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Vorwort.


Im Anfange dieses Jahres wurde auf Anregung des zur Errichtung eines Göthe-Denkmals in Berlin zusammengetretenen Comité's eine Reihe von Vorlesungen im Saale der Singakademie gehalten, welche den Zweck hatten, das Verständniß eines Mannes, der so Vielen nahe steht und doch fast jedem eine unbekannte Seite zuwendet, einem größeren Kreise zu erschließen. Die nachstehende Vorlesung war der Zeit nach die erste in dieser Reihe. Sie wurde am 7. Februar gehalten, war aber ursprünglich für den 10. November, Schiller's Geburtstag, bestimmt gewesen. Aeußere Verhältnisse hatten den Beginn der Vorlesungen aufgehalten, indeß konnte das den Verfasser nicht bestimmen, wesentliche Aenderungen vorzunehmen, nicht bloß, weil der gesammte Gedankengang einmal darauf angelegt war, die an und für sich so anziehende Beziehung auf Schiller mit in den Vordergrund treten zu lassen, sondern hauptsächlich deßhalb, weil dieser Gedankengang eine innere Berechtigung, ja man kann sagen, eine innere Nöthigung hat. Ueberdieß ist er in manchen Richtungen neu und zugleich geht er auf Fragen von höchstem psychologischem Werthe. Wie ward der Dichter Naturforscher? Wie gewann er gerade den Mann als allernächsten Freund, der die Naturforschung verlassen hatte, um ein Dichter zu werden?

Ein anderer hätte dieses psychologische Gemälde wahrscheinlich anders ausgeführt. Für den Naturforscher, der die Anschauung, die Thatsache, den Beweis über Alles zu schätzen gewohnt ist, gab es keine Wahl. Er hat sich redlich bemüht, das Bild der beiden Männer in den entscheidenden Epochen ihrer Entwickelung so gegenständlich als möglich zu zeichnen; er hat es häufig vorgezogen, sie selbst sprechen zu lassen; auch sind überall die Beweisstellen angegeben, welche für die Darstellung benutzt sind. Der Verfasser weiß es wohl, daß die Rede dadurch ungleich, unterbrochen, ja zuweilen schwerfällig geworden ist, aber er hat geglaubt, daß gerade auf diesem, so vielfach vernachlässigten Gebiete es mehr auf Treue, als auf Schönheit der Darstellung ankomme.

Indeß war der Stoff zu groß, um im Laufe einer kurzen Abendstunde in allen Einzelnheiten, die doch wissenswerth sind, vorgeführt werden zu können. Es sind daher hier am Schlusse der Rede mehrere erläuternde und beweisende Beilagen, zum Theil vom Standpunkte der strengeren Forschung aus bearbeitet, beigegeben worden, Beilagen, welche vielleicht auch für die Geschichte der deutschen Wissenschaft einigen Werth haben dürften, da sie eine der wichtigsten Entwickelungsepochen und die gegenseitigen Anregungen vieler der bestimmenden Persönlichkeiten beleuchten.

Diese Beilagen sind folgende:

  1. Farbenlehre (S. 69).
  2. Der Dichter als Naturforscher (S. 73).
  3. Zwischenkiefer (S. 75).
  4. Göthe's Naturauffassung (S. 92).
  5. Straßburger Lektüre (S. 88).
  6. Lavater und die Physiognomik (S. 89).
  7. Die Wirbeltheorie des Schädels (S. 103).
  8. Die Priorität d. Entdeckung d. Wirbeltheorie (S.112).
  9. Albertus Magnus (S. 120).
  10. Kielmeyer und Cuvier (S. 123).

So lasse ich denn diesen kleinen und doch ziemlich mühevollen Versuch in die Welt hinausgehen, nicht ohne die Hoffnung, daß die Erinnerung an die bewundernswerthe Entwickelungsgeschichte zweier unserer größten Männer dazu beitragen werde, manche Gegensätze zu versöhnen, welche in dem Streit der Gegenwart mit verderblicher Gewalt die Gemüther Vieler gefangen halten. Idealismus und Realismus, Philosophie und Naturwissenschaft – sie finden ihre beglückende Versöhnung in der ästhetischen Entwickelung des Individuums.

Berlin, am 19. Juni 1861.

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