Christian Jacob Wagenseil
Mustapha und Zeangir
Christian Jacob Wagenseil

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Dritter Aufzug.

(Garten von Serail.)

Erster Auftritt.

ROXANE. RUSTAN

ROXANE.
Hast du bemerkt, wie wenig mehr gefehlt,
Daß Mustapha der Rache Dolche entrann?

RUSTAN.
Ich hab' es ja! Doch habe nur Geduld,
Dem Netz, das ich mit schlauer Hand gestrickt,
Entgeht er sicher nicht.

ROXANE.
Laß hören, Freund!

RUSTAN.
Mir bangt vor nichts, als vor dem Wankelmuth
Des alten Sultans. – Wenn die Reu' erwacht,
Dann kann das Blatt sehr schnell sich wenden, – kann
Der Strahl, der Mustapha zerschmettern sollte,
Leicht unsere Köpfe treffen. – Fürstin, sprich,
Wer wird bey ihm vor Zeugen uns beschützen?

ROXANE.
Gesetzt, es melde sich, wie du befürchtest,
Die Reue; – o! – ich werde mit ihr fertig.
Ein Blick aus meinen schwarzen Augen hat
Den Sultan oft zu Boden schon geworfen.

Des vollen weißen Busens Wallen blendet
Den alten Wollustknecht, und er vergißt –
Gestreichelt von Roxanens weicher Hand –
Was er vergessen soll. – Nun deinen Plan.

RUSTAN.
Der Prinz muß selber drehn den Strick, der ihn
Erwürgen soll, und der empfindsame
Zeangir, zu gewissenhaft, sich auf
Den Thron zu setzen, soll das Rad ihm schwingen.
Aus beyder Händen soll in unsre er
Herrüber gehn, wir ziehen plötzlich zu, –
Und husch, – das Lustspiel ist zu Ende.

ROXANE.
Schone
Zeangirs! – Zwar ergötzt mich wahrlich nicht
Sein weibisches Gewinsel; doch er ist
Mein Sohn, und soll mich nach Verdienst belohnen,
Wenn einst er Sultan seyn wird. – Unser sind
Des Reiches Zügel, er der Schatten nur,
In dessen Dunkel wir die Welt beherrschen.

RUSTAN.
Es scheint, der Sultan nahe sich. – Nur noch
Ein Wort in Eile! Merke dir's, wir müssen
Für Mustapha Vergebung flehen, aber rathen,
An Weib und Sohn zu rächen seine Thaten.

ROXANE.
Wie meynst du das?

RUSTAN.
Die Zeit ist jetzt zu kurz,
Dir's zu erklären. Halte dich indessen
Genau an das, was ich gesagt. Das Ende
Wir alles deutlich machen.

Zweyter Auftritt

Die Vorigen. SOLYMANN.

SOLYMANN.
Wie? – ihr hier?
Und mich läßt man allein?

RUSTAN.
Ich war nicht müssig,
Denn deine Sicherheit, o Herr, liegt mir
Zu sehr am Herzen. – Mit gespanntem Auge
Durchgieng ich den Pallast, zu sehen, ob
Kein Frevel sich erhebe, stellte Sklaven
Mit Vorsicht aus, ob etwas sie entdeckten.

SOLYMANN.
Und wie benimmt im Augenblicke sich
Der Ianitschar?

RUSTAN.
Er murrt und schweigt.

SOLYMANN.
Und schweigt?
Gut, das, und also war's unnöthig – –

ROXANE.
Was?

SOLYMANN.
Daß ich mir Mühe gab, erst zu erforschen,
Ob alles ruhig sey, weßhalb Zeangir
So dringend bat, daß ich durch ihn das Chor
Der Ianitscharen ließ besänft'gen.

ROXANE.
(für sich) Ha,
Verräther!

SOLYMANN.
Nun, ich that wie er gewünscht,
Jetzt aber sagt, was ist noch mehr zu thun?
Ihr überzeugt euch beyde, daß mein Sohn
Nicht schuldlos sey, und das hier in meiner Brust
Tönt eine Stimme: Ja, er ists, er ists.
Verdammt hatt' ihn der Richter, doch der Vater
War tief gerührt, – gewährt' ihm Gnade; – dennoch
Wär's möglich, daß mein Sinn sich täuschte, drum
Gebt Rath in diesem Sturm des Herzens.

RUSTAN.
Herr,
Das mildere Gefühl des Vaters täuscht
Dich schwerlich, – die Natur behält ihr Recht.
Glaub' immer, daß er schuldlos sey; – die Schuld
Ist wenigstens erwiesen nicht, und besser,
Es werd' ein Schuldiger verschont, als wenn
Der Rache Schwerd unschuldig Blut vergöße.

ROXANE.
Und doch kann nicht geläugnet werden, daß
Prinz Mustapha dir ungehorsam war.
Blindlings gehorchen ist des Feldherrn Pflicht,
Und auch des Sohnes. – Dürfte Ein Befehl
Des Sultans übertreten werden, o!
So können's alle werden, und wo bleibt
Dann Ehrfurcht für des Herrschers Willen? wo
Pflicht des Gehorsams? Sicherheit des Thrones?
Zwar milde mag die Strafe seyn, doch straflos
Kann er des Beyspiels wegen doch nicht bleiben.

SOLYMANN.
Und wenn ich's ahnden muß, Roxane, sprich,
Wie, – wie soll ich ahnden?

ROXANE.
Sultan Solymann,
Warum verließ der Prinz das Heer, und kam
Hierher, als sie zu sehn, die auf der Welt
Ihm doch die liebsten sind, ein blühend Weib,
Ein theures Kind. Nimm sie ihm, und er ist
Genug gestraft, ja mehr, als wenn das Schwerd
Den Ungehorsam strafte.

RUSTAN.
Zweifle nicht.
Der Schmerz, sie zu verlieren, wird ihn wild
Durchbeben, denn gewiß, hätt' er die Wahl,
Er stürbe gern für sie und lieber, als
Er sie verliert. Indessen lernt der Prinz
Sich fügen, lernt gehorsam seyn in Zukunft.

SOLYMANN.
Ja, ihr habt Recht! – Straflos kann er nicht bleiben,
Sonst muß ich auf ein ewig Widerstreben
Gefaßt mich machen. Und so sterbe denn
Fatime, doch sein Sohn Zopir sey frey.
Indeß mag Mustapha die Art erkiesen,
Wie seine Gattin sterben soll. Du, Rustan,
Meld' ihm, was ich beschlossen.

RUSTAN.
Darf ich, Herr,
Ein Wort dir zu entgegnen wagen?

SOLYMANN.
Sprich!

RUSTAN.
Dir ist vielleicht nicht unbekannt, o Sultan!
Daß Mustapha mich nie für seinen Freund
Gehalten. Soll noch stärkere Erbitterung
In seiner Brust entsteh'n? – Ists dir gelegen,
Daß seinen ganzen Grimm auf mich er schütte?
Daß er, empört durch einen solchen Antrag,
Sein blankes Schwerd in meinen Busen stoße?
aus Freundes-Mund ist auch die herbste Kunde
Erträglicher, drum bitt' ich dich, Beherrscher
Der Glaubigen, verschone mich und laß
Zeangirn diese Botschaft bringen. Er,
Er lerne nebenbey, der dreiste Knabe,
Wie man des Sultans Wink gehorchen müsse.

SOLYMANN.
Und sey zugleich für seinen Eifer,
Sich eher Mustapha, als mir, zu weihen.

Dritter Auftritt

Vorige. ZEANGIR.

ZEANGIR.
Herr, fürchte nichts, man hat dich hintergangen.
Ich fand die Ianitscharen ruhig, nirgend
Ist ein Gedanke auf Tumult und Aufruhr.

SOLYMANN.
Wir wissen es.

ZEANGIR.
Nur wünschten sie, zu hören,
Ob Mustapha noch lebe. – Achmet selbst – –

SOLYMANN.
Ha! – Nenne nicht den Namen des Verräthers!

ZEANGIR.
Herr, dein Verdacht führt irre.

SOLYMANN.
Zähme dich,
Verwegner Jüngling!

ZEANGIR.
Dir geweihet ist
Sein Blut, sein Leben, und in deinem Dienste
Vergießt er jeden Tropfen ohne Widerrede,
Jedoch ein bloßes Opfer blinder Wuth
Zu werden, meynt er, fromme nicht.

SOLYMANN.
Du wagst es,
Du Tollkopf wagst, dergleichen Reden mir
Zu hinterbringen? – Dank es meiner Langmuth,
Daß ich dich nicht in meinem Grimm zernichte,
Und daß ich dich mit einem Antrag ehre,
Den nur der Sohn des Sultans seinem Bruder
Eröffnen darf. Geh, meld' ihm meine Gnade.

ZEANGIR. (entzückt)
Ich danke dir, o Vater!

SOLYMANN.
Und das Weit're
Erfährest du von Rustan.

ZEANGIR.
Laß, o Vater,
In Staub gebeugt, gerührten Dank dir stammeln!
Schenk' mir dein Reich, ja, schenke mir die Welt,
Und ich bin nicht beglückter.

SOLYMANN.
Folge mir,
Roxane! (geht ab)

ROXANE. (spöttisch zu Zeangir)
Freue laut dich deines Glückes.
Und wenn von ohngefähr dir eine Welt
Geboten wird, vergi&szlig; dein Wort nicht! (geht auch ab)

Vierter Auftritt

ZEANGIR. RUSTAN.

ZEANGIR.
War
Das Ernst? wars Spott, was da Roxane sprach?
Gewiß das Letztere. Nein, so verzieht
Die Wahrheit nicht den Mund. So höhnisch blickt
Kein Auge, wenn das Herz es redlich meynt. –
Was werd' ich hören? – Nun, was hast du mir
Zu sagen, Rustan? – Ich errath' es schon, –
Sollst du nicht Zeuge meines Jubels seyn,
Wenn ich dem Bruder wonnevoll verkünde,
Was mir des Sultans Mund geboten? – Doch
Laß uns nicht länger weilen, – an sein Herz
Laß schnell uns sinken, und ein Freudenfest
Mit Mustapha begehn. – Du schweigest, Rustan,
Was schließet dir den Mund?

RUSTAN. (wehmüthig)
Mein theurer Prinz!

ZEANGIR.
Das ist der Ton nicht, der für solche Botschaft
Sich schicket. – Wie geschieht dir?

RUSTAN.
Schone mein,
Laß lieber mich verstummen.

ZEANGIR.
Nimmermehr!
Sprich frey, was drückt dein Herz?

RUSTAN.
Ach, Gnade
Gewährt ist freylich Mustapha. Das Leben schenkt
Der Sultan ihm und – raubt ihm tausend Leben.

ZEANGIR.
Du sprichst in Räthseln, Rustan. Komm, erkläre
Dich deutlicher, ich bin gefaßt auf alles.
Zum guten Boten schein' ich nicht erkohren.
Doch sprach einst wahr mein Bruder: "Schlimme Kunde
Aus Freundesmund ist minder schrecklich."

RUSTAN.
Nun,
So sage, daß das Leben ihm der Sultan
Geschenkt, doch statt desselben sich zum Opfer
Fatimens Leben fod're.

ZEANGIR.
Nein, das ist zu viel,
Das sag' ich nicht, das hieße tausend Dolche
Ins Herz des Bruders stoßen.

RUSTAN.
Dennoch will
Es Solymann, und Mustapha soll selbst
Die Art des Todes für sie wählen.

ZEANGIR.
Gott!
Das ist zu schrecklich, zu barbarisch! – Nein,
Solche Gräuel nennt bis jetzt noch nicht
Die Weltgeschicht'. – Und war kein Mensch, der es
Gewagt, dem Sultan zu beweisen, daß,
Wie er, nicht Teufel in der Hölle handeln?
O laß mich zu ihm! – Ha, ich will mein Herz
Im Sturme gegen ihn ergießen.

RUSTAN.
Prinz,
Um des Propheten willen, zähme dich!
Dein Sträuben ist vergebens, – ganz vergebens,
Des Sultans Wort Gesetz, für dich und jeden
In seinem Reich. Strick oder Dolch bestraft
Den, der zu widersprechen wagen will.

ZEANGIR.
Ich habe nur Ein Leben zu verlierne,
Und wären's tausende, mit Freunden brächt'
Ich sie zum Opfer. – Ihr, ihr wagt es nicht,
Zu reden. – Wenn der Sultan nickt, so nicket
Ihr dienstergebenst mit, und wenn das Haupt
Er schüttelt, wer von euch wird's wagen, nicht
Das seine mit zu schütteln? – Armes Volk,
Das nicket oder schüttelt, wie es nur
Der Abgott haben will!

RUSTAN.
Ohnmächtiger!
Streck' deinen schwachen Arm dem Sturm entgegen,
Und sieh, ob du ihn bändigst! Peitsch' die Flut
Des Meeres, wenn sie tobt, und siehe, ob
Dein Peitschen sie bezähme. Sprich zur Flamme:
"Bis hierher!" – ob sie wohl gehorsam ist,
Und nicht mehr brennt?

ZEANGIR.
Rustan, des Menschen Sinn
Ist keine Flamme, ist kein Sturm, kein Meer.
Nicht immer ist er ungestümm, und Gründe
Verändern oft die Richtung, die er nahm.
Ein Wort, zu rechter Zeit und aus dem Herzen,
So wahr als warm gesprochen, ändert oft,
Was keines Menschen Macht zu ändern hoffte.
Ich wag' es, Rustan. – Bleibt der Sultan taub
Bey meinem Flehen, soll das Opfer bluten,
Vermag ich gar nichts über ihn; – wohlan,
So ist noch ein Schritt übrig, der wird alles
Im Augenblick verändern.

RUSTAN.
Prinz, ich bin
Begierig, dieses Mittel zu erfahren.

ZEANGIR.
Freund Achmet und das Chor der Ianitscharen,
Die lassen Mustapha nicht fallen.

RUSTAN.
Aufruhr? –
Wohl, junger Brauskopf, geh nur und versuch' es.
Doch nein, – versuch' es nicht! Es giebt vielleicht
Noch Mittel, weniger gefährlich, und
Sie führen sicherer zum Ziel.

ZEANGIR.
Ich bins
Zufrieden, wenn du solche Mittel kennst.
Entdeck' sie mir, denn ein- für allemal,
Geholfen muß nun werden.

RUSTAN.
Eine List
Alleine kann vielleicht noch retten. Doch
Vergiß es nicht, wir bau'n auf ein "Vielleicht",
Der Ausgang bleibt noch immer zweifelhaft.

ZEANGIR.
Ich stehe wie auf Kohlen. – Mach geschwind!

RUSTAN.
Der Sultan dürstet nach Fatime's Blut.
Warum? – Weil er erwartet, daß der Schlag
Auf beyde treffe. – Mustapha erblaßt
Im Augenblick, da seine Gattin stirbt,
Und Solymann glaubt dann, sich ganz gerächt
Zu haben. – Könnte man dahin es bringen,
Den Sultan zu bereden, Mustapha
Sey durch den Tod Fatime's nicht bestraft,
Ein and'rer Gegenstand erfüll' sein Herz
Mit Flammen heißer Liebe; – o ich zweifle
Im mind'sten nicht, er ändert seinen Sinn,
Und läßt Fatime leben.

ZEANGIR.
Habe Dank
Für diesen Rath.

RUSTAN.
Noch sind wir nicht am Ende.
Der Gegenstand der Liebe Mustapha's
Muß weit entfernt und seiner würdig seyn.
Am besten Persiens Prinzessin. – Einen Brief
Schreibt Mustapha an ihren Vater, wünscht
Den angebot'nen Bund recht bald zu knüpfen,
Wünscht sie zu sehen, an sein Herz zu drücken,
In ihrem Arm als Ehgemahl zu ruh'n,
Je eher, desto besser. – Wie gefällt
Dir dieser Plan?

ZEANGIR.
Ich brenne vor Begierde,
Ihn schleunig auszuführen. – Heißer Dank
Sey dir, o Rustan! (umarmt ihn schwärmerisch)
O, du bist mein Freund,
Mein einz'ger Freund an diesem Hofe, bist
Der einz'ge Freund des armen Mustapha.
Nie werd ichs dir vergessen, daß nur du
Den Faden mir, aus diesem Labyrinth
Zu kommen, liebreich reichtest! – Zähle ganz
Auf meine Dankbarkeit und seine. Jetzt
Entfern' ich mich, du wirst hier meiner warten,
Ich komme bald zurück.

RUSTAN.
Verweile nicht,
Denn oft liegt zwischen Leben oder Tod
Ein Härchen nur.

ZEANGIR.
Zu Mustapha! (eilt schnell ab)

Fünfter Auftritt

RUSTAN. (allein)
Geh nur,
Du blinder Thor!
Reich' ihm das süße Gift.
Ich seh' es schon in seinen Adern wüthen.
Triumph! das Ziel ist bald erreicht. – Roxane,
Wie wirst auch du dich freuen! wie mit Gold
Und der Prinzessin Hand mich schnell belohnen!
Was thät' ich nicht für Wollust und für Gold? –
Glück zu, sie nahen sich! – Ein Blumenweg
Zieht freundlich sich von nun an durch mein Leben.
Ich fühle mich gerochen, denn wer war es,
Der mir das süße Weib, Fatimen, raubte?
Schon wähnt' ich sie als Gattin mir vermählt,
Und jede Nerve bebte beym Gedanken:
"Du wirst die unberührte Rose brechen,
Wirst schwelgen an dem unentweihten Busen,
Ihr weicher Schwanenarm wird dich umfassen,
Ihr Kuß ein Paradies dir zaubern." – Ha!
Verflucht, – kann der Milchbart Mustapha, –
Weg war das Täubchen, und Freund Rustan sah
mit offnem Mund dem fetten Bissen nach.
Doch Rachgefühl durchglühte mich. – Bis jetzt
Schlug freylich alles fehl; die schlau'sten Künste
Des Höflings blies ein Hauch, ein Ohngefähr
Hinweg, doch dieser Plan, der sich so schön
Entwickeln, reifen wird, soll auf die höchste –
Die höchste Stufe meiner Wünsche führen. –
Halt! – Seh ich recht? – mir scheint sie kommen schon.
Ein Brief in deiner Hand, Prinz Mustapha?
So schnelle wär das Vögelein gefangen?
Ja wahrlich, – ja, das wär' ein Meisterstreich. –
Ein Brief scheint's freylich, aber ob der rechte,
Das ist noch zweifelhaft. – Glück, steh mir bey!
Ich harre hoffend dir entgegen.

Sechster Auftritt

RUSTAN. MUSTAPHA. ZEANGIR.

MUSTAPHA.
Bruder,
Noch schwankt mein unruhvolles Herz, noch ists
Vor meinen Augen dunkel. – Meinen Tod
Wünscht doch der Sultan. Nun, es ist ein Kleines,
Mich aus der Welt zu fördern, und des Jammers
Hab' ich so viel getragen, daß des Lebens
Ich längst schon müde bin. – Ich schmachte nach
Dem Hafen, der mein Schiff vor Stürmen schützt.
O, warum zaudert Solymann, den Kopf
Vom Rumpf zu trennen? – Warum sollen Martern
Mich erst noch quälen? Oder wär's nicht Marter,
Nicht fürcherlichs Begehren, selbst das Weib
Des Herzens in des Henkers Hand zu liefern?
O ihr, des Himmels unsichtbaren Mächte,
Welch eine Wahl gebt ihr in meine Hände!
Entweder auf dem Todesblock das Haupt
Der Gattin – ach! der leiben, süßen, – zu
Erblicken, oder ehrlos, schändlich handeln,
Zu fröhnen dem Betrug, zu schreiben, was
Das Herz nicht weiß, was es verflucht. – O Gott,
Welch eine Wahl, wie drückt sie mich zur Erde!

RUSTAN.
Und doch ist es der einz'ge Weg, dein Leben,
Der Gattin Leben auch, zu retten. – Prinz,
Mich dünkt, es sey nicht schwer, zu wählen. – So
ein Brief, was kann dir der verschlagen? – Sieh,
Der Sultan will einmal betrogen seyn,
Laß ihm die Freude, dir bleibt der Vortheil.

MUSTAPHA.
Betrug bleibt immerhin Betrug, und wenn
Ich auch durch ihn das Leben rette.

RUSTAN.
Wohl,
So sey ein Held und stirb. Doch, was wirds nützen?
Glaubst du, dein Tod sey alles Schlimme, das
Dir widerfahren kann, so irrst du dich.
Kaum wirst die Augen du geschlossen haben,
So wird man auf dem frischen Leichenhügel
Fatimen schlachten, auch vielleicht den Sohn.

ZEANGIR.
Ha, welche schauerliche Aussicht! Bruder,
Laß dich erbitten, gieb den Brief mir.

MUSTAPHA.
Ach!
Ich kann nicht, denn mir widerräth's die Pflicht.

ZEANGIR.
Giebt es noch größ're Pflicht, als gegen Unschuld?
Auf, rette sie, du bist es schuldig!

MUSTAPHA.
Soll ich
Den Vater hintergeh'n mit eitler Lüge?

ZEANGIR.
Er ist ja hier nicht Vater, ist nur Mörder
Des frommen Weibes; – gegen Mörder ist
Jedwede Waff' erlaubt.

MUSTAPHA.
Und ist das nichts,
Sich seiner Unschuld überzeugt zu fühlen?
Nicht schöner, Freund, zu wissen, daß ich nicht
Den Tod verdient, wenn ich ihn leide?

ZEANGIR.
Ah!
Dich täuscht dein edles Herz. Du nennst Betrug,
Was doch nur einz'ges Rettungsmittel ist.
Das schwache Brett ergreift der Hoffnungslose
Im wilden Meeressturm, entreißt wohl gar
Dem nächsten Nachbar es, und rettet sich
Das Leben. Nun, ergreife dieses Brett,
Und rette dich, dein Weib, dein Kind, und denk
An Selbsterghaltungs-Pflicht. – Hilf ihn bereden,
Freund Rustan, denn kommt nicht der Rath von dir?

RUSTAN.
Ja, einen andern weiß ich nicht. Er kommt
Aus treuem Herzen.

MUSTAPHA.
Nimmermehr kann ich
Mich überzeugen, dieser Rath sey gut.
Denn war der Perser König nicht seit Jahren
Des Sultans ärgster Feind? und nun auf einmal
Soll ich – – –

RUSTAN.
Die Feindschaft ist vergessen. Schlingt
Des Friedens Oelzweig sich um beyde nicht
Durch deine Siege? – sind sie denn nicht Freunde?
Ist es etwas so gar Ohnmögliches,
Daß noch ein schön'rer Bund den Frieden kröne?
Zwar steht der Ausgang nicht in unsrer Hand,
Doch meyn' ich, wär' es zu versuchen.

ZEANGIR.
Freund,
Der Gattin Leben steht jetzt auf dem Spiel.
Der Brief kann sie noch retten. – Ist die Wahl
So schwierig? Kennst du nicht des Sultans Wuth?
Weißt du denn nicht, daß das, was er befiehlt,
Im nächsten Augenblicke – kaum gesprochen –
Vollzogen seyn soll? – Wenn er nun erfährt,
Es sey noch nichts geschehen, wird sein Zorn
Nicht schnell entbrennen? – wird vielleicht mit eigner,
Mit meuchelmörderischer Faust er nicht
Den Säbel schwingen? – Wird er nicht im Grimm
Dich selber morden, und das blanke Schwerd,
Von deinem Blut noch rauchend, in die Brust
Fatimens stoßen?

MUSTAPHA.
O! – Mein Leben acht' ich nicht,
Doch ihres muß ich retten. – Nimm – hier ist
Der Brief. (Er giebt zitternd Rustan den Brief)

RUSTAN.
Du zitterst?

MUSTAPHA.
Rustan, lies,
Was ich geschrieben.

RUSTAN.
(Entfaltet den Brief und liest)
"Dein gütig Herz bot mir der Tochter Hand,
Die einst der Perser Thron soll zieren. – Herr,
Ich danke dir für diese Wonne, – würde
Selbst dir diesen Dank – wie froh – gestammelt haben,
Wenn nicht des Vaters Ruf mich schnell hierher
Gefodert hätte. – Jede Zunge preißt
Die Tugend deiner tochter. – Glaube mir,
Auch ich verehre sie. – Sie wird die Welt
Zum Paradieß mir machen. – Glücklich, wenn
Ich bald in meinen Arm sie schließe, wenn
Mein Mund dich bald entzücket Vater nennt."

MUSTAPHA.
Ha, welche Lügen! – War es möglich, daß
Ich diesen Unsinn schreiben konnte? – Wehe,
Wenn dieses Blatt, auch wenn ich nicht mehr bin,
Noch zeugen kann: "So log einst Mustapha."
Ein jeder Edler wird mein Grab verachtend
Vorüber gehen und mit Unmuth sagen:
Es ist ihm recht geschehen, was geschah.

ZEANGIR.
O quäle nicht dein Herz mit Schreckensbildern,
Du kränkst auch meines.

MUSTAPHA.
Nun, wie soll der Sultan
Die Lüg' erhalten?

RUSTAN.
Eine Lüge ist
Der andern werth; – man hat den Brief gefunden.

MUSTAPHA. (heftig)
Mir aus den Augen!

RUSTAN.
Du, Zeangir, danke
Indessen deinem Bruder, dank' ihm herzlich.
Er war, wie du, und wußt' es selber nicht,
Sein ärgster Feind. Umarmt euch ja recht brünstig,
Wer weiß, wie oft es noch geschehen dürfte.
(geht hohnlächelnd ab)

Siebenter Auftritt

MUSTAPHA und ZEANGIR (sehen sich eine Weile erstaunt an)

ZEANGIR.
Was hör ich? – was war das? – was sprach er?

MUSTAPHA.
Was ich schon lang vermuthete. – Es war
Verrätherey, – ein kleines Stück vom Hofe.
Der Bube hat sein Ziel erreicht, denn sieh,
Er denkt, es soll den Hals mir brechen, und
Das wünschen er und deine Mutter. – Wohl,
Ich bin bereit, zu sterben. Eins nur kränkt
Mein Herz, daß diese Rotte dich zum Werktzeug
Erkohr, mich zu verderben. – O! – freywillig,
Das wußten sie, nahmst du die Krone nicht,
Mich ihrer zu berauben. – Menschenliebe,
Das war die Falle, dich zu fangen, und
Du giengst hinein. Laß, Bruder, dich's nicht kränken,
Du meyntest's gut, es ist mein Loos nun so.
Mein Schicksal warf's, wer wagt's, zu widerstreben?

ZEANGIR.
O nimmermehr! – Die ganze Hölle tobt
In meiner Brust. Ich eil' ihm nach, dem Falschen.
von diesen Händen soll er sterben, wenn
Ich nicht das Lügenblatt zurück erhalte.
Ich stürm' in den Pallast, und stürme selbst
Zum Sultan, sag' ihm, alles sey erlogen,
Er soll nicht sehen, soll nicht hören, soll
Allein auf den Verräther zürnen, und
Dem Tod ihn weihen, stirbt er nicht durch mich,
Der Hund. – Hier Mustapha, erwarte mich.
(geht schnell ab)

Achter Auftritt

MUSTAPHA. (allein)
Bleib, Bruder! – ach umsonst, er flieht, der Edle! –
Wie wunderbar, o Gott! sind doch die Wege,
Die deine Hand uns durch das Leben führt!
Die Bosheit treibt ihr schreckenvolles Spiel,
Mißbraucht den Schwachen, und mißbraucht den Guten,
Es durchzuführen. – Ach, ich merke wohl,
Daß die Geschichte blutig enden wird.
Gilt es nur meinen Kopf, so dank' ich dir,
Du Unerforschlicher! Laß mein Gebet
Zu deinem Throne dringen! Schone, schone
Fatimens und des zarten Knaben! – Wirf
Die Blitze deines Zornes nur allein
Auf mich; ich dulde still und murre nicht.
Ich geh voran den Weg zum Grabe. Einst
Wird eins dem andern folgen, lebensmüde,
Und dann – Triumph! – im hehren Paradieß
Sich jubelnd wieder finden.

(Er verliert sich in einem dunkeln Gang, und der Vorhang fällt.)

Ende des dritten Aufzugs


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