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(Scene, Säulen=Saal im Serail.)
MUSTAPHA (allein).
Dieß soll der Pallast meines Vaters seyn? –
(Er wiegt den Kopf bedenklich hin und her.)
Dieß, wo erst eben meiner Freunde blut
In rothen Strömen floß? – Dieß? wo ein Schlag
Auf Achmets Haupt ins Reich der schwarzen Schatten
Ihn unerbittlich warf? – Und ich, als ob
Ich keine Hände hätte, und kein Schwerd
An meiner Seit', ihn zu beschützen, und
Wär's ja nicht möglich, doch zu rächen, – ich,
Ich stehe da und frage, wo ich sey.
Warum erlahmte meine Faust denn? – hab ich
Vielleicht den Vater in der Mörderbande
Geschont? – Gewiß von ihm kam der Befehl,
Zu tödten meine Treuen, und mir selbst
War nichts geringers zugedacht. – O! wie's
So schrecklich ist, den Vater sich als den
Zu denken, der den Sohnesmord befohlen!
Nein, das ist kein Empfang, wie ich ihn hoffte.
Stumm wie das Grab ist alles um mich her,
Kein leiser Laut erreicht mein horchend Ohr.
An Freundesstimme will ich gar nicht denken,
Sie ist in diesen Mauern längst verhallt. (Pause.)
Still – alles still! – Wie müde bin ich doch
Des schalen Lebens, das nur Schmerz mir gab!
Hab' darum ich in euer blitzend Schwerd,
Ihr Perser, mich gestürzt, und darum nur
die Brust den Pfeilen dargeboten, daß
Ich hier erblaßte unter Mörderhänden?
O! daß mich nciht mitleidig dort ein Feind
Zu Boden streckte! – Hätt' ich Armer doch
Den Jammer nicht erlebt, der hier mich beuget!
Und ihr, geliebte Mitgenossen meines
Nie müden Elends, theures Weib und Sohn,
Die ihr – wer kann mir sagen, wo ihr weilet? –
Vielleicht hat lange schon der Tod euch hin
Ins Grab geworfen, denn warum erblicke
Ich keines? – Warum kam mir keins entgegne?
O, daß ein Mensch erschiene, der mir Licht
In dieses Dunkel brächte!
(Pause – aufmerksam.)
Hab' ich recht
Gehört? – war's nicht ein Fußtritt, den ich jetzt vernahm?
MUSTAPHA. ZEANGIR.
(Der letztere fällt dem ersten weinend um den Hals.)
ZEANGIR.
Ich bin es, Mustapha, dein Bruder.
MUSTAPHA.
Mein Bruder! Ja, du bist's, du bleibst mir treu.
Mir sagt's dein schlagend Herz, dein heisser Kuß,
Dein Händedruck, und ach die Thräne, die
Aus deinem Auge dringt. – Sag mir geschwind, –
Denn kostbar sind die flüchtigen Minuten –
Sag' mir, was ich zu fürchten habe, denn
Zu hoffen, wag' ich nichts. Ach, Hoffnung hab
Ich lang schon aufgegeben; Hoffnung blüht
Für mich im Grabe nur, – Du hasts gesehen,
Daß Blut der Meinen floß, als kaum den Fuß
Ich in des Vaters Haus gesetzt. – Das war
Ein gräßliches "Willkommen"! – Ach, es fiel
Mien Freund, mein Achmet, unter Mörderstreichen!
ZEANGIR.
Laß dir, mein erstes Trostwort seyn,
Dein Achmet lebt.
MUSTAPHA.
Lebt? – Sah ich denn nicht selbst
Ihn in die Nacht des Todes sinken? –
ZEANGIR.
Nein,
Du täuschest dich. Er starb nicht. Ihm gelang es,
Zu fliehn; er machte sich mit blankem Schwerd
Bald freye Bahn. Ein Ianischaren-Trupp
Nahm ihn in seinen Schutz. Doch, Bruder, du
Bist leider nicht gesichert. Ueber dir
Schwebt kalt und finster noch der Todesengel.
Der Vater wüthet, – du kennst seinen Zorn,
Der ein verzehrend Feuer ist. – Was wird
Vor seinem Grimm dich schützen?
MUSTAPHA.
Was? –
Die Unschuld.
ZEANGIR.
O! betrüge dich nur nicht. –
Wenn mit gereizter Wuth der Tieger aus
Der Höhle stürzt, dann ist das zarte Lamm
ihm sich're Beute.
MUSTAPHA.
Bruder, Solymann
Ist ja kein Tieger, – Vater ist er, und
Vergißt nicht, was er schuldig sey dem Sohne.
ZEANGIR.
Vom Himmel! ja – wenn Andere nicht wären,
Die boshaft ihm das Herz verdrehten, wenn
Nicht Neid und Herrschsucht Flammen weckten, die
Am Vaterherzen – ach! – so gräßlich lecken.
Du dich zur feuersprüh'nden Esse wagest.
Sey klug und laß dich warnen.
MUSTAPHA.
Wer gerad
Und redlich seines Weges geht, der geht
Nicht irre. Möglich ists, daß ich gefehlt,
Weil ich nicht auf den ersten Ruf erschien,
Der an mich gieng. Das konnte nun nicht seyn
Damals, doch jetzt gebot mir heil'ge Pflicht,
Nicht mehr zu säumen. Weib und Sohn, Zeangir –
O du, du kennst noch nicht das süße Band,
Das uns so fest an Weib und Kinder knüpft,
Ja, Weib und Sohn sah ich in Todsgefahr,
Das schrieb mir Rustan, der zuvor mein Freund
nicht war, – beschwor mich, nicht zu säumen, nein,
Auf Sturmesflügeln herzueilen, und
Zu retten, was gerettet werden könnte.
Und wär er falsch, so hab' ich ja noch dich,
Mein Bruder, du verläßt mich nimmermehr.
ZEANGIR.
O nein, o nein! und müßte selbst mein Blut
Zu deiner Rettung fließen, ich vergöß'
Es gern, darauf verlasse dich.
MUSTAPHA.
Ich danke,
So sehr ich danken kann, dir, edler Freund.
Doch sage mir, wo sind sie, die ich liebe,
Mehr als mein Leben, Weib und Sohn? –
ZEANGIR.
Verzeih,
Das weiß ich nicht, das ist für mich Geheimniß.
Erzogen im Serail, umgeben nur
Von Priestern, hört' und sah ich täglich nichts,
Als Pfaffen, oder Weiber. Jene quälten
Mich ewig mit dem Koran, diese stündlich
Mit ihren faden Schmeicheleyen, machten
Kabalen, sich in meine hohe Gunst
Zu setzen, mich nach Willkühr zu beherrschen.
Seit wenigen Tagen erst kam ich ans Licht
Der Freyheit. – Hätt' ichs nie gesehn! – Denn jetzt
Erfuhr ich, was mein Innerstes erschüttert.
Das einz'ge nur gab Freude mir, daß du,
Mein Bruder, hier erwartet werdest, – ach! –
Sonst nichts. Doch dieß immerhin genug,
mir alles Schändliche, wovon ich sonst
Noch Zeuge war, erträglicher zu machen.
So aus dem Käfig ausgeflogen, wagt'
Ich es, den Sultan flehentlich zu bitten,
Daß dein er schonen wolle.
MUSTAPHA.
Und es ward
Dir abgeschlagen?
ZEANGIR.
Freund, mit Wonne hörte
Den lauten Jubel mein entzücktes Ohr,
Der aus des Volkes vollem Herzen strömte.
Ich Thor ich träumte, daß dem Sultan er
So innig wohl gefall', als mir – Wie sehr
Betrog ich mich! – Wie wenn sich Donnerwolken
Schwarz vor der Sonne lagern, ihren Stral
Verhüllen, und der Sturm aus finstrer Nacht
Hervorbraust, dann des Menschen bange Brust
Tief athmet, – Luft sucht – keine findet – so –
So ward es mir, als ich des Sultans Grimm
Gewahrte – Hochverrath und Meineid hast
In seinem Wahne du begangen.
MUSTAPHA.
Doch,
Du glaubst nicht, daß so gräßlicher Verbrechen
Ich fähig sey? – Glaubt es der Sultan?
ZEANGIR.
Leider,
Und schwört, an dir sich fürchterlich zu rächen.
Wie schon gesagt, ich wand mich wie ein Wurm
Zu seinen Füßen, – flehte laut – allein
Vergebens; – er geboth mir schnell zu schweigen. –
Wenn nicht ein Gott aus diesem Jammer dich
Errettet, so bist du verloren. – sag,
Was kann ich für dich thun? – Ich bin bereit,
Zu handeln und zu dulden.
MUSTAPHA.
O, ich kenne
Dein shcönes Herz, und zweifle nicht daran.
Doch (auf Kopf und Herz zeigend)
Hier ists finster! – Kein Gedanke zeigt
Mir einen Weg zum Ausgang. Nein, ich muß
Den Leitungen des Schicksals meine Sache
Nun überlassen. – Sieh, wir sind zu schwach,
Zu ändern seinen Plan. Wie's führen mag,
Ich hoffe fest, es werde weise führen.
Und halte still, denn niemand, außer dir,
Meint hier es gut, ich fühl's.
ZEANGIR.
Rustan vielleicht
Ist einzig der, auf den wir zählen dürfen.
MUSTAPHA.
Ich trau ihm nicht, dem glatten Höfling, o! –
Er war mein Freund ja nie.
ZEANGIR.
Und dennoch hast
Du ihm vertraut, als er dich einberief?
MUSTAPHA.
Der Ruf geschah im Namen seines Herrn,
Der mein Herr auch ist. Was er weiter schrieb,
War bloßer Rath. Ich folgt' ihm gern, denn ach!
Es war das Brett, das in der höchsten Noth
Der ensch ergreift, dem auf empörtem Meer, –
Indeß sein Schiff der Sturm zertrümmerte, –
Die Wellen droh'n, im tiefsten Abgrund ihn
Schnell zu begraben. – Freund, verloren war
Ich ohnehin, verloren Weib und Kind.
Ich grief nach diesem Brett und gieng.
ZEANGIR.
Auch hat
Beym Sultan er so laut für dich gesprochen.
MUSTAPHA.
Und dennoch trau' ich nicht. Doch, laß versuchen,
Ob eine Probe er besteht. Er weiß
Es sicher, wo mein Weib und mein Sohn
Verborgen sind; – wie könnt' er sonst verlangen,
Ich soll erscheinen, sie zu retten, wenn
Ihr Aufenthalt ihm fremde wäre? – Nein,
Er muß es wissen, und ich kann nicht ruhen,
Eh ich an's wunde Herz die Lieben drücke.
ZEANGIR.
Du sollst sie sehn, ich bürg' es dir, du sollst –
Entweder Rustan, oder meine Mutter,
Eins von den beyden muß den Weg uns öffnen,
Ich ruhe nicht, bis ich ihn ausgespäht,
Und trotze all' und jeden Hindernissen,
Sollt' auch zu Bergen ihre Zahl sich häufen.
MUSTAPHA.
Ein neues Zeugniß giebst du mir, Zeangir,
Von deiner Liebe. Doch, ich bitte dich,
Wär' mit Gefahr für dich verbunden, was
Für mich du thun willst, so laß ab und stürze
Dich nicht um meinetwillen in den Abgrund.
ZEANGIR.
O, die Gefahr wird nicht bedeutend seyn.
MUSTAPHA.
Ich höre Menschentritt. – Umarme mich,
Mein Bruder, – ach! – vielleicht zum letztenmal,
Dann flieh!
(Sie umarmen sich mit Innigkeit. Sprachlos lassen sie einander – geben sich noch einen stummen aber bedeutenden Blick. Zeangir stürzt hinaus auf der entgegengesetzten Seite, von welcher der Sultan hereintritt.)
MUSTAPHA. SOLYMANN (mit Wache)
SOLYMANN.
Was seh ich? – Ha, Verräther! – Wie!
Du wagst es, dich in diese Burg zu stehlen,
Und noch umschließt des Kerkers Nacht dich nicht? –
Für diesen Frevel, Sklaven, haut ihn nieder!
(Die Soldaten gehen mit bloßen Schwertern auf ihn zu, er aber wirft sich dem Sultan zu Füßen.)
MUSTAPHA.
Ein Wort nur, ach! vergönne mir, mein Vater!
SOLYMANN. (der wahrnimmt, daß Mustapha noch den Säbel an der Seite hängen hat)
Hat denn die ganze Welt sich heut verschworen?
Bemüht sich alles, mich in Wuth zu setzen?
Wer ließ dem Bösewicht hier sein Schwerd? – Soll es
Mich ungestraft durchbohren? Auf, ihr Zaudrer?
Was lähmt euch Miethlingen die schlaffen Arme?
Haut zu!
MUSTAPHA.
Um des Propheten willen, Vater!
Ich bin zum Tod bereit, nur höre mich
Zuvor mit einem Wort, damit dich nicht
Der Reue Schlangenbiß zu spät verwunde.
Mein Schicksal steht in deiner Hand. Mein Weib,
Mein Kind, das einzige, was auf der Welt
Noch meinem Herzen theuer ist und werth,
Auch sie hat das Geschick in deine Hand
Gegeben; – hier – hier liegt mein Schwerd am Boden,
(wirft es von sich)
Mit dem ich muthig für dich stritt, – das Heer
Der Perser warf und deinen Thron beschützte,
O sage mir, was für ein böser Geist
Hat mir dein Herz entwendet?
SOLYMANN.
Ha! – Dir ziemt,
Zu fragen, und zur Rede mich zu stellen.
Willst du es wagen, mir zu widersprechen,
Daß du Verderben auf mein graues Haupt
Zu Sammeln dachtest? – widersprechen, daß
Du Aufruhr gegen mich gesäet im Heer,
Und in der Hefe meines Volkes? läugnen,
Daß von dem Throne mich mit Schmach zu werfen
Du vorgehabt?
MUSTAPHA.
Gott sey mein Zeuge und
Verschließe mir des Paradieses Thüren
Auf ewig, wenn solch meuterischer Plan
Je in mein Herz sich stahl.
SOLYMANN.
Woher der Taumel,
In dem das Volk voll koher Wonne schwam,
Als kaum noch deine Rückkunft das Gerücht
Verkündigte?
MUSTAPHA.
Und das soll mich verdammen,
Wenn man mich liebt, den ältesten deines Stammes,
Der mit den Vätern, mit den Söhnen zog,
In finstrer Schlacht den Feind zu überwinden,
Der dir und deinem Reich Verderben drohte?
Mich, der die Unschuld schützte, nicht den Frevler,
Der Waisen stets ein milder Vater war,
Verlaßnen half, dem Armen eine Hütte
Gewährte, den ein Uebermüthiger
Aus väterlichem Erbe warf? – Es ist
Das erstemal in meinem Leben, daß ich
von meinen guten Thaten spreche, und
Es soll – so Gott will – nimmermehr geschehn,
Nur heute zwingst du mich dazu, mein Vater!
SOLYMANN.
Sag,
Wohin kam all das Gold, das sonst die Bassen,
So lang durch sie ich die Provinzen
Regieren ließ, in großenm weiten Fässern
Hierher gesandt, zum allgemeinen Schatz?
Ha; – damit hast ergebne Kreaturen
Du dir erworben, darum liebt der Pöbel
Dich Bösewicht, darum streut er Blumen und
der Palmen Zweig' auf deinen Weg, nur darum
Erscholl der Freude Stimme dir, indessen
Der Sultan auf dem Thron erbliech, den Stoß
Des Todes fühlt', eh du dein Schwerd entblößest.
MUSTAPHA.
Herr, höre mich! – Die Bassen, denen du
Provinzen zu regieren anvertrautest,
Verstanden's freylich besser; denn Ein Faß
Voll Gold war dein, und sieben and're fielen
In ihren Schatz. – Erkunde dich, und frage
Nach ihrem Thun und Handeln, wahrlich, du
Wirst Wunder hören. Ein paar Jahre noch,
So standen die Provinzen menschenleer.
Blutigel hatten so den Lebenssaft
Darinnen aufgesogen, daß zu pressen
Gar nichts mehr übrig war. Der Unterthan –
Er mußte eine Gegend gern verlassen,
Wo nichts ihm blieb, als blut'ge Thränen, um
Sein elend zu beweinen. – Solymann,
Das waren deine Feinde, – denn entweder
War die Entvölk'rung der Provinzen das
Dir droh'nde Loos, – wenn dieses nicht, Verrath
und Aufruhr, denn sehr vieles trägt der Mensch;
Doch wie der Wurm, wenn er getreten wird,
Im Staub sich krümmt und Rache schnaubt, nur daß
Ihm Kraft zur Rache fehlt, so brauset endlich
Des Menschen Zorn in wilden Flammen auf,
Und brennt Pallast und Hüte wüthend nieder.
Sprich, Vater! hat nur einen Augenblick
Ein Aufstand dich entsetzt, der – wie du weißt –
So nah schon war, eh daß die Bassen du
Verjagdtest? Blieben die Befehle, die
du ausgesandt, nur einmal unbefolgt?
SOLYMANN.
Du Heuchler! – Eben darum hängt das Volk
An dir so warm, weil du so milde warst.
Doch deine Milde war Verstellung nur,
Du wolltest es dadurch nur an dich ziehen,
Um desto sich'rer seiner Ruh zu seyn,
Wenn gegen mich den Dolch du zücken würdest.
MUSTAPHA.
Du irrest, Herr! denn glaube mir, so lang
Ein Volk gedrückt wird, liebt es seinen Herrn
Niemals, es zittert nur vor ihm; – doch wenn
Ein guter Geist ihn leitet, bey der Wahl
Des Mannes, der das Volk in seinem Namen
Behandelt, dieser sanfte Güte übt,
So schreibt man's auf des Dieners Rechnung nicht,
Nein auf des Herrn. In allen Herzen baut
Man Tempel ihm, denn alles Gute stammt,
So glaubt das Volk, vom Fürsten, und das Böse
Vom Diener ganz allein. – (Solymann wird aufmerksam)
So warb ich Liebe
Für dich, die du bereits verloren hattest.
Das war das Böse, das ich that; – nun richte!
SOLYMANN.
Wenn, wie du sagst, das, was ich befahl,
Genau befolgt ward, warum weiltest du
So lang, als ich zurück dich rief, und kamst
Nicht auf den ersten Wink?
MUSTAPHA.
Herr, ich gestehe,
Es war Vergehen, ich berg' es nicht, und bin
Der Strafe werth, die du verhängen magst.
Doch war's das erstemal in meinem Leben,
Daß ich dir nicht beym ersten Wink gehorchte.
Kann deine Güte mir verzeihen, – gut,
Wo nicht, so strafe nur, ich murre nicht.
SOLYMANN.
Das hieß ein Gott dich sprechen! – Doch, warum
Empörte sich so laut der Ianitschar
Bey deinem Einzug? Warum warf das Volk
Dir Palmen auf den Weg?
MUSTAPHA.
Ist's meine Schuld?
Kennst du des Pöbels Unverstand so wenig,
Daß du nicht wissen solltest, wie der Kopf
Gleich lichterloh ihm brenne, wenn ein Tag
Des Neuen etwas bringt, das seine Neugier
Lockt und ihr Nahrung giebt? – Wie sollte wohl
Das große, wichtige Ereigniß, daß
Des Sultans Erstgeborener wiederkehrt
Aus fernen Landen, ihm gleichgültig seyn?
Ihn zu beschränken, hieß' ein Freundenfest
Ihm neidisch nehmen.
SOLYMANN.
Doch der Janitschar?
MUSTAPHA.
Der kennt mich noch aus jenen Zeiten ja,
Da du vor ihm nich auf den Armen trugst,
Und später, als ich in der Waffen Schmuck
Mich hüllte, und zur Wache mit ihm zog.
Und hat er nicht auch neben mir gesiegt
Im Perserkrieg? Vergißt sich das so bald?
Verzeih dem Schwachen, daß sich seine Lust
Nicht anders, als mit wildem Ungestümm,
Ergießen kann! Wirf deinen Argwohn weg,
Sey Vater wieder und ich bin dein Sohn,
Dein treu'ster Sohn, der keinen höhern Wunsch
Im Herzen trägt, als: seines Vaters Glück
Stets ungetrübt zu sehn.
SOLYMANN.
Du hast gesiegt!
Steh auf und nimm dein Schwerd!
(MUSTAPHA steht auf und einer der Soldaten reicht ihm den Säbel)
Gebrauch' es nur
Zum Besten meines Reichs, zum Aufruhr nicht.
Und stiegen jemals Wünsche in dir auf,
Die – du verstehst mich – dann denk dieses Tages.
Jetzt aber geh und lasse mich alleine.
MUSTAPHA.
Wie? – Hab ich recht gehört? – Versöhnung sprach
Der väterliche Mund? – O gott, ich danke dir!
Das konnt' ich nicht erwarten, als das Schwerd
Der Sklaven über meinem Haupt geblitzt.
Ich war dem Tod geweiht, und ach! nun leb' ich
Im Sonnenschein des glückes, – ausgesöhnt
Mit meinem Vater. – O! mich tödtet fast
Das Uebermaß der Wonne! – Vater, laß
Mit Ehrfurcht küssen mich die threue Hand,
die nun nur Seegen, Wohlseyn über mich
Verbreiten wird. (Er küßt dem Sultan gerührt die Hand)
SOLYMANN.
Laß mich allein, mein Sohn,
Und warte dort, bis ich dich wieder rufe.
(Mustapha geht in ein Kabinet)
SOLYMANN. ROXANE. (verborgen und nur ein wenig sichtbar)
SOLYMANN.
Es ist geschehn! – Ich danke dir, Prophet,
Daß du der Sklaven Arm gelähmt, als ich
Des Sohnes Tod gebot! – Wann wird der Greis
Den tollen Jünglingskopf verlieren? – Ewig
Wird dieser Schädel doch nicht brausen sollen? –
Da hätt' ich bald was Schönes angerichtet,
Wovon dereinst der Weltgeschichte Bücher
Wohl schwerlich Rühmliches gesprochen hätten.
Nein – er ist nicht des Aufruhrs fähig, das
Hat Neid ihm nachgeredet. – Hat er denn
Freywillig nicht gestanden, wo er sich vergieng,
Daß meinen Wioll er nicht schleunig that?
Das war's, das rettete sein Leben! – Alter,
Sey klug und laß so schenll nicht wieder dich
Verführen!
SOLYMANN. ROXANE. (Letztere hervortretend)
ROXANE. (für sich)
Nun ist's hohe Zeit. (Zum Sultan) Hörst du,
O Solymann?
SOLYMANN.
Was soll ich hören? – Was?
ROXANE.
Das wüthende Getümmel auf den Strassen,
Und mitten durch den Namen: Mustapha!
Die tollen Ianitscharen toben, – weynen,
Ihr Liebling sey ermordet, wenigstens
Doch in Gefahr. Sie wüthen – rasen, drohen
Mit Feu'r einwerfen, wenn sie plötzlich nicht
Den Prinzen sehen.
SOLYMANN.
Nun sie soll'n ihn sehen.
Er ist nicht ferne, ist ganz wohlbehalten
In jenem Zimmer.
ROXANE.
Wie? Sie soll'n ihn sehen?
Bedenke, Sultan!
SOLYMANN.
Ach, s'ist eitel Fabel,
Mit deinem eingebildten Aufruhr. – Du,
Ich rathe dir, mit solchen Märchen künftig
Vom Halse mir zu bleiben, die nichts mehr
Als bloßes Blut erzeugen, kurz, es ist
Nichts an der Sache.
ROXANE.
Ich fürchte, Herr,
Du bist geätuscht; allerin so seyd ihr Männer,
Man kann euch dreh'n wie Wachs.
SOLYMANN.
wie gut bemerkt!
Das nimmst du wohl an deinen Birnen ab?
Nicht wahr, Roxane? – Freylich geht ihr Weiber
Mit Männern um, wie mit dem Wachs, und knetet
So lang, bis endlich wir gestaltet sind,
Wie ihr uns braucht. – Doch, Scherz bey Seite, was
Hat deine Hoheit zu bemerken, wenn
Sie höret, Mustapha sey ohne Schuld?
Er hat mich überzeugt, – wir sind versöhnet.
ROXANE.
Sehr bald!
SOLYMANN.
O, das kam nicht zu bald. Es waren
Die Säbel schon gezückt, sein Haupt zu spalten,
Als schnell es wie ein Blitz durch meine Brust
Gezuckt, und eine unbekannte Stimme
Tief in mir rief: "Es ist dein Sohn, dein Sohn!"
Ich sank zusammen, hört' auf seine Worte,
Besann mich und verglich und wog, was alles
Er sagte, ab. – Mein Zorn entwich, mein Herz
Ward weich, es schwieg der Sturm, und süße Ruhe
Erfüllte mich. – Ich gab ihm meine Hand,
er küßte sie und – alles war vergeben.
ROXANE.
Dank sey dem Himmel! Ist der Prinz unschuldig,
So laß uns preisen den Propheten, der
Zur rechten Zeit dein Herz noch rührte. Doch –
Wenn's weiter nichts, als schnelle Rührung wäre,
Die oft wir auf des Himmels Rechnung schreiben,
Und sie entsprang aus unserm Unbestand,
Wie dann? – Du weißt doch, daß dem Achmet es
Gelang zu fiehen? – Wie, wenn er im Volk
Nun laut erzählt, was mit ihm vorgegangen?
Wenn er besorget, daß ein gleich Geschick
Dem Prinzen drohe? – Wenn er seine Sorge
Auch nicht verhehlte, denn warum verlangte
Mit solchem Ungestümm gerade jetzt
Das Volk zu sey'n den vielgeliebten Prinzen?
Und eben jetzt? – Wenn dann nun dieser Achmet,
Von Wuth erhitzt, das Volk zur Rache riefe?
Dann, Sultan, ists um dich – um mich – um alle
Die Unsrigen geschehn. – weiß Mustapaha
Von Achmets Flucht, so fand in der Begeist'rung
Er bald den ton, um dich zu überlisten,
Zum Aufschub seiner Strafe wenigstens
Zu stimmen. So gewann er Zeit, gewann
Unendlich viel, und wir, – wir sind verloren.
SOLYMANN.
Bey des Propheten Bart! In diesem Licht
Sah ich die Sache nicht. Was ist zu thun, Roxane?
Gieb Rath! – ich bebe!
ROXANE.
Nun, mit einem Wort,
Du warst zu hurtig im Verzeihen. Immer kam
Es früh genug, wenn man erst reif die Sache
Erwogen hätte. Jetzt möcht' es zu spät seyn,
Zurück zu treten. Warten, bis der Sturm
Erst ausbricht, das ist ebenfalls bedenklich,
Und gar nicht glaublich, Herr, da0 Mustapha
Und Achmet sich nihct rächen sollten. Sie
Verdienten – wahrlich – Männer nicht zu heissen,
Wenn sie die Händ' im Schooß versteckten.
SOLYMANN.
Ha!
Verdammt, wenn Recht du hättest! – Weichlichkeit,
Du hast mich abermals betrogen! – Soll ich
Denn ewig so ein Schwächling bleiben, den
Jedwede Heuchlers=Thärne wandelt? – Halt,
Ich muß mich sammeln. Wo ist Rustan?
ROXANE.
Herr,
Er wartet im Vorzimmer auf Befehle.
(Der Sultan geht ab.)
ROXANE. (allein.)
O des karakterlosen Menschen! – Der, –
Der soll ein Mann, ein Sultan seyn? – Der soll
Mit einem einz'gen Wort aus seinem Munde
Die Welt erzittern machen? (Lacht.) Ha, Ha, Ha!
Ein Kartenkönig ist gerade so viel,
Als dieser Sultan. Jener läßt sich durch
Die Hand des Kartenkünstlers leiten, – dieses
Durch eines weibes Kopf; – sind beyde doch
Nur Puppen, die am Drath gezogen werden. –
Was aber nun beschließen? – Das Gewitter
Verschonte seines Sohnes Kopf und Achmet
Gewann die Flucht; – das freylich reisset
Gewalt'ge Lücken in den schönen Plan. –
Getrst! – Ein Baum, sagt man, fällt nimmermehr
Auf Einen Hieb. – Wir wollen sehn. – Der Prinz
Muß dennoch fallen, früher oder später,
Wenn nicht durch Schwerder, o – so giebt es ja
Noch Gift und Stricke. – Ach, die seidne Schnur
Hat manchen Widerbeller zahm gemacht.
Sechs Tropfen aus gewissen Fläschgen haben
Schon manchen in das Todtenreich geschickt.
Eins oder s'andere werd' auch ihm bereitet,
Damit mein Fuß nicht selbst zu fallen gleitet.
(ab.)