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Hie hebt sich der Frauendienst an

Nach diesem Lobe Der Frauendienst beginnt mit den Worten:

Den guoten wîben sî genîgen
von mir ....


die mehr sind als eine Inhaltsangabe. Sie gewähren einen Einblick in die Seele, in der es von Frauenminne singt und jubelt. Darum steht der Gruß an die Frauen an der Spitze der Lebensbeschreibung – schließt sich ein Hymnus über die Frauen an. Dann erst beginnt der Liechtensteiner sein Werk. D. Hrsg.
beginne ich in Gottes Namen, nach meinen schwachen Kräften meine Erzählung, und wünsche mir, daß ihr eine Freude daran habt. Denn dies wird der Lohn für meine Arbeit, bei der ich mich streng an die Wahrheit halte, sein.

Als Kind hörte ich, wenn man vorlas, oder ich den Gesprächen der Alten lauschte, daß nur der bei Lebzeiten Ruhm, Ehre, Ansehen erwerben könne, der seinen Dienst in Treuen edlen Frauen widmet. Denen aber fiele hoher Dank und Lohn zu. Dann hörte ich sprechen, daß niemand von Rechten froh noch frohen Mutes wäre, der nicht eine Frowe so lieb hätte, wie sich selbst.

So hätten alle es gehalten,
Die ruhmvoll auf der Erde wallten.

Als ich das hörte, war ich noch ein Kind, so töricht, daß ich noch das Steckenpferd ritt. Und doch dachte ich schon, wenn auch ohne zu wissen, was es bedeutete: Wenn dem so ist, so will ich jederzeit, wie immer es auch enden kann, den Frauen dienen.

Leib, Gut, Mut und auch das Leben,
Das all will ich den Frauen geben
Und ihnen dienen so gut ich kann.
Und werd ich dann einmal ein Mann,
Mein Dienen mir nur frommen kann.

In solchen Gedanken wuchs ich bis zu meinem 12. Jahre – dachte darüber nach – fragte, wenn ich durch das Land kam, nach holden Frauen, ihrer Sitte, Schönheit, Gesinnung, Tugend und erfuhr hiebei noch manch andere Sache.

Wer gut von edlen Frauen sprach
Dem schlich ich freudig lächelnd nach.
Ihr Lob tat mir so innig wohl.
Daß ich davon ward freudevoll.
Mir tat gar mancher weise Mund
Ihr Lob und ihre Ehre kund:
Man lobte jene, man lobte die.
Man lobte dort, man lobte hie.
Der Frauen Lob erfuhr ich viel –
Von einer nun ich sprechen will.

Deren Ruhm verkündeten in allen Ländern die Allerbesten und ein jeder, der sie kannte, mußte ihr hohe Tugend zugestehen.

Sie war zur Besten auserkoren.
Sie war von hoher Art geboren.
Sie war schön, sie war gut,
Sie war keusch, voll sanftem Mut.
Lieblich waren Mund und Wangen.

Der diente ich als Page volle fünf Jahre, und konnte in der Zeit nie Unedles an ihr sehen oder über sie erfahren. Sie war zu allen Zeiten gut, reich an Weibes Züchten.

Da sprach mein Herz zu mir:

»Wenn du dich einer Frowe zu eigen geben, immer in ihrem Dienst leben willst, so wähle dir die! Der wollen wir – ebenso beständig, wie sie ist, – in Treuen anhangen.«

»Gerne folge ich dir Herz! Doch mir scheint, daß wir beide vermessen sind, wenn wir ihr um den Sold dienen, den man sonst bei lieben Frauen holt. Es ist ja meine Frowe viel, viel höher als wir Beide, so hoch geboren, daß darüber unser Dienst vergebens sein mag.«

»Schweig Leib,« erwiderte das Herz. »Höre, ich will dir sagen, – es war noch nie ein Weib so hoch, so reich, oder so edel, daß ein Ritter, der ihm nach seinen Kräften mit Herz, Leib, und Gut diente, die Hoffnung hätte fahren lassen müssen.«

»Ich schwör nun einen schweren Eid
O Herz, bei meiner Seligkeit,
Daß sie mir lieber als jedes Weib,
Ja lieber als der eigene Leib.
Ich will ihr dienen so wie heut
Jetzt und in alle Ewigkeit.«

So sprachen Herz und Überlegung oftmals. Da trat ich dann vor sie hin; und während ich in Schauen versunken stand, dachte ich mir: »Heil mir, wenn sie wirklich meine liebe, süße Frowe wird! Aber wie soll ich es nur anstellen, daß ich ihr recht diene? Es steht viel edle Jugend in ihrem Dienste! Doch niemand soll ihr besser dienen, als wie ich. Und wenn vielleicht doch einer der Edelknaben ihr besser dient, so spricht sicherlich sein Herz nicht so von ihr, wie meines. Da kommt mir keiner nahe.« Eines geschah mir oft. Wenn ich in der Sommerszeit den Auftrag erhielt, ihr schöne Blumen zu brechen, so trug ich sie stets selbst zu ihr. Wenn sie sie dann in ihre weiße Hand nahm, die Blüten ebendort anfaßte, wo ich sie gehalten hatte, dann erfüllte mich jedesmal eine tiefe, tiefe Freude. Manchmal war mein Glück noch größer. Es geschah, daß ich dazu kam, wenn man meiner Frowe vor der Mahlzeit Wasser über die linden Händchen rinnen ließ. Dies Wasser, das ihre Finger genetzt, trug ich verstohlen davon, und die Liebe zwang mich, meine heißen Lippen darin zu kühlen.

So diente ich ihr kindlichen Sinnes, wie eben ein Kind dienen kann, bis auf den Tag, da mich mein Vater von ihr nahm. Damals lernte ich die Trauer und der Liebe Kraft kennen. Ich schied wohl – aber mein Herz blieb bei ihr. Es wollte nicht fort und es war eine wundersame Sache, wie mein Leib sich entfernte, mein Herz aber bei ihr verweilte. Bei Tag und bei Nacht blieb es in ihrer Nähe, pflegte nur selten der Ruhe. Wo immer ich auch schritt oder ritt – meine Gedanken weilten bei ihr. Und die Liebe hatte solche Gewalt über mich, daß ich die Frowe jederzeit sah, wie ferne sie auch war. Darüber will ich nicht mehr sprechen, denn die Erinnerung tut mir heute noch weh.

Damals gab man mich zu Markgrafen Heinrich von Istrien, einem Manne, reich an hohen Eigenschaften. Die Streitfrage, ob man Österreich oder Istrien lesen soll, erscheint mir gänzlich belanglos.

Er verehrte die Frauen, war ihnen hold, sprach, wie es Ritterspflicht ist, gut von ihnen. Er war freigebig, gütig, kühn, hochgemut, mit schlichten Menschen einfach, mit Weisen klug, litt um der Ehre willen Ungemach, sprach nie ein böses Wort, war stets freundlich, Freunden, auch geringen Standes, treu, von ganzer Seele fromm.

Mein lieber Herr sagte mir oft, daß, wer in Ehren leben wolle, sich einer reinen Frau zu eigen geben müsse. Davon würde er hochgemut. Er sagte, es könne keiner ein Biedermann sein, der nicht den Frauen untertan wäre. Er erzählte mir von seinen eigenen Taten, lehrte mich die Frauen loben, das Streitroß reiten, süße Worte zu Liedern setzen. Und immer wieder ließ er es mich hören, es ziere einen jungen Mann, gut von den Frauen zu sprechen. Süße Worte und gute Werke seien edlen Frauen genehm. Schmeichelreden würden bei ihnen zu nichts führen, ja sogar schaden.

Wenn ich das, was er mir riet, immer getan hätte, ich wäre jetzt an Ehren reicher, als ich es bin.

Vier Jahre vergingen so in Sehnsucht – da starb mein Vater, und ich mußte fort wie jeder, dem der Väter Erbe zufällt. Schwer nahm ich Abschied von meinem lieben Herren – ritt heim – nach Liechtenstein in Steiermark.

Dort war es damals Sitte, daß die Knappen fleißig turnierten, um dabei nicht nur ritterliches Leben, sondern auch ritterliche Gesinnung zu lernen. Wo ich nur konnte, tat ich zu Ehren meiner Frowe mit. Denn ich überlegte: Wenn ich ihr diene, muß der Dienst nach ritterlicher Sitte erfolgen. Man muß mich Tag für Tag in ihrem Dienste im Helme sehen. Ihr zu Ehren muß ich Ehre gewinnen. Denn ihretwegen und durch sie erwerbe ich sie. Wolle Gott, daß meine Mühe an ihr nicht verloren sei.

Drei volle Jahre zog ich so als Knappe turnierend durch das Land, lernte mancherlei und errang Ehre. Dann wurde ich bei einer Hochzeit, die so schön, so herrlich, so glänzend war, daß ich keine zweite ähnliche sah – Ritter. Der Herzog Leopold von Österreich gab damals seine Tochter einem Fürsten von Sachsen zur Ehe. Da schlug der edle Fürst eine Anzahl Knappen zu Rittern. Wohl tausend Grafen, Freiherrn, Dienstleute und Ritter erhielten Gold, Silber, Pferde, Prunkgewänder zum Geschenke, 5000 oder noch mehr Ritter waren bei ihm Gäste. Es gab Tanz, Feste, Buhurte, allerlei ritterliche Spiele. Die Herzogin selbst, ihre liebliche Tochter, viele edle Frauen waren anwesend und gaben uns hohen Mut. Auch meine Frowe war anwesend, doch war sie stets so umlagert, daß ich während der ganzen Zeit nicht einmal ein Wort mit ihr wechseln konnte, worüber ich mich lange grämte.

Als sie mich unter dem Schilde sah, sprach die Güte zu einem meiner Freunde: »Es freut mich von Herzen, daß Herr Ulrich hier Ritter geworden ist. Damals, als er in meinem Hause war, war er noch ein Knabe. – Ich meine den von Liechtenstein.«

Als mir mein Freund dies erzählte, dachte ich mir fröhlich: »Möchte sie gar wünschen, dich zum Ritter zu haben?« Dieser Einfall war töricht – aber süß, erfüllte mich mit Freude und Stolz.

Die Hochzeit nahm ein Ende. Man schied und zog fröhlich in alle Winde, begann da und dort zu Ehren der Frauen zu turnieren. Nirgends fehlte ich, wollte ich doch zu Ehren meiner Frowe bei allem anwesend sein. Diesen Sommer bin ich einmal bei einem solchen Anlasse 12 Stunden im Sattel gesessen, habe meine Kraft mit manchem starken, erfahrenem Manne gemessen, und ich danke es sicher nur meiner lieben Frowe, daß ich nie besiegt wurde.

Der holde Sommer verging – der grimme Winter kam. Da mußte ich notgedrungen das Turnieren lassen. Sehnsucht saß neben mir auf der Burg, ließ mein Herz selten frei. Verstohlen und heimlich mußte ich meinen Kummer tragen. Denn meine Frowe war so wohl behütet, daß ich ihr nie sagen konnte, wie sehr ich sie liebte. Darüber sank ich in Trauer, suchte auch vergebens einen Boten, der ihr hätte künden mögen, wie herzlieb sie mir sei.

So wußte sie es lange nicht, daß ich ihr diente. Und ich mußte darob trauern, in Sorgen zu Bette gehen, voll Sorgen aufstehen, in Sorgen ruhen und wandeln. So litt ich schwere Herzensnot.

Nun höret, was sich ereignete.

Ich kam als Gast auf eine Burg, deren Herr mich als Freund empfing und ehrte, ebenso wie seine Ehefrau, meine Niftel, die mich herzlich willkommen hieß, und mich bald zu einer Aussprache zu sich bat. Sie sprach:

Die Nummern bezeichnen die Strophen des Originales nach der Bechsteinschen Ausgabe. Hrsg.

54 »Es ist mir viel Freude geschehen,
Mein Neffe, daß ich dich könnt' sehen.«
Und lächelnd sprach sie zu mir noch:
Verschweigen sollt ich es dir doch –
Von Frauenreden will ich dir sagen.
Ich war vor wenig kurzen Tagen
Gefahren zu der Herrin mein –
Wir Beide da gedachten dein.
Sie fragte, wie wir wären verwandt
Und ich hab's ihr gemacht bekannt.«
55 Sie sprach: »Man hat es mir gesagt, Fehlt eine Zeile Text.

Er spräche von uns Frauen wohl
Recht wie's ein Ritter tuen soll.
Auch mehr hat man von ihm erzählt.
Eine Frowe hab er sich erwählt.
Der diene er gar treuelich –
Daß er das tut, ist ritterlich.«
56 Ich sprach: »Ich hab dies auch vernommen,
Daß eine Frow er sich genommen,
Die sei ihm lieb, als wie sein Leib,
Viel lieber als jedes and're Weib.
Doch wer das ist, das weiß ich nicht.
Von ihr er nur bisweilen spricht –
Sie sei sehr schön, sie sei sehr gut,
Sei auch in Reinheit hochgemut.«
57 Auf das hin aber bat sie mich
Mit vielem Fleiße, daß ich dich
Bät', du mögest nennen mir
Die Frowe dein! Ich sagte ihr
Ich würde es tun und ihr dann künden.
Daß rasch die Botschaft sie werd' finden.
Drum sollst du, lieber Neffe mein.
Mir sagen: »Wer ist die Frowe dein?«
58 »Es bleibt meine Frowe ungenannt.
Und selbst dir immer unbekannt,
Wenn du nicht schwörest einen Eid,
Daß sonst zu schweigen seist bereit.
Du sollst mir aber schwören auch.
Ganz feierlich, nach Recht und Brauch,
Daß dein so süßer roter Mund
Mach' meinen Dienst genau auch kund!«
59 »Mein Neff', ich gehe nicht als Bot'
Doch schwör ich gerne dir bei Gott,
Bei meiner seligen Todesstund,
Daß schweigen wird mein roter Mund.
Gar vielen Dank ich schulde dir –
Deswegen, Neffe, merk es dir,
Wenn ich dir jemals helfen kann
So wird es williglich getan.«
60 »Nun nenn ich dir die Frowe mein.
Vertrauend auf die Zusag' dein.
Erst neulich bist du dort gewesen
Bei der mein Trauern muß genesen,
Und die fürwahr mein Herze hat.
Die, welche dich zu fragen bat,
Wer meine süße Frowe sei –
Die ist es selbst, von Falschheit frei.«
61 »Die Red' ich dir nicht glauben kann!
Zu hohe ging dein Streben dann!
Sie ist zu hoch für dich gebor'n.
Erfährt sie es, wird groß ihr Zorn.
Gar nichts erreichet da dein Sehnen.
Als bester Ratschlag mag mir wähnen –
Laß' von dem Dienste deinen Sinn,
Denn er bringt sicher nicht Gewinn.«
62 »Es komme, wie es kommen mag!
Mein armes Herz ist jeden Tag
So voller Lieb und Sehnsuchtspein,
Daß sterben mir könnt lieber sein.
So ganz bin heimlich ich erfüllt,
Von ihrem holden süßen Bild,
Daß ich ihr immer dienen will,
In Treue, bis an des Lebens Ziel.
63
u.
Wenn deine Fürsprach mir nicht frommt,
Und sie mir nicht zu Statten kommt
64 Muß meine Freud ein Ende han –
Damit auch meine Lebensbahn.
Willst du den Tod von mir abwehren,
So mußt du ihr für mich beschwören.
Daß sie in meinem Herzen ist,
Die Königin zu jeder Frist.«

»Neffe, was soll ich viel reden. Ich verspreche, in einigen Tagen will ich es ihr sagen – und Gott gebe es, daß es dir gut ergehe, daß das, was du ihr sagen läßt, ihr gut und angenehm klingt.«

65 »Ich neige mich bis zu deinem Fuß,
In Ewigkeit ich dir danken muß,
Daß dein getreuer roter Mund
Will machen meiner Frowe kund,
Daß ich ihr als ihr Ritter dien',
So daß mein Herze, Leib und Sinn,
Ihr immer sind ganz untertan
So lang ich Leib und Leben han.
66 Gar schönes Lied sang ich zum Preis
Ihr. Das sollst mit Fleiß
Mir bringen vor die Ohren ihr.
Dann aber künde raschest mir
Ob es ihr hat gefallen wohl
So wie es ihr gefallen soll.«
Da schied ich von der Niftel mein
Und schickte ihr dies Liedelein.

 

Dies ist eine Tanzweise!

   Weibesgüte niemand mag
Vollpreisen bis zum jüngsten Tag.
Mein Herz seit langer Zeit sich freut;
Von Sorgen leicht sie mich befreit. –
Wenn ich im Schmuck sie sehe stehen,
Viel züchtigliche vor mir gehen,
Als wie ein Engel anzusehen.
  Ein Weib hat mich dazu gezwungen
Daß ich ihm treulich dienen muß.
Ihr Leib ist Gott gar wohl gelungen,
Ihr roter Mund gibt süßen Gruß.
Wenn Frauen ich mag recht verstehen,
Hab' ich den Wunsch an ihr gesehen,
Man mög' stets fröhlich von ihr gehen –
  Deine Reine tröste mich
Besser, als ich es verdienet han.
Du bist jene, der will ich
Mit Treuen werden untertan.
Es war noch niemanden so wohl
Als mir, wenn ich dich sehen soll.
Da ist mein Herze freudevoll.
  Hohen Mut ich durch dich han
Und bin dafür dir schuldig Dank.
Du bist gut, ohn' bösen Wahn
Ich dien' dir immer ohne Wank.
Nun sprich, daß es dein Wille sei,
Daß ich nie mehr von dir werd frei
Und stets dein treuer Diener sei.

Da dachte ich: »Da ich ihr einen Boten gesendet habe, der ihr nach meinem Willen meine Wünsche kündet, will ich fröhlich sein. Hinter mir liegt die Trauer! Hochgemut will ich leben.« Unruh ließ mich nicht rasten. Fünf Wochen ritt ich im Lande kreuz und quer, besuchte Burgen, nirgends lange verweilend. Da erhielt ich die Nachricht, daß meine Niftel meinem Wunsche gemäß zu meiner Frowe gefahren, und nun zurückgekehrt sei. Sofort ritt ich zu ihr, und nach herzlichem Gruße sprach sie: »Ich habe für dich getan, was ich vielleicht besser hätte lassen sollen, was dir wenig nützt, und mir wenig frommt.

71 Nun setz' dich nieder, her zu mir;
Da will ich nun erzählen dir,
Was deine Frowe sprach zu mir,
Und was für Antwort ich gab ihr.
Ich hab' zuerst ihr kund getan
Daß dir, 'nem wackren Rittersmann
Sie lieber sei als jedes Weib,
Ja, lieber als der eig'ne Leib.
72 Ich sagte ihr von dir noch mehr –
Wie sehnsuchtskrank dein Herze wär,
Daß du dich ganz, mit Gut und Leben,
Dich hättest in ihr' Gnad ergeben.
Sie wäre deiner Leiden Trost;
Dein Herz werd' nie von Leiden bloß,
Von süßer Minne schmerzend Band,
Eh' sie sich dir in Huld gewandt.«
73 Ich sprach auch: »Frowe, wisset, daß
Noch nie 'nen Mann so ganz besaß
Ein Weib, so stark, so völliglich.
Wär' er ein König mächtiglich.
Er gab' sein Reich um euren Gruß.
Auch dies ich euch noch sagen muß –
Daß wahr dies sei, schwur er 'nen Eid
Bei seiner ewigen Seligkeit.
74 Und ehe ich von dannen schied,
Sang ich ihr noch dein neues Lied.
Da sprach die Reine hochgemut:
»Fürwahr, dies Liedchen klinget gut!
Doch will ich es nicht zu mir nehmen.
Des Dienstmann's müßte ich mich schämen.
Du aber sprich davon nicht mehr.
Denn ungern hör' ich solche Mär.
75 Von Herzen ich ihm wünschen kann,
Daß er einst werd' ein wack'rer Mann;
Doch kann ich es nie mehr vergessen,
Daß einst mein Diener er gewesen.
Ich gönn' ihm jede Ehre wohl,
Wie ich es auch von Rechtens soll –
Er aber laß' von solchen Reimen,
Die höchst unziemlich mir erscheinen.
76 Wenn er aus Torheit Lieb' begehrt.
Muß ich's ihm lassen unverwehrt.
Doch ist 'ne Liebesnacht sein Ziel,
Verlanget er fürwahr zu viel.
Das ginge gegen meine Ehr!
Deswegen ich es dir verwehr.
Zu sprechen noch wie du's getan –
Ungnädig ich auch sein kann!« –
77 Da sprach ich: »Frau, erzürnet nicht,
Gar oft es in der Welt geschieht.
Daß Jugend um viel mehr begehrt.
Als ihr vom Schicksal ist beschert.
Voll Ehrgeiz sie um Ehre ringt –
Sie sieht, daß Ruhm und Beifall winkt
Dem, der zu edler Frauen Ehr'
Ihr dienet kühn mit Helm und Speer.
78 Ihr seid ihm gar zu hoch geboren –
Was ist daran? Er hat erkoren
Zur Frowen euch; zu jeder Zeit
Er Speer und Sang euch willig leiht.
Ihr seid es, deren Dienst ihn leitet,
Die durch den Traum ihm huldvoll schreitet –
Er will euch dienen ohne Wanken –
Bloß dahin gehen ihm die Gedanken.«
79 »Nun schweig! Der Rede ist genug.
Noch nie ein Mann so hohe trug
Sein Sehnen! Nahm den Dienst ich an –
Woran ich gar nicht denken kann –
Fürwahr, das wär nicht gut getan.
Zu dem sah ich noch nie 'nen Mann,
Der wohl verdienen könnte mich.
Damit mag er beruhigen sich.
80 Und wäre er sogar vollkommen
(Davon hab' ich noch nichts vernommen)
Von ganz besonderer Tüchtigkeit,
Müßt's doch sein jedem Weibe leid.
Denn – ihr gestattet mir es wohl,
Wenn ich die Wahrheit reden soll,
In dieser nicht gewünschten Stund –
Abscheulich häßlich ist sein Mund.«

»Sie wollte mit mir von dir nicht mehr reden. So kann ich dir nur den Rat geben, sie, da sie so stolz und abweisend ist, nicht zu deiner Frowe zu machen. Wenn dir deine Ehre lieb ist, so lasse den Wunsch, ihr zu dienen, fallen, und lebe anderswie hochgemut.«

»Niftel«, erwiderte ich, »den Rat befolge ich nicht! Ich lasse von meiner Frowe nicht – in ihrem Dienste will ich leben, von ihr erst beim Tode lassen.«

»So will ich nicht mehr dein Bote sein!«

»Niftel! Du darfst mir jetzt noch nicht verzagen! Du sagst, daß mein Mund der Frowe mißfällt – da laß' ich ihn eben schneiden, damit sie das nicht mehr sagen kann.«

Die Niftel redete mir davon ab – ich aber erwiderte: »Gott möge dich segnen, Niftel! Ich werde dich wissen lassen, wie es mir dabei ergeht, und bitte dich bei deiner Treue, dies dann der Frowe zu vermelden.«

87 »Das versprech ich dir bei meinem Eid,
Doch wisse, Neffe, es tut mir leid.
Daß du nicht änderst deinen Sinn.«
So ritt ich von der Guten hin
Nach Graz, tief in das Steirerland,
Wo ich viel gute Ärzte fand.
Den besten ließ ich wissen dann,
Was meines Rittes Ziel und Plan.
88 Der sprach »Es eilt ja nicht –
Ich schneid euch vor dem Maien nicht.
Und kommt ihr mir im Mai daher.
So schneid ich gleich bei meiner Ehr'.
Ich mach euch euren Mund leicht so,
Daß ihr sein seid von Herzen froh.
In diesem Ding ich Meister bin –
Davon habt ihr dann den Gewinn.«
89 Da ritt ich wieder durch das Land.
(Den Winter ich dazu verwandt)
Von Burg zu Burg, von Ort zu Ort,
Bis daß der Winter war weit fort.
Als ich nun Vogelsang vernahm,
Es jählings in den Sinn mir kam,
Nun sei die Zeit dazu gekommen,
Den Arzt zu suchen zu meinem Frommen.
90 So ritt ich denn in Gottes Nam' ...
Da plötzlich mir entgegen kam
Der Frowen Knappe, welchen ich
Erkannte wohl. Auch er kannt' mich.
Er fragte, wo ich wolle hin,
Und was ich trug' in meinem Sinn.
»Mein Freund, ich will mich zu dir neigen,
Die neue Mär dir nicht verschweigen –
91 So wisse, ich bin ganz gesund.
Und will mich machen lassen wund!«
Der Junker gut bekreuzigt' sich
Und sprach: »Mein Herre, sagt mir wo?«
Ich sprach: »Mein lieber Junker – da!
Ihr seht, daß ich drei Lippen hab'!
Die eine schneid't man mir herab.«
92 »Wenn das ist wahr, so helf euch Gott!
Ich sag' das ohne allen Spott –
Das ist 'ne sonderbar' Geschicht'.
Ich glaub', die Herrin weiß sie nicht.
Der will als Wunder ich sie sagen.
Doch Herr! Was laßt ihr euch so plagen,
So martern ohne alle Not?
Ihr könnt davon ja bleiben tot!«
93 »Du sag' es, wem es dir gefällt.
Mein Wille ist darauf gestellt,
Daß es gar balde soll geschehen!«
»Wenn ihr erlaubt, ich möcht es sehen.
Ich sag' es dann der Herrin mein
(Vielleicht wird euch das günstig sein)
Daß ihr als Beistand wünschet mich,
Wenn man euch schneidet schmerziglich.«

So ritten wir zusammen den Weg nach Graz, und der Arzt fing eines Montags in aller Früh mit dem Schneiden an. Er wollte mich binden, doch ließ ich dies nicht zu. Er meinte, es geschehe leicht ein Schaden –

95 »Und zuckt ihr bloß einen Faden breit
Gar leicht ich dann daneben schneid« –
Ich sprach: »Das will ich schon vermeiden!
Freiwillig komm ich her zu leiden,
Getrieben nicht von Leibesnot;
Wenn's mir auch bringen könnt' den Tod.
Deshalb werd ich auch halten still,
Es schmerze mich, so arg es will.«
96 Sein Zögern dauerte nicht lang.
Ich saß vor ihm auf einer Bank
Da nahm er's Messer in die Hand
Und schnitt, wo mir die Lippe stand.
G'rad bei den Zähnen lief der Schnitt
Den ich geduldiglich erlitt.
Das Schneiden rascher war getan,
Als ich es euch erzählen kann.
97 Er hat mich meisterlich geschnitten –
Ich habe männlich es erlitten.
Es schwoll der Mund dann an derart,
Daß er war wie ein Ball so hart.
Die Wund' begann er mir zu pflegen –
Der Knapp fing jetzt an sich zu regen.
Er sprach: »Dabei bin ich gewesen!
Ihr Herr mögt rasch davon genesen.
98 Als letztlich ich euch ließ allein,
Ritt ich zu meiner Herrin Heim,
Sagt ihr, Ihr wollt euch schneiden lassen.
Kaum konnte sie die Kunde fassen!
Sie sprach sogar: – ›Er tut es nicht!
Du hast erzählt mir ein Gedicht!
Ich hoff', er wird die Torheit meiden
Und sich zu Graz nicht lassen schneiden.‹
99 Nun hab ich alles recht gesehen
Wie an euch Wunder sind geschehen.
Jetzt will durchs Land ich weiter fahren.
Der liebe Gott mög euch bewahren,
Auch mach' er baldigst euch gesund.
Ich aber tu der Herrin kund,
Wie man den Mund euch hat geschnitten
Und ihr es tapfer habt erlitten.«
100 »Du sollst von mir der Fraue dein,
Nur sagen dies: Er dient in Treuen!
Ich wag es nicht, ihr mehr zu bieten.
Du magst, was ich hier hab erlitten
Erzählen, und daß es einer Frau geschah,
Der diene ich, ob fern ob nah.
Die sprach, gar häßlich sei mein Mund –
Darum geschah der Schnitt zur Stund.

Der diene ich und was ihr an mir nicht behagt, das opfere ich ihr ohne Bedenken. Mißfiele ihr meine rechte Hand, – ich schlüge sie ab. Doch ich will davon nicht sprechen. Sag nur – er will das, was die Herrin will.« Der Knappe schied – ich aber lag an der Wunde wohl sechseinhalb Wochen dort.

103 Wie mir geschah – das war nicht gut –
Vor Hunger schwand mir fast der Mut,
Und auch viel Durst erlitt da ich;
Ich konnte bringen nichts in mich.
Denn Zahn' und Lippen taten weh.
'ne Salbe grün, etwa wie Klee,
Die strich man mir auf meinen Mund –
Die stank wie ein krepierter Hund.
104 Wenn mich des Leibes Not bezwang,
So daß ich speiste oder trank,
So kam auch Salbe mit in mich
Und der Geschmack war fürchterlich.
D'rum Essen, Trinken widerstand
Mir. So ich in Kürz' mich fand
Fast wie die alten siechen Leut',
Die kraftlos werden durch die Zeit.
105
u.
In Graz hab ich so lang verweilt,
Bis daß die Wund war ganz geheilt.
106 Dann ritt ich hurtig durch das Land,
Bis ich die liebe Niftel fand.
Als die mich so verändert sah,
Zu mir voll Freude sie sprach da:
»Den Mund nun niemand tadeln soll.
Denn er ist jetzt wahrhaftig wohl!
Die Sach' ist abgelaufen so,
Daß ich darob bin herzlich froh.
Als unverzagt ich dich nun kenn',
Und einen Kühnen ich dich nenn.
107 Gleich will ich schreiben voller Fleiß,
All das, was ich von dir jetzt weiß,
Es senden dann an jene Stätt',
Die dir so viel ist, wie Gebet.
Ich meine deine süße Frau.«
»Niftel mein, das lohn dir Gott
Vielsüßes Weib, getreuer Bot!
Du hast mir so viel Lieb' getan,
Daß ich dir's gar nicht danken kann.
108 Ein neues Lied ist mir gelungen,
Das habe ich zu Graz gesungen.
Als ich dort krank bin lang gelegen.
Das sollst du in den Brief auch legen.
Die Weise hab' ich auch ersonnen.«

 

Das ist diu ander Tanzwîse.

Ich vermag nicht zu singen
Von der Nacht – die gibt mir Freude nicht!
Das fröhliche Klingen
Bringt mir der Tag, denn er ist licht.
Auch gleichet sein Schein
Der Frauen mein;
Davon allein.
Muß er selig sein.

Es mag von Rechten
Loben die Nacht, dem selig Lager ist bereit,
Mir tut sie flechten
Sehnendes Leid.
Darum ich sie meid'.
Und lobe den Tag,
An dem ich sie mag
Sehen, die mir wohl heilet Sorgenplag.

Den Tag ich ehr'
Da ich die Vielliebe erstmals sah.
Seither immer mehr
Gab die Nacht mir Leid und Ungemach.
Sie ist mir gram,
Ich ihr allsam. = ebenso.
Heil dir Tag, vielselig sei dein Nam'.

Wenn mich bedrückt
Haben nachts die Sorgen in heller Schar,
Werd' tief ich beglückt
Wenn der Tag erstrahlt klar.
Mich erfüllet der Wahn
Daß ich gehen kann,
Meine holde Frowe schauen an.

Gar gerne ich wollt'
Loben die Nacht, ging es mir einmal so,
Daß ich liegen sollt'
Nahe bei ihr, die mich nun macht unfroh.
Was war ich dann
Für ein sel'ger Mann!
Weh mir, daß sie's nicht gewähren kann.

Die Niftel war bereit, Lied und Brief zu senden und wir machten aus, daß sie eine Antwort der Frowe mir nach Liechtenstein senden solle. So schied ich – sie aber sendete rasch einen Boten – der nur kurz bei der Frowe verweilte. Denn als die Brief und Lied gelesen, antwortete sie in einem Schreiben, das mich seither oft und oft gefreut hat. Diese Antwort ließ die Niftel mir sofort zukommen – und ich hätt' es nimmermehr gedacht, daß ein so kurzes Briefelein ins Herz könnt bringen Sonnenschein.

Der Brief lautete so: Der erste uns erhaltene Privatbrief in deutscher Sprache!

Meine Huld und meine Gnade entbiet ich dir willig und tue dir kund, daß ich am nächsten Montage von dem festen Hause abreise, auf dem ich jetzt sitze, und zur Burg reise, die du wohl kennst und bin die Nacht über in dem Markte, der in deiner Nähe liegt. Nun bitte ich dich, es nicht zu versäumen, daß du mich besuchst, denn ich will dir auf all das antworten, was du mich hast wissen lassen. Sollte auch dein Neffe hinkommen, so sähe ich ihn gerne, um zu sehen, wie sein Mund jetzt ist, aber sonst aus keinem Grunde.

115 Kaum war der Brief mir vorgelesen,
Bin auf der Reis' ich schon gewesen.
Ich freute mich aus Herzensgrund,
Daß ich die Frow' nun sehen kunnt.
Ich ritt den Weg einher gar froh –
Doch fand ich sie behütet so,
Daß abends ich sie gar nicht sah,
Womit mir Leides viel geschah.
116 Vergebens sucht' ich Schlaf die Nacht –
Des Morgens, da die Sonn' erwacht',
Hob ich vom Lager mich geschwind,
Ging hin, zu ihrem Ingesind.
Ich fand dort Ritter, viele Knecht' –
Die grüßte ich, wie's war mein Recht.
Erhielt auch schönen Gegengruß
Wie ritterlich man danken muß.
117 Ein Pfaff dann eine Messe sang.
Dabei wurd mir die Zeit nicht lang,
Da mir gar Liebes dort geschah –
In Muß' ich meine Frowe sah –
Gar linkisch ich mich dann benahm,
Als ich zur holden Schönen kam.
Sie blickt mich an, den Kopf sie neigt.
Mein Auge spricht – die Lippe schweigt.
119 Gar rasch die Meß' ein Ende nahm
Und schon ein Knappe zu uns kam.
Hinaus hieß er die Männer gehen;
Doch ließ man uns nicht lange stehen.
Die Frau ritt weiter ihren Weg;
Da rief die Niftel mich hinweg.
Sie sah mich fröhlich lachend an
»Du bist im Glück'« so sie begann –
120 »Die Herrin hat erlaubet dir,
Daß du heut selber sollst mit ihr
Reden, was dich dünket gut.
Gewogen ist dir heut' ihr Mut.
Du sollst, wenn es sich fügen kann,
Vorreiten zu ihr – und dann –
Dann red' mit ihr, wie's ist dein Will!
Doch rat ich, schieß nicht übers Ziel.«
121 Da ward ich froh – und gleich bereit
Nach vorn' ich zu der Süßen reit'.
Als ich sie vor mir reiten sah,
Mein Herz voll Freude sprach allda:
»Faß' hohen Mut, du sollst mit ihr
Nun reden, was gefallet dir;
Sie trabt vor dir, ganz ohne Hut,
Red' hold mit ihr, was dich dünkt gut.«
122 Auf gleicher Höhe ritt ich bald.
Doch sie, gewahrend die Gestalt
Dreht sich von mir, zur Seite blickt –
Wovon so schwer ich wurd' bedrückt,
Daß mir erstummet in dem Mund
Die Zunge zu derselben Stund.
Hernieder sank mir tief das Haupt
Als wäre ich der Sprach' beraubt.
123
u.
Ein andrer Ritter zu ihr ritt.
Ich kam zu mir und Schweres litt
124 Ich, als ich die beiden sah.
Mein Herze zu mir sprach allda:
»So red doch, arg verzagter Leib!
Du fürchtest ein so gütig Weib!
Sie hat, bei Gott, dir nichts getan –
Weh, daß dein Mund nicht reden kann.
Auch höre, Leib, was ich dir sage:
Willst du in Worten jetzt sein zage,
So wird sie bald sich nie mehr zeigen
Und muß dich halten für einen Feigen.«
125 So hat mein Herz mich ausgezankt.
Da hab' ich wieder mich ermannt
Und ritt zu ihr; als das geschah,
Die Reine, Süße an mich sah.
Vor ihrem Blick ich so erschrak,
Daß wieder ich nur Schweigens pflag.
Der Minne Kraft war's, die im Nu
Mir band die Lippen feste zu.
126
u.
Ihr sollt fürwahr mir glauben, daß
Ich wüßt nicht mehr, wie, wo, was?
127 Und wieder sprach das Herze mein:
»Du mußt fürwahr unselig sein!
Du bist, bei Gott, ein schlechter Mann:
Da sie dich blickt gar freundlich an,
Und du trotzdem kein Wort jetzt findest,
Der du sonst gern ihr Lob verkündest.«
»Sieh' Herze mein, ich weiß es wohl,
Was ich zu ihr jetzt sprechen soll.
Doch weiß ich nicht, wie es geschieht –
Kein einz'ger Laut dem Mund entflieht.«
128
u.
»Du sollst fürwahr dies glauben mir
Du schaffest große Unbill dir.
129 Ich will es dir auf Ehre sagen –
Du wirst noch diese Stund' beklagen,
Zu der dein sonst beredter Mund
Mit einemmal bloß schweigen kunnt.
Nun sieh, du böser, übler Leib,
Da reit't vor dir das werte Weib.
Warum bist du nicht neben ihr?
Gesteh' doch deine Wünsche ihr.«
130 So ritt ich wieder zu ihr hin.
Da war benommen mir der Sinn.
Die Angst zu sprechen war so groß,
Daß das Herze mir mit manchem Stoß
Mit Sprüngen sprang in meiner Brust.
Es wollte reden voller Lust.
Es sprach: »So sprich! So sprich! So sprich,
Bevor noch jemand störet dich.«
131 Ich hätte gerne sprechen mögen
Zehn Stunden sollten kaum genügen –
Da hat die Zunge mir versagt.
Das machte wieder mich verzagt –
Ich nichts mehr davon sprechen will –
Ich schied von ihr genau so still
Als wie ich kam – kein Wort ich sprach!
Gar oft erging's mir so den Tag!
132 Die Tagesreis' ein Ende nahm.
Die Holde, Süße, Reine kam
Dorthin, wo sie die Nacht wollt' sein.
Des war unfroh das Herze mein.
Die Frau sollt' man vom Rosse heben –
Ich bat, das Eisen mir zu geben.
»Ich half schon vielen Frauen wert.
Wenn ab sie stiegen von dem Pferd.«
133 Noch saß sie ruhig auf ihrem Pferd,
Um sie herum manch Ritter wert.
Mit diesen scherzte sie und lachte;
Das Hebezeug herbei man brachte.
Sie sprach: »Mir scheint, daß meine Last
Zu euren Kräften gar nicht paßt.
Ihr sehet auch noch aus recht schlecht –
Die Krankheit hat euch wohl geschwächt.«
134 Auf meine Kosten ward gelacht –
Da trat aufs Hebezeug sie sacht
Und glitt vom Sattel auf die Erd'.
Dabei verstohlen in's Haar mir fährt
Die kleine Hand und aus dem Haar
Eine Lock' sie reißt, wie's eben war.
»Das sei dir, weil du warst verzagt!
Von dir war andres mir gesagt!«

Und während sie zu ihren Frauen schritt, stand ich verstört da, dachte – »Wehe! Wie ist mir geschehen! Ich hab mich so benommen, daß sie recht hat, wenn sie mir nie wieder gnädig wird.« So stand ich in Beschämung – doch bald hieß ein Ritter mich den Platz verlassen, damit die Frauen in ihr Gemach könnten. So ritt ich denn zu einer Herberge in der Stadt, fand ein entlegenes Kämmerchen und erklärte den Leuten, ich sei krank. Dies war auch wahr. Ich war wie zerschlagen und mein Herz litt große Not. Schlaflos wälzte ich mich hin und her, beklagte mich, mein Schicksal, mein Benehmen, und betrachtete meine Frowe als verloren. In Klagen verbrachte ich die Nacht. Ich saß, ich lag, ich stand, ich ging, rang die Hände in Verzweiflung. So fand mich in der Früh einer meiner Verwandten. Der fragte, was mir fehle. Ich sagte: »Schmerzen hab ich in meinem Herzen, sie werden ärger und ärger, so daß ich meine, es wird mir brechen. Ich kann weder sitzen noch stehen, bloß wenn ich gehe, kann ich es ertragen.« Er erwiderte: »Es ist ein Arzt im Orte.« »Den bringe mir.« Und während er in die Stadt eilte, bat ich um Roß und Knecht, und sprengte dorthin, wo ich die Frowe gestern verlassen hatte. So wie ich es mir gewünscht hatte, kam sie mir entgegengeritten. Sie grüßte mich – und ich – redete. »Gnade! meine Frowe, Gnade! Um Gottes willen, der Tugend willen, die er euch geschenkt, habt Gnade. Gnade, gnadenreiche Frau! Ihr seid es, an der meine Freude hängt, ihr seid meiner Freuden hohe Zeit.

147 »Ihr dürfet glauben mir fürwahr,
Ich hab euch alle meine Jahr
Gedienet, seit der süßen Stund',
Da eure Schönheit mir ward kund.
Bin euren Diensten Untertan
In Treuen, so gut ich's eben kann.
Den Dienst, den hab ich euch geweiht,
Mit lauterlicher Stätigkeit –
148 Herrin all der Freuden mein,
Nun laßt mich euren Ritter sein,
Den Dienst mir gnädiglich erlaubt.
O teure Frau, ich bitt euch, glaubt,
Daß ich noch niemals was gewann.
Noch künftiglich gewinnen kann
So Liebes, als wie euren Leib,
Viel reines, süßes, holdes Weib.
149 Seid gnädig mir um eurer Tugend
Um eurer hochgelobten Jugend
Um eurer hohen Würdigkeit
Willen. Denkt meiner Stätigkeit!
Laßt mich genießen, daß ihr seid
Die Liebste mir zu jeder Zeit.
Tut mir, wie's eurer Gnade frommt.
Ich diene euch, was immer kommt.
150 Ich will um euch, vielwertes Weib,
Gar gerne wagen meinen Leib.
Womit ein Ritter dienen soll.
Damit will ich euch dienen wohl.
Ich soll, ich muß, ich gerne will
Euch dienen bis an des Lebens Ziel.«
151 »Schweiget! Ihr seid wie ein Kind
Und gegen hohe Dinge blind.
Ihr sollt die Rede lassen sein.
Wenn lieb euch ist die Gnade mein.
Und reitet von mir balde weg.
Ihr seied mir noch viel zu keck.
Euch mag die Red' zu Schaden kommen.
Sie kann auch niemals zu was frommen.«
152 »Vielliebe Frau, ihr sprechet wahr;
Ich bin gar töricht noch fürwahr.
Daß ich mit euch nicht reden kann,
Wie's ich in meinem Sinne han.
Doch bin ich immerhin so weis'.
Daß ich erwerbe Ritters Preis
In eurem Dienste ohne Wank.
Dazu bin ich wohl nicht zu krank.«

»Nun lasset mich endlich mit eurem Geraune in Ruh! Ihr wisset wohl, man behütet mich. Wenn jemand eure Worte vernommen, mag mir das schaden. Lasset mich in Frieden!« Dabei sah sie sich um und rief einem Ritter zu: »Ihr sollt her zu mir reiten – es ist nicht gut, daß nur einer bei mir ist. Seht zu, daß das nimmermehr geschieht.« Darauf ich: »Sie hat recht gesprochen. Es schickt sich nicht, daß ihr uns zwei allein lasset. Ruft noch mehr Ritter her.« So ritten dann sechs oder mehr mit uns.

Das war das Ende unseres Zwiegespräches.

Da nahm ich Abschied, und ritt fröhlich davon – denn schließlich war es mir doch gelungen, ihr, meinem Freudenscheine, etwas von meinen Wünschen zu sagen.

Voll freudigen Mutes suchte ich ritterliche Taten – wo es solche gab, sah man mich. Und es gelang mir auch in diesem Sommer, einen tapferen Ritter in gleichem Kampfe niederzustechen. So lange das warme Wetter anhielt, zog ich als rechter Frauenritter in den Landen umher. Und erst als der Winter kam, fand ich Ruhe. Da dichtete ich ein Lied und ein Büchlein, die ich beide durch meine Niftel an die Herrin gelangen ließ.

160 Der Bot war bald an sie gelangt.
Er war der Frowe wohl bekannt.
Sie hieß ihn froh willkommen sein.
»Gnade«, sprach er, »Herrin mein.
Ich hab ein Büchlein euch gebracht,
Das sollt ihr lesen gegen Nacht.
Es steht darein ein gut Gebet,
Vieltugendsame Fraue, seht.«
161 Das Büchel da die Süße nahm.
Wie es der Sitte wohl zukam.
Sie meint, es stund' drin ein Gebet.
Neugierig sie's aufschlagen tat.
Sie blättert' hier, sie blättert' dort –
Da standen drin gar süße Wort!
Ein Lächeln spielt um ihr Angesicht.
Nun höret, wie das Büchel spricht.

 

Hie hebt sich daz erste Buechelîn.

»Deinen Weg behüte Gott
Du kleines Buch, getreuer Bot,
Daß du glücklich weiter fahrest.
Deine Zucht dabei bewahrest.
Mit Reden, wie man bei Hofe soll.
Und kannst dich da gebahren wohl.
So hab ich Freud' – du Ehr'
Ohne Zweifel, immer mehr.
Zu dem, was mir bereitet Freud
Wirst du wohl gerne sein bereit.
Heil den Augen, welche wollen
Offen oder auch verstohlen.
In dich am Hofe sehen.
Und kannst du hohe Art erspähen.
So ist 's sie, der ich dich gesandt,
Der immer dienet meine Hand.
Die Reine, die Süße, die Gute genannt,
Und als die Beste anerkannt,
Die die Herrin ist über alles Land.
Deß sei vor Gott meine Seele Pfand.
Ach! Dürftest du von mir
Gnade heischend künden ihr
Gruß und all die Dienste mein!
Könnte es leicht schicklich sein.
Und war es nicht gar zu viel.
Und ging's nicht über der Sitte Ziel
So solltest du der Guten sagen,
Wie nahe ich sie hab' getragen
Nun lange schon in meinem Mut
(Gott halt' es mir zu gut)
Und wie ich ihr statt and'rem Weib
Das Herze mein und auch den Leib,
Den Mut, den Sinn und all mein Leben
Zu Lehen gerne hab' gegeben.
Und wie ich gerne ihrer Huld
Wegen, schweres Leid erduld';
Gut, Leib und Ehre,
Zu ihrem Dienst kehre.
Ihr, die mein Herz zuerst erschloß
Und hinein als erste schoß
Die Gedanken der Minne,
Der stark sehnenden Sinne ...
Das tat sie alleine,
Die Süße, die Reine,
Die Hohe, die Werte,
Die würdigste der Erde,
Von rechter Weibeswürdigkeit.
Das nehm' ich wohl auf meinen Eid,
Daß sie ganz ohne welche List
Voll mancher hoher Tugend ist,
Zu hoher, als daß mir wär' gegönnt
Zu sprechen, wie ich es sonst könnt'.
Auch magst du wohl der Guten sagen,
Und mir dabei ja nicht verzagen.
Daß ich auf ihre Gnade gar
In hohen Freuden jauchzend fahr'
Seit der seliglichen Stund',
Da ich ihr tat ein wenig kund,
(Doch weniger, als ich es sollte
Und als mein Wille es auch wollte)
Den heischenden Willen, den ich trage
Nach ihrer Gnade manche Tage,
Und daß ich um ihrer Gnade Gewinn
Ihr Ritter immer gerne bin.
Das mag ihre Güt' erlauben wohl,
So wie sie es von Rechtens soll.
Da ich von Kindheit an ihr Knecht
Gewesen bin, so hat sie Recht,
Daß sie mich laß' ihr'n Ritter sein.
Ich leiste ihr die Dienste mein.
So daß sie ihrer sich nicht braucht schamen.
Es sei für ihren vielwerten Namen
Immer mehr noch sein getan,
Was ich an Dienst nur leisten kann.
Dazu dien' auch mein neuer Sang.
Scheints aber ihr, ich sei zu krank
An meinen dummen jungen Tagen,
Daß ich die Bürde nicht könnt' tragen.
Wie sie gar süß es hat gesprochen
Jüngsthin, als sie mich hat gesprochen –
Um meinetwegen ihr doch künd:
»Bin ich an Alter nur ein Kind
So bin ich doch nun schon so weis'.
Daß ich erringe Ritters Preis,
Wenn sie's als Dienst annehmen will.«
»Bot', ich getrau' mich nicht so viel
Auftragen, als ich sollte.
Selbst wenn ich's tun wollte
Und ich mit Recht vertraue dir.
Und bringst du liebe Märe mir.
So steht fürwahr meine Freude hoh,
Bin dann auch immer mehre froh.
Drum lieber Bote werbe so.«
»Was ihr gebietet wird getan.
Könnt' ich, wie ich den Willen han.
Den Lohn als Bot' erwerben
Ich ließ ihn sicher nicht verderben,
Möcht dem mich unterwinden.
Daß keiner wohl möcht finden.
Daß ich dabei je müßig sei.
Nur diese Huld von euch mir sei,
Daß ich die Ängsten sage,
Die diesetweg' ich trage.
Ich weiß, wie es bei Hofe steht,
Wo Frau Gerüchte spähend geht
Und nimmt da alle Dinge wahr!
Da würde ich zum Spotte gar!
Mein größtes Leid will ich gestehen –
Hab' nicht das Recht zu Hof zu gehen!
So rechte, reine Weibeshand
Die ihr mir habet oft genannt
Wie dürft' ich die wohl rühren an?
Doch war' ich so wie ihr ein Mann
(Was ich zu meinem Leid nicht bin)
Und hätt ich tausend Männer Sinn
Ich wind' die Fahrt besorgen wohl.
Niemand mir das verbieten soll.
Und sollt' sie zürnen ob der Kund
Es leichtiglich geschehen kunnt
(Gar gut kenn ich der Frauen Zorn)
Daß ich das Leben hab' verlor'«.
Sie ordnet an, ganz kurzer Hand
In ihrem Zorne, daß verbrannt
Ich werd auf einem Roste.
Wer kommt mir da zum Troste?
Oder mir geschehen Schmerzen,
Von ihr in meinem Herzen,
Das nimmermehr heilt.
Ärger als gevierteilt.
Als wie ein Sonnenstaub so klein
Ist vielleicht das Licht mein!
Soll aber es mir so ergehen.
Daß ich doch Hoffnung kann ersehen.
Daß sie bezähmt den Zorn auf's Best'
Und mich zur Rede kommen läßt, –
So wie ich meine Rede sage
Schon von demselben Tage
Des kann ich sicher sein –
An, muß ich in den Kerker rein –
Er heiße Lade, heiße Schrein.
Ich muß verschlossen sein –
Wie im Gefängnis!
Von solcher Betrübnis
Werd ich gewiß verderben.
Und was ich sollte werben.
Das ist verdorben gar.«
»Nein, wie immer ich fahr,
Deine Angst ist ohne Not.
Wer sollt' in den Tod
Einen lieben Boten senden?
Mein Haupt wollt' ich verpfänden
Selbst wenn ich gegen sie nicht gut getan
(Wozu den Willen ich nie gewann)
Wird sie die Zucht nicht brechen.
Zu dir nichts Arges sprechen!
Du kannst vielmehr mir glauben das:
Sie kommet dir entgegen, daß
Du glaubst, du wärst des Kaisers Kind!
So groß die Tugenden ihr sind!
Was willst du größ're Ehr'
Was willst du Freude mehr
Als die, die heimlich dir
Geschehen wird von ihr?
Dürft' ich wie du ihr nahe sein,
Der liebenswerten Frowe mein,
Ich tauschte selbst nicht um den Gral
Den der kühne, werte Parzival
Mit harter Müh nach Ritters Sitt'
Und vielem Leide sich erstritt.
Ich tauschte deine Stelle dort
Um für kein Reich an andrem Ort
Und hätte ihrer Minne Sold
Viel lieber als aller Heiden Gold.
Und wüßt' verschwiegen ich deinen Sinn,
Ein Geheimnis gäbe ich dir hin
Und einen Wunsch, den ich han
Nun schon gar lange Zeit getan
Mit Herzen und mit Mund
Von getreuer Seele Grund.
So wisse denn du Bote mein.
Der selber ich möcht' gar gerne sein.
Wenn du kommst an das Ziel der Reis'
Und dich die kleinen Händchen weiß.
In Gut' beginnen zu wenden,
Zu streicheln, an allen Enden,
Und ihrer lieben Augen Blick
Verstohlen kommt zu dir zurück
Sie dir zukehrt den roten Mund –
Da, zur selben Stund'
Möcht' ich 'nen Kuß ihr stehlen –
Das sollst aber treu verhehlen!
In welchem Glücke war ich dann!
Was war ich für ein sel'ger Mann!
Ich war' so freudenreich.
Daß ich den Englein gleich
Ohn' allen Zweifel war.
O weh! Ich klage immer mehr.
Daß ich die Fahrt da lassen soll;
Das tut mir anders als wie wohl.
Es geleiten dich fürwahr dahin
Mein Herz und alle meine Sinn,
Und reden von meinem Willen viel
Doch niemals mehr als was zum Ziel
Ihren Ehren wohl geziemt.
über Minne Rat mein Herz sich nimmt.
Keinen Wunsch, der wenn auch klein.
Gegen ihre Ehre könnte sein.
Haben meine törichten Gedanken
Die an allerlei Gebrechen kranken,
Verleitet mich gegen die Fraue mein –
Bot! Das soll verschwiegen sein!
Nicht ihr zu Ohren werden bracht
Da ich, bei Gott, nicht dran gedacht.
Mir wär der Gedanke all zu viel –
Nimmer ich so dummeln will,
Mich auch niemals vergehen,
Sie heimlich zu sehen
Ohne Erlaubnis freventlich«. Das Büchlein hat zwar ungefähr doppelten Umfang, doch glaube ich, daß die mitgeteilte Probe genügt, um sich ein Bild davon zu machen. Hrsg.

Als meine Frowe das Büchlein gelesen hatte, fragte sie: »Sag' an, wer hat dich hergesendet? In wessen Auftrag bist du hergeritten?« »Meine Herrin sendet mich« erwiderte er. »Und weißt du, was da drinnen steht?« »Viel hochgelobte Frau, das ist mir bei Gott unbekannt. Meine Herrin hat mir nichts anderes gesagt, als daß da herinnen ein Gebet stünde. Sie hat mir auch einen Brief mitgegeben, von dem ich überhaupt nicht weiß, was er enthält. Ich weiß nur, daß ich ihn hier abgeben soll. Nehmt ihn, Fraue, von mir und wisset, daß, so jung ich auch bin, ich eine Botschaft wohl ausrichten und auch verschwiegen sein kann.« Sie nahm den Brief, hieß den Boten warten. Frohgemut ging sie in ihr Gemach, wo sie den Brief las. In dem Briefe aber stand folgendes Lied.

 

Eine langiu Wise.

Fraue, liebe Fraue mein.
An deinem Dienst ich nie verzage.
Wie du willst, so will ich sein.
Merk' dir auch, was ich nun sage:
Fraue, ich weiß wohl, wenn ich deinen Freundesgruß
Nicht verdien in meinen jungen besten Tagen,
Daß ich in Sorgen altern muß.

Wie töricht auch mein Herze sei,
So gibt es mir doch guten Rat;
Daß meinen Dienst ich euch wohl weih' –
Euch, die jede Tugend hat.
Da es mir seinen Rat mit Treuen sagt,
Deß mir der Leib, der Mut noch nie ward frei,
So folge ich ihm auch gar unverzagt.

Kaum daß ich die Vernunft gewann,
Da riet es mir das Herze mein:
Wenn ich erst einmal würd' ein Mann,
So müßt' ich ihr zu Diensten sein.
Nun ist gekommen mir die Zeit, die ich ihr dienen soll.
Nun helf mir Gott, daß ich so leist, die Dienste mein,
Daß nicht bloß Leiden ich mir hol

So ist sie über meinen Leib
Herrin und übers Herze mein,
Sie, das viel wunderwerte Weib:
Und wessen sollte ich je lieber sein?
Wollt' sie die Dienste mein und meinen Sang,
Wo würd' mir sonst so großer Gnaden Schein?
Wo fand ich sonst so rechten hohen Dank?

Wer könnte mir so hohe lohnen
Den Dienst und all mein sehnend Leid?
Als die, die ich mir hab gewonnen?
Denn sie hat Zucht und Würdigkeit.
Hoher Mut, du zwingst mir den Leib zu hoh
Und das Herze mein ist gern dazu bereit
Da es ja stets die nied're Minne floh.

Nied're Minne! An Freuden tot
Ist der, dem sie hat obgesieget.
Gibt auch die hohe, sehnende Not,
Heil doch ihm, der derselben pfleget;
Sie gibt Sorge – doch ist die Sorge freudenreich.
Frau – daß meine Sorg' euch wenig wieget
Darüber sorg' ich mich immer gleich.

Zwei Tage weilte der Bote – da sendete die Frowe nach ihm und sprach: »Da nimm das Büchlein und bring es wieder deiner Herrin. Ich hab's genau gelesen. Es steht wohl ein gut Gebet darin, doch will ich's noch bedenken.« So brachte der Bote das Buch wieder seiner Herrin. Die machte es auf und bemerkte, daß nun mehr darin geschrieben sei. Da schickte sie es mir sofort. – Und ich, als ich an einer Stelle mehr Zeichen sah, ward froh und vermeinte: »Ich weiß wohl, sie ist gut. Vielleicht schreibt sie mir auf dieser Seite hier Dinge, die meinen frohen Mut vermehren. Vielleicht hat sie mir Freundesgrüße entboten. – Da will ich dann in Freuden leben und all mein Trauern gern aufgeben.« Mein Schreiber weilte nicht bei mir, der heimlich meine Briefe las und meistens auch die meinen schrieb. Davon das Büchlein liegen blieb, ungelesen zehn der Tage. Bei meiner Ehre ich euch sage, daß all die Zeit das Büchelein, niemals kam vom Busen mein. Wenn ich des Nachts des Schlafes pflag, das Büchlein nahe bei mir lag. Ich hatt' es lieb und dachte mir, es stünd' am Ende etwas hier, von meiner Fraue, davon meine Sehnsucht würd gestillt. Endlich kam mein Schreibersmann, den ich in meine Kammer nahm (das mußte gar verstohlen sein), bat ihn zu lesen das Büchelein. Und als er's las, da stand darein (nun kann's ja wohl gesaget sein)

Es spricht mancher Mann,
Woran sein Herz nicht glauben kann,
Besonders wenn von fremden Dingen
Er begehrt zu gewinnen Sinne.
Wer begehrt, was er nicht soll
Der hat's sich selbst versaget wohl.
Wer begehrt, was er nicht soll.
Der hat's sich selbst versaget wohl.
Wer begehrt, was er nicht soll,
Der hat's sich selbst versaget wohl.

Als mir vorgelesen worden, was ich euch hier gesagt habe, tat es mir weh; mein armes Herz war voll Trauer und mein Leib war schwer. Dann sprach ich: »Wie mir die Reine, Süße tut, das muß von Recht mir dünken gut. Was immer sie über mich sprechen mag, das muß mir gut dünken. Denn da ich mich ihr gegeben habe, muß ich nach ihrem Willen leben, sie tue mir übel oder wohl – Mein Leben lang ich ihr dienen soll in Treue, bis an meinen Tod. Wie jung ich auch an Jahren bin, so weiß ich doch genau, daß es in der ganzen Welt kein anderes Weib gibt, von dem ich so froh und hochgemut werden könnte, wie von ihr. Daher will ich ihr in Treue weiter dienen. Und endet einmal der lange Winter, so werde ich ihr wiederum irgendwie dienen, daß ich ihr besser gefalle. Leib und Gut wag' ich um sie.«


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