Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
[Soldier Boy:] »Wann seid ihr gekommen?«
[Mexikanischer Gaul:] »Gestern, bei Sonnenuntergang.«
»Woher?«
»Salt Lake.«
»Seid ihr im Dienst?«
»Nein. Handel.«
»Piratenhandel, nehm' ich mal an.«
»Was weißt du denn schon davon?«
»Ich hab' euch kommen sehen. Ich hab' deinen Master erkannt. Übler Kerl. Fallenräuber, Pferdedieb, stellt den Squaws nach, ein Fahnenflüchtiger, ein Renegado – Hank Butters – ich kenn' ihn sehr gut. Hat dich auch gestohlen, nicht wahr?«
»Kommt wohl auf so was 'raus.«
»Dacht' ich mir. Wo ist sein Kumpel?«
»Hat am White Cloud Camp Halt gemacht.«
»Das ist auch so einer, gleiche Sorte, heißt Blake Haskins.«
(Leise zu sich selbst) »Ich nehme mal an, sie lauern wieder Buffalo Bill auf.« (Wieder laut) »Wie ist dein Name?«
»Welchen meinst du?«
»Hast du mehr als einen?«
»Ich bekomm' jedes Mal 'nen neuen, wenn ich gestohlen werde. Hatte mal 'n ehrenwerten Namen, aber das ist lang her; hab' ihn vergessen. Seitdem hatte ich dreizehn Aliases.«
»Aliases? Was ist ein Alias?«
»Ein falscher Name.«
»Alias. Ein schönes großes Wort, gefällt mir; es hat diesen gelehrten, cerebrospinal inkandeszierten Klang. Hast du studiert?«
»Na ja, nein, kann ich eigentlich nicht behaupten. Ich kann 'ne Barre 'runterwerfen, ich kann Hafer von 'nem Weidepflock unterscheiden, ich kann der College-Brut 'n Sattelgeschwür auf'n Buckel fluchen, und noch 'n paar andere Sachen – nicht viel; ich hatte nicht viel Gelegenheit zum Lernen, musste immer arbeiten, nur mal so nebenbei bemerkt; komm' aus kleinen Verhältnissen, keine Familie mehr. Du sprichst meinen Dialekt wie 'n Eingeborener, aber 'n mexikanischer Gaul wie ich bist du nicht, bist eher so 'n Gentleman, seh' ich doch, und ziemlich gebildet, natürlich.«
»Ja, ich komme aus einer alten Familie, und bin nicht unbelesen. Ich bin ein Fossil.«
»Ein Was?«
»Fossil. Die ersten Pferde waren Fossile. Sie sind zwei Millionen Jahre alt.«
»Gr–oßer Sand und Dornenbusch! Wirklich?«
»Ja, ist wahr. Die Knochen meiner Vorfahren werden verehrt und gut aufbewahrt, sogar von Menschen. Sie lassen sie nicht einfach draußen in Wind und Wetter rum liegen, wenn sie welche davon finden, sondern schleppen sie über Tausende von Meilen zu ihren Lerntempeln und packen sie in Schreine, dort beten sie sie an.«
»Das ist ja toll! Ich wusste, dass du eine hochgestellte Persönlichkeit sein musst, was du hier so darstellst und bei deinem feinen Auftreten, und du humpelst auch nicht so elend rum wie ich und der Rest hier. Verrätst du mir deinen Namen?«
»Wirst du wahrscheinlich schon gehört haben – Soldier Boy.«
»Was! – der bekannte, der berühmte?«
»Genau der.«
»Mir bleibt die Luft weg! Hab' ich mir nie mal träumen lassen, dass ich mal Aug' in Aug' dem Besitzer dieses großen Namens gegenüber steh'. Buffalo Bills Pferd! Bekannt von der kanadischen Grenze bis in die Wüste Arizonas, von den östlichen Ausläufern der Great Plains bis zu den Vorgebirgen der Sierra! Was für ein bemerkenswerter Tag! Dienst du noch dem gefeierten Chef der Scouts?«
»Gehör' ihm immer noch, aber er hat mich ausgeliehen, zeitweise, an die sehr ehrenwerte, gnädigste, vortrefflichste, Ihre Exzellenz Catherine, Corporal-General Siebente Kavallerie und Flag-Lieutenant Neunte Dragoner, U.S.A., –Friede dem Land!«
»Amen. Sagtest du sie, sagtest du Ihre Exzellenz?«
»Sagte ich. Eine spanische Dame, ein schöner Spross aus fürstlichem Haus. Und wahrhaft ein Wunder; sie weiß alles, sie kann alles, sie spricht alle Sprachen und beherrscht alle Wissenschaften, ein großer Geist der keine Horizonte kennt, mit einem Herz aus purem Gold, die Zierde ihrer Rasse! Friede der Rasse!«
»Amen. Das hört sich ja großartig an!«
»In der Tat. Ich konnte ja selbst schon viel. Aber sie hat mir noch mehr beigebracht. Ich bin gebildet. Ich werd' dir von ihr erzählen.«
»Ich hör' zu – bin entzückt.«
»Ich erzähl' dir eine einfache Geschichte, gerade heraus, ohne Übertreibungen, ohne Ausschmückungen. Als sie erst vier oder fünf Wochen hier war, hatte sie schon eine komplette Militärausbildung abgeschlossen und sie machten sie zum Offizier – zu einem Doppeloffizier. Wie jeder andere Soldat nahm sie am täglichen Drill teil; sie blies das Signalhorn und leitete die Formalausbildung persönlich. Eines Tages sollte ein großes Pferderennen stattfinden, um Preise, aber nur für Kinder. Siebzehn Kinder bewarben sich, und sie war die Jüngste von allen. Drei Mädchen, vierzehn Jungens – allesamt gute Reiter. Es war ein Hindernisrennen, mit vier Hürden, alle sehr hoch. Der erste Preis bestand aus einem entzückenden silbernen Signalhorn, etwa die halbe Größe eines Militärhorns, richtig hübsch gearbeitet, mit einer roten Seidenkordel daran, und Quasten. Buffalo Bill war sehr nervös, denn er hatte ihr das Reiten persönlich beigebracht, und auch um seiner eigenen Ehre Willen wünschte er sich natürlich, dass sie gewinnen möge. Also beschloss er, dass sie mit mir reiten solle, aber das wollte sie nicht; sie sagte zu ihm, das sei unfair und unrichtig, ein billiger Vorteil, denn welches Pferd der Garnison hätte eine Chance gegen mich? Sie war sehr ernst mit ihm und sagte, ›Sie sollten sich schämen – Sie schlagen mir ein Benehmen vor, das einem Offizier und Gentleman nicht ziemt.‹ Und so nahm er sie, warf sie hoch in die Luft, etwa dreißig Fuß, und als er sie wieder auffing, gab er zu, dass er sich wirklich schäme, zog sein Taschentuch heraus und gab vor zu weinen, was ihr fast das Herz brach, sie tröstete ihn, bat um Verzeihung, sagte sie würde alles auf der Welt tun was er von ihr verlange, außer mich an diesem Tag zu reiten, er aber antwortete, er ginge sich nun zu erhängen, er müsse es tun, wenn er denn ein Seil fände, es wäre nur gerecht, denn nie, niemals, könne er sich das verzeihen; und darauf begann sie zu weinen, und nun schluchzten beide dass es eine Meile weit zu hören war, dabei hing sie an seinem Hals und bettelte, bis er schließlich ein wenig Trost gefunden hatte, und gab ihr dann den heiligen Schwur sich nicht zu erhängen, jedenfalls bis nach dem Rennen nicht, und er würde überhaupt darauf verzichten, wenn sie das Rennen gewänne, was sie beruhigte, und sie versprach ihm zu siegen oder im Sattel zu sterben, und dann war alles wieder gut, und beide waren zufrieden. Er kann's einfach nicht lassen seine Witze mit ihr zu machen, er ist so vernarrt in sie, und sie ist so unbedarft kindlich in diesen Dingen; wenn sie dann dahinter kommt, dann wird sie wütend und knufft ihn, aber weil es er ist vergibt sie ihm auch sofort wieder; aber schon am nächsten Tag kann es passieren, dass sie wieder auf einen seiner Späße hereinfällt, du siehst, sie wird nicht klug mit ihm, weil sie solche Art von Arglist nicht kennt; und weil sie selbst niemals so wäre, vermutet sie es auch nicht bei anderen.
Es war ein großes Rennen. Der gesamte Standort war auf den Beinen, und es war ein Gejohle und Geschreie als die siebzehn Kinder den Turf herunter gesprengt kamen und über die Hindernisse setzten – ein schöner Anblick! Bei Halbdistanz ging es Kopf an Kopf, es war Jedermanns oder Niemandes Rennen. Dann war da plötzlich eine Kuh, sie stand einfach mitten im Weg, und zeigte dem anstürmenden Batallion ihre Breitseite, Gras mampfend den Kopf gesenkt; und sie kamen heran wie der Wind, teilten sich in zwei Flanken um an der Kuh vorbei zu kommen, aber was tat sie? – nun, sie gab die Sporen und flog wie ein Vogel in einem Riesensatz über diese Kuh! Und war auf und davon, setzte allein und in Führung über das letzte Hindernis; die Armee brachte ein großes Hurra aus und sie sprang vom Pferd, als ob es schon stünde, machte ihre Verbeugung, und alle standen an, ihr zu gratulieren; das Horn wurde überreicht und sie setzte es sogleich an ihre Lippen und blies zum Aufsitzen, blies ›Boots and Saddles‹, nur um zu sehen, wie es spielte; und BB war stolz wie man es sich nur denken kann! Und dann sagte er ›Nimm Soldier Boy, du brauchst ihn mir nicht zurück zu geben, bis ich nach ihm frage‹, und ich kann dir sagen, das hätte er zu keiner anderen Person auf diesem Planeten gesagt. Das ist nun etwas mehr als zwei Monate her, und keiner hat seitdem auf meinem Rücken gesessen als einzig Corporal-General Siebente Kavallerie und Flag-Lieutenant Neunte Dragoner, U.S.A., – Friede dem Land!«
»Amen. Ich hör zu – erzähl' mehr.«
»Sie ging an die Arbeit und organisierte die anderen sechzehn Kinder, sie nannten sich Erstes Rocky Mountains Ranger Batallion, U.S.A., sie selbst wollte eigentlich nur Hornist sein, die anderen ernannten sie aber zu ihrem Lieutenant-General und Hornist. Somit ist sie bereits ein Rang höher als ihr Onkel, der nur Brigade-General ist. Und wie sie diese jungen Leute ausbildet! Frag die Indianer oder die Händler, frag die Soldaten, sie alle könnten es dir erzählen. Vom ersten Tage an war sie bei der Sache. Jeden Morgen ritten sie hinunter in die Prärie und sie sitzt auf meinem Rücken, das Horn an den Lippen und bläst die Befehle, führt sie für eine Stunde oder länger durch alle Formationen, es ist so niedlich anzuschauen, wie diese Ponys eine Formation in eine andere auflösen, wie ein Walzer, dann brechen sie wieder aus, zerstreuen sich, formieren sich neu, immer in Bewegung, jetzt noch im Trab, dann im Galopp, immer weiter, mal eng beieinander, dann auseinander gezogen, wie bei einem Opernball, und dann, wenn sie nicht länger an sich halten kann, bläst sie zum Angriff und lässt mich los! Und du kannst mich da beim Wort nehmen, wenn das Batallion nicht zu viel Vorsprung hat, dann holen wir es ein und gehen in vorderster Linie über die Stellungen.
Ja, das sind schon echte Soldaten, diese kleinen Leute, kerngesund, sie kränkeln jetzt nicht mehr herum, so wie früher manchmal. Das kommt vom Drill. Sie hat jetzt sogar ihr eigenes Fort – Fort Fanny Marsh. Major-General Tommy Drake hat es ihr geplant, und die Siebenten und die Dragoner haben es gebaut. Tommy ist der Sohn des Colonels, er ist fünfzehn und der Älteste im Batallion; Fanny Marsh ist Brigadier-General und die Zweitälteste – über dreizehn. Sie ist die Tochter von Captain Marsh, B Kompanie, Siebente Kavallerie. Lieutenant-General Alison ist bei weitem die Jüngste, ich glaube sie ist erst neun-einhalb oder -dreiviertel. Ihre Militäruniform als Lieutenant-General ist nicht für den Geländedienst gemacht, sondern für Paraden, die Frauen haben sie ihr genäht. Sie sagten, sie haben es aus einem Buch über das Mittelalter, alles in rotem und blauem Samt und weißer Seide, mit Strumpfhose und Überhose, Wams und geschlitzten Ärmeln, Schwert, ein kurzes Cape, ein Hut mit einer Feder, ich hab gehört, wie sie diese Dinge nannten, sie haben es aus dem Buch; und sie sähe wie ein Page aus vergangenen Zeiten aus, sagen sie. Es ist das holdeste Kostüm das es jemals gab – du würdest es auch sagen, wenn du es siehst. Sie sieht toll darin aus – ein Traum! Manchmal verhält sie sich so wie es ihrem Alter entspricht, aber dann wieder ist sie erwachsener als ihr Onkel. Sie ist sehr belesen. Sie bringt ihrem Onkel Sachen aus ihrem Buch bei. Ich hab' gesehen wie sie bei ihm saß und ihm erzählt hat, was drin steht, so dass er lernt es auch selbst zu machen.
Jeden Samstag heuert sie sich ein paar kleine Indianer an um ihr Fort zu besetzen; dann belagert sie es, führt in vorgeblicher Nacht militärische Vorstöße in vorgeblichen Gräben durch, und schließlich, bei vorgeblich Sonnenaufgang, zieht sie das Schwert, bläst zum Angriff und nimmt das Fort im Sturm. Ist nur 'ne Übung. Mit ihrem Talent hat sie sich sogar eine eigene Hornfanfare ausgedacht, und die ist wirklich mitreißend, und es ist die schönste, die wir im Dienst haben. Sie benutzt sie um mich zu rufen – für nichts anderes. Sie hat es mit mir geübt und mir gesagt, was es bedeutet: › Ich bin es, Soldier – komm!‹ und wenn dieses aufregende Signal in der Ferne ertönt, dann erkenne ich es, ohne den geringsten Zweifel, selbst wenn ich zwei Meilen entfernt bin; und dann – oh, dann solltest du mal sehen wie meine Läufe zur Sache kommen!
Sie hat mir beigebracht, wie ich ihr Guten Tag und Gute Nacht sage, nämlich indem ich ihr meinen rechten Huf in die Hand gebe; auch auf Wiedersehen, das mache ich mit dem linken Huf – aber nur zum Üben, weil das hat es bis jetzt noch nicht gegeben, wir haben nur so getan, ich hoffe wir müssen das nie in echt machen. Ich würde heulen, wenn ich jemals meinen linken Huf heben müsste. Sie hat mir das Salutieren beigebracht, und ich kann es nun so gut wie jeder andere Soldat. Dabei beuge ich meinen Kopf und lege meinen rechten Huf an die Wange. Sie hat's mir beigebracht weil ich mich einmal aus Ahnungslosigkeit ziemlich blamiert hab'. Ich genieße ja einige Privilegien, man kennt mich als ehrlich und zuverlässig, und weil ich hervorragende Laufbahnbeurteilungen habe, lassen sie mich frei herum laufen, sie binden mir nichts an oder irgendwo fest, sperren mich auch nicht in den Stall. Nun gut, die Flaggenparade der Einheiten ist 'ne ernste Sache, jeder hat im Stillgestanden zu verharren, wenn die Flagge vorbei getragen wird, der Kommandant, einfach alle; aber ich war einmal dabei und bin ahnungslos durch die Zeremonie getrabt, direkt vor das Musikkorps, und das war entsetzlich peinlich: ah, mein Lieutenant-General war richtig verzweifelt und hat sich fürchterlich für mich geschämt, dass ausgerechnet ich vor aller Welt so etwas mache, und hat angefangen zu weinen; und daraufhin hat sie mir das Salutieren beigebracht, damit ich mich ordentlich entschuldigen könne, wenn mir jemals wieder ein so unmilitärischer Akt passierte, und damit nach einer solchen Entschuldigung eine derartige Angelegenheit nicht weiter verfolgt werden würde. Ist 'ne gute und vornehme Sache, so ein Salut, kein anderes Pferd kann damit aufwarten; jetzt grüßen mich selbst die Männer oft, und ich erwidere das dann auch. Jetzt habe ich das Privileg bei der Flaggenparade der Rocky Mountain Rangers anzutreten, da stehe ich dann feierlich, so wie die Kinder, und salutiere der Flagge, wenn sie vorbei getragen wird. Natürlich singen die Wachen auch ›Turn Out The Guard! ‹ wenn sie zu ihrem Fort zieht und dann ... riechst du auch diese frische Morgenbrise, die Bergföhren und Wildblumen? Die Nacht ist bald vorbei, bald werden wir die Hörner hören. Dorcas, die schwarze Frau, sie ist gut und nett, die passt auf den Lieutenant-General auf, sie ist die Mutter von Brigadier-General Alison, und somit die Schwiegermutter vom Lieutenant-General. Sagt jedenfalls Shekels. Oder zumindest ist es das, was ich glaube, was er meint, denn eigentlich versteh' ich ihn nie so richtig. Er – «
»Wer ist denn Shekels?«
»Der Hund der Siebenten Kavallerie. Ich meine, wenn er überhaupt ein Hund ist. Sein Vater war ein Kojote und seine Mutter eine Wildkatze. Macht nicht wirklich einen Hund aus ihm, oder?«
»Keinen echten Hund, denk' ich mal. Nur so einen ungefähren Hund, höchstens. Ich nehme an, das ist mehr so eine Frage der Ichthyologie, und wenn's so ist, dann bin ich nicht der Fachmann dafür, also ist meine Meinung wertlos. Ist mir eigentlich auch egal.«
»Nicht der Ichthyologie, sondern des Dogmatismus, das ist noch schwerer und komplizierter. Ist Dogmatismus immer.«
»Dogmatismus ist mir jetzt aber zu hoch, viel zu hoch; da bin ich aus dem Spiel. Aber mal ganz allgemein gesprochen, meine Meinung ist, dass das Fohlen eines Kojoten und einer Wildkatze kein echter Hund ist, sondern was Zwielichtiges. Meine Hand drauf, schlag ein.«
»Na ja, stimmt schon, so weit ich es sagen kann, bei aller Fairness, und wenn ich genau nachdenke. Ich hab' ihn eigentlich immer als zwielichtigen Hund gesehen, genau wie Potter. Potter ist der große Däne. Potter sagt auch, er wäre kein Hund, noch nicht mal Geflügel – obwohl, soweit würde ich nicht gehen.«
»Würde ich auch nicht. Geflügel, das ist so ne Sache, da blickt ja keiner mehr durch, da gibt's so viel von und so verschiedene. Nur Flügel, Flügel und Flügel, bis du müde wirst: Truthähne, und Gänse, und Fledermäuse, und Eintagsfliegen, und Engel, und Heuschrecken, und fliegende Fische, und – wirklich, dieser Stamm ist endlos; ich fang fast an zu schweben, wenn ich nur dran denke. Aber dieser hat keine Flügel, oder?«
»Nein.«
»Gut, wenn das so ist, glaub' ich, ist er vielleicht doch eher ein Hund als Geflügel. Ich hab noch nie von Geflügel gehört, dass keine Flügel hat. Flügel sind das Merkmal von Geflügel; du bestimmst Geflügel an ihnen. Schau dir bloß ein Moskito an.«
»Was glaubst du, was er dann ist? Irgendwas muss er ja sein.«
»Warum nicht ein Reptil. Könnt' er doch gut sein; alles was keine Flügel hat, ist ein Reptil.«
»Wer hat dir das denn erzählt?«
»Keiner hat's mir erzählt, ich hab's mal gehört.«
»Wo hast du das denn gehört?«
»Jahre her. Ich war mit einer Expedition des Philadelphia Institute unter der Leitung von Professor Cope in den Bad Lands, wir jagten nach Mastodon-Knochen, und da hörte ich einmal, wie er sagte, dass jedes Planta Gradus Circumflex Vertebratus Bakterium, das keine Flügel aufweise und auch sonst unsicher sei, ein Reptil ist. So, noch einmal, hat dieser Hund irgendwelche Flügel? Nein. Ist er ein Planta Gradus Circumflex Vertebratus Bakterium? Kann sein, kann auch nicht sein; aber ohne ihn jemals zu Gesicht bekommen zu haben, und zu seiner Bestimmung allein seine spektakulär illegale Elternschaft heran gezogen, wette ich einen Ballen Stroh gegen Haferbrei, dass er ein Kandidat ist. Letztendlich, ist er unsicher? Das ist nämlich der Knackpunkt – ist er unsicher? Ich überlass es dir, mir zu sagen ob du je von einem unsichereren Hund, als das einer ist, gehört hast?«
»Nein, hab ich nie.«
»Na denn, er ist ein Reptil. Das wäre geklärt.«
»Moment, wart' mal, Wie-war-dein-Name...«
»Letztes Alias, Mongrel.«
»Auch 'n guter. Ich wollt' sagen, du bist gebildeter als es den ersten Anschein hatte. Ich mag kultivierten Umgang, und ich werde den mit dir pflegen. Was Shekels betrifft, wenn Du in unserer Garnison, oder in White Clouds Camp oder in Thunderbirds Camp, irgendeine private Geschichte erfahren willst, dann von ihm; und wenn du dich mit ihm anfreunden willst, er wird es gern tun, er ist die geborene Klatschtante, er schnappt jedes Getuschel auf. In seiner Eigenschaft als Reptil der Siebenten Kavallerie gehört er weiter niemand Bestimmten, hat keine militärischen Pflichten, kommt und geht wie er will, ist bestens bekannt mit allen Hauskatzen und den sonstigen authentischen Quellen privater Information. Er kann alle Sprachen, er spricht sie auch. Zwar mit einem Akzent als hätt' er Splitt in den Zähnen, schon wahr, und seine Ausdrucksweise grenzt an Gotteslästerung – trotzdem, mit ein wenig Übung schafft man es, zum Kern dessen vorzustoßen, was er eigentlich meint, und es dient ... Hark! Das Wecksignal!
[THE REVEILLE)
Schwach und fern, aber klar, ist es nicht schön? Es gibt keine schönere Musik als die der Hörner, sie geht ins Blut, in dieser feierlichen Ruhe des dämmernden Morgens, wenn die Prärie sich noch zwielichtig ins Nichts erstreckt, und gegen den Himmel bescheint das Licht bereits die noch schlummernden Gipfel. Du wirst ein weiteres Horn hören, in einer Minute – auch von fern, ganz schwach, aber klar, ein noch hübscherer Klang, du wirst es merken. Wart' ... horch. Da ist es! Es ruft, › Ich bin es, Soldier – komm!‹ ...
[SOLDIER BOYS BUGLE CALL]
... und jetzt, pass auf, jetzt siehst du von mir nur noch einen blauen Strich!«