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Die revolutionäre Bewegung, an der Küchelbecker teilnahm, ist in der Geschichte als »Dekabristen«-Bewegung bekannt; sie heißt so, weil sie ihren Abschluß mit dem Aufstand am 14. Dezember 1825 fand (Dezember russisch = Dekabr). Die Verschwörung kam bereits 1816 zustande in Form einer geheimen Gesellschaft (»Verband der Rettung«, auch »Verband der treuen und wahrhaften Vaterlandssöhne«, von 1818 ab »Wohlfahrtsbund« als Nachbildung des deutschen »Tugendbundes«), die sich 1821 neu organisierte und in eine »nördliche« und »südliche« Sektion teilte. Die Mitglieder gehörten fast ausschließlich den allerhöchsten Kreisen der russischen Aristokratie an. Tynjanow erwähnt die Bewegung der südlichen Sektion, deren bedeutendste Führer Pestel und Murawjow-Apostol waren, nur nebenbei, da Küchelbeckers Schicksal mit dem der nördlichen Sektion verknüpft war. Nach dem Scheitern des Aufstandes wurden fünf Dekabristen: Pestel, Rylejew, Murawjow-Apostel, Bestuschew-Rjumin und Kachowski, am 13. Juli 1826 auf dem Kronwerk der Peter-Paulfestung gehängt. Die große Masse der anderen Verschworenen wurde teils zu lebenslänglichen, teils zu langjährigen Zuchthaus- und Verbannungsstrafen verurteilt. Die endgültige Begnadigung der noch am Leben gebliebenen Dekabristen erfolgte erst nach dreißig Jahren, 1856, beim Regierungsantritt Alexanders II.
Trotzdem die Dekabristenbewegung scheiterte, war sie von größter Bedeutung für die russische Geschichte. Die Dekabristen und der ganze Kreis der mit ihnen Sympathisierenden gaben den Anstoß zu der gewaltigen politischen, geistigen und literarischen Entwicklung Rußlands in der Folgezeit.
Alexander I., 1777–1825, russischer Zar, Sohn des am 11. März 1801 erdrosselten Zaren Paul I.
Araktschejew, Graf, 1769–1834, mächtiger Günstling Alexanders I., Hauptstütze des damaligen reaktionären Regimes und des erbarmungslosen militärischen Stocksystems.
Barklay de Tolly, Fürst, 1761–1818, bedeutender russischer Heerführer während der napoleonischen Feldzüge.
Benkendorff, Graf, 1783–1844, reaktionärer Staatsmann.
Bestuschew, A. A., 1795–1837, Dichter, Dekabrist, verbannt, später begnadigt.
Bestuschew, N. A., 1791–1855, Bruder des vorigen, Dekabrist, starb in der Verbannung.
Bulgarin, 1789–1859, Schriftsteller, Kritiker und Journalist niedrigster Gattung, literarischer Schieber, später treuer Diener des Polizeiregimes; von Puschkin, Delwig, Gogol, Belinski unzählige Male literarisch gebrandmarkt.
Delwig, Baron, 1798–1831, Dichter, nächster Freund Puschkins, schrieb vor allem Lieder im Volkston.
Derschawin, 1743–1816, berühmter Lyriker des 18. Jhdts., der mit dem Pseudoklassizismus brach und zur nationalen russischen Literatur überleitete.
Glinka (bei Tynjanow »Mischa«), 1801–1857, später einer der größten russischen Komponisten.
Gretsch, 1787–1867, Journalist, Philologe, zuerst mit liberalen Ideen liebäugelnd, dann Stütze der Reaktion.
Gribojedow, 1795–1829, berühmter russischer Dramatiker, dessen Komödie »Verstand schafft Leiden« eine neue Ära der russischen Literatur eröffnete.
Jermolow, 1772–1861, bekannter General, Unterjocher des Kaukasus.
Kachowski, 1799–1826, Hauptbeteiligter am Dekabristenaufstand, wurde hingerichtet.
Karamsin, 1766–1826, berühmter russischer Schriftsteller, konservativer Historiker, Hauptwerk: »Geschichte des russischen Reiches« in 12 Bänden.
Karatygin, Pjotr (bei Tynjanow »Petja«), 1805–1872, später bedeutender Komiker.
Karatygin, Wassilij (bei Tynjanow »Wassja«), 1802 bis 1853, Bruder des vorigen, später berühmtester russischer Tragöde.
Konstantin, 1779–1831, Großfürst, Sohn Pauls I., Bruder Alexanders I., anfangs Thronfolger, dann Statthalter in Polen.
Krüdener, 1764–1825, baltische Baronin, Hellseherin und Predigerin verworren mystischen Aberglaubens, hatte großen Einfluß auf Alexander I. und verstärkte dessen Neigung zum Mystizismus.
Krylow, 1768–1844, genialer russischer Fabeldichter, berühmtes »Original« seiner Zeit.
Michail, Großfürst, 1798–1849, jüngster Sohn Pauls I.
Nikolaus I., Zar, 1796–1855, jüngerer Bruder Konstantins.
Odojewski, Fürst, 1803–1839, Dekabrist, Dichter, starb in der Verbannung.
Puschkin, 1799–1837, der erste große russische Dichter von Weltbedeutung, Zentralgestalt eines glänzenden literarischen Kreises (»Plejade«), starb in einem Duell, zu dem er durch Hofintrigen getrieben wurde. Er stand den Dekabristen sehr nahe und widmete ihnen viele Gedichte.
Puschtschin, 1789–1855, sehr aktiver Dekabrist, Freund Puschkins, starb nach jahrzehntelanger Verbannung in Sibirien.
Rylejew, 1769–1826, bedeutender Dichter, Sekretär der Russisch-Amerikanischen Handelskompagnie. Hauptführer der Dekabristen dank seiner suggestiven Persönlichkeit, wurde hingerichtet.
Schukowski, 1783–1852, berühmter Dichter, machte als glänzender Übersetzer die deutsche Literatur, speziell die Romantiker, den Russen zugänglich, von 1817–1841 Lehrer am Hof und Erzieher Alexanders II., lebte zuletzt in Deutschland.
Tschaadajew, 1793–1856, erster russischer Geschichtsphilosoph, übte großen Einfluß auf Puschkin aus, Verfasser der berühmten »Philosophischen Briefe« (1836), in denen er vom katholisch-westeuropäischen Standpunkte das damalige Rußland vernichtend kritisierte, deswegen von Nikolaus I. für irrsinnig erklärt.
Trubezkoj, Fürst, 1790–1860, Gardeoffizier, bekannter Dekabrist, 1856 begnadigt.
Turgenjew, N. I., 1789–1871, Schriftsteller, Dekabrist, zur Zeit des Aufstandes und später im Ausland, in contumaciam zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt; entfernter Verwandter des späteren, berühmten Romanschriftstellers Turgenjew.