Kurt Tucholsky
Panter, Tiger und andere
Kurt Tucholsky

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Hände an der Schreibmaschine

Meine Schrift kann niemand lesen,
nicht mal ich. Nur noch Chinesen
pinseln wichtig.
Ich will kein solch Pinseler bleiben.
Mit acht Fingern laßt mich schreiben!
Aber richtig!
Hebel rauscht, und Glöckchen klingt,
und die Schreibmaschine singt:

Firma Anton E i e r m a n n
sel. Nachfolger
Würzburg an der Würze
                    Berlin NW. 87, den heutigen
Sehr geehrter Herr!
Auf Ihr gefl. wenn auch ausverschämtes
Schreiben vom 16. d. M. erlauben wir uns,
Ihnen mitzuteilen, daß von einer unpünkt-
lichen Zahlung unsrerseits überhaupt keine
Rede sein kann.
Sie haben uns bisher erst 9mal (in vier
Wochen) gemahnt, und kann das in Anbetracht
der allgemeinen Geldknappheit nur als
völlig
normal

Übung kommt so mit den Jahren.
Und ich schalte wie beim Fahren
dritten Gang ein.
Hoppla, Kurve! Achtung, Liebe!
Und ich fang in das Getriebe
jeden Klang ein.
Hebel rauscht, und Glöckchen zirpt,
und die Schreibmaschine wirbt:

Dir nur sagen, daß ich Dich so
leidenschaftlich liebe, daß
es schon allen meinen Bekannten
auffällt, wie schlecht ich aus-
sehe. Ich habe im letzten Monat
8 (acht) Pfand abgenommen, und
das alles auf Dich herauf. Mein
kleines Mauseschwänzchen, wenn
Du es irgend einrichten kannst,
dann komm doch Sonnabend schon
ein bißchen früher, aber zieh Dir
nicht die Schlüpfer an, weil ich
Dir etwas Wichtiges

Tausend Finger laufen eilig
amtlich, dienstlich, polizeilich
auf den Tasten.
Aufgebote für die Heirat,
das Gesuch beim Polizeirat,
Steuerlasten.
Hebel schnattern, Walze steht;
und die Schreibmaschine fleht:

An den Herrn
Regierungspräsidenten
Magdeburg
In Erneuerung meines
Gesuchs vom 5.4.23 erlaube
ich mir ergebenst auf
beregte Angelegenheit zurück-
zukommen und um eine Namens-
änderung nochmals dringendst
zu bitten. Die Tatsache, daß
ich Schlotterhose heiße, hat mir
bereits im geschäftlichen sowie
auch im privaten Leben außer-
ordentlich geschadet, und bitte
ich, mir wenigstens durch einen
Gnadenakt das
                  L
zu erlassen, wovon ich mir
eine wesentliche
Besserung

Unser Leben, eingefangen,
ist durch dich hindurchgegangen,
Guillotine!
Unsere Freuden, unsere Sorgen,
gestern, heute, übermorgen –
o Maschine!
Hebel wirbeln, Wagen knackt,
und die Schreibmaschine tackt:

Sie dämliches Luder nur davor
warnen, sich noch einmal im
Geschäft so mausig zu machen. Wo
doch Ihre Tochter Lottchen in
der ganzen Straße bekannt ist
als Rumtreibersche und auch
Ihre Frau abends immer sehr spät
und nicht immer allein nach
Hause komt wenn Sie mal auf
Geschäftstuhr sind Daß Ihr Sauberer
Herr Sohn ein Verfahren
wegen der kleinen Wechselsache
bei seiner Firma auf dem Hals
hat, wird er Ihnen wohl nicht
gesagt haben aber ich sage es
Ihnen Sie Ochsenpantoffel!
Ein Freund des Hauses!

Alles weißt du, Maschine, immer stehst du startbereit!
In dir ist unser Beruf, unser Leben und unsre ganze Zeit.
Sogar auf Reisen kommst du mit, praktisch und gut verpackt,
bis eines Tages zum letzten Male dein Hebel knackt.

Millionen Konzerte steigen täglich auf aus Stahl und Papier,
Was wären wir ohne dich, du Geschäftsklavier –!

1929


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