Johann Heinrich Voß
Luise
Johann Heinrich Voß

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Erst Idylle.

Das Fest im Walde.

 

                      Draußen in luftiger Kühle der zwei breitlaubigen Linden,
Die, von gelblicher Blüthe verschönt, voll Bienengesurres,
Schattend der Mittagsstub', hinsäuselten über das Moosdach,
Hielt der redliche Pfarrer von Grünau heiter ein Gastmahl,
Seiner Luise zur Lust, hausväterlich prangend im Schlafrock.
Sechs Schilfsessel umstanden den Steintisch, welche der Hausknecht
Heimlich geschnitzt, als Ehrengeschenk, zu der Jungfer Geburtstag,
Gastliche; doch für den Herrn ein wohlansehnlicher Lehnstuhl.
Sorglos saß nach dem Mahle der Greis fort, sich und die Andern
Mit lehrreichem Gespräch zu erfreun und mancher Erzählung.
Küchlein, zahm wie die Mutter, das Perlhuhn, pickten der Jungfrau
Brot aus der Hand; weil ferne der trotzige Hahn mit den Weibern
Harrte des Wurfs, und die Taube vom Dach, und der kollernde Puter.
Nachbarlich dort im Schatten des blüthendoldigen Flieders
Nagte des Festmahls Knochen Packan, und murrete seitwärts
Gegen die lauernde Katz', und schnappte sich sumsende Fliegen.
Aber Mama, sanftlächelnd der wohlbekannten Erzählung,
Zupfte geheim Luisen, die neben ihr saß, an dem Aermel,
Neigt' ihr nahe das Haupt und begann mit leisem Geflüster:

Gehn wir noch in den Wald, mein Töchterchen? Oder gefällt dir's,
Weil die Sonne so brennt, in der Geißblattlaub' an dem Bache
Deine Geburt zu feiern? Du blickst ja so scheu und erröthest.

Hold erstaunte der Red' und sprach das rosige Mägdlein:
Nicht in der Laube, Mama! Das Geißblatt duftet des Abends
Viel zu streng', und zumal mit der Lilien und der Reseda
Dufte vermischt; auch schwärmen so wild an dem Bache die Mücken.
Lieblich scheint ja die Sonn', und am waldigen Ufer ist Kühlung.

Beifall nickte die Mutter. Da war die Erzählung geendigt;
Rasch nun wandte zum Manne das Wort die verständige Hausfrau:

Väterchen, danken wir Gott? Luise begehrt, den Geburtstag
Lieber im Wald' als unten am Bach in der Laube zu feiern.
Lieblich scheint ja die Sonn', und am waldigen Ufer ist Kühlung.
Jetzo mein Rath: Herr Walter, der muthige Karl und Luise
Gehn voran und wählen den Ort und suchen uns Brennholz. –
O, daß der steife Besuch abhält auf dem Schlosse die Herrschaft,
Mutter und Tochter zugleich! Mit Amalia wäre der Gang doch
Lustiger! Hell dann tönt' in den Waldungen eures Gesanges
Nachhall! – Aber wir beiden Gemächlichen fahren den Richtweg
Ueber den See. Der Verwalter, das wissen wir, leiht zum Geburtsfest
Gerne den Kahn. Doch wünscht' ich, daß unser Papa noch ein Wenig
Schlummerte. Mittagsschlaf ist ein Labsal ältlicher Hausherrn,
Wann heiß werden die Tag', und die blühende Bohne betäubet.

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Hört Er, mein Sohn, wie sie waltet, die Herrscherin? Aber ich muß schon
Folgsam sein; denn es gilt den Geburtstag meiner Luise.
Kinder, wir beten zu Gott dem Unendlichen! Betet mit Ehrfurcht.

Dieses gesagt, entblößte der redliche Vater den Scheitel,
Glänzend kahl und umringt von schneeweiß prangendem Haare,
Senkte den Blick demüthig und sprach, mit gefalteten Händen:

Lieber Gott, der du Alles, was lebt, mit Freud' und Erquickung
Sättigest, höre den Dank, den deine Kinder dir stammeln.
Wir sind Staub. O beschirme, wenn's frommt, in dem Leben der Prüfung
Uns vor Trübsal und Gram, wie vor üppigem Stolze und Leichtsinn.
Gieb uns tägliches Brot, und unseres; bis wir, den eiteln
Sorgen entrückt, als Bewährte, zu deiner Herrlichkeit eingehn. –
Meine Kinder, ich wünsch' euch eine gesegnete Mahlzeit.

Also der Greis; da nahten sie All' und küßten den Mund ihm
Dankend; es küßt' ihn umarmend die rosenwangige Tochter;
Dann an die Wang' ihm geschmiegt, liebkoste sie. Aber mit Inbrunst
Herzte der Greis sein freundliches Kind, auf dem Schooße sie wiegend.
Beid' an der Hand nun fassend die Fremdlinge, sagte die Mutter:

Seid ihr auch satt, ihr Lieben? Nur Bauernkost war es freilich,
Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauses
Wissen ein ländliches Mahl zu entschuldigen. Trinken wir jetzt noch
Kaffee hier? Vornehme genießen ihn gleich nach der Mahlzeit.

Ihr antwortete drauf der edle, bescheidene Walter:
Herzlich danken wir, liebe Mama, für die schöne Bewirthung.
Machen Sie Karl nicht roth. Gut sein ist besser denn vornehm.
Säße bei solchem Mahle der Ländlichkeit selbst auch der Kaiser,
Unter dem Schatten der Bäum', in so traulicher lieber Gesellschaft;
Und er sehnte sich ekel zu Höflingsstand' und des Mundkochs
Mischungen heim: so verdient' er an Leib und Seele zu hungern!
Besser, wir gehn ungesäumt in den Wald; und landet der Kahn an,
Flugs, nach altem Gebrauch der Familie, kochen wir sämmtlich
Unter dem hangenden Grün weißstämmiger Birken den Kaffee.
Karl auch kocht großmüthig für uns; ihm macht es nur Wallung.

Aber es schalt der Vater und rief die eifernden Worte:
Ei, mit der unstatthaften Entschuldigung! War denn der Reisbrei
Angebrannt? und der Wein aus dem Reisbrei nüchtern und kahnig?
Waren nicht jung die Erbsen und frisch, und wie Zucker die Wurzeln?
Und was fehlte dem Schinken, den Heringen oder der Spickgans?
Was dem gebratenen Lamm und dem kühlenden röthlichgesprengten
Kopfsalat? War der Essig nicht scharf, und fein das Provinzöl?
Nicht weinsauer die Kirsche Dernat, nicht süß die Morelle?
Nicht die Butter, wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen?
Was? Und das kräftige Brot, so weiß und locker! O schändlich,
Wenn man Gaben von Gott aus Höflichkeit also verachtet!
Lieber Sohn, da nehm' Er die Dirn' an den Arm, und sogleich mir
Fort in den Wald! Komm her, mein Mütterchen, daß ich dich küsse!

Sprach's und zog sie heran; und das Mütterchen folgete willig.
Dennoch verwies ihm solches die gute verständige Hausfrau:

Schilt nicht, böser Papa! Man sagt ja wol so ein Wörtchen,
Wie es die Weise verlangt und Artigkeit. Aber wohlan nun,
Schlummere kühl und ruhig im Kämmerlein. Jungfer Susanna
Hat mit Pfeffer und Milch die Fliegen gedrängt, auch das Mäuschen
Hübsch in die Falle gelockt und den Alkov fleißig gelüftet.

Jene sprach's und führte den lieben Gemahl in die Kammer,
Hinten hinaus, wo es frisch anathmete; legt' auf der Ruhbank
Ihm sein Polster zurecht und schloß die dunkle Gardine;
Während die Magd des Mahles Geräth und die festlichen Gläser
Eintrug, sammt dem Gedeck von schöngewebetem Drillich.

Jetzo eilte der Knecht mit dem Auftrag zu dem Verwalter,
Daß für der freundlichen Jungfer Geburtstag jener gefällig
Liehe den Kahn, der, sicher gebaut am Strande der Ostsee,
Auslief, selbst wann es wallte, zur Lustfahrt oder zum Angeln.
Hans nun sagte sein Wort; da erwiederte rasch der Verwalter:

Fordere Kahn, und was ich vermag; ich gewähr' es der Jungfrau!
Sprach's und langte den Schlüssel dem Eilenden. – Aber die Jungfrau
Faßte, dieweil Karl drängte, den Arm des bescheidenen Jünglings;
Und um die rauschende Schleuse der Mühl' in das grasige Seethal
Lenkten sie fröhlich den Gang. An des Mägdleins Füße geschmieget
Weht' ihr weißes Gewand mit rosenfarbenen Schleifen;
Seidener Flor umwallte verrätherisch Busen und Schultern;
Vorn mit der knospenden Rose geschmückt; ihr freundliches Antlitz
Schirmte, gekränzt mit Tremsen, der fein geflochtene Strohhut.
Unter ihm floß in den Wind des dunkelen Haares Geringel,
Glänzend am Licht, nachlässig vom rosigen Bande gefesselt.
Weiß aus bräunlicher Klappe des Handschuhs blickte die Rechte,
Rundlich und zart, oft kühlend mit taftenem Fächer das Antlitz;
Und wie die Link' im Arme des Jünglinges ruhte, so spielten
Leis in der Hand ihm die warmen und niedlichen Finger des Mägdleins.
Schauer der Wonn' umströmt' ihm das Herz; bang' athmend und sprachlos
Drückt' er die kleine Hand, durchfaltet mit bebenden Fingern.

Also wandelten Beide durch Gras und blumige Kräuter,
Langsam; Grillengeschwirr war ringsher; und wie erblödet
Sannen sie, scheu zu begegnen dem Blick, und redeten wenig.
Als sie nunmehr, oft seufzend, das schwülere Thal durchwandert,
Unten am Zaun, wo die Quell' aus dem Sandberg roth und morastig
Zwischen binsigen Bulten und Schafthalm träger hinabfloß;
Dort an der leitenden Hand des Jünglinges hüpfte die Jungfrau
Furchtsam über die Steine, gelegt für die Schritte des Wandrers,
Und wer in trockenen Monden den Richtweg nahm nach dem Kirchdorf;
Furchtsam, daß dem Gewande den Saum nicht tränkte der Moorsumpf,
Wankte sie hin, vor dem Frosch, der emporsprang, jüngferlich kreischend.
Jetzo betrat sie den Steg und hob ein Füßchen mit Vorsicht
Ueber den Zaun, daß enthüllet die Zwickelblume hervorschien,
Ordnete schnell das Gewand und schwang wie ein Reh sich hinüber.
Dann durch Haselgebüsch den ausgeregneten Pfad auf
Stiegen sie, welcher sich schräg' hinbog um den alternden Ahorn.
Oben begann tiefathmend das rosenwangige Mägdlein:

Stehn wir ein Wenig still? Mir klopfet das Herz! Wie erfrischend
Ueber den See die Kühlung herausweht! Und wie die Gegend
Ringsum lacht! Da hinab langstreifige, dunkel und hellgrün
Wallende Korngefilde, mit farbigen Blumen gesprenkelt!
O des Gewühls, wie der Roggen mit grünlichem Dampfe daherwogt!
Dort in fruchtbaren Bäumen das Dorf, so freundlich gelagert
Um den geschlängelten Bach, und der Thurm mit blinkendem Seiger!
Oben das Schloß hellweiß in Kastanien! Vorn auf der Wies' hin
Röthliche Küh'; und der Storch, wie vertraut er dazwischen einhertritt!
Dort die schimmernde Bläue des See's um den waldigen Hügel!
Dort Heuschober gereiht, dort Mähende! Aber wir selbst hier,
Vom Buchweizen umblüht, im Gesums' eintragender Bienen!
Schaut doch umher, ihr Kinder, und freuet euch! Hören Sie, Bester:
Unfern Schmaus wird zieren ein Korb großmächtiger Erdbeern,
Spanischer, weiß und roth, der Ananaswürze vergleichbar;
Felderdbeern, wie mir däucht, sind wol so süß und balsamisch.
Kommen Sie dort in den Busch; da stehen sie, röther wie Scharlach.

Also Luis', ablenkend zum sonnigen Thal des Gebüsches,
Rechts, wo die Hecke das Feld einfriedigte. Hurtig voran nun
Hüpfte der Knab' und entsagte dem grünlichen Himmelspferdchen,
Das mit glänzender Schwing' ihm bequem da saß auf dem Farnkraut.
Stehn blieb jetzo Luis' und sprach mit vertraulichem Flüstern,
Nah' an des Jünglings Wange geneigt ihr blühendes Antlitz:

Wahrlich, der Knabe bemerkt, unaufmerksam wie er scheinet.
Sehn Sie, er folgt dem Geruche der Erdbeern. Lieber, die Hand mir
Nicht so gedrückt! Er möchte den Herrn Hofmeister belauschen.

Also warnte Luise, die Hand zu entziehen versuchend.
Aber dem Jünglinge wallte das Herz vor banger Entzückung,
Als der rosigen Lipp' ätherischer Odem die Wang' ihm
Warm anhaucht'; und er wandte sich sanft und küßte das Mägdlein.
Leise bebt' ihr die Lipp' und wandte sich; aber ihr Antlitz
Lächelte, hold verschämt, wie ein Frühlingsmorgen erröthend.
Und sie entschlüpfte dem Arm und brach ein unscheinbares Blümchen
Seewärts, weilt' in Gedanken und schaut' es an, wie bewundernd.

Plötzlich erscholl im Gebüsche die rufende Stimme des Knaben:
Kommt doch, und pflückt Erdbeern! Hier stehen sie röther wie Scharlach,
Busch an Busch vollglühend, daß Einer nicht weiß, wo er hin soll!
Jubeln wollen wir Alle vor Lust, wann unseren Vorrath
Wir in die Kumm' ausschütten! Da werden sie schaun mit Verwundrung,
Beide, Papa und Mama! Felderdbeern pflanzte der liebe
Gott so kräftig und süß! In der Sahn' auch schmecken sie vielmal
Köstlicher, als im Weine die Prahlerdbeeren des Gärtners!

Sie nun kamen und sahn die geschwollenen Beeren, die ringsum
Feuerroth und gedrängt am Sonnenstrahl aus den Kräutern
Schimmerten; und ihr Gedüft durchathmete würzig die Gegend.
Freudig rief und erstaunt der edle, bescheidene Walter:

Wunderbar! Es erhebet der Reiche sich künstlicher Gärten,
Welche die Frucht ihm zinsen aus jeglichem Sonnenbezirke,
Fröhnend in Zwang; und dem Armen bereitete Gott in der Wildniß,
Ohne sein Thun, Fruchtgärten voll heilsamer Blumen und Kräuter:
Arbeitslos dann sammelt das Kind und sammelt der Greis ein
Heimliche Gabe von Gott, der treu auch des Sperlinges waltet.
Aber es fehlt ein Geschirr für die saftige Reife der Beeren.
Pflücken wir dort Huflattig, mein Karl, und die Blätter im Tuche
Tragen wir locker geknüpft! Noch dienlicher, wenn ich der Hasel
Sauber die Rind' abstreift' und mit ästigem Pflocke zusammen
Heftete. Oder ersinnt mein Karl noch ein anderes Mittel?

Zürnend gab ihm darauf der feurige Knabe die Antwort:
Wäre das Ernst, Herr Walter: den Busch, der die Zweige herabhängt,
Von Nußtrauben beschwert, im fröhlichsten Wuchse zu schinden?
Stehn denn am Sumpf nicht Binsen genug? Bald ist ja ein kleines
Körbchen gemacht, wenn Einer den Griff nur tüchtig gelernt hat!

Ernsthaft that, ihm erwiedernd, der edle bescheidene Walter:
Das hat Schick und Gestalt! O wie gut, wenn zwei sich berathen!
Hurtig hinab, und ein Körbchen beschleuniget, welches den Meister
Lobe, geräumig und fest! Wir Andern ruhen indeß hier
Harmlos unter der Hasel, die voll großtraubiger Nüsse
Um uns wölbt ihr Gezweig'; auch pflücken wir nichts von den Erdbeern,
Außer ein paar zur Erfrischung für unsere liebe Gefährtin.

Kaum gesagt, da entflog zu dem binsigen Sumpfe der Knabe,
Fröhliches Laufs, weil jen', in wallendem Herzen verschüchtert,
Unter das Schattengewölbe sich lagerten dicht an einander,
Durch gleichgültige Rede beschönigend inneren Aufruhr.

Nicht gar lange, da kam mit dem zierlichen Korbe der Künstler,
Stolz anhörend das Lob, daß er schnell vollendet und tüchtig.
Alle sie pflückten darein rothschwellende Beeren auf Nußlaub,
In wetteifernder Hast, und oft mit den schöneren prahlend,
Naschten dabei und boten Geschenk; denn sie hatten die Auswahl.
Voll nun strotzte der Korb von saftiger Frucht und verhauchte
Lieblichen Duft ringsum aus reinlicher Hülle der Blätter;
Fröhlich wog ihn der Knab' und beschwerte den Arm mit der Ladung.

Jetzt, da sie wieder den Pfad hinwandelten, hörten sie abwärts
Durch das Thal den Gesang des siebzigjährigen Webers,
Der, zum Weben zu schwach, bei Kirchenmusik und Gelagen
Kräftig den Brummbaß strich, wie der Organist ihn gelehret.
Selbstgelehrt auch stellt' er der gnädigen Gräfin die Schloßuhr.
Kunstreich schnitzt' er dabei zum Verkauf spillbäumene Löffel,
Und wachholderne Querl', auch Käfige, Kellen und Schaufeln,
Masergeräth, Waschbläuel und lindene Schuhe dem Marschland.
Doch war der Sommer ihm mild', dann sammelt' er Beeren des Feldes
Für die benachbarte Stadt, auch Nüss' und Hambutten und Morcheln,
Lange bestellt; denn es liebte den Redlichen manche der Hausfraun.
Horchend stand und begann die rosenwangige Jungfrau:

Höret, wie schön im Thale »Wer Gott läßt walten« umherschallt!
Unseres Alten Gesang, der dort Erdbeeren sich sammelt!
Kraftvoll dringt's an das Herz, wie ein segnender Wunsch zum Geburtstag!

Sprach's und lenkte dahin; und sie fanden ihn, tragend den bunten,
Mächtigen Henkeltopf, halbvoll der erlesenen Erdbeern.
Grüßend bot ihm die Hand der edle bescheidene Jüngling:

Glück zum Geschäft! So fleißig? Bedeckt doch, Vater, den Scheitel!
Seht, wir versorgten uns selbst in Euerem Garten mit Erdbeern,
Für der Luise Geburt; und das Kernlied, welches Ihr sanget,
Kraftvoll drang's an das Herz, wie ein segnender Wunsch zum Geburtstag.
Billig, Ihr feiert heut auch mit dem Mütterchen. Nehmet und zeugt Euch
Einen erquickenden Trunk auf das Wohlsein unserer Jungfrau.

Aber der Greis, wie ein Ehrengeschenk vom Freunde der Gastfreund
Gern annimmt, so nahm er und sprach mit edelem Anstand:

Dank! Der gebotene Trunk für das Jüngferchen soll unverschmäht sein,
Euch und ihr selber zu Liebe, die, hold wie ein Engel, zum Wohlthun
Annaht' unserem Dorf'! O lange noch Freude der Eltern
Sei sie, und aller Bekannten, und bald auch des wackersten Ehmanns!
Euch, Herr, würdige Gott des Berufs in ein höheres Lehramt
Noch dies Jahr, wenn gekommen die Stund' ist! Denn was Ihr jetzo
Prediget, sind Schulworte nicht mehr, sind Worte des Lebens,
Bündige, tröstungsvolle, befruchtende! Wenn Ihr noch etwas
Fortgeht, werdet Ihr einst ein anderer Pfarrer von Grünau!

Jener sprach's, und gerührt antwortete Solches der Jüngling:
Also sei's, mein Vater! Wer Gott läßt walten, vertraut wohl!

Sprach's und schied in das Thal; den Wandelnden blickte der Greis nach,
Innig bewegt, und es bebte die Thrän' an den grauenden Wimpern.
Jenem drückt' im Gehen die rosenwangige Jungfrau
Schweigend die Hand; und sobald sie des dichteren Thales Umschattung
Barg, da begegnete willig ihr Mund dem Kusse des Jünglings.

Als sie, das Linsenfeld und die bärtige Gerste durchwandelnd,
Jetzo dem Hügel am See sich näherten, welcher mit dunkeln
Tannen und hangendem Grün weißstämmiger Birken gekränzt war,
Blickte zum buschigen Ufer Luis' hinhorchend und sagte:

Still! Es tönte mir dumpf, wie ein Ruderschlag, von dem Ufer!
Aber der muthige Karl, der voranlief, wandte sich rufend:

Hurtig! Da seh' ich den Kahn! Nun gleitet er hinter das Schilfrohr!
Und mit geflügelten Schritten enteilten sie; kühlender Seewind
Hauchte zurück das Gewand, das die trippelnden Füße des Mägdleins
Rauschend umwallt', und es weht' ihr geringeltes Haar von den Schultern.
Laut nun rief und winkt' aus dem schwebenden Kahne der Pfarrer:

Ehrbar, Kinder, und sacht! Ihr lauft ja so rasch wie die Hühnlein
Ueber den Hof, wenn die Magd an der Hausthür Futter umherstreut!
Heida! wie saust das Gesindel herab von dem höckrigen Abhang!
Töchterchen, geh' vorsichtig und strauchle mir nicht an den Wurzeln!

Also rief er, umsonst; sie entflohn unhemmbares Schwunges.
Athmender harrten sie nun, bis der rauschende Kahn an dem Ufer
Landete; und: Willkommen! erscholl's, willkommen im Grünen!
Hinten hemmte der Knecht, an der Erl' im Wasser sich haltend.

Aber gestützt von der Hand des Jünglinges traten die Eltern
Ueber den wankenden Bord, auf den Sand voll Kiesel und Muscheln,
Wellig gestriemt von der Fluth und umhüpft mit gehügeltem Seeschaum.
Hans auch entstieg und knüpfte das hemmende Seil um den Baumstumpf;
Schmeichelnd küßte den Greis die blühende Tochter und fragte:

Väterchen kommt ja so frühe vom Schlaf. Hat der häßliche Kater
Wieder gemaut? Ein Hühnchen beim Eierlegen gekakelt?
Oder Susanna zu laut mit dem Waffeleisen geklappert?

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Soll ich dieses genau dir verkündigen, wie es geschehn ist?
Weder gemaut hat ein Kater, mein Kind, noch ein Hühnchen gekakelt,
Oder Susanna zu laut mit dem Waffeleisen geklappert.
Unser Gespräch, und die Freude, mein Töchterchen, deines Geburtstags
Machte mein Herz unruhig. Wohlauf nun, Feuer gezündet!
Flink! und Kaffee gekocht! Die trautesten Kinder sind durstig!

Jener sprach's; und in Eile gebot die verständige Hausfrau:
Trage mir, Hans, aus dem Kahne sogleich die Geräthe des Kochens
Neben den blühenden Genst. Dort zünden wir, denk' ich, das Feuer;
Daß uns nicht anwehe der Rauch. Hier aber am Vorland
Lagern wir uns im Schatten der alten Familienbuche,
Die vorlängst uns bekannt mit schon auswachsenden Namen.
Hier ist polsterndes Moos, hier sanft anathmende Kühlung;
Hier im Geräusche der Well' und des Schilfrohrs labt uns die Aussicht
Ueber den See nach dem Dorf und den Krümmungen fruchtbarer Ufer.
Holz nun, Kinder, gesucht! Wer fischen will, scheue kein Wasser!

Also die Frau; und sie selbst nicht thatlos, sammt dem Gemahle
Ging zum gepriesenen Quelle, der nachbarlich unten am Waldberg
Rieselte, lauter und frisch, wie am Lilienblatte der Frühthau:
Elfenborn in der Sag' umwohnender Hirten benamet;
Denn rings fabelte man, mit Elfinnen tanze der Bergelf
Dort nach leiser Musik im sprossenden Grase der Mainacht.
Doch seit Hans vor dem Jahre, das Fest der Luise zu feiern,
Heimlich den Sprudel getieft und mit höherem Rasen umbordet,
Nennt ihn Born der Luise das Haus und die Freunde des Hauses.
Hieher kamen sie Beid' und fülleten, diese des Kessels
Ehernen Bauch, und der Vater ein Glas mit erfrischendem Labsal.

Als nun jene den Hügel ereileten, welcher mit dunkeln
Tannen und hangendem Grün weißstämmiger Birken gekränzt war,
Fanden sie Kien und Reiser und sammelten; dann zu dem Buchhain
Eilten sie, links im Thal, wo der Aest' ein unendlicher Abfall
Lag in Laub und Gesträuch, dem Hüttener Feurung des Winters.
Froh nun kehrten zum See die Beladenen. Aber der Hausknecht
Fing die sprühenden Funken des Stahls im schwammigen Zunder,
Faßt' ihn in trockenes Laub und schwang mit Gewalt, bis dem dickern
Qualm aufleuchtendes Feuer entloderte; häufte geschickt dann
Reiser und Kien, daß die Flamme das Holz durch, fröhlich des Harzes,
Knatterte, finsteren Rauch seitwärts aufdampfend zum Himmel.
Jetzt, wo der Wind in die Gluth einsausete, stellt' er den Dreifuß,
Und den verschlossenen Kessel darauf mit der Quelle des Waldes.
Wehend umleckt' ihn die Loh', und es braust' aussiedend der Kessel.
Aber das Mütterchen goß in die bräunliche Kanne den Kaffee
Aus der papiernen Tüte, gemengt mit klärendem Hirschhorn,
Strömte die Quelle darauf, und stellt' auf Kohlen die Kanne,
Hingekniet, bis steigend die farbige Blase geplatzt war.
Schleunig anjetzt rief jene, das Haupt um die Achsel gewendet:

Setze die Tassen zurecht, mein Töchterchen; gleich ist der Kaffee
Gar. Die Gesellschaft nimmt ja mit unserem täglichen Steinzeug
Gern im Grünen vorlieb, und ungetrichtertem Kaffee.
Vater verbot Umstand', und dem Weibe geziemt der Gehorsam.

Also Mama; doch Luise, die rasch mit dem Knaben sich umschwang,
Hörte den Ruf und enthüllt' aus dem Deckelkorbe die Tassen,
Auch die Flasche mit Rahm und die blecherne Dose voll Zucker,
Ordnend, umher auf dem Rasen; und jetzt, da sie Alles durchwühlet,
Neigte das blühende Mädchen sich hold und lächelte schalkhaft:

Nehmen Sie mir's nicht übel, Mama hat die Löffel vergessen.
Also sagte Luis'; und des Mütterchens lachten sie Alle,
Schadenfroh; auch lachte sie selbst, die gütige Mutter,
Welche die dampfende Kanne dahertrug. Aber der Jüngling
Sprang zu der Birke behende, der hangenden, und von den Zweiglein
Glättet' er zierliche Stäb', und vertheilte sie rings der Gesellschaft.
Jetzo dem lieben Papa und dem Jünglinge reichte die Jungfrau
Pfeifen dar, und Taback in der fleckigen Hülle des Seehunds;
Und mit des Löschbrands Ende, dem glimmenden, zündete Hans an.
So auf Moose nunmehr die Gelagerten: neben dem Vater
Rechts mit dem Knaben Mama, die den lauteren Trank in die Tassen
Rühmend goß; links aber Luis', und nahe der Jüngling.
Sie zwar kostete selten des hitzigen Mohrengetränkes;
Doch heut nahm sie ein Wenig, und russischen Thee mit dem Kleinen.
Nun war jegliches Auge verklärt, nun laut des Gespräches
Herzlichkeit, nun das Gesicht den leisesten Regungen folgsam;
Folgsamer noch war dein zartfühlendes Antlitz, o Jungfrau:
Wie wenn duftiges Schimmergewölk an der Bläue des Himmels
Immer veränderlich folgt der Zephyre launischem Anhauch,
Hell umsäumt vom Glanze des Abends, oder des Vollmonds.
Als bei treffenden Worten nunmehr des gemüthlichen Vaters
Aufmerksam sich Luise mit trunkenen Blicken ihm anschloß,
Liebreich klopft' ihr der Vater die rosige Wang' und begann so:

Kind, dir brennt ja die Wange wie Gluth! Zwar ist es nicht übel
Anzusehn; doch nimm dir, mein Töchterchen, wegen der Zugluft,
Etwas mehr um den Hals. Man erkältet sich leicht in der Hitze.

Jenem küßte die Hand und erwiederte freundlich die Tochter:
Zugluft nennst du die Kühlung, die sanft durch Erlen des Ufers
Athmet und kaum mir ein Bändchen bewegt? Scherz liebest du wahrlich!
Gar nicht brennt mich die Hitze; mit Fleiß ja gingen wir langsam,
Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin nur so fröhlich, mein Vater!

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Ja, du trauteste Tochter, ich bin auch fröhlich! So fröhlich,
Als die singenden Vögel im Wald' hier, oder das Eichhorn,
Welches die luftigen Zweige durchhüpft um die Jungen im Lager!
Achtzehn Jahr' sind es heut, da schenkte mir Gott mein geliebtes,
Jetzt mein einziges Kind, so verständig und fromm und gehorsam!
Wie doch die Zeiten entfliehen! Zehn kommende Jahre, wie weithin
Dehnt sich der Raum vor uns, und wie schwindet er, wenn wir zurücksehn!
Gestern war's, wie mir deucht, da ich unruhvoll in dem Garten
Irrete, Blätter zerpflückt' und betete; bis nun mit Einmal
Fröhlich die Botschaft kam: Ein Töchterchen ist uns geboren.
Manches beschied seitdem der Allmächtige, Gutes und Böses.
Auch das Böse war gut; denn in Wohlfahrt lenkt er des Schicksals
Dunkelen Gang, und es blühet aus bitterer Wurzel das Heil auf.
Weißt du, Frau, wie es einst nach langer Dürre geregnet,
Und ich, Luis' auf dem Arme, mit dir in der Frische des Gartens
Athmend ging; wie das Kind nach dem farbigen Bogen emporgriff,
Und mich küßte: Papa! Da regnet es Blumen vom Himmel!
Streut die der liebe Gott uns Kinderchen, daß wir sie sammeln? –
Ja, der den Bogen der Huld ausspannete, streuet vom Himmel
Blumen und Früchte herab, ein allvorsorgender Vater;
Daß wir mit Dank einsammeln und Kindlichkeit! Denk' ich des Vaters,
O, dann hebt sich mein Herz und schwillt von regerer Inbrunst
Gegen unsere Brüder, die rings umwohnen das Erdreich:
Zwar vielartig an Kraft und Verstand; doch des selbigen Vaters
Kindlein Alle, wie wir; von einerlei Brüsten genähret!
Und nicht lange, so geht in der Dämmerung Eins nach dem Andern
Müde zur Ruh', vom Vater im heimlichen Lager gesegnet,
Hört süßträumend der Winde Geräusch und des tropfenden Regens,
Schläft, und erwacht am Morgen gestärkt und helleres Sinnes.
Wonne dereinst, wann Alle der heilige Morgen uns aufweckt!
»Wahrhaft lernen wir dann, daß Gott die Person nicht ansieht,
»Sondern in allerlei Volk ist, wer ihn fürchtet und recht thut,
»Angenehm dem Vergelter!« O Himmelswonne! wir freun uns
Alle, die Gutes gethan nach Kraft und redlicher Einsicht,
Und die zu höherer Kraft vorleuchteten; freun uns mit Petrus,
Moses, Konfuz und Homer, dem liebenden, und Zoroaster,
Und, der für Wahrheit starb, mit Sokrates, auch mit dem edeln
Mendelssohn! Der hätte den Göttlichen nimmer gekreuzigt!

Ihm antwortete drauf der edle, bescheidene Walter:
Er nicht! Doch es bedräun noch Pfäfflinge, heute wie vormals,
Wen Gott rief, zu erlösen den Geist aus Banden der Willkür.
Traun! Es Empört, wenn ein Kind, das der bildlichen Rede des Vaters,
Weniger dumpf, aufmerkt im dämmernden Licht der Erkenntniß,
Sich das erwähltere dünkt, das einzige! Wenn es die Brüder,
Die um Sokrates einst der Menschlichkeit Höhen erstrebet,
Neidisch entehrt in der Gruft; und den noch unmündigen Anwachs,
Oder wer, kundiger schon, die geheimnißvolle Belehrung
Faßte mit anderem Sinn und ahnete, diesen gewaltsam
Schilt und martert und würgt! Man erzählte mir neulich ein Mährlein.
Einstmals kam ein Todter aus Mainz an die Pforte des Himmels,
Poltert' und rief: Macht auf! Da schaute der heilige Petrus,
Leise die Thür aufschließend, hervor und fragte: Wer bist du?
Trotzig erwiederte jener, den Ablaßzettel erhebend:
Ich? Ein katholischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
Setze dich dort auf die Bank, antwortete Petrus verschließend.
Hierauf kam ein Todter aus Zürch an die Pforte des Himmels,
Poltert' und rief: Macht auf! Wer bist du? fragte der Jünger.
Ich? Ein kalvinischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
Dort auf die Bank! rief Petrus Da kam auch ein Todter aus Hamburg,
Poltert' und rief: Macht auf. Wer bist du? fragte der Jünger.
Ich? Ein lutherischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
Dort auf die Bank! rief Petrus und schloß. Nun saßen die Gegner
Friedsam neben einander und sahn, voll stiller Bewundrung,
Sonnen und Mond' und Gestirn' aus scheinender Irre geordnet
Zum einträchtigen Tanz; auch hörten sie rauschen harmonisch,
Im viellautigen Chore, der seligen Völker und Engel
Hallelujagesäng' und athmeten Blüthe des Lebens.
Aber ihr Herz schwoll über von unaussprechlicher Inbrunst,
Und es erhub sich entzückt ihr heller Gesang: »Wir glauben
»All' an Einen Gott!« – Da mit Einmal sprangen die Flügel
Auf mit Getön, daß weit von goldenem Glanze der Aether
Leuchtete. Petrus erschien und sprach mit freundlichem Lächeln:
Habt ihr jetzt euch besonnen, ihr thörichten Kinder? So kommt denn!

Also redeten Beide in traulicher Herzensergießung,
Unter dem heiteren Blau des allumfassenden Himmels;
Gottes lebende Wind' umwehten sie. Aber der Alte
Senkte den Blick tiefsinnig und saß in starrer Betäubung,
Wie wenn er predigen sollte, das Herz voll Worte des Himmels;
Ernstvoll regt' er das Haupt; ihm bebte die Thrän' an den Wimpern.
Alle zugleich nun schwiegen und schaueten jenen bestürzt an.
Und mit erhabener Stimme begann der Verkündiger Gottes:

Liebt euch! redet der Herr; und brüderlich duldet einander!
Aber die höllische Pest Unduldsamkeit scheucht in den Abgrund!

Sprach's und wandte sich drauf zu der rosenwangigen Jungfrau:
Singe den neuen Gesang, mein Töchterchen, welchen im Frühling
Unser Gast von Eutin hier dichtete. Heimlich entschlich er
Durch das Gehölz; ihr gingt mit der freundlichen Ernestine
Rufend umher, du selbst und Amalia, bis ihr ihn fandet.

Jener sprach's; da begann voll steigender Röthe die Jungfrau
Sanft den Gesang; ihn verstärkte, mit Macht einstimmend, der Vater:

        Blickt auf, wie hehr das lichte Blau
Hoch über uns sich wölbet!
Wie fern den grünen Glanz der Au'
Die Butterblume gelbet!
Um uns im Sonnenscheine wehn
Der Buchen zarte Blätter;
Aus tausend Kehlen schallt, wie schön!
Vielstimmiges Geschmetter!

Ringsum an Bäumen und Gebüsch
Entschwellen junge Triebe!
Hier schattet's kühl! Hier athmet frisch
Und trinkt den Geist der Liebe!
Durchwall' uns, du, der Liebe Geist,
In dieser Auferstehung,
Wie wenn du einst vom Tod' erneust
Zu seliger Erhöhung!

Aus allen Völkern rauschen dann
Verklärte Millionen,
Die brüderlich gesellt fortan
Den neuen Stern bewohnen!
Durch Farb' und Glauben nicht getrennt,
An Sinn und Thaten höher,
Sind Ihm, den selbst kein Jubel nennt,
Die Brudervölker näher!

Schon hier vereint in Lieb' und Recht
Sei aller Welt Gewimmel!
Wir sind ja Eines Staubs Geschlecht,
Bedeckt von Einem Himmel!
Wir spielen All' im Sonnenschein,
Vergnügt gemeiner Gabe;
Wir ruhn und steigen, groß und klein,
Bestärkt aus unsrem Grabe

Aus allen Völkern schall' empor
Gesang zum Ungenannten:
Wie jedes sich den Dienst erkor,
Wie seinen Gottgesandten!
Gern hört der Vater Aller so
Sich vielfach angelallet,
Wie hier im jungen Laube froh
Der Waldgesang erschallet!

                      Also sangen sie Beid'; und der Wald war Tempel der Gottheit:
Edeler fühlten sich All' und menschlicher. Aber die Jungfrau
Eilte vom moosigen Sitz und mühte sich hustend am Feuer,
Daß sie des Vaters Pfeif' anzündete, welche dem Greise
Bald in der heftigen Red' erloschen war; reichte sie jetzt ihm
Brennend, und spuckte viel, und macht' ein krauses Gesichtchen.
Jener lächelt Dank und küßte das rosige Mägdlein,
Das ihm hold an die Seite sich schmiegte, töchterlich kosend.
Jetzo begann unwillig die gute, verständige Hausfrau:

Kinder, der Kaffee wird kalt; ihr prediget immer und ewig!
Schon Herr Walter bedarf der Ermahnerin, gleich dem Papa dort,
Kommt er in Schuß. Wie der Alten Gesang, so der Jungen Gezwitscher!
Gießen wir etwas Warmes hinzu – Nun rührt mit den saubern
Löffelchen! Liebe Natur, du scheinst mir gar zu natürlich!

Als sie nunmehr sich gelabt mit köstlichem Tranke des Auslands,
Schenkte Mama auch dem Knechte, der, sorglos pfeifend ein Leibstück,
In sonntäglicher Jack' am buschigen Ufer umherging.
Anfangs sträubt' er sich, etwas beschämt, und nahm es doch endlich.
Plötzlich begannst du im Kreis', ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

Kinder, wir ruhn unverrückt, wie ein Markstein und ein verjährter
Volkswahn! Geistiges Leben verlangt Umtrieb und Bewegung!

Also der Greis, und erstand; auch die Anderen sprangen vergnügt auf.
Nun lustwandelten jene, von längeren Schatten begleitet,
Ueber des Borns durch Kiesel zum See abfließendes Bächlein,
Hin zu dem duftenden Hügel, wo schlankere Birken gen Himmel
Säuselten, Tannensaat sich erhob mit gelblichem Jahrwuchs,
Und Wachholdergesträuch um die Hünengräber der Vorwelt
Wuchernd kroch, und glänzte der Hulst mit stachligen Blättern.
Einzeln rauschten umher auch Mastbäum' unter den Wolken,
Ostwärts alle gebeugt von des siebenundvierzigsten Jahres
Winterorkan. Sie umschauten die weithin lachende Landschaft,
Fruchtfeld, Au'n voll Heerden, Gehölz und thürmende Dörfer,
Gegen Eutin, wo weislich die Pfründ' ausspähte der Domherr;
Plauderten viel und sangen empfundene Lieder von Stolberg,
Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi;
Sangen: »O, wunderschön ist Gottes Erde!« mit Hölty,
Welcher den Tod anlacht', und beklagten dich, redlicher Jüngling.
Jetzo sagte gerührt die gute, verständige Hausfrau:

Schön ist auch hier die Erd', und verdienet es meine Luise,
Drauf geboren zu sein und vergnügt durch das Leben zu wandeln!
Aber ihr merkt, wie die Sonne hinabsinkt fast zu den Wipfeln
Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock' über den See summt.
Thau weissagt das Gewölk, das duftige, welcher den Kräutern
Wachsthum bringt, doch leicht den gelagerten Menschen Erkältung.
Alt ist unser Papa, und das Jüngferchen kleidet sich immer
Zephyrlich. Heutiges Tags ist klüger das Ei denn die Henne!
Kommt denn und schmaust, ihr Lieben; die Feldluft reizet den Hunger.

Sprach's, und führt' in das Thal; nicht ungern folgten die Andern.
Als sie die schwellenden Moose des weitumschattenden Buchbaums
Jetzo erreicht, da eilten Mama und die freundliche Tochter
Schnell an das Ufer zum Kahn und brachten im zierlichen Tischkorb
Feines Gedeck, Eßlöffel und englische Messer und Gabeln;
Auch das Zuckergeschirr von violigem Glase, mit Silber
Künstlich gefaßt, wie ein Korb, ein Geschenk der gnädigen Gräfin;
Brachten die feineren Teller von Thon, und spanische Erdbeern
Auf eiförmiger Schüssel, auch sahnige Milch in gestülpter
Porzellanener Kumme, geformt wie ein purpurner Kohlkopf,
Welche mit wärmendem Punsch und Bischof füllte der Vater,
Wann ein Freund ihn besucht' in sausenden Tagen des Winters;
Brachten mit Eppich umlegt die Bachkrebs', ähnlich den Hummern,
Und zwei kalte gebratne Kapaun', umhüllt vor den Fliegen;
Brachten sodann für Walter und Karl vielrautige Waffel,
Hochgehäuft, Kunstwerke der preislichen Köchin Susanna;
Auch die duftende Frucht der grüngestreiften Melone;
Butter in blauem Gefäß, goldfarbige: über dem Deckel
Ruht' ein käuendes Rind als Handgriff; lieblichen Schafkäs'
Und holländischen Käs', und einen gewaltigen Rettig
Für den Papa; auch Kirschen von vielfach würziger Gattung,
Stachelbeeren, wie Pflaumen an Wuchs, und geschwollne Johannsbeern.
Als nun wohl sie geordnet den stattlichen Schmaus auf dem Teppich,
Neigte das blühende Mädchen sich hold und lud die Gesellschaft:

Hurtig, heran, ihr Kinder, und lagert euch rings um die Feldkost,
Froh, wie der Schnitter im Kranz und die Binderin schmausen zu Mittag,
Unter dem wehenden Baum, wann langhin Garben gereiht stehn,
Und sie der Herr hoch speiset in Fröhlichkeit, auch für den Abend
Tanzmusik auf der Tenne verheißt! – Ihr, froh und genügsam,
Wißt ein ländliches Mahl zu entschuldigen! – Drohest du, schilt nicht,
Guter Papa! Denn heut am Geburtstag' hab' ich Erlaubniß
Recht unartig zu sein; und du trinkst doch meine Gesundheit!
Mutter, du sorgsame Mutter, du hast mir den Wein ja vergessen!

Ihr antwortete drauf die gute, verständige Hausfrau:
Mädchen, du bist muthwillig und wähnst, es bedeute was Rechtes,
Heute geboren zu sein, du achtzehnjähriges Küchlein!
Schnippisches Kuckindiewelt! Sehr gut, daß der Dirne Geburtstag
Einmal im Jahre nur kömmt; sonst wüchsen die Bäum' in den Himmel!
Siehe, der ehrliche Hans hat Milch und Wein uns bedachtsam
Abgekühlt im Schilfe des Sees. Hier bringt er den Korb schon.

Also schalt die Mama; da nahete Hans mit dem Weinkorb,
Ehrbar, zuckte den Hut und redete vor der Gesellschaft:

Heut ein prächtiger Tag, für die Heumahd und das Geburtsfest!
Klare Luft giebt klares Gesicht! Gott segne die Mahlzeit!

Also der Knecht, und stellte den Korb an die Buche mit Vorsicht.
Schnell das Gepäck ausräumend, begann der gemüthliche Vater:

Hans, du bringst ja die Meng' Herzstärkungen! Schaue dein Antheil,
Blank an der Sonne wie Gold! Doch trink' auch der Tochter Gesundheit;
Denn sie füllete selbst dir dies anmuthige Fläschlein.

Sprach's, und reichte die Flasch', und dankbar schmunzelte jener.
Karl nun hüpfte behend' um den Maibusch, wo er die Erdbeern
Heimlich versteckt, und stellte den duftenden Korb auf den Teppich,
Stolz, indem er vom Laub' ihn enthüllete. Vater und Mutter
Staunten, woher so Schönes, und lächelten seiner Erzählung,
Lobend das Körbchen sowohl, wie die saftige Röthe der Erdbeern.

Also schmauseten jen', in behaglicher Ruhe vereinigt,
Auf sanftschwellendem Moose des weitumschattenden Buchbaums.
Schon sank tiefer die Sonn' und ergoß vielfarbige Schimmer
Durch abhangendes Laub, oft nöthigend, weiter zu rücken;
Kaum noch wankte das Rohr, und der See ward glatt wie ein Spiegel.
Rastlos tönte der Heimen Geschwirr, und Vögelein sangen:
Fernher rief Rohrdommel und Kibitz, nahe der Kuckuk,
Ringsum Amsel und Fink und Emmerling; drüben vom Kornfeld
Lockte die streifende Wachtel, die Ringeltaub' in dem Ulmbaum
Gurrt', und es krächzte der Rak mit himmelblauem Gefieder.

Als sie der Speise nunmehr sich ersättiget und des Getränkes,
Feierlich hob der Papa mit geschrobenem Zuge den Stöpsel
Einer Flasch', und vertheilte zum Nachtisch goldenen Steinwein:
So vom Kellner genannt; doch der feinere Koster benamt ihn
Harfenwein, denn er reget dem Harfener hellen Gesang auf.
Dessen hatt' im Beginne des Mai's der eutinische Gastfreund
Ihm zwei Flaschen gebracht: da leerten sie eine dem Frühling
Unter dem blühenden Baum, und die andere blieb unentsiegelt,
Aufgespart für der lieben und einzigen Tochter Geburtstag.
Jetzt da er Allen umher des ambrosischen Trankes gespendet,
Nahm der Vater sein Glas und gebot in kräftigem Ausruf:

Angeklingt! Denn es gilt die Gesundheit unseres Kindes!
Lebe die gute Luis' uns lang' und sich selber zur Freude!

Also der Greis; und umher klang helles Gekling' an einander.
Nur des Jünglinges Glas mißtönt' in dem Klange mit taubem
Puff; da bedräut' ihn ernst mit geschütteltem Haupte der Vater:

Tausendmal hab' ich Ihn, Sohn, an die Erzuntugend erinnert!
Klappt nicht immer Sein Glas, wie ein spaltiger Topf und des neuern
Dichterschwarms ungeschliffner Hexameter, welcher daherplumpt
Ohne Takt und Musik, zum Aergerniß! Kann Er nicht anders?
Oder gefällt es Ihm nicht? Ein jegliches Ding hat doch Regeln,
Die, der Natur ablauschend, zur Fertigkeit reifet die Uebung!
Kein Wohldenkender faßt an den oberen Kelch, wenn er anklingt;
Nein, an den Fuß! Dann klingt Harmonikaklang in den Glückwunsch!

Lächelnd erwiederte drauf der edle, bescheidene Walter:
Nicht so gezürnt, mein Vater! Das rosenwangige Mägdlein
Blickte mit schelmischem Auge mich an; da vergaß ich die Regel.

Jener sprach's, einhüllend in Leichtsinn seine Verwirrung,
Nicht unentdeckt von den Alten, die aufmerksamer ihn ansahn.
Doch ihm drohte Luise mit aufgehobenem Finger,
Feuerroth; und sie lachten des hold erröthenden Mägdleins,
Alle, der Jüngling zugleich mit unwillfährigen Lippen.
Aber sie that nachlässig und schnellt' auf den Knaben den Kirschkern.

Hans nun, welchem die Mutter ein kleineres Tuch an den Maibusch
Hingedeckt und reichlich mit Trank und Speise belastet,
Als er das helle Gekling' in der Fern' und den munteren Glückwunsch
Hörete, füllt' er zum Rande sein Glas und trat zu der Herrschaft,
Langsam, nicht zu verschütten den edelen Trank in die Wildniß.
Nah' jetzt, neigt' er das Haupt unbedeckt und redete also:

Nun mit Verlaub! Ich trinke des Jüngferchens werthe Gesundheit!
Rückwärts beugt' er den Nacken und trank und lächelte trinkend.
Als er geleert auf den Grund, da schwenkt' er das Glas mit dem Ausruf:

Segne mir Gott vom Himmel das Jüngferchen, wie er bisher sie
Trefflich an Leib und Seele gesegnete! Hab' ich so manchmal
Doch als lallendes Kind sie gewiegt auf dem Arm und geschaukelt,
Daß sie im Spiegel ihr Bild anlächelte! Schmuck war sie immer,
Und wie ein Engel so fromm! Ihr Bräutigam preise sich glücklich!

Schalkhaft sagte dagegen mit traulicher Stimme die Jungfrau:
Hänselchen, willst du mich frein? Ich hab' in der Kiste so manchen
Blanken Thaler gespart: mein köstliches Pathengeschenk erst,
Dann was die Base bescheert zum Geburtstag' oder zu Weihnacht!
Auch versteh' ich die Nadel zur Noth, und die Knütte versteh' ich,
Brot zu backen, zu brau'n und ein Leibgericht zu bereiten!

Sprach's und bot ihm die Hand; da begann die verständige Hausfrau:
Hüte dich, Hans, ihr zu trauen, der Spötterin! Achte der Falschheit
Viel zu gut dein ehrlich Gemüth! Zwar stattlich von Gliedern
Ist sie dir, aber zu faul, und die seidenen Händchen zu vornehm!
Geh' nur und rüste den Kahn zu der Abfahrt. Denn wo mir recht ist,
Feuchtet der Rasen bereits. Wol sagt' ich es! Laßt uns denn aufstehn;
Oder wir haben zum Lohn vom Geburtstag' Husten und Schnupfen.
Schmaust die Kirschen im Kahn, ihr Kinderchen, und die Johannsbeern.

Also gebot die Mama, und die Anderen, willig gehorchend,
Trugen des Mahles Geräth in den räumigen Kahn des Verwalters;
Ein dann traten sie All' und setzeten sich auf die Bänke.
Hans, nachdem er gelöset das Hemmseil, schob von der Anfuhrt
Ab und drehete klüglich die schäumende Fluth mit dem Ruder.
Fernher glühten wie Gold die Fenster der Kirch' und des Schlosses,
Welche die Sonn' absinkend beleuchtete; rings an den Ufern
Hingen Gebüsch' und Saaten, von röthlichem Scheine beduftet,
Umgekehrt in der Fluth, und zitterten über den Wölklein,
Sammt dem Füllen am Bach und der Melkerin unter dem Weidicht.
Kunstreich rudert Hans aus der Bucht und ermahnte die Jungfrau,
Welche bang' an den Jüngling im wankenden Kahne sich anschloß.
Jetzo schwebte der Kahn am krummen Gestad um ein Röhricht
Und braunkolbiges Ried; Seelilien jetzo durchrauscht' er,
Die gelb blühten und weiß, breitblätterig; jetzo den Vorgrund,
Wo hell Muschel und Kies aufschimmerte. Gegen den Holm dann
Schnitten sie grade hindurch die dunklere Tiefe des Seees.
Mehr noch zuckte Luis', an den Jüngling gelehnt, und sie drückt' ihm
Aengstlich die Hand; doch verschämt, wann er lächelte, schaute sie nieder.
Solches bemerkt' und strafte mit Glimpf die verständige Hausfrau:

Ei, wie das närrische Mädchen sich anstellt! Ist denn der Kahn nicht
Aehnlich dem Boot? Nicht kundig, wie Steuerer, unser Pilot Hans?
Nicht wie ein Spiegel der See? Gleich fasse dich, oder ich wiege!
Sonst so keck und verwegen, wenn's gilt in die Bäume zu klettern,
Ueber die Gräben zu springen und hoch in die Luft sich zu schaukeln,
Oder auch gleiten zu gehn mit Amalia, welche dir gleich ist,
Auf dem gefrorenen Bach und der Gleitbahn, recht wie die Kinder!
Schlag' ein Tuch um den Hals, dies seidene, das ich dir mitnahm,
Aus der Geburtstagsernte. So mild auch schmeichle der Abend,
Kühl ist's doch auf dem Wasser, und Vorsicht reuete Niemand.

Hierauf redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Mutter, sie macht die Verzagte; du siehst, wie verhohlen sie lächelt.
Herzhaft Allem begegnen, das läßt unjüngferlich, meint sie.
Töchterchen, folge dem Rath und verhüll dich. Besser ist Besser;
Hüpft dir auch in den Pulsen das achtzehnjährige Blut noch
Jugendlich. Schaue, da hängt des Neumonds werdende Sichel
Duftig. Wohlan! »Willkommen, o silberner Mond« ihm gesungen!
Frischer Gesang giebt Muth auch dem Zärtling; schreienden Kindern
Naht im Gesange der Schlaf; mit Gesang schlug Luther den Teufel!

Blöde zu ihm aufblickend, begann die rosige Jungfrau:
Vater, ich bin nicht feige, wie selbst du bemerkt nach der Wahrheit;
Dein und der kecken Mama nachartendes Töchterchen hör' ich
Gern mich von Manchem genannt, und gewiß an Tapferkeit bin ich's.
Aber gewiegt von der sanft um den Kahn hergleitenden Wallung,
Sank ich in kindische Träum' und schauete Spinnerinmährlein.
Wie? Wenn mit schuppigem Schwanze des Sees grünhaarige Nixe
Plötzlich aus dunkeler Tief' aufsprudelte, mich zu entraffen?
Dacht' ich, und zuckte vor Angst. Denn, Väterchen, gerne noch länger
Bleib' ich bei dir und Mama und den redlichen Freunden des Hauses!

Ihr antwortete drauf der edle, bescheidene Walter:
Unter der Hausfreundschaft, die gern auch Luise behält, ist
Redlicher Keiner denn ich. Nachartende Tochter der Eltern
Nennen sie Viele mit Lust, insgeheim und grad' in das Antlitz;
Unter den Vielen ich selbst, und nicht blos Tapferkeit rühm' ich!
Singe denn unsre Luise dem Väterchen, was er verlanget.

Also redeten jene, für sich ein Mehreres denkend.
Aber die Jungfrau hüllte die stattliche Seid' um die Schultern,
Gleich hyazinthener Röthe, mit glänzendem Grüne gebordet,
Walter's Ehrengeschenk; und sie dankte der sorgsamen Mutter,
Auch mit freundlichem Blicke dem Jünglinge, lobend das Festtuch.
Jetzo begann holdselig ihr Lied die melodische Jungfrau;
Und des Gesangs Wohllaut, eindringendem Worte vereinigt,
Wallete hell, dann leise gedämpft, in die Stille des Abends.
Vom hinschmelzenden Halle gesänftiget, lauschten sie ringsum,
Fühlten erstaunt der Natur Hoheit, und schwangen sich aufwärts
Ueber Mond' und Gestirne zu Gott und den Seligen Gottes.
Selbst der Ruderer hemmte den Schwung, daß der Kahn unbewegt stand.
Halb noch ober der Welle, die funkelte, schwebte die Sonn' jetzt,
Glutroth; nun, nun sank sie hinab, und feurige Schimmer
Flammten empor, bis Himmel und See weit glommen in Purpur.
Jene feierten still, und der Ruderer lenkte den Kahn fort.

Bald war nahe der Holm, wo Netz und Hamen auf Gaffeln
Trockneten, und für die Nacht Fangzeug auslegte der Fischer,
Traulichen Gruß herrufend des Dorfs umgänglichem Pfarrherrn.
Aber es freute sich Karl des schreienden Wassergeflügels
Ueber dem Holm, und des Hechts, der beglänzt vom Abend emporsprang,
Und wie die Möw' hochher auf den Fisch abstürzete rauschend.
Dann rathfragt' er den Lehrer, warum so gebrochen des Ruders
Bild in der Welle den Kahn umschlängele; weiter gerückt dann,
Ruft' er dem Wiederhall' in des ritterzeitlichen Wachtthurms
Oedem Gemäu'r, liebkost' ihm und schalt, und lachte der Antwort.

Sinnreich schmunzelt Hans und sprach, mit dem Finger bedeutend:
Sicher erzählt' Ihm, Junker, die Wärterin, als Er ein Kind war,
Was dort gaukelt und lacht, ist ein Kobold, welcher vor Alters
Hier unritterlich schaltet' im Land', als schnappender Strauchhahn.
Dafür spukt er im Thurm und umher wie ein schäkernder Unhold.
Selbst ja den neckischen Mönch mit dem Irrlicht, welcher die Seenix
Unten am Moore besucht, wie vordem als Nonne des Klosters,
Neckt' er, das Licht ausblasend; im Hui saust Höllengespenst um.
Also lautet die Mähre; jedoch der Vernünftige glaubt's nicht.

So in Gespräch und stillen Betrachtungen schwebten sie vorwärts,
Fröhliches Muths; doch der Jüngling zumeist, und die rosige Jungfrau,
Welche vertieft dasaß und voll süßschwärmender Ahnung.
Heiter und still war Allen das Herz wie die spiegelnde Welle,
Während der Vater vergnügt sein ruhiges Abendpfeifchen
Raucht', und dabei mit Walter, der nicht auf Alles Bescheid gab,
Häufig ein Wort einsprach von Gelehrsamkeit und von der Zeitung.
Als er die Pfeife nunmehr ausklopft' an dem Borde des Kahnes,
Streifte die Kalmuswiese der Ruderer, nahe der Anfuhrt.
Laut nun redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

Gott sei Dank für die Freude des Tags und die Freude des Abends,
Der uns morgende Heitre verkündiget. Eben so heiter
Müss' auch meiner Luis' aus lauterem Tage der Jugend
Mild ein behagliches Alter hervorgehn! Eben so mild' uns
Ruhiger Lebensabend der Ewigkeit herrlichen Aufgang!

Sie auch redete nun mit herzlicher Stimme, die Mutter:
Kind, dir bleibe der Tag mit dem Abende hell im Gedächtnis,
Unter den heiteren Tagen, die uns du, Süße, gebracht hast!
Nenn' ihn immer mit Lust, auch wann wir künftig getrennt sind!

Also rief sie bewegt. Doch die Jungfrau, glühend im Antlitz,
Sprang von dem Sitz und umarmte mit Heftigkeit Vater und Mutter,
Sprachlos. Endlich begann sie die stammelnden Laute der Inbrunst:

Ruhe der Segen auf mir, Ehrwürdige, den ihr gesegnet!
Sprach's und setzte sich wieder zum Jünglinge, der wie verloren
Saß in wonnige Träume, den Blick auf die Welle gesenket.
Ihr nun drückt' er die Hand, unverhehlt den liebenden Eltern.

Matt schon glühte im Westen die Gluth; ein Stern nach dem andern
Trat aus dem Glanz und umblinkte die hellere Sichel des Mondes:
Als der rauschende Kahn an der knorrigen Eiche des Ufers
Landete, wo mit der Kette ihn Hans anschloß nach der Ordnung.
Lieblich hauchte des Grases Gedüft her; aber sie eilten
Durch die geschorene Wiese, die thauigen Schwaden vermeidend;
Und sie erhob vorsichtig den Saum, die verständige Jungfrau,
Zeigend das Untergewand und schimmernde Strümpf' in der Dämmrung.
So im Geröchel des Sumpfs und dem einsamen Surren des Käfers,
Längs dem grenzenden Walle, mit Dorn umwachsen und Haseln,
Gingen sie, wo noch zirpte die Grill', und im Kraute der bläulich
Flimmernde Glühwurm lag. Nun stiegen sie über das Gatter,
Kamen in's Dorf und grüßten die stille Schaar vor den Häusern,
Und wo Nachbarshaufen zu Rath und Gespräch sich gesammelt.
Hans nun reicht den Schlüssel dem fleißigen Knecht des Verwalters,
Der an des Hofs Eingange die klingende Sens' auf dem Amboß
Hämmerte, morgen noch mehr des gesegneten Grases zu mähen.
Abendlich pickte die Uhr, und die Eul' im Glockengestühl schnob;
Und sie empfing an der Pforte der Hund mit freundlichem Wedeln.


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