
Wie hab' ich nicht für dich gezittert, als
sich Achmet und sein Anhang wild herauf
Die Marmorstuffen des Pallastes drang!

SOLYMANN. (für sich)
Du Heuchlerin!
(laut) Sieh her! Schau, kennest du
Den Leichnam?
(Er zeigt ihr Mustapha's Leiche, die nach Achmets Abgang ein Stummer mit einem Tuch bedeckt hat.)

ROXANE. (mit einem Freudengeschrey)
Mustapha?

SOLYMANN.
Richtig errathen.
Gefällt er dir so besser, als da er
Noch lebte?

ROXANE.
So gelang der große Streich
Vor Achmets Sturm? – So fiel er, der Verräther?

SOLYMANN.
Verstumme! – Wie? Verräther? Ja, das seyd ihr,
Ihr, Brut der Hölle! – Fluch und Tod, Verderben
Komm' über euch!

ROXANE.
Du rasest, Sultan. – Sahest
Du denn nicht selbst von seiner Hand den Brief
An Persiens König?

SOLYMANN.
Lug und Trug sah ich,
Und hielt's für Wahrheit, ließ von Rustan schändlich
Mich hintergehen. – Ha! verlor den Kopf –
Und ließ den armen Prinzen niederhau'n. –
Mein Sohn! Mein Sohn, welch Unrecht that ich dir!
Doch ich will's rächen, wie ich schuldig bin.
So soll kein Mörder noch gefallen seyn,
Wie RUSTAN. – Kommt, ihr Furien der Hölle,
Helft mir auf unerhörte Qualen sinnen!
ein Tod ist nicht genug, nein, tausendmal
Soll er ihn sterben, bis, der Martern satt,
Ich selber athemlos zu Boden sinke.

ROXANE.
Betrog er dich, dann ward auch ich sein Opfer.
Denn eben das, womit er dich getäuschet,
Sagt er auch mir als heil'ge Wahrheit vor.
Begierde, dir zu dienen, Sultan, machte mich
Zur Feindin Mustapha's. Ich sah in ihm
Den Räuber deines Thrones, den verruchten
Schamlosen Vatermörder, und den Feind
Des Vaterlandes, dem der Tod gebühre.
War's nur Veräumdung Rustans, o so eile,
Und wirf der Rache Blitz auf seinen Kopf.
O, säume nicht, eh' vom Gerücht belehrt,
Was vorgegangen sey, er schnell entfliehe,
Und so der wohlverdienten Straf' entrinne.

SOLYMANN.
Mit mir, ihr Slaven! – Du sollst von mir hören,
Roxane. – Deinen Freund im Tod zu sehen,
Will ich dich nicht bereden, denn das Mitleid,
Wer weiß es, könnte doch ins Herz sich stehlen,
Ein flehender Blick den Arm des Rächers lähmen.
(Er geht mit den Stummen ab.)

Sechster Auftritt

ROXANE. (allein)
Ich danke für die hehe Ehre, Sultan,
So lüstern bin ich nicht. – Es konnte leichtlich
Mein eigner Hals in böse Klemme kommen,
Die eben mir nicht ganz gelegen käme.
Herr Rustan mag allein den Lohn sich holen,
Für seinen herrlich ausgedachten Plan,
Ich will ihn nicht beneiden. – Fahre wohl,
Mein Freund, und tausend Glück zur Reise!
Doch Scherz bey Seite! – Wenn er mich verriethe?
Mein Antheil ist vielleicht so stark, als seiner,
Am Tode Mustapha's. – Hab' Ich ihn nicht
Ermuntert, um dem Prinzen aufzulauern,
Und Schlingen ihm zu legen? – nicht ermuntert,
Zeangirn auf den Thron zu heben? – War
Ihm nicht dafür der schönste Lohn, die Hand
Der Tochter zugedacht?
(nachdenkend)
Mein höchster Trost
Bleibt immer noch des alten Sultans Schwäche.
er wird nicht hören auf das Wort des Mannes,
Den er "Verräther" nennt, und so stirbt Rustan
Von Henkershand allein. – Glück, steh' mir bey!
Ich bin ja nicht das einz'ge weib in der
Geschichte, die, wenn sie ein Thron gelüstet,
Dem Ehgemahle selbst sein Ziel gesetzt,
Geschweige einem Prinzen erster Ehe.
Was ist's denn auch für große Noth um Einen?
Bringt jede Nacht doch wieder neue Prinzen,
Und ich bedarf selbst dieses nicht, – Zeangir
Ist schon vorhanden. – Zwar, wer bürget mir
Für neue Zweifel seiner Kinderseele?
Denn daß sich so zur ungelegnen Zeit
Hier Achmet zeigte, wessen Werk war's wohl,
Als seines? – Nur mißlang der Streich, er kam
Zu spät, der Retter. – Aber nun, nun ist
Zopyr, der Sprößling Mustapha's noch übrig;
Den müssen wir besorgen, sonst ist nichts
Geschehen. – Pah! – Ein Würmchen ist ja bald
Zertreten, warum nicht auch so ein Knäbchen?
Ein Fläschchen Gift, gegossen in ein Glas
Sorbet, von mir ihm selber dargereicht,
Macht aller Sorg' ein Ende. – Endlich ist
Das Ziel erreicht, Roxane triumphirt, –
Wird Mutter eines Sultans, – – göttlicher
Prophet, hilf mir's erringen!
(Sie zieht eine Phiole mit Gift hervor, besieht sie, lächelt und verbirgt sie wieder.)
Auf zur That!
(Indem sie hinauseilen will, stürzt Zeangir herein.)

Letzter Auftritt

Roxane. Zeangir.

ZEANGIR.
Ich muß mich überzeugen.

ROXANE.
Was, mein Sohn?

ZEANGIR.
Ob's möglich, daß so weit der Menschen Bosheit
Ihr Spielwerk treib'. – Ein fürchterlich Gerüchte
Kam mir zu Ohren. – Mustapha, so hieß es,
Lieg' hier ermordet in des Vaters Saal,
Auf sein Geheiß ermordet. –

ROXANE.
Leider ja,
Es ist so.

ZEANGIR.
Ah! – Gerechter Gott! – Ermordet,
Durch seinen Vater? – Abgrund, öffne dich,
Und schlinge mich hinab, daß ich nicht sehe
Die Gräuel, die hienieden schrecklich wüthen.

ROXANE.
Gieb dich zufrieden! – Menschenschicksal, Prinz,
Ist selten ungetrübet.

ZEANGIR.
Wie? zufrieden?
O, nimmermehr! – Ist jedes menschliche
Gefühl in dir erstorben, Mutter?

ROXANE.
Mein
Gefühl beschränkt sich nur auf dich, mein Theurer.
Du bist's, für den ich lebe, – athme –

ZEANGIR.
Nun? –
Hast du nicht nar in süßer Hoffnung, mir
Recht großen Dienst zu thun, zu diesem Mord
Das Deine beygetragen? – Ha, dann treffe
Dich siebenfach des Himmels Fluch! Mein Fluch
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

ROXANE.
Bist du
Von Sinnen, Rasender? und hab' ich das
Um dich verdient für alle Müh' und Sorge?

ZEANGIR.
Du weiß es längst, wie wenig dein Bemühen
Nach meinem Herzen war, und wolltest du
Mein Glück durch Brudermord erkaufen, – o,
wie sehr verkanntest du das Herz, das ihm
So treu ergeben war!
(Er enthüllt Mustapha's Leiche)
Unglücklicher!
So mußtest du vollenden? – Komm zurück
Aus jenen seligen Gefilden, Freund!
Doch nein, komm nicht zurück, denn diese Welt
War deiner doch nicht werth. – O rufe
Zu ihm mich, großer Gott, ins Paradieß,
Wo's keine Mörder giebt!
(Er stürzt sich auf ihn)
Mein Bruder, ach,
Mein Freund, mein Mustapha! – ach, ohne dich
Kann ich nicht leben, – kann ich, will ich nicht!
Verhülle mich, du edler Märtyrer,
In deinen Engelsglanz, und führe mich
Durch dieses Thal der Nacht zum hohen Lichte!

ROXANE.
Ermanne dich, Zeangir! Auf, zum Throne
Ist nun der Pfad geebnet.

ZEANGIR.
Thron und Thron
Um's zweyte Wort. Wenn ich nun keinen Thron
Verlange? – Gebt den Narren Diademe,
Und Kindern, diese spielen gern mit Puppen,
Und freuen sich des blanken Flittergoldes.

ROXANE.
Du kennst noch nicht den Glanz von einem Thron,
Mein Sohn.

ZEANGIR.
Er blendet nur.

ROXANE.
O nein, o nein!
Sprich, ist's denn nichts, die halbe Welt zu Füßen
Sich liegen sehn? – Wie gott in Donnerwettern,
Wenn er den Blitz aus ferner Höhe schleudert,
Den Erdkreis zittern macht, – so zittert alles,
Wenn du gebietest, – und gleichwie wenn Er
So sanft und mild im linden Lüftchen säuselt,
Sich selbst der Wurm zum frohen Dank erhebt,
So sinkt anbetend in den Staub das Volk,
Wenn du den Zepter huldreich neigest, wenn
Sein Flehn du hörest; – was du willst, geschieht.
Dein Wink erschafft Palläste, und ud sprichst,
So sinken sie in der Vernichtung Staub.
Dir huldigen die Künste, dir die Schönheit,
Ein jedes Mädchen ist die glücklichste,
wenn du für deine Arme sie erkiesest.
ein jeder jüngling preißt sich glücklich, wenn
In deinem Dienst sein Blut fließt, jeder Knabe
Möcht' auch ein Jüngling seyn, ihm nachzuahmen,
Du kennst noch nicht das Glück, Regent zu seyn.

ZEANGIR.
Ich kenn' ein schöners Glück.

ROXANE.
Ha ha! – zu kriechen?

ZEANGIR.
O spotte nicht, Roxane! – Dieses Glück, –
Ich nenn' es nicht, du hast nicht Sinn dafür.
Doch nur dieß Eine merke dir, das Glück
Der Edeln blühet nur verborgen,
Und geht mit ihnen in die beßre Welt.

ROXANE.
Ich sehe wohl, noch bist von Schwärmerey
Du nicht geheilt, das mag die Zeit bewirken.
Indessen wirst du mir es nicht verdenken,
Wenn ich der tollen Streich' ein wenig zürne,
Die deine Jugend unbedachtsam treibt.
Was ich für dich und für dein Glück gethan,
Verkennst du blind, und auch was Rustan that.
Verkennst nicht bloß, verrückst wohl auch das Ziel
Des hohen Strebens; denn warst du es nicht,
Der Achmet rief, in diesen Saal bewaffnet
Mit Ianitscharen einzudringen?

ZEANGIR.
Ja,
Ich war es. Hätt ichs eher doch gethan,
So lebte Mustapha.


ROXANE.
Weißt du die Folge?
O sieh, zum Dank für seine Treue blutet
Jetzt Rustan auf der Henkersbank.

ZEANGIR.
Gott Lob!

ROXANE.
Gott Lob? – Vielleicht sähst du wohl gerne, wenn
Die Mutter mit ihm blutete? – Sieh her,
Auf mein Geheiß that Rustan, was er that.
Ich war es, die ihn längst ermunterte,
Für Mustapha die Gruft zu graben. Ich,
ich schlief den Todespfeil, der ihn getroffen,
Dein sollten seyn die Folgen. Und zuletzt
Hatt' ich dieß Fläschchen noch gespart, (zeigt es ihm)
Zopyren
Still aus der Welt zu fördern, daß dann nichts
Im Weg dir steh zum Throne der Osmannen.
Hast du Verstand, zu fassen, was das heiße,
So sage, welcher Lohn ist mir beschieden?

ZEANGIR.
Hier hast du ihn!
(Er zieht einen Dolch hervor, stößt sich denselben in die Brust, und sinkt neben Mustapha nieder.)

ROXANE.
Gerechter Gott, was thust du?

ZEANGIR.
Was du gethan. – Dein unerhört Verbrechen
Durft' ich nicht strafen. – Das wird Gott einst rächen.
(Er stirbt.)

ROXANE. (stürzt sinnlos zu Boden, ringt die Hände, und der Vorhang fällt.)

Ende des Trauerspiels.


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