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Die Nacht vom 21. zum 22. December. – Der Bootsmann stürzt nach dem Jöllseile, welches das Segel hält, und sofort wird die Stenge herabgelassen. Es war hohe Zeit, denn der Sturmwind braust furchtbar über uns hin. Ohne den warnenden Zuruf des Matrosen wären wir wohl halb umgeworfen worden. Das Zelt am Hintertheile reißt ein Windstoß weg.
Wenn das Floß nun auch vom Winde nicht mehr viel zu fürchten hat, da es zu flach ist, um ihm viel Angriffsfläche zu bieten, so ist das desto mehr bezüglich der ungeheuren Wellen der Fall, die der Orkan aufthürmt. Wenige Minuten hindurch schienen die Wogen wie niedergehalten und abgeplattet durch den Druck der Luftschichten; desto wüthender aber schwellen sie jetzt mehr als vorher in die Höhe.
Das Floß folgt den regellosen Bewegungen des empörten Wassers, und wenn es auch ebenso wenig von seiner Stelle weicht, so erzittert es doch unter einem fortwährenden Hin- und Herschwanken.
»Anbinden! Anbinden!« ruft der Hochbootsmann und wirft uns Seile zu.
Robert Kurtis ist uns zu Hilfe gesprungen, und bald sind die Herren Letourneur, Falsten und ich fest an das Gestell des Flosses geknüpft und können so lange bestimmt nicht fortgerissen werden, als jenes noch selbst zusammenhält. Miß Herbey hat sich an einen jener starken Pfähle gebunden, die ehedem unser Zeltdach trugen, und beim Scheine der Blitze sehe ich ihr immer heiteres Antlitz.
Ununterbrochen blendet jetzt das Feuer des Himmels und krachen die Donnerschläge. Dabei steht das ganze Dunstgewölbe um und über uns in Flammen. Auch vom Oceane möchte man wohl dasselbe sagen, und ich habe mehrere von den Wellen aufschlagende Blitze gesehen, welche gabelartig gespalten nach dem Firmamente züngelten. In der ganzen Atmosphäre verbreitet sich ein widerwärtiger Geruch nach Schwefel, bis jetzt ist aber das Floß von den Blitzstrahlen, welche nur die Wogen trafen, verschont geblieben.
Um zwei Uhr Morgens rast das Unwetter in voller Wuth. Der Wind ist zum Orkan geworden, und der entsetzliche Seegang droht unser Floß zu zerreißen. Der Zimmermann Daoulas, Robert Kurtis und mehrere Matrosen sind bemüht, es durch Taue noch mehr zu sichern. Ungeheure Sturzseen ergießen sich über das flache Bauwerk, und ein lauwarmer Wasserschwall durchnäßt uns bis auf die Knochen. Mr. Letourneur bietet dem wüthenden Anprall die Brust, als könne er seinen Sohn dadurch schützen.
Miß Herbey bleibt unbeweglich; man könnte sie für eine Bildsäule der Ergebenheit ansehen.
Bei dem nie verlöschenden Scheine der Blitze bemerke ich da sehr große und wahrscheinlich tiefgehende Wolken, die eine auffallend röthliche Farbe zeigen, und ein Knattern, wie von Kleingewehrfeuer, erfüllt die Lüfte. Es rührt das von dem eigenthümlichen Geräusche elektrischer Entladungen her, zu denen Hagelkörner als Mittelglieder zwischen einander eingesetzt geladenen Wolken dienen. Wirklich hat sich durch Aufeinandertreffen von Gewitterwolken und einem kalten Luftstrome Hagel gebildet, der jetzt mit unerhörter Gewalt niederfällt. Wir werden von den nußgroßen Körnern kartätscht, deren Aufschlagen auf die Plattform fast einen metallischen Ton erzeugt.
Eine halbe Stunde hält dieses Meteor an, welches den Wind einstweilen zu mäßigen scheint; nachdem dieser aber durch alle Compaßrichtungen gegangen, erhebt er sich wieder mit einer Gewalt ohne Gleichen. Der Mast des Flosses, dessen Strickleitern gerissen sind, wird quer gebogen, und man beeilt sich, ihn aus der Oeffnung zu heben, um das Abbrechen desselben zu verhüten. Unser Steuerruder wird durch einen Wellenschlag zerstört, und der Bootsriemen treibt fort, ohne daß es möglich wurde, ihn wieder zu erlangen. Gleichzeitig werden auch die Schutzwände des Backbords eingedrückt, und wüthend drängen sich die Wellen durch diese Bresche.
Der Zimmermann und die Matrosen wollen versuchen, dem Schaden beizukommen; bei den fortwährenden Stößen ist das aber unmöglich, und sie rollen fallend Einer über den Andern, als das Floß, durch eine ungeheure Woge emporgehoben, sich um einen Winkel von mehr als fünfundvierzig Graden neigt. Sind die Männer nicht mit weggerissen worden? Müssen die Stricke, welche uns halten, nicht zerreißen? Welches Wunder hat uns Alle bewahrt, daß wir nicht in's Meer geschleudert wurden? . . . Ich weiß es nicht zu erklären. Mir scheint es fast unglaublich, daß das Floß bei den ungeordneten wilden Bewegungen nicht vollkommen umgestürzt wurde und wir, an seine Planken festgebunden, einem schrecklichen Tode entgingen!
In der That kommt das Floß gegen drei Uhr Morgens, als das Unwetter zügelloser als je vorher tobte, von dem Rücken einer bergeshohen Woge empor gehoben, fast auf die schmale Seite zu stehen. Ein Aufschrei des Schreckens erschallt! . . . Wir kentern! . . . Nein! . . . Das Floß hat sich auf dem Wogenkamme in unbestimmbarer Höhe erhalten, und wir vermochten bei dem intensiven Lichte der Blitze, die sich nach allen Richtungen hin kreuzen, vor Entsetzen erstarrt, das Meer zu überblicken, welches ringsum aufschäumt, als brandete es über Klippen hinweg.
Das Floß nimmt sofort seine horizontale Lage wieder an, aber in dem Augenblicke, da es schief stand, sind die Taue der Wassertonnen gerissen. Eine derselben habe ich über Bord gehen sehen, während der Inhalt der anderen zum Theil ausfloß.
Einige Matrosen springen hinzu, um das Faß, welches das conservirte Fleisch enthält, zu erhalten. Da klemmt sich der Fuß des Einen zwischen die etwas auseinander gewichenen Planken der Plattform und stößt der Unglückliche ein herzzerreißendes Geschrei aus.
Ich will ihm zu Hilfe eilen, und es gelingt mir auch, die Stricke um meinen Leib zu lösen . . . Zu spät! Bei einem blendenden Blitze erkenne ich noch, wie der Unglückliche, dessen Fuß wieder frei geworden ist, durch einen Wogenschwall, der sich donnernd über uns stürzt, hinweggerissen wird. Sein Kamerad ist mit ihm verschwunden, ohne daß es möglich wurde, Beiden zu Hilfe zu kommen.
Mich hat die Sturzsee auf die Plattform niedergeworfen, und ich habe durch Anschlagen des Kopfes auf einen vorspringenden Balken eine Zeit lang das Bewußtsein verloren.