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Wilhelm Dörpfelds exakte Beobachtungen und Vergleichungen der am Standplatz der Athena Parthenos verwendeten Maasse und Gesteinsarten mit den entsprechenden am Standplatz des olympischen Zeusbildes von Phidias haben ihn zu dem auch für uns zwingenden Schlusse geführt, dass jener antiken litterarischen Überlieferung zu glauben sei, die das Goldelfenbild in Olympia nach jenem in Athen entstanden sein lässt.

Über dieses nun existiert eine reichlich strömende litterarische Überlieferung, während die monumentale viel spärlicher fliesst als bei der Athena Parthenos, da sie im Grunde auf ein paar unter dem Kaiser Hadrian geprägte elische Münzen beschränkt ist, die das Allgemeinste der Anordnung und den Kopf der Statue wie es scheint mit ziemlicher Treue wiedergeben.

Danach sass der König der Götter und Menschen auf hohem Thron gerade vor sich hinblickend, mit einem Mantel bekleidet, in der vorgestreckten Rechten die ihm zugewandte Nike tragend und mit der Linken das gewaltige, von einem Adler bekrönte Skeptron hoch fassend, die Füsse auf einem Schemel. Im schlichten Haupthaar trug er den olympischen Siegespreis, den heiligen Ölkranz, als dessen Verleiher ihm die Sieger dankten. Auf die Stimmung dieser feierlichen Begehung scheint überhaupt die Stimmung des ganzen Bildwerks berechnet gewesen zu sein; denn huldvolle Milde drückte nach der einstimmigen schriftlichen Überlieferung der Alten das Wesen dieser Gestalt aus, und huldvolle Milde ist auch der Ausdruck des Kopfs auf der elischen Münze; was am deutlichsten wird, wenn wir ihn z. B. mit der bekannten vatikanischen Zeusbüste von Otricoli vergleichen, worin ein späterer Künstler aufs grossartigste eine andre Wesensseite des Gottes beschrieben hat, Zeus den Weltregierer, dem die Sorgen um das All die mächtige, in tiefem Sinnen geneigte Stirn durchfurchen. So hat man denn auch, unter dem Eindruck jener beherrschenden Stimmung des olympischen Bildes, seine Entstehung mit den berühmten drei Versen im ersten Gesang der Ilias in Zusammenhang gebracht, die Zeus gegenüber den inständigen Bitten der Thetis als den Gewährenden, gütig Verleihenden schildern:

»Sprach's und winkte ihr zu mit den schwärzlichen Brauen Kronion,
Und die ambrosischen Locken des Königes wallten ihm vorwärts
Von dem unsterblichen Haupt: es erbebten die Höh'n des Olympos.«

Im Gegensatz zu diesem, auf die ganz bestimmte Situation der dankend vor den Gott hintretenden und ihm ihren Siegerkranz weihenden Olympioniken geprägten, von Phidias geschaffenen Zeustypus existierte in Olympia in vielen Exemplaren ein anderer schrecklich aussehender und drohender, die »Kranes«, vor denen die Teilnehmer an den Spielen schwören mussten, die Spielregeln nicht zu übertreten.

Von dem prangenden Bildwerk, mit dem die den Thron umgebenden Schranken, die Basis des Bildes, Füsse und Rand des Schemels, Füsse, Säulen, Querbalken, Arm- und Rückenlehnen des Thrones in Malerei, Rundplastik und Relief überreich geschmückt waren, hat uns Pausanias eine Beschreibung hinterlassen, die aber leider nur die Gegenstände der Darstellungen nennt. Deren Auswahl, Zusammenhänge und Beziehungen aber dem »Tiefsinn« und der »Weisheit« des Phidias zuzuschreiben, wie man immer thut, ist ebenso grundfalsch, wie wenn man etwa Raffael für die theologischen und humanistischen Ideen seiner »Disputa« und »Schule von Athen« verantwortlich machen wollte; die olympischen Zeuspriester würden es für einen sehr schlechten Scherz gehalten haben, wenn man ihnen zugemutet hätte, diese Dinge dem Banausen Phidias zu überlassen. Vielmehr dürfen wir annehmen, dass in jedem einzelnen Bildwerk jede einzelne Figur dem Künstler vorgeschrieben war. Gerade dort aber, wo das selbständige künstlerische Verdienst des Phidias begann, lässt uns unsere Überlieferung im Stich.

Auch über den Eindruck des Bildes auf die Zeitgenossen fehlt uns jede Kunde. Sie, die in der Kunst an das Allerbeste wie an das tägliche Brot gewöhnt waren, werden auch diese höchste Leistung ihres grössten Künstlers als etwas, das sich von selbst versteht, hingenommen haben. Dagegen sprechen Stimmen aus dem späten Altertum mit einer merkwürdigen Ergriffenheit von dem Werk, der man es anmerkt, dass es für jene Nachgeborenen als ein herrliches Sinnbild entschwundener goldener Zeiten aufragte, der Zeiten des einigen, freien und blühenden Hellas, und dass sein tiefer Friede in den Seelen der Friedlosen schmerzliche Sehnsucht aufregte. Epiktet erachtete es geradezu für ein Unglück, den Zeus des Phidias nicht gesehen zu haben, und Dion aus Prusa mit dem Beinamen der »Goldmund« schildert seinen Eindruck so: »Wer von den Menschen ganz mühselig und beladen ist, nach vielen Unglücksfällen und Trauer im Leben, und er kennt nicht mehr den süssen Schlaf, der soll vor das Bild hintreten, und siehe, er wird alles vergessen, was es im menschlichen Leben Herbes und Furchtbares zu leiden gibt; so hast du, o Phidias, dein Werk ersonnen und ausgeführt, solches Licht und solche Anmut ist in dieser Kunst.«

Athena Parthenos ( Kleine Marmorkopie). Athen, Nationalmuseum


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