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Dr. Vogel beim Sultan der Tibu in Aschenumma.

IV.
Reise von Mursuk nach dem Sudan.


Traghan. – Gerthrun. Die Sklavenkarawane. – Tegerry. – Mescheru. – El Wahr. – Thierleben in der Oase. – Maddema. – Tibesti. – Mafras.– Yat. – Ikeba. – Das Thal Kauar. – Aschenumma und Bilma. – Salz. – Die Tibu und ihr Sultan. – Die Kelowi und das Land Asben. Berge von Asgar. – Wadi Egeri. – Barakat. – Berg Tiska und Mariau. – Alpenland von Asben. Regenflut. – Tintarhode. – Agades. – Der Sultan von Agades. – Von Bilma nach Bornu. Mußkatenu. – Saukura. – Dibbela. – Agadem. Erdschoten. – Wüste von Tintumma. – Belgahschiferri. – Unghurutna.


. Mit frischem Muthe brach Dr. Vogel am 11. Oktober 1853 von Mursuk auf, um seinem fernen Ziele, dem Tsad-See, entgegen zu eilen. Ein Weg von mehr als zwei Monatsreisen lag vor ihm, ausgestattet mit allen Schrecknissen der Wüste, wie sie eine feindliche Natur und räuberische Menschen nur bieten können. Trotzdem war der kühne Reisende, für sein großes Unternehmen in edler Begeisterung durchglüht, voll unverzagter Heiterkeit, so daß er, kaum von dem anstrengenden Ausfluge nach den Natron-Seen zurückgekehrt, am Tage vor der Abreise seinem Freunde Dr. A. Petermann schrieb:

»Morgen früh heißt es endlich: »Frisch auf, Kameraden, zu Pferd, zu Pferd!« «

Kaum daß der Reisende die Palmenpflanzungen Mursuks im Rücken hat, empfängt ihn auch schon die traurigste Oede. Die weite Sandebene ist hier vollständig mit Salz inkrustirt, der Boden vielfach aufgesprungen. Letzterer ähnelt einem frischgepflügten Acker, die Erdschollen sind dabei hart, so daß sie sich nicht zerbrechen lassen. Hie und da ist die dunkle Erdoberfläche von schneeweißen Streifen und Flecken unterbrochen. In den breitern Spalten hängen einige Fuß tief schöne Salzkrystalle, die hier ausgeblüht sind. Da wo der Sand vorherrschend wird, erhält die ganze Fläche ein unheimlich rothes Kolorit. Die Körner des Flugsandes sind ziemlich klein und zeigen durch ihre abgerundete Gestalt, daß sie vielfach ihren Platz verändert.

Ortschaften sind nur wenige und meist höchst ärmliche vorhanden. Unweit Mursuk ist Traghan die ansehnlichste und erfreute sich ehedem eines besondern Wohlstandes. Es wurden hier zu Denham's Zeit Teppiche verfertigt, die an Schönheit denjenigen von Konstantinopel gleichkamen. Der durch seine Heiligkeit damals besonders berühmte Marabut, der als Hauptperson des Ortes die Herrschaft über denselben verwaltete, war im Stande, eine Heeresmacht arabischer Truppen, welche die Stadt mit Plünderung bedrohte, mit 60,000 Dollars aus seinem Privatvermögen zu befriedigen.

In den Sandhügeln zwischen Mursuk und Mafun fand Vogel in großer Menge versteinerte Wurzeln von Tamariskensträuchern ( Tamarix gallica); ebenso sammelte er Proben von Salz, das nördlich vom letztgenannten Dorfe eine Strecke von ¾ Meilen Länge und Breite bedeckt. Es bildet daselbst ungeheure Schollen und ist stark mit Thon vermischt. Der Kalkstein der Wüste Mastuta war vom Flugsand förmlich polirt. Unter den folgenden Dörfern Yesse und Bedan ist nur das erstere wegen seiner Lage an einem lichten Palmenhain ausgezeichnet. Der Brunnen Dekir auf dem Wege nach Gerthrun (Gatron nach Barth) ist nicht selten so vom Sand verschüttet, daß die anlangende Karawane ihn erst mühsam aufgraben muß, ehe sie einen nothdürftigen Trunk erhält.

Zwischen Mursuk und Gerthrun ward der Reisezug Dr. Vogel's von einem heftigen Sandsturm überfallen. Diese Sandorkane sind für den Wandrer viel unangenehmer und gefährlicher als die seltenen Gewitterstürme. Dichte Sandmassen werden dem Pilger mit Heftigkeit ins Gesicht geschleudert, die Kameele wollen nicht mehr fort, die Pferde schlagen aus und, was das Schlimmste ist, gar zu leicht verliert die Karawane den Weg. Nur durch die ausgezeichnete Ortskenntniß des Führers Hadschi Achsen's glückte es Dr. Vogel und seinen Begleitern, halb erstickt und alle Falten ihrer Kleider voll Sand am Abend die Ruinen des sogenannten rothen Schlosses zu erreichen. Von hier hatten sie noch 2½ Meile bis Gerthrun.

Dieser Ort, aus mehreren, eng beisammen liegenden Hüttengruppen bestehend, liegt am Saume eines lichten Dattelhaines und bildet ein angenehmes Bild gegenüber der nackten, traurigen Sandwüste ringsumher. Die Sandhügel und Erdhaufen in der Nähe sind mit Tamarisken gekrönt.

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Ankunft der Sklaven-Karawane.

In Gerthrun war Dr. Vogel zu einem achttägigen Aufenthalte genöthigt. Man wartete auf den Schwager des Paschas, der etwas später aufgebrochen war. Während des erwähnten Sandsturmes war er vom Wege abgekommen und drei Tage lang in der Irre herumgezogen, da der Wind die Spuren der vorangegangenen Karawane verwischt hatte. Zwei Tage nach Dr. Vogel's Ankunft in Gerthrun brachte die von Bornu eintreffende Sklavenkarawane eine wenn auch ergreifende und traurige Abwechselung in die ermüdende Einförmigkeit des Wüstenlebens. Das Bild, welches er von derselben entwirft, ist furchtbar und ergreifend.

Der Sklavenzug zählte 4–500 unglücklicher Schwarzen. »Da habe ich«, sagt er, »zuerst gesehen, was Sklaverei und Sklavenhandel ist! Die Tibu zwingen ihre unglücklichen Gefangenen, meist Mädchen und Kinder unter 12 Jahren, Lasten von 25 Pfund auf dem Kopfe zu tragen, und in Folge dessen hatten fast alle die Haare gänzlich verloren und war die Kopfhaut ganz abgerieben. Dadurch ersparen die Treiber eine Menge Kameele und es begleiteten den ganzen ungeheuren Zug nur etwa 35. Bis nach Tedgerri sind alle Sklaven gefesselt, mit einem Eisen um den Hals, an welches die rechte Hand mit ledernen Riemen gebunden ist. Erwachsene Männer (von denen ich höchstens 15 einbringen sah) bleiben in Ketten bis nach Mursuk. Alle waren fast ganz nackt oder nur mit den allererbärmlichsten Lumpen bedeckt. In Mursuk zwingt ein Gesetz des Paschas die Händler, jedem Sklaven eine Mütze und ein Hemd zu geben. Zu all dem Elend eines siebzigtägigen Marsches durch die Wüste kommen noch die grausamsten Mißhandlungen; die meisten der eingebrachten Unglücklichen zeigten deutliche Spuren davon. Sowie die Kameele abgeladen sind, müssen die Sklaven anfangen, Gosub und Gafuli in hölzernen Mörsern zu Mehl zu zerstampfen, eine Arbeit, die gewöhnlich 3–4 Stunden dauert. Dieses Mehl wird dann mit Wasser und ein wenig Salz zu einem dicken Brei gekocht, und das ist die ganze Nahrung, die sie erhalten. (Siehe das beigegebene Thonbild.)

Da Sklaven in Bornu sehr billig sind, so geht die Gleichgültigkeit gegen das Leben eines einzelnen ins Unglaubliche. Als die Karawane abgezogen, fand ich unter einem Baume ein menschliches Wesen buchstäblich bis zum Gerippe abgezehrt in den letzten Zügen, den Hungertod sterbend. Ein wenig Fleischbrühe brachte den armen Mann wieder zu sich und bald konnte er, mehr durch Zeichen als durch Worte, erzählen, daß man ihn schon drei Tage ohne Nahrung gelassen, weil er seiner wunden Füße wegen nicht mehr gehen konnte, nachdem man vorher vergeblich versucht, ihn durch Stockschläge zu kuriren. Am Abend vermochte ich einen Bewohner Gerthruns, den Unglücklichen in sein Haus aufzunehmen, wofür ich ihm eine kleine Summe zu seinem Unterhalte gab.

Einige Stunden südlich von Gerthrun fand ich drei Tage später die Leiche eines Sklaven an der Straße liegen, halb von den Schakals gefressen. Ich war der Karawane um einige Meilen voraus, in Begleitung meines Bedienten und zweier Araber, und so machten mir mit unsern Peitschenstielen ein Grab, in das wir die armen Reste hineinlegten. Nachdem wir einen Steinhügel darüber gebaut, sprach einer ein arabisches Gebet, und weiter zogen wir durch die Wüste, auf einem Pfade, auf dem fast bei jedem Schritte menschliche Gebeine anzeigten, daß es der Weg der Sklavenkarawane sei.«

Von den eingebrachten Sklaven war der größte Theil von Bornu oder Sudan gebürtig. Unter 500, die Vogel sah, waren nur drei Fellata, Mädchen von etwa 14 Jahren, die durch ihre tiefe Melancholie sogleich auffielen. Als er zu ihnen kam, baten sie ihn, daß er sie doch kaufen möchte, und als er dies abschlug, fragten sie, ob er sie nicht leiden könne. Man sagte ihnen, die Religion des Reisenden verbiete ihm, Sklaven zu kaufen, worauf sie bemerkten, daß dieselbe viel besser sein müsse als der Muhamedanismus. Unter den übrigen Sklaven fand Vogel 20 Mußgo (Heiden), alles Knaben von 10–12 Jahren, eben so viel Kanembu-Mädchen und vom Rest zwei Drittel Bornaui und ein Drittel Sudani.

Ungefähr vier Meilen südlich von Gerthrun liegt Tegerry, das nächste Reiseziel Vogel's und der letzte Ort des Gebietes von Fessan.

Als im Dezember 1822 Denham und seine Genossen Gerthrun verließen, um die gefährliche Wüstenreise anzutreten, gab ihnen der Marabut des Ortes das Geleite bis vor die Stadt. Dort zeichnete er, nicht einen Zauberkreis, sondern ein Parallelogramm in den Sand und schrieb bedeutungsvolle Worte aus dem Koran in dasselbe. Dann bat er die Reisenden, einzeln über den von ihm geweihten Platz zu reiten, und sprach schließlich das Gebet (Fatah) über die Scheidenden. Alles geschah so ernst und würdevoll, daß es einen tiefen religiösen Eindruck machte.

Nachdem der Reisende ungefähr acht Meilen südlich von Gerthrun gezogen ist, zeigt sich ihm zwischen den dichten Kronen zahlreicher Dattelpalmen das Grenzörtchen Tegerry, umgeben von hohen, kastellähnlichen Thonmauern. An der Südseite der Stadt ist ein kleiner Salzwasserteich. Der Eingang ist gut geschützt, sehr schmal und niedrig und könnte eher für ein Pförtchen zu einem Ausfall angesehen werden, als für ein Stadtthor. Sowol in der Thormauer als auch in der zweiten Mauer dahinter sind Schießscharten angebracht, und über dem innern Thore befindet sich eine Oeffnung, durch welche man Geschosse und Feuerbrände auf angreifende Feinde werfen kann. Der Ort besitzt freilich nicht viel, um etwa die Habsucht der Feinde zu locken. Alle Reisenden stimmen darin überein, daß sie sich über die Armuth der Bewohner beklagen, von denen sie fast nichts weiter erhalten konnten als Datteln; eine Zwiebel oder ein Huhn gehören schon zu den Luxusgegenständen. Die Datteln sind aber von ganz besonderer Güte und alle Karawanen pflegen hier ihren Hauptvorrath davon einzunehmen, denn während der nächsten zehn Tagereisen nach Süden führt der Weg durch eine vollkommen pflanzenleere Wüste. Dr. Vogel hatte für seinen Bedarf allein sechs Kameelladungen, etwa 25 Centner, nöthig und hielt sich deshalb zwei Tage lang in Tegerry auf.

Von der Quelle an dem Thore des Kastells erzählen die Bewohner von Tegerry Wunderdinge. Sie behaupten, daß sie an dem Stande des Wassers jedesmal das Herankommen einer Karawane bemerken könnten. Ehe eine solche nahe, steige das Wasser, nachher sinke es, und sie zeigen dem Staunenden gläubig die veränderte Höhe des Wasserspiegels, ohne daran zu denken, daß eine solche durch das Tränken so zahlreicher Kameele herbeigeführt werden muß.

Das Wetter war glücklicher Weise etwas kühl geworden und das Thermometer hatte selbst Mittags noch nicht 30° erreicht; am 3. und 2. November hatte Vogel heftige Regenschauer erlebt, eine in diesem Landstriche sehr seltene Erscheinung.

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Die Dumpalme ( Hyphaene thebaica)

Eine Reihe niedriger Hügel umgiebt den Ort gegen Osten. Auf den Salzlachen unweit der Stadt sind wilde Gänse, Enten und Schnepfen gerade nicht selten. Dr. Vogel machte während der Rast einen Ausflug in die Umgegend und fand hier die erste und einzige Dumpalme ( Hyphaene thebaica), welche in der ganzen Gegend vorhanden ist. Von der Gruppe, die Lyon und Denham erwähnen, war nur noch dieser eine halbabgestorbene Stamm übrig und es drängte sich Vogel die Befürchtung auf, daß nach zwei oder drei Jahren auch die letzte Spur davon verschwunden sein werde. Die Dumpalme unterscheidet sich von der Dattel schon aus der Ferne durch die mehrfach wiederholte gablige Theilung ihres Stammes, dessen Enden nicht wie bei der Dattel gefiederte, sondern schirmähnliche Fächerblätter tragen. Ihre kugligen Früchte ähneln im Geschmack dem Lebkuchen und werden als eine beiläufige Nahrung benutzt. Die Hauptverbreitung hat diese Palme im Sudan von der Ostküste Afrikas bis nach dem Golf von Guinea. Die Gruppe bei Tegerry bildete den äußersten Vorposten nach Norden.

Die Bewohner von Tegerry sind zur Mehrzahl Tibu, schwarz von Farbe, ohne entschieden eigentliche Negerphysiognomien zu besitzen. Ihre Gestalt ist mehr schlank zu nennen. Die platte Nase, der große Mund und die hervorstehenden Backenknochen lassen sie nicht gerade angenehm erscheinen. Dazu kommt noch, daß ihre Zähne meist in Folge des Tabakkauens schwarzfleckig erscheinen. Sie sind so große Freunde dieses Genusses, daß sie selbst Schnupftabak, den sie erhalten können, in den Mund stecken. Die Hauptwaffen der Männer sind zwei Dolche, einer von 18, der andere von 6 Zoll Länge; letztern pflegen sie am Arm zu tragen. »Der große«, sagte ein Tibu zu Major Denham, »ist meine Flinte und der kleine ist meine Pistole!«

Der Weg von Tegerry nach Bilma ist einer der schauerlichsten der ganzen Erde. Nicht die trostlose Wüste aus Flugsand, Steingeröll und Felsenklippen, fast gänzlich des Pflanzenwuchses bar, nicht die unbarmherzige Sonne, die hier eine Hitze entwickelt, wie fast an keinem andern Orte der Erde, die nicht als Lebenerzeugerin, sondern als tödtende Gewalt erscheint, nicht die Sandstürme und sonstigen Schrecken der Natur sind es allein, welche die Straße als einen grausen Pfad des Todes erscheinen lassen. Der gräßlichste Eindruck wird hervorgerufen durch die furchtbaren Spuren, welche die Gefühllosigkeit der Menschen, die Unmenschlichkeit der Sklavenhändler hier zurückgelassen haben. Man hebt es als eine schauerliche Merkwürdigkeit Valparaisos hervor, daß an einer Stelle des Trottoirs Gebeine der besiegten und gefallenen Spanier, der ehemaligen Unterdrücker des Volks, als Pflaster verwendet sind – hier in der Wüste ist die weite, weite Karawanenstraße mit Knochen und Menschengerippen gezeichnet. Man denke sich, welchen Eindruck ein solcher Reiseweg auf den europäischen Reisenden machen muß, der vielleicht bereits fühlt, welche zerstörenden Wirkungen die verderblichen Witterungsverhältnisse des fremden Landes und die Mühsale der langen Wanderschaft auf ihn ausüben! Sein Pferd stolpert, – er schrickt aus seinem stummen Sinnen auf und sieht nach dem Gegenstande, über den sein treues Thier strauchelte. Es zertrat mit den Hufen knirschend ein paar Menschengerippe! Der abgebrochene Kopf des einen Unglücklichen rollt im Sande weit hin. Nicht weit davon liegen neue Leichen, natürliche Mumien, Fleisch und Haut ausgedörrt und zusammengeschrumpft, bei dem oder jenem noch die Gesichtszüge in etwas erkennbar. Gegen hundert Gerippe umlagern den halbversandeten Brunnen; eben so viel waren während der letzten wenigen Stunden die Wegweiser. Dazu gesellt sich die rohe Gefühllosigkeit der begleitenden Araber. Halb zur Unterhaltung, halb aus brutalem Uebermuth zerschlagen sie mit dem Flintenkolben hier einen Schädel, dort ein Skelett und begleiten ihr gefühlloses Benehmen mit den empörendsten Bemerkungen: »Das war ein Mädchen! – Dieser war noch jung! Hol' der Henker ihre Väter! Es waren ja nur Sklaven!« – »Jener dort war mein Diener«, äußert der Eine, »vor vier Monaten ließ ich ihn hier zurück!« – »Geschwind bring ihn auf den Sklavenmarkt«, erwiedert ein Anderer, »damit dir Niemand zuvorkommt!« Ein widerwärtiges Gelächter der Schaar folgt dem unmenschlichen Witz.

Schon bei dem Brunnen von Omah, dem ersten, den der Karawanenweg von Tegerry nach Bilma berührt und der von Palmen umgeben ist, liegen zahlreiche Knochen umher, in besonders schreckenerregender Menge finden sie sich aber bei dem dann folgenden Brunnen Mescheru, dessen Umgebung die Araber deshalb mit boshaftem Witz die »Promenade des Ministers« ( dendal Ghaladima) genannt haben. Ununterbrochen peitscht der Wind beim heftigen Wehen die Reste der umgekommenen Unglücklichen in den Brunnen, und es ist zu verwundern, daß trotzdem das Wasser wegen seines guten Geschmacks von den Reisenden gelobt wird.

Zwischen Tegerry und Mescheru traf Vogel viel versteinertes Holz zerstreut herumliegend. Am auffallendsten war ihm darunter ein versteinerter Palmenstamm von 25 Fuß Länge und 18 Zoll im Durchmesser, den er halb im Sande begraben fand.

Südlich vom Brunnen Mescheru wird die Thalsenkung, die sich von Tegerry aus bis hierher erstreckt, durch einen steilen Bergzug abgeschlossen, auf welchen der rauhe Paß Thnie el Kebira führt. Die Gebirgsformation ist ganz den früher mehrfach geschilderten ähnlich. Zu unterst lagert ein feiner weißer Sandstein, stark mit Kalk vermischt; auf diesem breitet sich Thoneisenstein aus, mit Schichten von blauem Thon gemischt. Ueber demselben befindet sich Alaunschiefer und zu oberst sind einige Flötze jenes schwarzgefärbten, eisenhaltigen Sandsteins, der dem Basalt auf den ersten Blick so ähnlich sieht. Einzeln finden sich auch hie und da versteinerte Baumstämme, deren Kern kalkartig, deren Fasern und äußere Lagen aber verkieselt sind. Dr. Vogel fand hier auch eine Versteinerung, welche ihm der Abdruck eines Baumblattes zu sein schien. Seit wir durch die Herstellung des Wasserglases wissen, welche ansehnliche Mengen Kieselerde das salzhaltige Wasser aufzulösen im Stande ist, erscheint das Verkieseln von Holzmassen kein so unlösbares Räthsel mehr als früher. Sind auch die Regengüsse in den Wüstenstrecken selten, so wird anderntheils durch die Trockenheit der Luft der Fäulnißprozeß in gleichem Grade verlangsamt, und es ist nicht gerade nöthig, das Entstehen dieser Hölzer durchaus frühern Erdperioden zuzuschreiben. In den nördlichen Theilen der afrikanischen Wüste haben Ehrenberg, Unger und andere Forscher mehrfach ähnliche fossile Stämme, hier theils untergegangenen, theils noch bestehenden Pflanzengeschlechtern angehörig, aufgefunden.

Der Paß, durch welchen die Karawane auf die Berghöhen gelangt, ist sandig und sehr schwierig zu passiren, so daß nur vorsichtig und langsam vorwärts geschritten werden kann. Eine Tagereise weiter südlich gewinnen die Felsen ein sehr wildes und wegen ihrer schwarzen Färbung zugleich unheimliches Ansehn. Sie erscheinen wie die gekräuselten Wellen eines aufgewühlten und versteinerten Meeres. Während der folgenden fünfzig Meilen (3½ Grad) war es Dr. Vogel nicht möglich, auch nur eine einzige astronomische Beobachtung anzustellen; die Gegend, durch welche der Weg führte, war zu rauh, die Anstrengungen waren zu groß.

Acht Meilen südlich von Mescheru liegt der Brunnen el Wahr oder Temmi in einem tief einstürzenden Thale, dessen Sohle aus grobem Kies gebildet ist. Zu beiden Seiten treten Felsklippen, 5-600 Fuß hoch, schwarz und wild aussehend, eng heran und gewähren dem Auge, das durch die vorhergegangene weite Sandebene ermüdet ist, einige Erholung. Das eng gewundene Thal führt in seinem weitern Verlauf mitten in eine zerrissene, zerklüftete Berggruppe, welche kegelförmige Spitzen und säulenförmige Vorberge zeigt. Besonders großartig und imposant scheint die ganze Scene von dem am Anfange der Schlucht befindlichen gewöhnlichen Karawanenlagerplatze aus, wenn in stiller Nacht die schmale Mondsichel ein schwaches Dämmerlicht über die Riffe und die bleichen Skelette an ihrem Fuße ausgießt. Der Weg nach dem Brunnen hinab ist äußerst beschwerlich, und durch das scharfe Steingeröll werden die Füße der Kameele leicht wund. Während der heißen Tageszeit bietet eine Höhle, die am Anfange des Thales ist, einigen Schutz vor dem unmittelbaren Sonnenstrahl. In dieser sammelt sich auch das schöne frische Wasser, um dessen willen das Wadi besucht wird.

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Der Strahlenkäfer ( Ateuchus sacer).

Vierthalb Meilen weit folgt wieder dürre Sandwüste; dann unterbricht ein Thal die trostlose Einförmigkeit und bietet unter reichlich vorhandenen Talhabäumen dem Wandrer angenehmen Schatten und in den mancherlei Wüstenkräutern seinen Thieren etwas Erquickung. Das Gestrüpp wird als Brennmaterial zusammengebunden und zur Weiterreise mitgenommen. Der Kalkstein der in großen Blöcken zwischen el Wahr und el Achmar zu Tage tritt, zeigt nicht die geringsten Spuren von Versteinerungen. Ungefähr zwei Meilen südlicher liegt der Brunnen el Achmar oder Maddema. Seine Umgebung bietet ein von dem vorigen etwas verschiedenes, wennschon sehr ähnliches Bild. Der Brunnen selbst liegt in offener Wüstenlandschaft; im Westen wird dieselbe aber von einem großen imposanten Bergzuge begrenzt. Weithinkriechende Koloquinten (von den Arabern Handal genannt) ranken über die zahllosen Menschenknochen die den Boden ringsum bedecken. Dazwischen sproßt anderes Wüstengestrüpp, Chareb und Kaie von den Nomaden bezeichnet. An diese Pflanzenwelt schließt sich auch einiges Thierleben. Eine Herde Gazellen findet hier Nahrung und Trank. In außerordentlicher Menge beleben Käfer den Boden. Die am häufigsten in den Krautflecken der Wüste vorkommende Käferart ist der Strahlenkäfer (heiliger Ateuchus; ( Ateuchus sacer), der daselbst unsere einheimischen Pillenkäfer vertritt. Aus dem Mist der Kameele und Gazellen formt das Insekt Kugeln, legt in selbige seine Eier und rollt sie dann nach geschützten Vertiefungen und gescharrten Löchern. Als der reisende Naturforscher Professor Ehrenberg die Wüstengebiete Nordafrikas durchzog, stand er eines Nachts mit geladener Flinte neben dem Lager seiner Gefährten auf Wache, da man räuberische Beduinen in der Nähe vermuthete. Mitten in nächtlicher Stille hörte er ein sonderbares Geräusch und fürchtete, es möge etwa ein Räuber sein, der auf dem Bauche kriechend sich nähere. Er rief nach Licht und beim Scheine der Laterne gewahrte man im Sande die regen Strahlenkäfer, welche emsig ihre aus Sand und Dung zusammengeklebten Ballen vor sich herschoben. Den alten Aegyptern war das interessante Thierchen deshalb zum Symbol der Kraft geworden, welche den Kreislauf des Jahres durch Bewegung der Gestirne bewirkt. Sie meinten, daß die Bewegung der Kugeln immer von Ost nach West geschähe, und erblickten in den Zacken des Brustschildes Andeutungen der Sonnenstrahlen, sowie in den dreißig Gliedern der sechs Tarsen die Zahl der Monatstage. Man erwies dem Käfer deshalb göttliche Verehrung und stellte Abbildungen von ihm dar, sowol im riesigen Maßstabe aus Granit, wie auch als kleine Talismans aus Edelsteinen und Metall geschnitten. Letztere trugen besonders die Krieger als Schutzmittel um den Hals oder an Fingerringen.

Auch Vögel beleben zu Zeiten den Wüstenquell, vorzüglich die bereits genannten Wüstenhühner ( Pterocles), von den Naturforschern Flughühner, von den Arabern Chata genannt. Abweichend von den Sitten der meisten Hühnervögel besitzen diese Flughühner im Laufen nur geringe Ausdauer, eine desto größere dagegen im Fliegen. Zur Paarungszeit ziehen sie sich nach den bewohntem Landschaften und fruchtbarern Gegenden zurück, in denen reichliche Samen ihren Jungen Nahrung bieten. Ein eigentliches Nest bauen sie nicht, sondern scharren zum Brüteplatz nur eine flache Vertiefung in den Sand. Sind die Jungen erwachsen, so kehren die Alten mit ihnen nach den ebenen Wüstengebieten zurück, in denen sie sich am behaglichsten zu fühlen scheinen. Dort vereinigen sie sich mitunter zu massenhaften Flügen, die in der Ferne eilenden Wolken gleichen. Die Hauptnahrung liefern den Flughühnern die harten Samenkörner der zahlreichen Leguminosen, welche einen Hauptbestandtheil der Wüstenflora bilden, z. B. des genannten Agul ( Alhagi camelorum), Ginsterarten, Akazien, Senna u. s. w. Vielleicht gerade durch diese harte, trockne Kost dazu gezwungen, können die Vögel das Wasser nicht gut entbehren; mehrere Male des Tages trinken sie in langen Zügen am Quell, und wenn sie es irgend haben können, baden sie sich auch gern. Den Wüstenreisenden liefern sie eine erfreuliche Abwechselung bei seiner elenden, einförmigen Kost. Freilich ist ihr Fleisch hart und schwärzlich und würde dem Europäer keineswegs so munden wie ein Rebhuhn, dem das Flughuhn an Größe gleichkommt. Das isabellfarbige Gefieder ist mit abwechselnd schwarzen und silbergrauen Querstreifen gezeichnet. Ueber die Brust zieht ein dunkelbraunes, schwarzeingefaßtes Querband und ein ähnliches steht an der Kehle. Die zwei mittlern Federn des Schwanzes haben verlängerte Spitzen.

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Flughühner der Wüste

Unter den wenigen Säugethierarten, die in den ausgedehnten Wüstenstrecken Nordafrikas ihre Existenz zu fristen vermögen, ist die Kuhantilope ( Antilope bubalis; siehe auf der Abbildung im Vordergrunde links), der sogenannte wilde Ochse, eines der ansehnlichsten. An Größe einen Hirsch übertreffend, ähnelt sie in der Bildung ihres Kopfes und ihrer ganzen Gestalt sehr einem Rind, obschon ihr Bau etwas schlanker ist. Ebenso vermag sie auch eine bedeutendere Schnelligkeit zu entwickeln und setzt sich, in die Enge getrieben, mit ihren leierförmig gebogenen Hörnern sehr erfolgreich zur Wehre, indem sie ihren Feind wie der Ochs empor zu schleudern sucht. In ihrer Gesellschaft findet sich auch eine andere große, stämmige Antilope, der Wadan oder Audad ( Oryx Gazella). Beide ziehen sich am liebsten in die gebirgigen Bezirke der Wüste zurück, in denen ihnen geschützte Thäler mit Krautwuchs und wenig besuchte Brunnen Unterhalt gewähren. Auf beigegebener Abbildung hat der Zeichner ein Rudel jener Antilopenart dargestellt, welche von den Arabern Abu-harb ( Antilope leucoryx) genannt wird und welche ebenfalls in Nordafrika einheimisch ist. Die tiefen Erdrisse des Vordergrundes erinnern uns an die Dürre und Trockenheit des Bodens, für welche auch die Luftspiegelung am Fuße des Höhenzuges und die Sandwirbel lebhaft sprechen. Nur der Graswuchs möchte in Wirklichkeit etwas schwächer ausfallen.

Als Dr. Barth bei seiner Rückreise am Brunnen Maddema lagerte, zeigte ihm das Thermometer um 2 Uhr Nachmittags im schönsten Schatten 45° und selbst bei Sonnenuntergang noch 40 Grad. Im weitern Verlauf führt die Straße nach dem Brunnen Mafaras. Unterwegs bleibt der Berg Fadja etwa zwei Meilen seitwärts und bezeichnet die Richtung, welche der von hier abgehende Weg nach Tibesti führt. Unter dem Namen Mafras sind zwei verschiedene Brunnen bekannt. Am nördlichsten derselben stellte Vogel astronomische Beobachtungen an. Sein Barometer belehrte ihn, daß die Sahara nicht, wie bisher vielfach geglaubt worden war, eine Tiefebene von geringer Erhebung über dem Meere sei, sondern daß sie eine Hochebene von ungefähr 1300 Fuß mittlerer Höhe darstelle. Von den Schwarzen Bergen bei Sokna an setzt sie sich in ziemlicher Gleichförmigkeit fort, nur 1-200 Fuß in Höhe wechselnd; nur einmal, unter dem 22. Grade nördlicher Breite, steigt ein Gebirgskamm bis zu 2400 Fuß Höhe auf. Oestlich von hier, in Tibesti, vermuthete er aber höhere Berge, da der von dort her wehende Wind bitter kalt war. Das nach Osten gelegene Land Tibesti, von Tibu (Titurtschade) bewohnt, war ehedem zu mancherlei geographischen Uebertreibungen Veranlassung gewesen. Man hatte erzählt, daß sich daselbst vulkanische schwarze Berge befänden, die so hoch wären, daß man – nach der Beschreibung der Araber – die Mütze vom Köpfe verlöre, wenn man nach der Spitze derselben hinaufsähe. Durch eine solche Höhenbestimmung ist freilich nicht viel gewonnen. »Das Nämliche«, schrieb Dr. Vogel an Petermann, »könnten Sie auch von der Nelson-Säule sagen, wenn Sie sich nur nahe genug an den Fuß derselben stellen.« Als zweites Märchen berichtete man von Quellen, in denen kochendes Wasser und Schwefel emporsprudelte. Die Tibu lachten, als Vogel sie nach solchen Sachen fragte, doch erfuhr er, daß sich Quellen in jenem Lande vorfinden, in denen große Luftblasen in ähnlicher Weise emporsteigen, wie dies in den Kohlensäurebrunnen Westfalens der Fall ist. Sie zeigen dabei ganz das Aussehn, als ob das Wasser koche, besitzen aber nur die gewöhnliche Temperatur.

Der zweite Brunnen gleichen Namens liegt fünf Meilen von dem erstern nach Süden. Die Strecke zwischen beiden ist eine wahre Spiegelfläche, offen und vollkommen öde, nur durch die nie fehlenden Knochen traurig genug bezeichnet, und wirkt auf den Wandrer um so erdrückender und peinlicher, weil sowol er als seine Thiere nach den zurückgelegten Strecken erschöpft sind. Sowie Tegerry der südlichste bewohnte Ort von Fessan ist, bildet der Brunnen Mafaras die südlichste Grenzmarke dieses Landes überhaupt. Er liegt unterhalb einer Reihe weißer Sandsteinhügel, die mit Kalksteinen wechseln. Selten zeigt er unmittelbar das Wasser selbst, sondern ist gewöhnlich so versandet, daß die Karawane nur an einer kleinen Gruppe verkrüppelter Palmbäume die Stelle erkennt, an welcher sie beim Nachgraben etwas Feuchtigkeit findet. Da das Wasser nur spärlich zusammensickert, ist eine geraume Anzahl von Stunden erforderlich, um eine einigermaßen zahlreiche Kafla zu tränken.

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Thierleben in der Oase

Während dieser Wartezeit gewähren eine Anzahl schöner Talhabäume dem Reisenden angenehmen Schatten und lassen ihn den Ort im Vergleich mit der Oede umher als einen lieblichen Aufenthalt preisen. Auch eine Dumpalme steht daselbst und der Stumpf einer zweiten deutet an, daß ehedem noch mehrere hier wuchsen. Zwei und eine halbe Meile weiter führt der Weg über die Berggruppe Tiggera n dumma, die Grenze von Fessan; er durchschneidet ein Thal, reich mit Kräutern besetzt und einigen Talhabäumen. Wieder eine Strecke von etwa zwei Meilen zwängt sich der Pfad zwischen rauhen, schroff zusammentretenden Felsenhöhen hindurch, bis man in das flache Thal von Yat oder Djenham (Izha des Denham) gelangt. Auf dem blendendweißen Sande, der die ganze Fläche bedeckt und dessen grell zurückgeworfenes Licht das Auge schmerzhaft berührt, verursachen die erhitzten Luftschichten vielfach täuschende Spiegelungen. Die Spitzen der Hügelreihen und Felszüge, die zeitweilig über dem Horizont auftauchen und auf ihren obern Kanten dürftiges Gestrüpp tragen, erscheinen als palmenreiche Wadis, als das ersehnte Ziel, welchem die todmüde Karawane zustrebt. Und gerade hier, wo man sich den von Tibustämmen bewohnten Gegenden nähert, gesellt sich zu den bisherigen Gefahren zum Ueberfluß noch die des räuberischen Ueberfalls. Die Aufmerksamkeit der Reisenden ist geschwächt, ihre Kräfte sind erschöpft, und dies benutzend schleichen gewandte Diebe entweder unbemerkt herbei oder versuchen durch kecken, schnellen Ueberfall etwas zu erbeuten. Für solche Fälle ist es nöthig, daß jede Karawane ein paar Pferde in ihrem Gefolge hat, so viele Beschwerden es auch verursacht, sie durchzubringen. Ein paar Reiter müssen bei dem geringsten Zeichen der Gefahr seitwärts auf Kundschaft abschweifen und Räuber, welche sie in der Nähe entdecken, entweder durch ihr Erscheinen zurückschrecken oder selbst mit bewaffneter Hand einen kühnen Angriff auf sie unternehmen. Jeder Tibu-Kaufmann, der mit seiner Karawane die Wüste nach Bornu passirt, hat ein Pferd bei sich und auf demselben auch stets einen kleinen Wasserschlauch. Mit diesem ist er dann im Stande, sich und seine werthvollste Habe zu retten, sobald eine ernstere Gefahr plötzlich hereinbricht. Die Tibu-Pferde sind von kleiner Statur, dabei aber lebhaft und von großer Ausdauer. In Ermanglung anderer Nahrung füttert man sie sogar mit Kameelmilch, saurer oder süßer, die ihnen ganz gut bekommt.

Nachdem die längst erblickte Berggruppe überstiegen ist, welche, von West nach Ost ziehend, den Weg versperrt, gelangt die Karawane in die Oase Ssiggedim. Die Wanderer begrüßen sie mit Jubel und lagern sich im Schatten der zahlreichen Dum- und Dattelpalmen. Gerredh ( Mimosa nilotica) gewährt mit seinen frischgrünen Blättern dem Auge angenehme Erquickung; nur streckenweise ist der Boden frei und mit einer Salzkruste überzogen, sonst aber reichlich mit Ssebot überwuchert. Einige Steinwohnungen, auf einem vorspringenden Felsenriffe errichtet, geben Zeugniß davon, daß die Oase wenigstens zeitweise bewohnt wird. Leider steht gerade dieser Platz in dem Rufe, daß er räuberischem Gesindel als Zufluchtsstätte diene.

Eine über zwei Meilen weite Kiesfläche scheidet die Oase Ssiggedim von dem Wadi Ikeba oder Ikbar, das sich als eine flache Einsenkung am westlichen Fuße einer Berghöhe ausbreitet. Um den Brunnen, dessen Wasser erfrischend kühl ist, erheben eine große Menge Dumpalmen ihre gabeltheiligen Gipfel und erzeugen mit ihren fächerförmigen Blättern angenehmen Schatten. Der Boden ist von Kräutern und Gras bedeckt und das ganze Plätzchen erscheint dem Ankommenden, den die trostlose Einförmigkeit der vorherigen langen Wüstenfahrt bis zum Aeußersten ermüdet, als ein kleines Paradies. Dr. Vogel sammelte hier Steingebilde eigenthümlicher Art, die er geneigt war, für versteinerte Knochen zu halten. Die Oase war damit buchstäblich bedeckt, an einigen Stellen fußhoch. Kleine Karawanen dürfen es aber der Räuber wegen nicht wagen, hier zu lagern. Das Wadi Ikbar bildet den nördlichsten Anfang der großen Senkung, die durch das Wadi von Bilma (das Thal Kauar) gebildet wird und die sich ziemlich über zwei Breitengrade, also gegen dreißig Meilen in der Richtung von Nord nach Süd erstreckt. Eine hervorragende Bergspitze dient als Wegweiser; »Tummeras kumma« d. h. »Ihr werdet bald Wasser trinken!« haben sie die Araber benannt. Zwei kegelförmige Berge, etwa eine halbe Stunde von einander gelegen, bilden gleichsam die Thorpfeiler. Durch einen felsigen Engpaß geht der Pfad vom höhern Wüstenplateau nach dem Wadi hinab und die Karawane begrüßt bald das erste Tibu-Dorf Anai, eine halbe Meile vor dem größern Anikimma. Der Ort Anai liegt auf einer gegen hundert Fuß hohen Sandsteinmasse von dunkler Färbung und ziemlich weicher Beschaffenheit. Eine Anzahl Hütten liegen auf dem Berge, einige andere befinden sich am Fuße desselben; ihre besten Habseligkeiten bergen die Eingebornen aber auf dem Gipfel des Felsen. Sobald die räuberischen Tuariks und Kelowis ihre Einfälle machen, was mitunter im Laufe eines Jahres mehr als einmal geschieht, flüchtet sich Alles hinauf auf den Felsen, der nur mittelst einer Leiter zu ersteigen ist. Letztere wird dann hinaufgezogen und mit Steinen und Geschossen die natürliche Festung erfolgreich vertheidigt. Die Hauptwaffen der Tibu bilden die Speere; meistens hat deren jeder Mann vier größere und einen kurzen. Mit ihnen wissen sie sehr geschickt umzugehen; beim Werfen derselben wird der Arm gebogen und die Hand in der Höhe der rechten Schulter gehalten. Sowie der Speer geschleudert wird, giebt man ihm einen Druck mit den Fingern und er dreht sich in der Luft um sich selbst. Junge kräftige Tibu vermögen diese Waffe bis auf 80 Fuß weit zu schleudern. Prallt sie dabei auf dem Boden auf, so fliegt sie noch weiter. Schwerter haben die Tibu mitunter drei, vier in ihrem Besitz; dieselben haben eine ganz besondere Gestalt und werden von ihnen Humgamunga genannt. Nicht weit von hier liegt das Städtchen Gessibi (Kisbee), in dem ehemals der Sultan der Tibu seinen Sitz hatte. Es befindet sich an der Westseite des Thales und hatte früher seine Bedeutung besonders dadurch erhalten, daß die Straße nach Asaneres an ihm vorbeiging. Die durchziehenden Karawanen zahlten dem Herrscher daselbst einen Tribut. Seit der Weg verlegt ward, steht es verlassen und seine Hütten sind zerfallen, Schlupfwinkel für Hyänen und Schakale.

Bei Anikimma tritt ein vereinzeltes Vorgebirge vom Seitenrande des Thales weit in das Innere des Wadis und stellt eine Art von Einbuchtung dar. Jenseits dieses Felsenzugs nimmt ein Palmenhain den Wandrer auf und er begrüßt Aschenumma, den Ort, wo die erste Hälfte der großen Wüstenstrecke beendigt ist und er sich auf den noch übrigen Theil vorbereitet. Die Oase Kauar, von den Tibu Henderi Teje oder Tedä genannt, ist für den ganzen Verkehr zwischen Nord- und Südafrika von der größten Wichtigkeit, indem sie die weit getrennten Völkerschaften des Sudan mit dem Norden in Verbindung setzt.

Aschenumma ist gegenwärtig der Sitz des Häuptlings der Tibu. Am Fuße eines hohen, sehr steilen Felsens, dessen Formen an die bekannte Gestalt des Königstein erinnern, sind etwa 120 niedere Hütten über eine niedere Terrasse zerstreut. Ohne Ordnung und Symmetrie bedecken sie zerstreut den Abhang. Eine einzige unter ihnen ist aus Steinen, die übrigen sind aus dunkelfarbigem Thon und Palmenblättern gebaut. Daneben sind einige Gärten, von Palmenblättern eingezäunt und mit Safsfah (Steinklee, Melilotus), einigen Zwiebeln und etwas Gemüse bepflanzt. Einzelne Hütten zeigen auch schon die runde Form, wie sie im Sudan gebräuchlich ist, und daneben von Palmenzweigen umzäunte und halbbedeckte Hofräume. Die Hitze, durch die von den hellfarbigen Felsenklippen zurückprallenden Sonnenstrahlen erzeugt, steigert sich zu einer außerordentlichen Höhe, häufig erreicht sie einige vierzig Grad. Rings um den Ort zieht sich ein lichter Palmenhain und am Fuße einzeln stehender Sandsteinfelsen dringen Quellen mit frischem Wasser im Kiesboden zu Tage. Weiter nach Westen zu bringen zwei Salzseen mit ihrem blinkenden Wasserspiegel einen seltenen Schmuck in die Landschaft. Das Innere der Wohnungen ist meistens reinlich und hübsch, obschon überaus ärmlich. Die Männer der Tibu sind kaum mehr als vier Monate im Jahre mit ihren Familien zusammen, in der übrigen Zeit durchziehen sie als Kaufleute die Wüste und gehen dabei gewöhnlich südlich bis Bornu und nördlich bis Mursuk.

Die Wohnung des Häuptlings zeichnet sich in keiner Weise vor den übrigen aus. Der allgemeine Titel des Häuptlings ist » maina« und der besondere Name des gegenwärtigen ist Bakr oder Abu Bakr, gewöhnlich wird er Mai Bakr genannt. Dr. Barth, der ihn auf seiner Rückreise besuchte, nennt ihn einen Mann von achtungswerthem Benehmen in vorgerücktem Alter.

Die Audienz, welche Dr. Vogel bei ihm hatte, lassen wir letztern selbst erzählen. Er schreibt darüber an seine Mutter Folgendes:

 

»Aschenumma, Tibu, den 26. November 1853.

Ich habe so eben einen Mann aufgetrieben, der mit Depeschen von mir nach Mursuk gehen will, und da kann ich denn nicht umhin, Dir den ersten und einzigen Brief zu schreiben, den je ein Sterblicher von Aschenumma (einer Oase, in der Mitte der großen Wüste Sahara gelegen) empfing. Ich habe eine sehr beschwerliche Reise von Mursuk bis hierher gehabt und fünfzehn Tage lang nichts als Sand und Himmel gesehen, auch nicht das kleinste Hälmchen Gras! Jetzt bin ich, Gott sei Dank, nur noch zwanzig Tage weit vom See Tsad und dem prächtigen grünen Bornu. Allen Aufenthalt eingerechnet, hoffe ich sicher Neujahr in Kuka feiern zu können.

Ich bin so wohl, als es die Umstände erlauben, nur etwas matt, was sehr natürlich ist, wenn man bedenkt, daß ich in zwanzig auf einander folgenden Tagen täglich dreizehn Stunden zu Pferde gesessen habe und dabei jede Nacht zwei Stunden Wache gehalten, ohne irgend eine andere Nahrung als Reis und eine Art Graupen von Weizenmehl in Wasser gekocht und hin und wieder eine Hand voll Datteln!

Hier haben wir Fleisch in Ueberfluß; ich genieße nur die Brühe davon, da mein Magen etwas schwach ist und man sich hier mehr als irgendwo vorsehen muß, nichts Schwerverdauliches zu genießen.

Wenn Du einen Blick auf diese Gegend werfen könntest! dies Meer von Sand mit seinen Inselchen von Palmen und den schwarzen Felsen, die überall nackt und kahl emporstarren; und wenn Du mich sehen könntest, fast schwarz verbrannt von der Sonne, in halb arabischer, halb europäischer Kleidung, in meinem Zelte platt auf der Erde liegend, während ich diese Zeilen schreibe, denn mein ganzes Ameublement besteht aus einem Feldstuhl und einer Matratze nebst zwei Strohmatten. Mein Tisch hat schon lange vorher in Zeltflöcke und Brennholz verwandelt werden müssen!

Da Du eine so große Freundin von Thieren bist, so würden Dir meine beiden Pferde, ein graues und ein braunes, viel Freude machen; sie sind so zahm, daß sie mir wie Hunde überall nachlaufen und, wenn ich esse, sicher kommen, um sich ein paar Datteln zu holen. Das graue Pferd ist sehr schön und ein Geschenk von Hassan Pascha, dem Gouverneur von Mursuk; das braune, auf dem ich in Tripoli reiten gelernt, ist auch recht hübsch und so unbändig, daß keiner meiner Begleiter es je besteigen will. Ich bin die einzige Person, die es nicht abwirft.

Gestern machte ich meine officielle Visite beim Sultan von Tibu, in dessen Lande ich mich augenblicklich aufhalte. Er lebt in einem kleinen Erdhäuschen, mit Palmenzweigen bedeckt, und empfing mich in einem Zimmer, das außer ihm und den Vornehmsten seines Volkes noch zwei Ziegen und ein Pferd beherbergte. Se. Majestät saß auf einer niedrigen Bank von Rohr, gekleidet in eine blaue Blouse mit einem ungeheuren, furchtbar schmutzigen Turban auf dem Kopfe. Ich ging auf ihn zu und gab ihm die Hand, zum Zeichen, daß ich ihn für keine über mir stehende Person halte (zum Erstaunen aller Tibu), und erkundigte mich nach seinem Befinden. Er fragte, wie ich die Königin von England verlassen, und versicherte mich, daß ich ohne alle Bedenken sein Land durchziehen könne, da er Alles für mich thun werde, was er könne. Er war sehr erfreut über meinen Plan, einen Kurier nach Mursuk zu senden (den ersten einzelnen Boten, der je die Reise gemacht hat), und versprach mir, etwaige Briefe, die ich von Kuka schicken werde, sicher zu befördern. Ich beschenkte ihn darauf zu seiner großen Freude mit einem rothen Burnus und Kaftan, einem Stück Musselin, einer rothen Mütze, zwei Rasirmessern und einigen Stücken grauen Calicots. Sowie ich zu meinen Zelten zurückgekehrt war, schickte er mir dagegen zwölf große Schüsseln mit gekochtem Reis und ein fettes Schaf, welche Vorräthe von meinen Leuten in weniger als einer Stunde verschlungen wurden.

Was denkst Du wol, daß ich dem Boten gebe, der mit diesen Zeilen über 150 Meilen weit durch eine Wüste ohne alle Spur von Vegetation geht und dann denselben Weg wieder zurückkommt, dabei ein Kameel und sich erhalten muß und keinen Augenblick seines Lebens sicher ist? – Alles in Allem etwa drei preußische Thaler! – Ich wurde so eben am Schreiben durch etwa ein Dutzend des schönen Geschlechts unterbrochen, die, eine augenblickliche Abwesenheit meines Bedienten benutzend, sich in mein Zelt gedrängt hatten, wo ich alle Noth hatte, sie mir vom Leibe zu halten. Ich beschenkte jede, galant wie ich immer bin, mit vier Nähnadeln, über welche sie höchlichst entzückt waren. Die Damen hier tragen im linken Nasenflügel einen großen Knopf von rother Koralle und ihre Kleidung besteht aus einem Stück Kattun von etwa einer Elle Breite und drei Ellen Länge, welches sie um den Leib wickeln. Uebrigens ist ihre Haut glänzend schwarz und sie suchen dieselbe durch übermäßiges Einölen zu verschönern. Ihr Haar ist in unzählige kleine Zöpfchen geflochten, die gleichfalls von Fett triefen.

Höchst unangenehm und drückend fühle ich hier den gänzlichen Mangel an Geld. Alles wird mit Stückchen Calicot bezahlt, und das giebt natürlich ein ewiges Ausmessen und Abschneiden, was höchst lästig ist.

Der Ort liegt an einem großen steilen Felsen, der fast wie der Königstein aussieht und der in jeder Richtung durchwühlt ist. Dieser Felsen bildet den Zufluchtsort der Eingebornen, wenn sie von den Tuariks, einem räuberischen Stamme, westlich von hier wohnend, angegriffen werden. Ein solcher Angriff erfolgt alle zwei Jahre etwa und wird dabei Alles mitgenommen, was irgend transportabel ist. Die Männer werden niedergemacht und Weiber und Kinder in die Sklaverei geführt. Dieselben Herren wollten auch unserer Karawane einen Besuch abstatten, und drei Nächte hindurch schlief ich nicht anders als mit dem Revolver zur rechten und einer Doppelflinte zur linken Hand. Sie fanden uns aber stets zu sehr auf der Hut und zu stark, und so sind wir bis jetzt ungestört und unbelästigt geblieben. Doch ich muß schließen, da eben eine Anzahl der Vornehmen des Ortes angemeldet werden, die gern meinen Kaffee kosten wollen. Mach Dir keine Sorge, wenn Du nun für lange Zeit nichts von mir hörst, nach Bornu geht noch keine Post und noch kein elektrischer Telepraph.«

An seinen Vater fügt Vogel in demselben Schreiben hinzu, er habe gefunden, »daß die große Wüste ein Plateau sei von ziemlich gleichförmiger Erhebung (zwischen 15–1200 Fuß) mit einem Randgebirge von 2700 Fuß (bei Sokna die Schwarzen Berge) und einem andern Kamme unter dem 22. Grade nördlicher Breite, der sich bis 2400 Fuß erhebt, von Kalkstein und schwarz gefärbtem Sandsteine (nirgends Basalt); überall wo die Felsen fehlen, Salz in Menge. Es ist ein Irrthum, wenn gesagt wird, daß die Dattelpalme bei Tegerry aufhöre; sie ist hier, fünf Grad südlicher, im Ueberfluß. Das Wetter ist hier recht unausstehlich, fortwährend Nordostwind und Staub, der die Sonne verdunkelt; am Morgen eine Temperatur von 8 Grad und am Mittag von 30 Grad.« In den gegen 20 Fuß hohen Hügeln bei Bilma traf Vogel einzelne dünne Lagen von Holz in einem der Braunkohle sehr ähnlichen Zustande, das sich bei der Berührung in Staub verwandelte.

An Ritter Bunsen theilte Dr. Vogel aus derselben Oase, von Schimotison, 7 Meilen nördlich von Bilma, unterm 26. November 1853 dieselbe Bemerkung über die Bodenbildung des Landes mit und fügt hinzu:

»Ich habe mir den Sultan von Tibu, in dessen Lande ich mich befinde, durch ein Geschenk im Werthe von 7 Pfd. Sterl. zum guten Freunde gemacht; ich glaubte diesen Aufwand machen zu müssen, um mir die Verbindung mit dem Norden offen zu erhalten. Es ist ganz in der Macht der Tibu, jede Communikation zu unterbrechen, und ich könnte dann nur mit den Karawanen, die nicht öfter als einmal im Jahre abgehen, schreiben.

Ich bin bisher recht glücklich gewesen und habe auf dem sehr beschwerlichen Marsche von Fessan bisher auch nicht ein einziges Kameel verloren. Die Gegend ist fürchterlich, auf 600 (engl.) Meilen auch nicht die geringste Spur von Vegetation, Alles Sand und schwarze Sandsteinfelsen. Hier haben wir die ersten grünen Bäume gesehen, seitdem wir Tegerry verlassen. Wir sind nur 17 Tagemärsche entfernt von den Ufern des Tsad-Sees und werden in zwei Tagen dahin aufbrechen. Wir haben hier drei Tage Halt machen müssen, theils der Thiere wegen, theils auch, um die nöthigen Vorräthe von Mehl und Butter einzunehmen.

Meine Begleiter und ich sind, Gott sei Dank! bisher immer so wohl gewesen, wie man nur erwarten konnte. Ich leide etwas am Magen, aber denke, daß ein wenig Ruhe und gutes Leben in Bornu Alles wieder gutmachen werden. Hadschi Achsen, der Vetter des Sultans von Bornu, der mich begleitet, hat sich als ein braver Mann gezeigt; er thut Alles für mich, was in seinen Kräften steht, und ist mir vom größten Nutzen gewesen.«

Südlich von Aschenumma liegen noch mehrere Ortschaften, deren Bewohner sich alle mehr oder weniger von der Gewinnung des Salzes und von dem Handel mit diesem Mineral ernähren. Zunächst sind die beiden Dörfer Elidji und Tegimani, dann folgt die Stadt Dirki. Diese ist sammt den sie umgebenden Mauern aus demselben schwärzlichen Thonschlamm gebaut, welcher den Boden der Salzbecken bildet. Er wird zwar beim Austrocknen ziemlich fest, gewährt aber im Gegensatz zu den weißgetünchten Wohnungen Aschenummas einen trübseligen Anblick. Dazu kommt noch, daß sowol die Mauern als auch viele Hütten zerfallen sind. Die Salzlachen, in der trocknen Jahreszeit zu stinkenden, widerlichen Schlammtümpeln austrocknend, erhöhen noch das Unangenehme der Scene. Für den zu Pferde Reisenden erhält der Ort nur deshalb eine Bedeutung, die freilich wichtig genug ist, weil hier der einzige Hufschmied der ganzen Oase wohnt, ein Mann, von dem möglicher Weise sein Leben abhängig werden kann. Jenseits der Dattelpflanzungen von Dirki liegt das Dorf Schemidderu, halb auf Felsklippen, halb am Fuße derselben; von Palmenstreifen umsäumt dann das Dorf Emimaddama. Das Südende des ganzen Wadi zeigt ein malerisches Ansehn. Felsenriffe senken sich in Terrassen von den steilen Seitenwänden nach der Thalsohle herab, an andern setzen sie als niedere Rücken quer durch die ganze Breite der Oase. Zwischen den lebhaft gefärbten Gesteinen breiten sich grüne, kräuterreiche Weiden, von Palmenhainen unterbrochen. Gemüsegärten, durch Ziehbrunnen bewässert, erzeugen mancherlei erquickende Küchenkräuter. Wild wachsend sproßt der von den Kameelen so sehr geliebte Agul ( Alhagi camelorum), eine blaublühende, Mannatropfen ausschwitzende Leguminose, ebenso die als Gemüse verwendete Moluchia ( Corchorus olitorius). Stellenweise finden sich auch neben den wildwachsenden Akazien gepflegte Kalabassenbäume, deren Fruchtschalen vielfache Hausgeräthe abgeben. Herden von Rindvieh verkünden dem Fremdling, daß es ihm möglich ist, sich einen lange entbehrten Genuß, einen Trunk frische Milch, sowie Tibu-Käse zu verschaffen. Letzerer ist sehr wohlschmeckend, aber so hart, daß er in Wasser eingeweicht werden muß, bevor er genießbar wird.

Die Hauptbedeutung der Oase liegt aber, wie bereits angedeutet, in ihrem Salzreichthum. Man möchte das ganze große Thal eine gewaltige Saline nennen. Besonders scheinen die Thonlager reich an Natron zu sein. Die Regenwasser, hier nicht, wie im nördlichen Afrika, während der kühlern Jahreszeit, sondern gewöhnlich zur Zeit der größten Hitze fallend, ziehen sich in diesen sie aufhaltenden Schichten nach der Rinne des Wadi und werden dort zur gesättigten Sole. An verschiedenen Stellen bilden sie Seen und Teiche, von Sumpfvögeln belebt, unter denen sich besonders der unserm Kiebitz ähnliche Spornflügler bemerklich macht. Ehedem begnügte man sich mit dem Einsammeln der Salzkrystalle, die beim Verdunsten des Wassers am Rande der Lagunen sich ansetzten; bei gesteigertem Bedürfniß warf man den nassen Schlamm auf kegelförmige Haufen und sammelte das Salz, welches an diesen ausblühte. Heutigen Tages hat sich dieser Industriezweig noch weiter vervollkommnet; man gießt das Salzwasser in viereckige Thonformen und läßt es in denselben verdunsten, während man das durch die Natur freiwillig auskrystallisirte auch einsammelt. Letzteres ist pulverförmig und für den Europäer das einzig genießbare, freilich auch dreimal höher im Preise als die in viereckigen Stücken vorkommende Sorte, die bitter schmeckt und Dem, welcher nicht an sie gewöhnt ist, jegliche Speise verdirbt. Die letztern packt man zu zuckerhutähnlichen Säulen aufeinander und umwickelt sie mit Palmenblättern oder Matten aus den Fasern der Dattelpalme. Vogel sandte Proben von dem Salze von Bilma nach London und bemerkt dabei: »Die Säulen Salz, etwa 25 Pfd. im Gewicht, werden nach Sudan verkauft und kosten etwa 16 derselben einen spanischen Dollar. In Sudan hat jede einzelne diesen Preis.« Jährlich zieht eine große Karawane, ausschließlich mit Salz beladen, nach dem Süden und Westen. Freilich theilen sich die Kelowi, ein Volksstamm westlich von Bilma, mit den Tibu in den Ertrag. Wir werden später ein Näheres über diese Concurrenten berichten. Die einzelnen Häuptlinge, deren mancher 200 und mehr Kameele mit Salz beladen hat, sammeln sich zu einem gewaltigen Reisezug, der ein eigenthümliches, lebensreiches Bild in der Wüste darstellt. Der angesehenste Häuptling stellt sich an die Spitze, um ihn sammeln sich die einzelnen Trupps, jeder mit einem Trommler oder auch mit einem Pfeifer versehen. Hochlodernde Lagerfeuer erhellen die Nacht vor dem Aufbruch, bis das Dämmerlicht zur Rüstung mahnt. Da erschallt Trommelwirbel durch die Stille des Morgengrauens; die Trommler bearbeiten mit rasendem Eifer aus Leibeskräften das Fell, welches über einen hohlen Kürbis gespannt ist, und suchen eine Ehre darin, einander zu übertreffen. Ein allgemeiner Jubelruf aller Personen im Lager antwortet ihnen. Die Kameele, die Bedeutung des Zeichens verstehend, schreien dazwischen; sie werden bepackt, und in kriegerischer Ordnung rückt ein Trupp nach dem andern aus, jeder mit seinem besondern Führer an der Spitze. Eine dieser Salzkarawanen, welche Dr. Barth antraf, zählte 10,000 Kameele, die mit Salz beladen waren. Der dritte Theil davon ging nach Kano und hatte daselbst den Werth von etwa 50–80 Millionen Kurdi (Muscheln). Gewöhnlich versehen sich die Salzhändler ihrerseits mit denjenigen Artikeln, die ihrer Heimat fehlen. Sie kaufen hauptsächlich Baumwolle und Korn ein, die nach Kuka ziehenden besonders gern eine Art getrockneter Fische, die den Tsad-See beleben. Dieser Fisch hat zwar für eine europäische Nase einen unerträglichen Gestank, bildet aber die höchste Delikatesse für einen Tibu. Sind alle seine übrigen Bedürfnisse gestillt und es fehlt ihm der Fisch, so hat das Leben wenig Anziehendes für den Tibu. Vorzugsweise zum Transport dieses Stinkfisches verwendet der Tibu seine Sklaven und zwingt diese Unglücklichen, die schauerliche Wüste von Kuka nach Bilma zu Fuß zu durchschreiten, ein Bündel jener Waare auf dem Kopfe, welche dem Eigenthümer viel mehr gilt als das Leben des Sklaven. Er übertrifft hierin noch weit die Araber und Tuariks an Grausamkeit.

Durch die Lage der Salzseen wird auch die politische Stellung der Bewohner des Wadi zu einer sehr verschiedenen. Die Leute von Dirki und Bilma werden wegen ihrer Stellung als Vermittlungsglied im Salzhandel von den Tuariks geachtet und ihr Eigenthum geschont; sie halten ja für diese Halbnomaden das Salz in Bereitschaft. Die Kelowi plündern sie nicht aus, beschützen sie im Gegentheil, und in Folge dessen reisen Kaufleute von Dirki und Bilma über Asben nach Haussa. Die Einwohner von Aschenumma und andern Plätzen dagegen sind jeder Art von Bedrückung und Ungerechtigkeit preisgegeben, werden nicht blos zeitweise in ihren Wohnorten mit Ueberfällen bedroht, sondern laufen stets Gefahr erschlagen zu werden, wenn sie vereinzelt mit Tuariks oder Kelowi zusammentreffen.

Zwischen Tuariks und Tibu (oder Tubu) besteht auch in der Sprache keine Verwandtschaft, dagegen weist letztere entschiedene Aehnlichkeit mit derjenigen der Kanori, der Bewohner von Bornu, nach, obschon sie sich als Mundart stark von ihr scheidet. Andere Stämme der Tibu sind über Kumadugu Waube, Mandara Dasa, Edere und andere Bezirke des Südens verbreitet. Ehedem bildeten die Tibu eine sehr angesehene, mächtige Nation, deren Glanzperiode in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts fällt. Damals gebot über ihr Reich die Dynastie der Bulala, welche sich vorzugsweise auf die Tibu stützte. Von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts waren die Tibu dem Bornureiche einverleibt, da sich dieses bis Fessan erstreckte. Abgesehen von den Ungerechtigkeiten und Bedrückungen, welche die Tibu durch Tuariks und Kelowi zu leiden haben, da ihnen beide Volksstämme durch ihre Feuergewehre, besonders aber durch kriegerischen Geist weit überlegen sind, erfreuen sie sich eines ziemlichen Wohlbefindens und eines Grades von Wohlstand, den man im Herzen der Sahara nicht vermuthen sollte. Bei einem festlichen Aufzuge, den Dr. Barth in Aschenumma mit ansah, befanden sich nicht weniger als zehn Pferde, und bei solchen festlichen Gelegenheiten wird die allgemeine Heiterkeit durch die Aufführung von Nationaltänzen erhöht. Im Schatten eines großen Talhabaumes versammeln sich die Frauen, von reichlichem Oele glänzend, die dreieckigen Zöpfe zu beiden Seiten des Gesichts herabhängend. Außer dem gewöhnlichen Korallenschmuck in linken Nasenflügel ziert den Hals einzelner eine Bernsteinkette; am Gewand, das auf der linken Schulter zusammengeknüpft ist und die rechte Brust frei läßt, hängt bei einigen ein Schlüsselbund. Andere tragen in der Hand einen Zweig, andere einen Fächer, aus weichem Grase geflochten, noch andere einen solchen aus Straußenfedern. Die Trommel bildet das Hauptmusikinstrument. Die Tänzerinnen nähern sich einander mit mancherlei Bewegungen des Kopfes und der Hände, sowie des Oberkörpers, den sie von einer Seite zur andern werfen, schwingen und wiegen, ohne die Füße zu bewegen. Plötzlich wird der Takt der Musik schneller und schneller und zugleich lärmender, dann gehen die Tänzerinnen zu den heftigsten Bewegungen über, werfen den Kopf wild umher, knirschen mit den Zähnen, schütteln die Hände gegen einander, springen zugleich bald rechts, bald links, bis gänzliche Erschöpfung sie zwingt, ihre Stelle andern zu überlassen.

Bei solchen Gelegenheiten wird auch den Sklaven ihr besonderes Vergnügen erlaubt. Sie bilden einen dichtgeschlossenen Kreis; einer von ihnen tritt in die Mitte desselben und sucht den Ring zu durchbrechen, indem er mit behendem Sprunge bald gegen den einen, bald gegen einen andern anprallt, wird aber eben so kräftig von jedem zurückgestoßen. Hat er in dieser Weise die Runde gemacht, so löst ein anderer ihn ab.

siehe Bildunterschrift

Thurm in Agades.


 

Die Kelowi und das Land Asben.

Die Salzlagunen von Bilma sind fortwährend der Gegenstand der Eifersucht der benachbarten Völkerstämme gewesen, deren Existenz mehr oder weniger ebenso mit denselben eng verknüpft ist, als die der Tibu selbst. Am meisten findet dies mit den bereits genannten Kelowi statt. Dies ist ein Volksstamm, welcher das Land Asben oder Aïr, etwa 60 Meilen gerade westlich von Bilma, bewohnt und sich seit ungefähr hundert Jahren daselbst niedergelassen hat. Schon vor jener Zeit wurde der genannte Landstrich durch einen halb libyschen Volksstamm bewohnt, der sich mit der frühern schwarzen Bevölkerung vermischt hatte. Bei der Eroberung wurden wahrscheinlich die Männer größtentheils getödtet und die Ueberlebenden zu einer Art Sklaven oder Leibeigenen gemacht, denen man jedoch zusicherte, daß sie nicht außer Landes verkauft werden dürften. An der Nordseite der Gebirge von Asben wird noch gegenwärtig ein Hügel als die Stelle bezeichnet, an welcher jener Vertrag zwischen beiden Völkerschaften abgeschlossen worden sei. Sobald Karawanen dort vorbei kommen, erhalten die Sklaven die Erlaubniß, ausgelassen heiter sein zu dürfen. Sie führen dann wilde Gesänge und Kriegstänze auf und haben das Recht, von jedem Freien des Reisezugs irgend ein Geschenk zu erbitten. Die Frauen bekamen mancherlei Vorrechte, die sich bis in die neuesten Zeiten erhalten haben. So zieht z. B. bei Verheirathungen die Frau nicht in den Wohnort ihres Mannes, sondern letzterer ist durch die Sitte genöthigt, sich in der Heimat der Frau niederzulassen. Eigenthümlich ist auch die Bestimmung, welche aus der Vermischung beider Volksstämme hervorgegangen ist, daß der aus dem Berberstamm gewählte Häuptling nur mit schwarzen Frauen oder Sklavinnen Kinder zeugen soll, die ihm aber in der Herrschaft keineswegs folgen. Als Thronerbe wird der Sohn der ältesten Schwester bestimmt. Es ist dies ein Gebrauch, der sich auch bei den Stämmen in den Gebieten zwischen dem untern Niger und den Aschanti, desgleichen in manchen Gegenden Indiens wiederfindet. Den Berberstämmen scheint er ursprünglich fremd gewesen zu sein, da er von den edlern Stämmen der Tuariks mit Verachtung als ein Zeichen betrachtet wird, wie wenig Vertrauen jene Völkerschaften in die eheliche Treue ihrer Frauen sehen. Das Familienleben der Kelowi ist auch weit entfernt von jener Strenge, durch welche sich die Tuariks auszeichnen. Häufig lebt der Mann an einem andern Orte als die Frau und besucht dieselbe nur gelegentlich. Untreue von beiden Theilen ist dann nicht selten. Das aus dieser Vermischung von Berbern und der ursprünglichen Bevölkerung entstandene Volk der Kelowi hat die edle Gestalt und den Ernst der Tuariks eingebüßt und ihr Charakter, sowie ihre Sitten haben mehr die Heiterkeit der Haussavölker angenommen. Von den Tuariks werden sie geringschätzig behandelt. Aus Vermischung der Targi oder Imoscharh-Frauen mit schwarzen Männern oder selbst mit Sklaven entstanden die Busaua, Leute mit berberähnlichen Zügen aber verwahrlosten Sitten, die besonders die südlichen Theile der Wüste als arge Räuber durchziehen.

Die Kelowi vermögen an 10,000 bewaffnete Männer ins Feld zu stellen sobald ein allgemeines Interesse sie dazu veranlaßt; gewöhnlich sind ihre einzelnen Abtheilungen nicht in dem Grade einig, daß sie fest zusammenhielten. Die Kelowi-Krieger sind mit Speer, Schwert und Dolch bewaffnet, führen aber außerdem einen großen Schild aus Ochsen- oder Antilopenhaut, mit dem sie sowol sich selbst als ihr Reitthier gut zu decken verstehen. Viele von ihnen haben auch, ähnlich wie die alten Assyrer, Bogen und Pfeil. Flinten besitzen nur wenige und selbst diese mehr zum Schein als zu einem wirksamen Gebrauch. Mit ihren Nachbarstämmen, den Kelgeres und Itissan, führen die Kelowi vielfach Fehde, und obschon sie denselben an Zahl überlegen sind, so haben die erstern doch den Vortheil größerer Einigkeit und erhalten besonders auch durch ihre Berbersitte, vorzugsweise Pferde zu benutzen, ein Uebergewicht. Im Kampfe ist der Reiter zu Pferd stets gegen den Kameelreiter in Vortheil. Das Land der Kelowi, Aïr oder Asben, vermag nicht die dichte Bevölkerung, die es trägt, zu ernähren, obschon es viel mehr erzeugen könnte, wenn seinem Anbau größere Sorgfalt geschenkt würde. Ein großer Theil der Kelowi ist deshalb darauf angewiesen, sich dem Salzhandel zu widmen und durch denselben Getreide, Kleiderstoffe und andere Lebensbedürfnisse aus dem Sudan zu beziehen.

Ehe wir die Beschaffenheit des Landes Asben selbst schildern, werfen wir einen Blick auf das ungefähr 90 Meilen in der Richtung von Süd nach Nord umfassende Gebiet, welches sich zwischen demselben und dem Lande der Asgar-Tuarik in der Umgebung von Rhat befindet und welches gegen 60–70 Meilen westlich von dem Reisewege Dr. Vogel's entfernt ist. Seine Kenntniß verdanken wir ausschließlich dem Zuge der Herren Richardson, Barth und Overweg, der ersten Europäer, die in jene Theile Afrikas drangen.

Das weite Land zwischen Rhat, ungefähr unter 25°, und Tintellust in Asben, unter 19° nördlicher Breite, ist Wüste, aber Wüste eigenthümlicher Art. Durchaus abweichend von Dem, was man früher als das Bezeichnende der Wüste betrachtete, Tiefebene mit Flugsand, und wie die Umgebung der beschriebenen Natron-Seen in Fessan sich darstellt, wird dieses Gebiet meistens durch Felsen gebildet. Auf dem Plateau, das den ganzen Raum zwischen beiden Städten füllt und gegen 2000 Fuß mittlere Höhe behält, erhebt sich im Norden das Gebirge von Asgar, im Süden dasjenige von Asben, jedes um mehr als 2000 Fuß die Hochfläche übersteigend, also viertausend und einige Hundert Fuß über den Meeresspiegel emporgipfelnd. Zwischen beiden wechseln weite ebene Spiegelflächen aus Felsengrund und Geröll und mehrere einzelne Ketten und Berggruppen von geringerem Umfange.

Die Berge von Asgar sind durch wildzerrissene Sandsteinmassen gebildet, zwischen denen sich in tiefen Schluchten der Karawanenpfad hinwindet. Einer dieser Thalrisse ist das Wadi Egeri, das die beistehende Abbildung darstellt. Der Boden zeugt deutliche Spuren, daß er zur Zeit der mächtigen Regengüsse das Bett eines Wildbaches bildet. Herabgestürzte Felsblöcke bedecken ihn, und seine hellgelbe Färbung, durch Kies und Sand hervorgerufen, hebt sich malerisch ab von den in verschiedenem Braun schattirten Seitenflächen der Schlucht. Südlich von den Asgarbergen treten mächtige Granitmassen zu Tage, und gerade an den Stellen, wo die beiden Gesteinformationen mit einander in Berührung kommen, ist die Zerklüftung des Sandsteins am großartigsten und wildesten. Wegen der ansehnlichen Erhebung würde dieses Gebirgsland einen sehr gesunden Wohnplatz bieten, leider aber wird dies durch die große Unfruchtbarkeit unmöglich gemacht. Nur in wenigen vereinzelten Thälern ist etwas Krautwuchs vorhanden. Ueber das ganze Gebirge zerstreut finden sich tiefeinstürzende Kesselthäler, deren Grund von ansehnlichen Alpenseen gebildet wird. Mehrere sind so groß, daß sie sogar für Krokodile als Aufenthaltsorte ausreichen. Sie werden nur durch zusammenlaufende Regenwasser gebildet, haben dabei aber eine ansehnliche Tiefe und halten das ganze Jahr hindurch Wasser. Oryxantilopen und wilde Ochsen ( Antilope bubalis), sowie Schaaren von Flughühnern finden in diesen abgelegenen Gebirgsthälern Zuflucht und Unterhalt und die am besten bewachsenen Plätze werden von schwarzen Hirten aufgesucht, die nur einen Lederschurz als Kleidung tragen und hier ihre Herden von Ziegen und kräftigen Eseln weiden.

Bei Barakat schon deutet der häufig angebaute Negerhirse ( Pennisetum typhoideum) den fernen Sudan an, Weizen und Gerste beginnen im gleichem Grade zurückzutreten; am Südfuße der Asgarberge zeigen auch die wildwachsenden Kräuter eine solche Veränderung. Die Talhabäume sind zwar noch herrschend und die vielfach erwähnten Bittergurken (Koloquinten) ranken in derselben Einförmigkeit über den Boden der Wadis wie in Fessan, aber außer ihnen wird die riesige Asklepias ( Asclepias gigantea) auffallend häufig; von den Tuariks wird sie Turfafia, in Sudan Aschur (d. i. der Zehend, der Feldzins) genannt. Sie verdient als einjähriges Gewächs ihren Beinamen vollständig, denn sie schießt bis zu 20 Fuß Höhe empor. Die Tamarisken (Ethelbäume) erreichen hier eine ansehnliche Größe.

Südlich von der 600 Fuß über dem Thale sich erhebenden Tiska-Berggruppe bei der steilen Bergkette Mariau beginnt eine weite Granitfläche, mit ihrer dunkelblauen Färbung an den Spiegel des Oceans erinnernd. Statt des Sandes deckt Kies und Granitschutt den Boden; vielfach finden sich auch Brocken porphyrartigen Gesteines mit großen Feldspathkrystallen. Am Südende der Granitebene fangen einzelne Sandhügel an, die Nähe einer andern Gesteinformation anzudeuten. Ethelgebüsche krönen ihre Gipfel, Gräser und Kräuter gedeihen zwischen ihnen und bunte Schmetterlinge, schillernde Libellen lassen selbst diese Dünen als ein bevorzugtes Plätzchen erscheinen gegenüber dem Granitplateau, das durch vollständige Unfruchtbarkeit und durch den Mangel jeglicher Lebensspur gekennzeichnet ist. Noch wechseln dunkelblaue Granitschichten mit weißen Sandhügeln, zwischen denen häufig Luftspiegelungen den täuschenden Anblick von glitzernden Wasserflächen vorgaukeln; endlich aber verschwindet der Granit und Sandsteine sowie Schieferfelsen treten an seine Stelle.

siehe Bildunterschrift

Das Wadi Egeri.

Das Alpenland von Asben steigt mehr als dritthalbtausend Fuß über die Thalsohle der Umgebung empor und gewinnt durch scharfgeschnittene schmale Kämme mit steilabstürzenden Seiten groteske Formen. Hier machen sich die Pflanzenformen des Sudans in immer stärkerem Grade bemerklich. Zu den stachligen Talhabäumen tritt der Hadjilidj ( Balanites aegyptiaca), dessen weithinkriechende seilähnliche Wurzeln oft von den Regengüssen bloßgelegt sind und von den Kelowi zu vortrefflichen Lanzenschäften verwendet werden. In den von steilen Sandsteinfelsen umschlossenen Thälern gedeihen mancherlei Gräser und Kräuter. In einigen Thälern wuchert das »Nessi« ( Panicum grossularium) ein unserm Hirse verwandtes Gras, in andern gedeiht »Burekkeba«, in wieder andern »Hhad«, Alles vortreffliche Futterkräuter. Auch der Abisge ( Capparis sodata), im Sudan unter dem Namen Schiwak (Ssiwak) bekannt, beginnt hier und liefert mit seinen korinthenähnlichen Beeren eine nicht unangenehme Zukost.

Manche Theile des Gebirges von Asben werden aus mächtigen Zügen weißen, festen Marmors und aus Gneisfels gebildet und besonders die letztern entwickeln in ihren Thälern eine wahrhaft tropische Ueppigkeit. Die Talhabäume erlangen eine bedeutende Größe; mehrere andere Akazienarten treten dazwischen auf, zahlreiche Dumpalmen gesellen sich dazu, theils als hohe verzweigte Stämme, theils als Gestrüpp mit malerischem Schmuck fächerförmiger Blätter, und auch einzelne Datteln sind vorhanden. Vielfach verschlungene Schmarotzergewächse und Orchideen schmücken die Zweige der Waldbäume.

Jene üppige Pflanzenwelt hängt innig mit den Witterungsverhältnissen zusammen. Die zur heißen Jahreszeit, beim höchsten Stande der Sonne eintretenden Regengüsse haben einen vollendet tropischen Charakter. In kurzer Frist zieht das am Horizont meistens südwestlich erscheinende Gewölk herauf. Heftige Windstöße brechen plötzlich und so mächtig herein, daß sie den Reiter fast von seinem Thiere werfen, und kurz darauf stürzen Wasserfluten in solcher Menge herab, daß der Reisende sammt seinem Gepäck völlig durchnäßt ist. Wohl dem Wanderer, der, vertraut mit diesen Eigenthümlichkeiten der Gegend, einen sichern Hügel zu erreichen suchte, denn im Thal, wo sonst am liebsten die Karawanen rasten, schwillt der trübe Strom zu einem See, steigt höher und höher, brandet schäumend an den Baumstämmen der Seitenwände und wälzt Steinblöcke vor sich her.

Richardson erlebte mit seinen Reisegenossen einen solchen Regenguß, der ihnen beinahe Gut und Leben gekostet hätte. »Ich stand gerade am 31. August an meinem Zelte«, erzählter, »und bewunderte die neue Landschaft, in die wir gerathen waren, eine Landschaft mit üppiger Vegetation und feuchter Atmosphäre, als wildes Geschrei ertönte. Die Wasserströme stürzten wieder über uns ein! Der Wady kommt! Dessenungeachtet begnügten unsere Leute sich anfänglich mit dem Geschrei und machten keine Vorbereitungen, dem Wasserstrome Einhalt zu thun; allein nach kurzer Zeit bequemten sie sich doch, mit Hülfe von Aexten und Stöcken einige Dämme aufzurichten. Diese Vorkehrungen hatten natürlich so gut wie gar keinen Sinn. Das Wasser stieg immer höher, und die schäumenden Wogen stürzten wirbelnd zwischen uns herein. Ich rief dem Yusuf zu, daß er einen hohen Ort ausfindig machen möchte, wohin wir unsere Sachen transportiren könnten. Er gab jedoch eine ausweichende Antwort, durch welche er verstehen ließ, daß die Ueberschwemmung sich schon geben würde, wie sie es früher gethan, und daß uns wol weiter nichts geschehen würde, als ein wenig durchnäßt zu werden. Alle niedrigen Stellen im Thale waren schon von dem schlammigen Wasser bedeckt, welches sich gewaltsam an den Stämmen der Bäume brach und endlich so hoch stieg, daß es auch unser Zelt bedrohte. Yusuf errichtete nun, so gut es gehen wollte, einen kleinen Damm rings um das Zelt; allein binnen wenigen Minuten war derselbe hinweggeschwemmt, und wir standen im Wasser.

Jetzt aber trat für uns die unvermeidliche Nothwendigkeit ein, abzuziehen. Unsere Leute, die, wie es schien, bis jetzt von der Feuchtigkeit gelähmt gewesen waren, wie man es in den arktischen Gegenden von der Kälte werden kann, fingen an sich anzustrengen und führten unsere Zelte und unsere Bagage auf einen andern Boden hinüber, welcher sich bedeutend über den Thalgrund erhob und von brausenden Gewässern umgeben war. Der Rest der Karawane ahmte uns nach und bald sahen wir alle auf den Gipfeln der kleinen Inseln campiren, wohin gleichfalls die Kameele getrieben wurden, wenigstens diejenigen, die nicht schon von selbst auf solchen Inseln eine Zuflucht gesucht hatten. Hier bot sich eine gute Gelegenheit dar, den afrikanischen Charakter zu studiren. Die Kelowi machten keine Vorbereitung gegen die Ueberschwemmung, bis der letzte Augenblick da war, und es schien dann, als wollten sie dieselben so verkehrt als möglich ins Werk setzen. Sie rollten ihre Ballen mit Waaren ins Wasser, als seien es Holzblöcke, obgleich dieselben, wenn sie ein wenig in die Höhe gehoben worden wären, hätten trocken erhalten werden können. Unterdessen sangen und tanzten die schwarzen Sklaven und spielten im Wasser herum, als wenn irgend ein großes Glück sie betroffen hätte. Das Wasser stieg noch immer und schäumte über den Rand der Insel. Wir wurden allmälig genöthigt, uns bis in die Mitte derselben zurückzuziehen, und da kein Zeichen vom Fallen des Wassers vorhanden, das ganze Thal vielmehr schon eine brausende Flut mit schwimmenden Bäumen geworden war, begannen finstere Befürchtungen mich zu erfüllen. Ich berechnete mit gespannter Aufmerksamkeit und Besorgniß, wie viel Zoll die Gewässer wol steigen müßten, bis sie ganz und gar unsere Habe zerstören könnten, und wie viel Zoll, bis sie unser Leben in Gefahr bringen würden. Während ich dastand und mich selbst mit beunruhigenden Gedanken quälte, waren unsere Leute die leichtfertigen Kinder des Augenblicks, die, ohne einen Gedanken für den nächsten Tag, damit zufrieden waren, daß die Wellen sie noch nicht erreicht hatten, und die unter Gelächter und Scherz der Fluten zu spotten schienen, welche stets höher und höher steigend die höchsten Bäume umwarfen, die Gebüsche wegspülten und im wilden Tanze die Ränder der kleinen Inseln umbrausten. Vielleicht wußten sie, daß wenigstens ihr Leben gesichert sei, dachten aber nicht daran, daß, selbst wenn wir nach der Küste hinüber schwimmen könnten und unsere Habe preisgeben würde, wir doch immer im Lande eines Feindes uns befänden, ohne Mittel, die Gier des ersten Banditen, der Lust verspüren möchte, uns anzugreifen, zu befriedigen. Aengstlich stand ich da und beobachtete die Fortschritte, welche die Ueberschwemmung machte. Da schien dieselbe endlich inne zu halten; eine Zeit lang hielt sie sich auf demselben Punkte und wälzte sich durch das Thal, welches ganz vom Wasser erfüllt war. Darauf bemerkten wir ein langsames und ein wenig später ein immer schnelleres und schnelleres Fallen des Wassers. Die Hoffnung erfüllte aufs neue unsere Brust und wir dankten dem Allmächtigen für unsere Rettung. Die Gewässer standen mehr denn 2½ Fuß hoch über der gewöhnlichen Oberfläche des Thales. Wäre diese Ueberschwemmung während der Nacht gekommen, so hätten wir uns kaum retten können; jedenfalls würde der größte Theil unserer Habe und unsere Kameele verloren gewesen sein. Die Gewalt solcher herabstürzenden Wassermassen ist entsetzlich; eine große Anzahl Häuser wurde hinweggespült und unzählige Bäume mit den Wurzeln herausgerissen, ebenso war der Boden des Thales nach allen möglichen Richtungen hin umgewälzt worden.«

Der von Richardson's Reisegesellschaft erlebte Regenfall und Wasserstrom erreichte aber eine außergewöhnliche Höhe, was schon aus dem Umstande erhellt, daß Hütten der Eingebornen und ältere Bäume hinweggeschwemmt wurden. Nicht alle zeigen sich in ähnlichem Grade verderblich, sondern im Gegentheil durch ihren Einfluß auf die Pflanzenwelt segenbringend.

Die Bewohner von Asben bauen auf bewässerten Feldern vorzugsweise Negerhirse ( Pennisetum typhoicum) und bedienen sich, da die Brunnen gewöhnlich eine nur geringe Tiefe haben, einer höchst einfachen Vorrichtung, um das Wasser aus letztern auf die Felder zu heben. Sie befestigen einen Ledersack am Ende einer Stange und setzen diese wiederum mit einem Querholz in Verbindung. Die Hütten der Dorfbewohner sind entweder ganz aus Zweigen gebaut, und zwar in der Art, daß selbige im Kreise in die Erde gesteckt, nach oben halbkuglig zusammengebogen und dann durchflochten sind, oder sie haben einen Unterbau aus Zweigen und ein Dach von den Blättern der Dumpalme.

Ueberraschend üppig zeigt sich die Gegend zwischen Tintellust und dem fast 30 Meilen südsüdwestlich davon gelegenen Agades. Berge von ansehnlicher Höhe reihen sich daselbst entweder zu Ketten und Kämmen oder bilden geschlossene Gruppen mit hervortretenden auffallenden Formen. Die meisten bestehen aus Granit und Gneis, einige der bedeutendsten Gebirgsstöcke aber aus Basalt. Zwischen den wild und malerisch sich aufthürmenden Kuppen ziehen sich dichtbewaldete Thäler wie bunt schillernde Schlangen entlang und geben ein Zeugniß von der Tragkraft des Bodens. Der Hauptbestand der Wälder wird aus Akazien und Mimosen gebildet, die mit ihren weitragenden, dornenbesetzten Zweigen sich über den Weg neigen und mit den üppigen Schlinggewinden, von Baum zu Baum geflochten, den Pfad oft so verengen, daß der Reiter auf dem Kameel gezwungen ist, sich zu bücken, will er nicht wie weiland Absalom zwischen den Aesten hängen bleiben. Die Akazien und Mimosen haben hier nicht mehr das dürftige und lichte Laubdach, das sie in der Wüste zeigen, ihre Kronen werden dicht, steigen pyramidal empor und erreichen mitunter einen Durchmesser von 70 Fuß. In dem dichten Gewirr der Zweige treiben Schaaren von Turteltauben und von kleinen ägyptischen Tauben ihr munteres Spiel; zahlreiche Affen schwingen sich an den Lianen entlang und steigen zum Quell herab, um ihren Durst zu löschen. Auf weite Strecken breitet sich ein frischgrüner Rasen aus, der – in Afrika eine große Seltenheit – fast mit einem europäischen Wiesenteppich wetteifert. Die hohen Büsche der Turfafia ( Asclepias gigantea) bilden das Unterholz und behängen sich mit weißen und violetten Blütenschirmen. Neben den genannten Bäumen findet sich der weitschattige Taborak ( Balanites aegyptiaca, Hadjilidj in Bornu), Dumpalmen bilden geschlossene dichte Bestände und der Abisge (Schiwak in Bornu, Capparis sodata) verflechtet seine zähen Zweige mit Akaziengebüschen und jungen Dumpalmen zu einem vollständig undurchdringlichen Dickicht. Dr. Barth beschreibt einen Feigenbaum mit großen fleischigen Blättern, den er hier antraf und den er acht Fuß über dem Boden 26 Fuß im Umfange fand. Stellenweise ranken Melonen in dichten Massen über den Grund; freilich sind ihre Früchte abscheulich bitter und ungenießbar, sowie die anderthalb Zoll langen schönrothen Beeren eines hier häufigen Strauches süßlich und fade schmecken. Auch die Karengia ( Pennisetum distichum), diese Plage des Sudan, beginnt hier bereits. Es ist dies eine Grasart, nahe verwandt mit der mehrfach genannten Negerhirse, an deren Samen sich lange Stacheln befinden. Da diese mit Widerhaken versehen und sehr spröde sind, so stechen sie sich leicht in Kleider und Haut ein und schieben sich bei jeder Bewegung tiefer. Sie verursachen schmerzhafte Geschwüre, wenn sie nicht rechtzeitig beseitigt werden, und jeder Reisende führt deshalb eine kleine Zange bei sich, um die Quälgeister baldmöglichst auszuziehen. In dem Dickicht erschallt der schmetternde Ruf der Perlhühner, schlanke Mohor-Antilopen( Antilope Sömmeringiana) rauschen durch das Gebüsch und in nächtlicher Stille schallt das Gebrüll des Löwen durch die Thäler. Die Wüste kennt den Löwen nicht, wol aber ist er der König der Waldwildniß. Der Löwe dieses Gebiets hat eine nur sehr kurze Mähne und ähnelt darin demjenigen von Guzerat. Schakale und Hyänen fehlen ebenfalls nicht.

Der Anbau des Landes ist verhältnißmäßig sehr schwach, obschon sich der Boden gut dazu eignet und Weizen, Wein, Datteln und alle Arten Gemüse in Fülle hervorbringen könnte. Ehedem war der Landbau in viel höherem Maße gepflegt; seit aber durch die vielfachen Fehden die Bevölkerung sich dem Ackerbau entfremdet hat, finden es die meisten Bewohner bequemer, entweder als Salzhändler zu agiren oder als Räuber ihre Nachbarn zu plündern. Dr. Barth sah hier auf seiner Reise nach Agades einen Mann, der drei seiner Sklaven vor den Pflug gespannt hatte und mit ihnen das Land bearbeitete. Es ist dies vielleicht die südlichste Stelle, bis zu welcher der Pflug in Gebrauch gekommen ist; durch ganz Mittelafrika ist die Hacke das einzige Werkzeug in der Hand des Landwirths. Sobald ein Stück Land hier einmal verwildert ist, macht es viel Mühe, es aufs neue der Kultur zu gewinnen. Die Dumpalmen durchflechten mit ihren weithin kriechenden zähen Wurzeln den Grund in ähnlicher Weise, wie es die Zwergpalmen in den Ländern am Mittelmeer thun, und werden dadurch zur wahren Plage, da ihre Früchte einen nur dürftigen Ersatz bieten.

Auf einer freien Granitfläche, auf der stellenweise Sandstein auflagert und die gegen 2500 Fuß über dem Meere erhaben ist, liegt die Stadt Agades, ehedem gleich wichtig und angesehen wie Timbuktu im Westen, nur daß ihr Name in Europa kaum genannt ward. Durch fünf Berberstämme ward aller Wahrscheinlichkeit nach Agades in alter Zeit gegründet, als eine Kolonie, welche den Handel zwischen den Berberstaaten und den Negerländern vermitteln half. Ums Jahr 1515 eroberte es der große Sonrhay-Krieger Hadschi Muhamed Askia und vertrieb die Berber, wenigstens die angesehensten derselben. Ein großer Theil der niedern Klassen blieb wahrscheinlich im Orte zurück und vermischte sich mit den eingedrungenen Sonrhay, denn obschon die jetzigen Bewohner von Agades sehr den eigenthümlichen Sonrhay ähneln, wie diese wenig muskulös sind, breite offene Nasenlöcher, mäßig dicke Lippen, eine hohe Stirn und hellschwarze Haut wie diese haben, so ist ihre Statur doch vorherrschend schlanker und höher und ihre Haut hat nicht jenen Glanz, wie er in Sonrhay gewöhnlich ist. Dies scheint durch eine Vermischung mit Berberblut entstanden zu sein. Agades besaß in seiner Blütezeit 30–50.000 Einwohner und war von einer Mauer umgeben; jetzt enthält es dagegen nur noch gegen 700 Häuser, die von ungefähr 7000 Einwohnern bevölkert sind. Der größte Theil besteht aus Ruinen.

Welche Wichtigkeit dieser Ort ehedem besaß, welche Großartigkeit der hier getriebene Handel erlangte, geht aus der Angabe hervor, daß der Herrscher von Agades, der sich außerdem einer ziemlichen Selbständigkeit erfreute, an den Sultan von Timbuktu einen Jahrestribut von 150,000 Dukaten zahlte. Der wichtigste Artikel des Handels von Agades war damals Gold, ein Mineral, das gegenwärtig nicht mehr dorthin gebracht wird. Die jetzigen Bewohner beschäftigen sich ebensowol mit Handwerken als mit dem Handel. Sie arbeiten aus buntem Leder, von dem sie einiges sogar aus Aegypten beziehen, Reisetaschen, Beutel, Sandalen, Sättel und ähnliche Geräthschaften, und zwar werden die erstgenannten Artikel fast ausschließlich von Frauen gefertigt. Dieselben flechten auch Matten aus weichen gefärbten Grashalmen. Die Arbeiten der Feinschmiede sind verhältnißmäßig nicht übel. Der Handel befaßt sich theils mit diesen Erzeugnissen des Ortes, theils mit dem Salz von Bilma und wird meistens nach Süden zu betrieben. Nach Rhat und Mursuk kommen die Handelsleute von Agades gewöhnlich nur, wenn sie auf einer Pilgerreise gen Mekka begriffen sind. Als Münze ist das Gold, für welches ehedem sogar ein eigenes Gewicht hier festgestellt war, in Agades verschwunden; vorzugsweise wird ein Tauschhandel gegen Negerhirse ( Pennisetum typhoideum) getrieben; indisches Korn ( Sorghum) kommt weniger vor, sparsam auch nur die im Sudan vielfach gebräuchlichen Baumwollenstreifen.

Die Einwohner von Agades sind fanatische Muhamedaner. Mehrere Moscheen sind vorhanden und neben der im Innern freilich unansehnlichen düstern Hauptmoschee erhebt sich ein fast 100 Fuß hoher Thurm. Dieser ist wie die Wälle des Ortes aus dicken Lehmmauern aufgeführt. Aehnlich wie die Zierde des Sudan, die majestätische Delebpalme, schwillt er in der Mitte an und verjüngt sich nach oben. Um ihm größere Festigkeit zu geben, sind in ihm absatzweise Holzplanken übers Kreuz gelegt, die rundum mit ihren Köpfen ein paar Ellen weit vorstehen. Er diente nie zum Gebetsaufrufe, wie dies mit den Minarets in den türkischen Städten der Fall ist und welches hier vom Dach der Moschee aus geschieht, sondern ward als Warte benutzt, um das Herannahen von Feinden rechtzeitig melden zu können. (Siehe die Abbildung S. 138.)

Aus den bewaldeten Thälern in einiger Entfernung von der Stadt versorgt man letztere mit Brennholz und Trinkwasser; das Wasser aus den Brunnen der Stadt selbst gilt für weniger gesund. Sehr gern vermischt man das Wasser mit Hirsemehl, auch wol mit gepulvertem Käse. Diesen Trank, Fura genannt, der nicht übel schmeckt, genießt man dann mittelst eines Schöpflöffels, der in Gesellschaften die Runde macht, wie anderwärts ein Festpokal. Die Wohnungen der Leute in Agades zeigen einen hohen Grad von Behaglichkeit, wenn ihre Einrichtung auch freilich von europäischen Gebräuchen durchaus sehr abweicht. Der Eintretende gelangt zunächst in ein größeres Zimmer. Links und rechts in demselben sind durch Balustraden von etwa zwei Fuß Höhe Seitenhallen abgetrennt, in denen dasselbe geheimnißvolle Dämmerlicht herrscht wie in dem darauf folgenden größern Gemach. Von letzterm aus führen Thüren nach Seitenräumen, Speichern für Vorräthe der verschiedensten Art, durch die Mittelthür dagegen gelangt man auf den viereckigen Hof, den Lieblingsaufenthalt der Familie. An der einen Mauer desselben sind eine Anzahl muthwilliger Ziegen angebunden, muntere Kinder, im einfachen Kostüme Adam's, treiben mit einem der meckernden Hausgenossen, der sich vielleicht losgerissen hat, ihr lustiges Spiel. Eine Reihe große irdene Töpfe sind in die Wand wagrecht eingemauert und dienen einer Schaar zutraulicher Tauben als Nist- und Brüteplätze. An einer andern Seite des Hofes ist ein Schattenplatz, eine Laube aus Matten, eingerichtet, zwischen dessen »vier Pfählen« die Familie die heiße Tageszeit behaglich verbringt, und an der dritten Wand endlich steht das Sanktissimum, das riesig große Ehebett, als wohlverwahrtes Heiligthum. Mächtige Pfosten tragen dasselbe, die eine Wand ist aus Bretern gebildet, die Decke und die andern Wände sind mit dicken Matten verwahrt und der innere Raum, der ein kleines Zimmerchen darstellt, bietet besonders dem weiblichen Theil der Bewohnerschaft ein Gemach, um sich bei Tag und bei Nacht ungestört zurückziehen zu können. Bei denjenigen Häusern, die ein zweites Stockwerk haben, führt zu letzterem vom Hofe aus ein »Ding zum Steigen«, d. i. eine Art sehr roher Treppe.

Nie versäumt der Bewohner von Agades sein tägliches fünfmaliges Gebet zu sprechen und sorgt für den religiösen Unterricht seiner Kinder dadurch, daß er letztere in die Schule schickt. Solche Schulen werden meist durch herumziehende Bornuneger errichtet und der Untericht besteht hauptsächlich darin, daß die Schüler Sprüche aus dem Koran, die ihnen auf hölzerne Tafeln geschrieben sind und vorgesagt werden, im Chorgesang nachsprechen. Agades hat fünf oder sechs solcher Schulen, und gegen 300 Kinder besuchen dieselben. Die Sprache der Bewohner von Agades hat viel Aehnlichkeit mit der in Timbuktu.

Höchst eigenthümlich sind die Verhältnisse, welche in Bezug auf den Sultan von Agades stattfinden. Es wird derselbe stets durch die Häuptlinge der drei Stämme des Landes: der Kelowi, Kelgerreß und Itissan, gewählt und zwar stets aus einer bestimmten Familie in der Stadt Gober, welcher man Scherif-Adel (Nachkommen Muhamed's) zuschreibt und die früher in Stambul gewohnt haben soll. Bei der Krönungsfeierlichkeit verkündet ein Trommler und Ausrufer das fröhliche Ereigniß den Einwohnern der Stadt. Am nächsten Morgen ziehen die versammelten Häuptlinge der drei Stämme nach der Privatwohnung des Sultans und begleiten ihn nach dem öffentlichen Hause. Hier führen ihn die Kelgereß und Itissan zu einem Gado, d. h. einer aus Zweigen verfertigten und mit Matten und Teppichen bedeckten Ruhebank, und nöthigen ihn zum Sitzen. Noch läßt der neue Herrscher seine Füße auf dem Boden ruhen, und erst wenn die Häuptlinge der Kelowi ihn auffordern, es sich bequem zu machen, gestattet es ihm die Sitte, die Füße auf den Gado zu legen. Nach beendigter Einsetzungsfeierlichkeit begiebt sich der neue Sultan mit seinem ganzen Gefolge nach einer außerhalb der Stadt liegenden Kapelle, um dort sein Gebet zu verrichten.

Ihm voran zieht ein Trupp Musikanten, links und rechts reiten seine Minister, unmittelbar hinter ihm die sämmtlichen Häuptlinge, alle in ihren besten Schmuck, weite Sudanhemden (Toben) aus Baumwolle und Seide, gekleidet und aufs beste bewaffnet mit Speer, Schwert, Dolch und ungeheurem Schild. Ihnen nach die Kelowi-Krieger hoch zu Kameel, von ihrem Fürsten geführt. Wer von den Bewohnern der Stadt es irgend ermöglichen kann, schließt sich, mit Speer und geradem Schwert bewehrt, oder auch wol mit Pfeil und Bogen versehen, dem Zuge an, reitet entweder zu Pferde oder zu Kameel, oder geht zu Fuß. Die Mehrzahl trägt dabei dunkelfarbige oder gesprenkelte Hemden, sogenannte Perlhuhn- oder Pfeffer-Toben, auf dem Haupte eine hohe rothe Mütze mit einer Unmasse von Troddeln und Quasten, sowie mit zahlreichen, an Schnuren hängenden Ledertäschchen aufgeputzt, welche letztere schützende Zauberformeln enthalten. Um diese rothe Mütze ist gewöhnlich ein schwarzes Tuch und über dasselbe ein langer ägyptischer Schal, weiß und roth gestreift, gewunden, so daß der ganze Kopfputz das Ansehn eines phantastisch geschmückten Helmes erhält. Die dunkeln, glänzenden Toben erscheinen von fern wie Stahlrüstungen und das Ganze erinnert täuschend an den Aufzug eines Fürsten des Mittelalters mit seinen Rittern und Mannen.

Viele der Reiter haben Steigbügel von Kupfer, deren Gestalt den in Europa gebräuchlichen gleicht. An den Köpfen ihrer Pferde hängen außer den erwähnten zauberreichen Ledertäschchen Riemen mit zahlreichen Schellen, und das Geklingel und Rasseln derselben giebt schon einer nur geringen Anzahl Berittener den Anschein, als sei es ein ansehnlicher Heerhaufe. Die weiten Hosen der Reiter sind unten gewöhnlich eng und mit einer zwei Zoll breiten Borte besetzt.

siehe Bildunterschrift

 

Von Bilma nach Kuka.

Von Bilma bis zum Tsad-See lag noch eine traurige und höchst beschwerliche Strecke Wegs von etwa 70 deutschen Meilen, auf welcher keine einzige Ortschaft und nur sehr wenige, mitunter mehrere Tagereisen von einander entfernte Brunnen lagen, deren Wasser noch dazu schlecht genug war. Unweit Bilma traf Dr. Vogel einen Quell, in dessen Becken reichliche Luftblasen emporbroddelten und welcher deshalb das Ansehn eines heißen Sprudels erhielt, obschon er nur die gewöhnliche Temperatur besaß. Eine heiße Schwefelquelle, von welcher ihm in Mursuk erzählt worden war, daß sie hier in der Wüste existire, war den Einwohnern der Oase nirgends bekannt, ja sie lachten über die Idee, daß in ihrem Lande heißes Wasser und Schwefel aus der Erde kommen solle.

Am südlichen Ende erhebt sich das 1100 Fuß über dem Meer gelegene Thal von Kauar wieder allmälig über Alaun- und Mergelschichten bis zur gewöhnlichen Höhe des Wüstenplateaus. Ueber Mußkatenu führte der Weg nach dem 4½ Meilen davon entfernten Brunnen Saukura, einem Rastplatz, der durch die reichlich wuchernden Gebüsche der Salzkaper (Schiwak, Capparis sodata) einige Annehmlichkeiten bietet. Er liegt in einer flachen Thalebene, die rings von Palmengestrüpp umgürtet ist. Das reichlich vorhandene Wasser des Brunnens ist nur wenige Fuß von der Oberfläche entfernt und die in der ganzen Senkung sich in dieser Tiefe erstreckende Feuchtigkeit bedingt das Vorhandensein der genannten Gewächse. In der Richtung nach Nordwest liegt, drei Tagereisen von hier entfernt, der sehr alte Tibu-Ort Faschi oder Agherim (Agram), der durch die Eroberungszüge des Königs Edriß von Bornu früher Berühmtheit erhalten hat.

Erst 15 Meilen südlich von Saukura folgen die nächsten Brunnen, die von Dibbela. Die ganze weite Strecke ist ein Sandmeer im Sinne der gewöhnlichen Vorstellung von Wüste. Der zu Zeiten fallende Regen ist zu spärlich, als daß er selbst einem genügsamen Grashalm das Leben fristen könnte, und die Kuh-Antilopen, die ihr Dasein dem Reisenden durch ihre zahlreichen Fußtapfen im Sande verrathen, besuchen diese Einöde nur, wenn sie durch die Nachstellungen der Jäger aus den bewachsenen Oasen verscheucht werden. Der feine Sand ist das Bett des Wandrers bei Nacht, der dunkle, sternendurchfunkelte Himmel seine Decke – und es soll sich ganz behaglich auf diesem Lager schlafen, zumal wenn ein langer anstrengender Ritt während des glühendheißen Tages den höchsten Grad von Erschöpfung herbeigeführt hat. Aber selbst der geringe Genuß, im Wüstensande von der fernen grünen Heimat mit ihren frischen Wassern und lieben Freunden zu träumen, ward unserm Reisenden nicht ungestört zu Theil. Es hatte sich die Nachricht verbreitet, daß die Tuariks aufgebrochen seien, um die Karawane zu überfallen und die für den Sultan von Bornu bestimmten reichen Geschenke für sich in Beschlag zu nehmen. So war Dr. Vogel gezwungen, stundenweise Wache zu stehen und während der übrigen Zeit nur mit geladener Büchse zur Seite und dem Revolver in der Hand zu schlafen, um auf einen geeigneten Empfang der ungebetenen Gäste gebührend vorbereitet zu sein. Die Räuber hatten indessen ermittelt, daß ihnen die Reisegesellschaft doch zu zahlreich und zu gut bewaffnet sei, und unterließen deshalb einen ernsthaften Angriff, sodaß man mit der bloßen Unruhe davonkam.

Nachdem ein hoher Sandrücken, reichlich mit Kadjidji bewachsen, überstiegen war, langte man an dem Brunnen Dibbela an. Seine Umgebung trägt einen fast romantischen Charakter. Im Osten ragen steil und zerrissen nackte schwarze Felsmassen empor, die übrigen Seiten der tiefen Einsenkung umgrenzen Dünen aus blendendweißem Flugsand. Talhabäume umschatten den Brunnen und aus den Schluchten der Felsen ragen die Kronen einzelner Dumpalmen. In dem rings umschlossenen Thale steigert sich die Hitze des Tages zum Unerträglichen, und leider gewährt das Wasser keine besondere Erquickung, da es einen ganz abscheulichen Geschmack wegen seines Gehaltes an Bittersalzen hat. Hier war es, wo der freundliche Henry Warrington, der Vogel begleitete, auf seiner Rückreise von Kuka den Tod fand. Schon in letzterer Stadt kränklich und unterwegs, durch die Folgen der Dysenterie aufs äußerste geschwächt, zerrüttete wahrscheinlich die schlechte Beschaffenheit des Wassers von Dibbela seinen Körper vollends und führte seine Auflösung herbei. – Die Höhen bei Dibbela fand Vogel 1300 Fuß über dem Spiegel des Mittelmeeres.

Wiederum folgt bis zum Thale von Agadem ein Sandmeer von 7–8 Meilen Durchmesser. Nur einzelne schwarze Felsriffe schauen hie und da aus demselben heraus und gewähren den lagernden Karawanen einigen dürftigen Schutz, wenn der Wüstenwind ihnen dichte Wolken von Sand entgegen treibt. Mehrfach durchschneiden auch Einsenkungen in der Richtung von Ost nach West die Ebene, und die Ränder derselben fallen mitunter steil genug ab, um die Mühseligkeiten der Reise noch zu vergrößern.

In dieser Wüstenstrecke finden sich eigenthümliche Bildungen im Sande, die mit den bekannten Blitzröhren einige Aehnlichkeit zeigen; es sind Stangen, aus krystallisirtem Sande gebildet, die in Menge umherliegen, von den Kanori Bargom-tschidibe, von den Haussaleuten Kautschin-kassa, d. h. Erdschoten genannt. Manche glauben in ihnen Ueberreste von Termitengängen zu erblicken, welche die stämmigen Stengel von Negerhirse umgeben hatten. Vielleicht dürfte man auch der Vermuthung Raum geben und sie als Erscheinungen ansehen, welche mit den sogenannten geologischen Orgeln Verwandtschaft besäßen. Mehrfach haben wir erwähnt, daß Baumstämme mitten in der Wüste verkieselt angetroffen werden, theils Bäumen angehörig, die noch in der Nähe gedeihen, theils solchen, die ausgestorben sind, aber ehedem hier wuchsen. Es erscheint deshalb vielleicht nicht ganz undenkbar, daß in der Vorzeit ein kleinerer Binnensee, ähnlich den Lagunen von Bilma, hier stagnirte und ähnlich wie diese und die Natron-Seen in Fessan von Schilfgewächsen und Gesträuch umwachsen war, deren untere hohle Stengeltheile mit Hülfe des Salzgehaltes der Gewässer verkieselten. Ob die Gewässer durch eine allmälige Hebung des Landes sich nach andern Orten hinzogen, oder ob sie durch jene von Ost nach West streichenden Wadis sich ergossen, könnte natürlich nur eine eingehende Untersuchung an Ort und Stelle ergeben. Ein Vorkommen von Negerhirse in dem gänzlich unfruchtbaren Gebiete, sowie ein Auftreten von Termiten, welche gegenwärtig bereits bei Kibbu, fast 50 deusche Meilen südlich davon, ihre Nordgrenze haben, dürfte mindestens nicht viel wahrscheinlicher sein; ebenso liegen wenig Gründe vor, in dieser regenarmen Zone eine so häufige und auf eine Stelle beschränkte Erscheinung durch den Blitz erklären zu wollen.

Dr. Vogel sandte Proben solcher Röhren nach London. Er theilt darüber mit, daß sich dergleichen bis zu 18 Zoll Länge von verschiedenem Durchmesser, von 1-3 Linien, fänden. »Sie staken meist senkrecht im Sande«, schreibt er dabei, »an den tiefsten Stellen der Ramle. Diese sonderbaren Gebilde sind ohne Zweifel das Produkt einer Ameisenart, die sich in Bornu in großer Menge findet und das Eigenthümliche hat, Holz, Baumzweige, Grashalme u. s. w. zuerst mit einer Erdkruste zu überziehen und dann diese Artikel unter dem Schutze der Hülle zu zerfressen. Man findet in Bornu alle Felder mit Röhren dieser Art übersäet und in den Wäldern solche von 18-25 Zoll Durchmesser, wo irgend ein verdorrter Baum gestanden. Diese Röhren sind sehr bröcklig und zerbrechlich, die von mir eingesandten aber wahrscheinlich durch den Einfluß des glühenden Sandes verglast. Uebrigens müssen sie schon sehr lange in demselben vergraben liegen, da es jetzt daselbst weder Grashalme noch Ameisen giebt.«

Von einer Hügelkette, die nach Vogel's Schätzungen vielleicht 150-200 Fuß über der Thalsohle erhaben ist, senkt sich der Pfad nach dem Thale Agadem. Dieses liegt 1000 Fuß über dem Meere, ist also etwas Weniges tiefer wie Bilma. Höhenzüge umschließen nördlich von Agadem eine weite Thalebene und bilden ein unregelmäßiges Becken, dessen reicher Gehalt an Natron bestimmt genug darauf hinweist, daß es einst das Becken eines Natron-Sees war, von dem das Salz beim Verdunsten des Wassers im Boden zurückblieb. Agadem selbst wird im Osten von einer Felsenreihe umgeben und hat etwa eine halbe Meile Breite. Den West- und Nordrand bezeichnen Sanddünen. Auch hier ist die ganze Thalsohle von Salzkapergebüschen erfüllt. Sie wuchern so üppig und massenhaft, daß ihretwegen zu manchen Zeiten des Jahres sich eine Schaar Leute vom Stamme der Bolodua oder Am-wodebe mit ihren Herden hier aufhält. Wenn mehrfache Regen den Grund befeuchtet haben, sproßt auch etwas Gras auf und gewährt den Thieren, die ungern auf längere Zeit sich mit den Blättern der Kaper begnügen, etwas bessere Weide. Zwei Brunnen, einer nördlich und einer südlich in der Senkung gelegen, bieten der Karawane vortreffliches, klares Wasser, der erstere in reichlicher, der letztere freilich nur in spärlicher Menge. Ein behagliches Ausruhen ist aber an solchen regelmäßig von den Reisenden benutzten Lagerplätzen nicht thunlich, denn im Sande siedeln sich Kolonien von Kameelläusen an, die nach langer Fastenzeit jeden neuen Ankömmling gleich den räuberischen Tuariks und Tibus als Beute begrüßen und ihren Tribut beanspruchen. Die Wüste ist einmal kein Paradiesesgarten, und selbst an die geringste Annehmlichkeit, die sie bietet, hängt sie irgend eine fatale Mahnung. Auch unter Schiwakgebüschen wandelt man, wie unter den Palmen, nicht immer ungestraft.

Wie der Künstler seinem Publikum, der Gastgeber seinen Gästen das Beste bis zuletzt aufspart, so behält auch die Sahara dem von Norden kommenden Reisenden zum Schlüsse seiner Wanderschaft ein besonderes Kabinetstück, eine Wüste im engern Sinne vor, die Wüste von Tintumma. Unter den 30 Meilen, die er noch bis zum Tsad-See zu durchziehen hat, nimmt sie den größten und traurigsten Theil ein. Etwa 970 Fuß über dem Meere erhaben, dehnt sich eine traurige Sandfläche, durch nichts unterbrochen, südlich vom Brunnen Agadem aus und zwei Meilen weit bildet loser Flugsand ein dürres Gegenstück zum Spiegel des Oceans, wie dieser beim Windeswehen seine Oberfläche verändernd, nur durch Sterne und Kompaß es dem Wandrer ermöglichend, den Weg zu finden. Keine andere Strecke von Tripoli bis Kuka ist in gleichem Grade berüchtigt wie die Wüste von Tintumma, dadurch daß der Reisende den Weg leicht verliert. Ein Verirren in diesem Gebiet ist aber sicherer Tod. Kein Wunder deshalb, daß die Eingebornen dieselbe mit abergläubischer Scheu betrachten, in den vor dem Sturme dahinziehenden Sandwolken Schaaren von schlimmen Dämonen zu erkennen glauben und in den hier häufigen Luftspiegelungen das Werk des Satans erblicken. Da die Hitze auf dieser Sandfläche sich während des Tages bis zum Unerträglichen steigert, nimmt man die etwas kühlere Nachtzeit gern zu Hülfe; die Größe der Gefahr, die Jedem bewußt ist, spannt alle Kräfte an, – eine Art Begeisterung ergreift selbst die armen Sklaven, die, noch mit schweren Packeten auf dem Kopfe beladen, zu Fuße den losen Sand zu durchwaten haben. Sie stimmen einen wilden Gesang ihrer Heimat an, die Führer feuern zu Zeiten Flintenschüsse ab, und wie ein wilder Gespensterzug eilt die dunkle Schaar durch die Nacht, bis allgemeine Ermattung, allgemeines Erschlaffen nach der gewaltsamen Aufregung folgt und ein unabweisbares Halt! gebietet.

Keine Spur eines holzigen Gewächses ist an einem Lagerplatz in der Tintumma zu finden, um ein Feuer anzünden und etwas Speise bereiten zu können. Gestampfte Negerhirse, ein wenig Mehl, mit dem stinkenden Wasser des Lederschlauches kalt angerührt, ist die einzige Erquickung die dem erschöpften Körper geboten wird.

Trotz dieser gräßlichen Oede, trotz der tödtenden Einförmigkeit und der drohenden Gefahren hat aber doch der Wüstenocean etwas ähnlich Großartiges wie der Spiegel des azurnen Weltmeers. Unbegrenzt streckt sich die weite Fläche und verschwimmt am Horizont mit dem weiten Himmelsgewölbe, nichts als Sand und Himmel gewahrt das Auge und der schwache, hülflose Mensch fühlt ganz die eigne Nichtigkeit und Kleinheit gegenüber den riesigen Mächten der Natur, – er fühlt um so lebhafter das Bedürfniß einer helfenden Macht, die über dem Wüstensand und über den Sternen thront, und versteht die Inbrunst, mit welcher der Wandrer auf der Matte neben seinem treuen Thier niederkniet und das Fatah spricht, das Antlitz gen Osten gerichtet.

siehe Bildunterschrift

Zum Brunnen Belgahschiferri senkt sich der Boden um 50 Fuß, so daß dieser 920 Fuß über dem Meer liegt. Die Hügel dabei steigen bis 1100 Fuß an. Von dort aus erhebt sich das Land zu einem Kamme, der 10 Meilen nördlich vom Tsad-See gelegen, allmälig nach demselben hinabfällt.

Wir stellen hier am Ende der Wüstenreise die Barometermessungen Dr. Vogel's in nebenstehendem Profil zusammen, das die ganze Strecke vom Spiegel des Mittelmeers bis zu den Mandarabergen unter 8° n. Br. begreift.

Der genannte Brunnen ist oft vom Flugsand verschüttet, und mühsam muß die ankommende Karawane erst den Grund aufwühlen, um ein spärliches Naß zu erhalten. Glücklich preist sie sich, wenn ein günstiges Geschick eine Horde wandernder Tibu mit ihr gleichzeitig hierher geführt hat und letztere ihr vielleicht einen Trunk Kameelmilch zum Labsal anbietet. Dem einzelnen Wandrer der kleinen Karawane dagegen droht durch ein solches Zusammentreffen die größte Gefahr. Allem Vermuthen nach war es hier bei dem Brunnen Belgahschi, wo der Begleiter Dr. Vogel's, der Korporal Macguire, den Tod fand. Mit seines Herrn Papieren und Sammlungen war er im Begriff, den Weg nach Europa anzutreten, als er wahrscheinlich hier beim Eintritt ins Wüstengebiet von Räubern überfallen und nach tapferer Gegenwehr meuchlings erschlagen ward.

Die häufiger fallenden Regen und die in Folge derselben aufsprossenden Kräuter Had und Ssebod werden dem Reisenden willkommene Boten, daß er sich dem Sudan nahe befindet. Zugleich tritt wenige Meilen südlich von Belgahschi das gefiederte Stachelgras des Innern Afrikas, die lästige Klette ( Pennisetum distichum) auf, dessen wir bereits im Lande Asben gedachten.

Der Brunnen Unghurutin ist bereits von schönem Baumwuchs umgeben und in seiner Nähe erquicken sich die ausgehungerten Kameele an den reichlichen Mengen des Had und Retem (Pfriemenkraut), die hier gedeihen. Weidegründe beginnen und würden zahlreichen Herden Nahrung gewähren können wenn der politische Zustand des Landes es erlaubte. Gerade diese Grenzgebiete von Bornu sind das Ziel der häufigen Raubzüge, welche sowol Tuariks als auch Kelowi unternehmen, und während ehedem, als kräftige Fürsten in Bornu herrschten, durch das ganze Grenzgebiet zahlreiche Tibuniederlassungen vorhanden waren und die Kanembu-Hirten von Weide zu Weide zogen, führt jetzt der Strauß seine Jungen hierher zur Aesung und die Giraffe pflückt die Blätter der sprossenden Mimosen. Nur der Räuber und Jäger oder der bewaffnete Reisende durchzieht in Eile die verwilderten Strecken.

siehe Bildunterschrift

Araber auf der Reise.


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