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Nachdem Pucki von ihren Kindern gehört hatte, daß Fräulein Melchert ihre Lebensgeschichte mitgenommen hatte, war sie sofort zu ihr gegangen, um sie zu fragen, auf welche Weise sie in den Besitz des Buches gekommen sei.
»Sie haben mir doch verschiedene Bücher gegeben, Frau Doktor Gregor. Auf dem Schreibtisch lag dann noch eins, das habe ich auch mitgenommen.«
»Ich brauche dieses Buch, geben Sie es mir bitte zurück.«
»Schade! – Lassen Sie mir doch noch das Buch, das ist so ulkig! Ihre Jungen haben viel Freude daran, ich will ihnen heute weiter daraus vorlesen.«
»Ich brauche das Buch, Fräulein Melchert. Sie haben es ohne meine Erlaubnis mitgenommen; ich muß es zurückhaben.«
»Das ist gerade ein so schönes Buch!«
Aber Pucki ließ nicht nach. Sie war erleichtert, als sie das Buch endlich in Händen hielt und sorgsam in ihren Schreibtisch schloß. – Am Nachmittag kamen die Knaben zu ihr und maulten.
»Mutti, warum hast du Fräulein Melchert das schöne Buch weggenommen? Gib es doch wieder 'raus, es soll noch so viel Schönes drin stehen! Wir haben fürchterlich gelacht. Mutti, Tante Waltraut hat gesagt: Lachen macht Kranke wieder gesund.«
»Ihr seid aber nicht krank, Kinder.«
»Kannst du das ganz genau wissen, Mutti?« fragte Peter. »Vielleicht tut es mir wieder irgendwo weh. Ich glaube, es tut mir hier weh.« Dabei schlug er sich mit beiden Händen auf sein Bäuchlein.
»So – da tut es dir weh? – Nun, dann stecke ich dich ins Bett und gebe dir Tropfen.«
»Ich glaube, jetzt ist es schon wieder weg. Mutti, bitte, gib uns doch das schöne Buch!«
»Nein, das Buch bekommt ihr nicht!«
Karl tätschelte die Hand der Mutter. »Mutti, da lernen wir nur Frechheiten. – Mutti, ob das kleine Mädchen noch lebt?«
»Mit der möchte ich spielen – na, das wäre ein Spaß!«
»Feine dumme Streiche macht die! Der Vater wird ihr oft die Hosen strammgezogen haben!«
Wieder empfand Pucki einen schmerzhaften Stich am Herzen. Ihre Unarten von einst machten den nachhaltigsten Eindruck auf ihre Kinder. Sie wollte in Zukunft das Buch sorgsam hüten, damit den Kindern nicht noch mehr von ihren Streichen bekannt würde. – Um die Kinder abzulenken, fragte sie nach dem Hunde.
»Was macht denn das Tierchen des alten Mannes?«
»Richtig! – Wollen gleich mal nachsehen!«
»Ihr könntet auch einmal den alten Mann besuchen. Erst fragt ihr natürlich Tante Waltraut, ob ihr nicht stört. Seid aber recht artig.«
»Du weißt doch, Mutti«, sagte Karlchen, »daß wir in der Klinik immer sehr artige Kinder sind. Wir gehen leise, wir sprechen nicht laut, denn wir wissen, daß die Leute krank sind und gesund werden müssen.«
»Mir tut auch was weh!« rief der jüngere Bruder. »Ein bißchen tut es jetzt auch weh!«
»Wo tut es dir weh, Peter?«
Er wies auf den Oberarm. »Der Karl hat mich vorhin da gepufft!«
»Nun geht hinüber zu Tante Waltraut. Holt von Emilie einige Wurstpellen für den Hund.«
»Mutti, wenn wir erst die Wiese mit dem Bach und den Fröschen haben, rennt der Hund mit uns darauf herum.«
»Die Wiese bekommen wir nicht.«
Karl machte ein pfiffiges Gesicht. »Warte nur ab, Mutti, ich weiß was.«
»Komm nu schnell zum alten Manne und zum Hund«, drängte Peter, und rasch liefen die beiden Knaben davon.
Beim Betreten der Klinik gingen sie freilich auf Zehenspitzen und unterhielten sich flüsternd. Einmal hatten sie sich laut gezankt, da war der Vater gekommen und hatte jedem einen ordentlichen Denkzettel gegeben. Das vergaßen die drei nicht so rasch.
Schwester Waltraut war nicht zu finden, daher wurde Schwester Lotte gefragt, ob sie zu dem alten Manne gehen dürften, der auf der Straße umgefallen sei.
»Und der Hund sitzt auch nicht mehr am Tor! Wo ist denn der Hund?«
»Der wird gebadet.«
»Gebadet?«
»Jawohl, der Hund verlangt nach seinem Herrn, ein unsauberer Hund darf aber nicht ins Krankenzimmer.«
»Aber das Herrchen ist doch auch sooo schmutzig!«
»Nein, Karl, der alte Mann ist blitzsauber. – Wollt ihr ihn einmal sehen?«
Leise folgten die drei Kinder der vorangehenden Schwester ins Zimmer. Doktor Gregor hatte bei dem alten Manne völlige Erschöpfung festgestellt. So hielt er es für richtig, ihn ins Bett zu stecken, damit er langsam wieder zu Kräften käme. Der Alte schien sich hier recht wohl zu fühlen, nur verlangte er nach seinem treuen »Mohrchen«. Da hatte Schwester Waltraut das unsaubere Tier genommen, um es zu baden. Der alte, abgeschabte Hut mit den Münzen stand neben dem Bett des Kranken. In einer Ecke des Zimmers lag ein gut mit Heu gestopfter Sack, ein schönes Lager für den Hund. Er hatte so fürchterlich gejault, daß nichts anderes übrigblieb, als ihn zu seinem Herrn ins Zimmer zu lassen.
Die Nachricht, daß der Hund gewaschen wurde, erregte die Neugier der Kinder. Eine Hundewäsche war etwas Besonderes! So verließen die drei bald wieder den alten Mann, um Schwester Waltraut aufzusuchen.
Sie war schon eifrig mit Mohrchen beschäftigt. Rudi klopfte sich auf den Magen.
»Hm – riecht das schön! Rudi möchte auch so riechen!«
»Es riecht eben nach Vaters Operation«, ergänzte altklug der Älteste. »Tante Waltraut, was machst du mit dem Hund?«
»Schaut einmal her, wie ruhig er sich alles gefallen läßt. Er hat Freude daran, daß er wieder sauber wird, denn Schmutz tut weh.«
»Ach nein, Tante Waltraut«, lachte Peter, »mir tut der Schmutz nicht weh.«
»O doch, Peterli. Wenn auf deiner Haut viel Schmutz sitzt, können die Hautporen nicht atmen. Es kommt dann keine frische Luft an den Körper und du wirst krank. Sauberkeit ist die Hauptsache.«
»Wer kann nicht atmen, Tante Waltraut?«
»Die Hautporen.«
»Wo atmen sie?«
»Die Haut hat viele kleine Löchelchen, durch die sie die Luft einzieht. Wenn ihr größer sein werdet, versteht ihr das besser.«
Peter lachte herzlich. »Meine Haut hat keine Löcher, Tante Waltraut, nur am Bein waren mal welche. Die haben aber mächtig wehgetan.«
Mohrchen ließ ein leises, frohes Bellen hören. Die Güsse mit dem lauwarmen Wasser schienen ihm großes Vergnügen zu bereiten. Immer wieder plantschte er in das Badewasser und schüttelte sich, daß die Tropfen nur so flogen.
»Ist er nun schön?«
»Jetzt wird er gut abgetrocknet und dann – –«
»Ich möchte ihn abtrocknen!«
»Ich auch!«
»Ich weiß nicht, ob er sich das von euch gefallen läßt. Ihr versteht das nicht recht, Kinder.«
»Hast du denn in deiner Lehrzeit auch gelernt, Hunde zu waschen, Tante Waltraut? Wäschst du morgen den Hund wieder?«
»Nein, das ist nicht nötig. Aber bürsten und kämmen wollen wir ihn.«
»Ich muß jeden Tag gewaschen werden«, klagte Peter. »Ich möchte lieber so ein kleiner Hund sein!«
Wieder bestaunten die Kinder das Tier, das ganz still hielt, als es tüchtig mit einem Tuch abgerieben wurde. Schließlich leckte es seiner treuen Pflegerin dankbar die Hand und rieb den Kopf an ihrem Rock.
»Jetzt sagt er dir ›Danke schön‹, Tante Waltraut. – Darf er nun mit uns gehen?«
»Nein, er ist noch zu naß, er muß noch ein Weilchen im Zimmer bleiben.«
»Aber dann darf er?«
»Meinetwegen, er wird aber lieber zu seinem Herrn gehen wollen.«
»Du, wir brauchen ihn!«
Schwester Waltraut wurde fortgerufen, gab aber den Kindern noch strengen Befehl, den Hund nicht aus dem Zimmer zu lassen, da die Sonne nicht schiene. Sie hatte erkannt, daß das Tier äußerst gutmütig war. So bestand keine Gefahr, die Kinder hierzulassen, zumal sie in Kürze wieder zurückkehren würde.
Die drei Knaben kauerten neben dem Hund auf der Erde.
»Jetzt bist du ein sauberer Hund«, sagte Karl, »jetzt wirst du noch mehr in den Hut bekommen als früher. – Wenn du trocken bist, setzen wir dich wieder an die Eingangspforte. Dort sammelst du weiter.«
»Einen Hut müssen wir noch haben.«
»Ich weiß schon, draußen hängt ein Hut«, rief Karl.
In der Vorhalle hing des Vaters Hut neben seinem Stock. Mit Hilfe des Stockes wurde der Hut heruntergeholt, und freudestrahlend kehrte Karl zu Mohrchen zurück. Kaum hatte der Hund den Hut erblickt, als er schon die Krempe ins Maul nahm und sich vor Peter hinsetzte. Helles Jubeln belohnte das brave Mohrchen für dieses Tun.
»Wir gehen nun zu allen Leuten in der Klinik«, sagte Karl. »Das Mohrchen muß vor jedem Bett schön machen. Dann ist er trocken geworden, dann gehen wir mit ihm hinaus auf die Straße. Und wenn der Hut voll ist, geben wir alles der Mutti. Dann kaufen wir den Bach mit den Fröschen.«
In die Zimmer trauten sich die Kinder doch nicht hinein. Peter war der Meinung, lieber gleich auf die Straße zu gehen, weil der Hund nun so sauber sei. Er wühlte in seinen Hosentaschen, fand darin ein Stückchen Zucker und ein Stückchen Schokolade, und damit wurde Mohrchen bis zum Hauseingang gelockt. Noch immer trug er des Vaters Hut im Maule.
Der erste Vorübergehende lachte über den drolligen Anblick. Rechts und links von Mohrchen standen die Knaben und blickten erwartungsvoll jeden an, der vorüberging.
»Wir müßten auch so ein Quietschding haben, wie der alte Mann, und Musik machen, sonst wissen die Leute nicht, daß wir was haben wollen.«
»Ich hab' 'ne Trompete«, schrie Karl begeistert, »die hole ich.« Mit großen Sprüngen eilte er ins Haus. In der Tür rannte er mit der Mutter zusammen. »Mutti, jetzt geht's los! Nachher ziehst du dich mal an, und dann kommst du durch das große Tor nach der Klinik.«
»Was ist denn dort los?«
»Komm nur, ganz was Feines!«
In der nächsten Viertelstunde wurde Frau Doktor Gregor noch aufgehalten, dann hielt sie es aber für angebracht, nach ihren Kindern zu sehen. Die strahlenden Augen ihres Ältesten ließen darauf schließen, daß etwas Besonderes im Gange war.
Karlchen trompetete jeden Vorübergehenden kräftig an.
»Onkel Wallner kommt!«
Karlchen blies aus Leibeskräften. Da kam langsam, auf den Stock gestützt, Herr Wallner näher, der unweit der Klinik sein Häuschen hatte. Der alte Herr ließ sich häufig in der Klinik sehen. Die Knaben wußten von der Mutter, daß er der erste Patient der Klinik gewesen war.
Onkel Wallner hatte immer eine kleine Leckerei für die Knaben bei sich und scherzte gerne mit ihnen. In Rahnsburg konnte man sich nicht genug darüber wundern, welche Veränderung mit dem alten Herrn in den letzten Jahren vorgegangen war. Früher war er immer mürrisch und verdrossen, jetzt immer mit einem Spaß auf den Lippen. Die drei Knaben hingen daher mit großer Liebe an dem alten Herrn.
Karlchen tutete ihn kräftig an. Peter streckte beide Händchen aus und sagte mit kläglicher Stimme: »Ein ganz armer Mann bittet um eine kleine Gabe.«
Herr Wallner betrachtete die kleine Gruppe und lachte. »Da muß ich also wohl etwas geben?«
»Mußt du auch«, sagte Peter. »Wir wollen doch die Wiese mit den Fröschen kaufen, und der Vati hat kein Geld. Nu sitzen wir hier und sammeln, bis der Hut voll ist.«
Diese letzten Worte hörte noch Pucki, die soeben über den Hof kam und erstaunt die merkwürdige Gruppe erblickte. Sie lachte nicht, wie Herr Wallner, im Gegenteil, sie war höchst ungehalten über das Vorhaben ihrer Kinder. Ihr erster Griff galt dem Hut. Da knurrte aber das Tier so grimmig, daß Frau Doktor Gregor es für ratsam hielt, dem Hund den Hut zu lassen.
»Ihr kommt sofort ins Haus! Was soll denn das?«
»Mutti, wir haben doch alle kein Geld! Nun wollen wir die Wiese mit dem Bach und den Fröschen kaufen. – Laß doch den lieben Hund sitzen. Die Leute haben schon viel gegeben. Guck mal in den Hut!«
»Warum sind Sie so ärgerlich, Frau Doktor?« sagte Herr Wallner. »Es sind eben Kinder, die wollen ihren Spaß haben.«
Aber Pucki gebot energisch, den Platz zu räumen. So gingen die drei betreten davon. Der Hund folgte ihnen getreulich. Den Hut ließ er jedoch nicht los.
Als eine Viertelstunde später Doktor Gregor seinen Hut suchte und nicht fand, konnte keiner Auskunft geben, wo er geblieben war. Emilie war die erste, die den Hut bei Mohrchen entdeckte und als Doktor Gregors Eigentum erkannte. Energisch griff sie danach und wollte dem Hunde den Hut entreißen. In der Krempe zeigten sich bereits zwei Löcher.
»Wartet nur, ihr Bengels, der Vater wird euch die Rechnung für den Hut schon aufmachen.«
So war es auch. Mohrchen wurde zu seinem Herrn ins Zimmer gebracht, und die drei Knaben erhielten vom Vater einen gehörigen Denkzettel.
»Du hast doch gesagt«, schluchzte Karlchen und rieb sich die Verlängerung des Rückens, »Kinder dürfen Spaß machen! Wenn wir doch so gerne den Bach und die Frösche haben wollen. – Das kleine unartige Mädchen in dem Buch ist doch viel schlimmer als wir und hat nicht immerzu Prügel bekommen.«
»Es gibt an den nächsten drei Sonntagen keine süße Speise für euch«, sagte die Mutter. »Das Geld wird gespart. Dafür kaufe ich dem Vater einen neuen Hut.«
Am Abend schlang Peter beide Ärmchen um den Hals der Mutter. »Mutti, ein Mensch, der immer gesund bleiben will, muß auch einen süßen Brei haben, sagt Schwester Waltraut.«
»Jawohl, Peter«, erwiderte Pucki ahnungslos, »wenn ein Mensch gesund bleiben will, braucht er Fleisch, Gemüse und auch Süßigkeiten.«
»Süße Speisen auch?« – »Ja, auch sie sind gesund.«
»Für Kinderchen?« – »Ja, besonders für Kinder.«
»Warum machst du uns dann krank, Mutti?«
Jetzt begriff Frau Gregor. »Mutti sorgt schon dafür, daß ihr gesund bleibt«, sagte sie rasch.
»Du hast doch aber gesagt, daß kleine Kinder was Süßes brauchen.«
»Ihr wart ungezogen und – –«
»Brauchen Kinder, wenn sie ungezogen sind, nichts Süßes?« Auch jetzt hielt es Pucki wieder für ratsam, die Unterhaltung abzubrechen. »Lege dich um, Peter, und schlafe. Rudi schläft schon. Höre, wie gleichmäßig er atmet.«
Pucki gab ihrem Peter einen Gutenachtkuß und entfernte sich eiligst. Sie unterdrückte das Lachen, denn heute durfte sie ihre ernste Miene nicht aufgeben. Die Sache mit dem Hunde, das Betteln draußen am Tor, hatte sie doch recht geärgert. –
Schon am nächsten Tage galt es, ein neues Rätsel zu lösen. Kopfschüttelnd las Doktor Gregor beim Frühstück einen Brief seines Bruders Eberhard aus Bremen.
»Was ist denn das, Pucki? Wirst du daraus klug?«
»Von Eberhard?«
»Er will uns selbstverständlich die hundert Mark geben, wundert sich aber, daß wir uns wegen dieser geringen Summe nicht an ihn wenden wollen oder das Geld nicht selbst aufbringen können. Er schreibt:
›Wozu läßt Du erst Deinen Sohn schreiben, Claus? Wenn Ihr Geld braucht, steht es Euch jederzeit zur Verfügung. Mary schickt mit gleicher Post ein Paket mit Fröschen aus Schokolade an Deine Kinder ab. Nun schreibe mir genau, was Du eigentlich willst, denn weder Mary noch ich sind aus dem Kauderwelsch klug geworden. Hat sich der Junge einen Ulk gemacht?‹«
»Karlchen kann doch noch nicht schreiben, sonst würde ich sagen, er hat wieder einmal einen Streich ausgeführt.«
»Wer weiß, vielleicht hat er sich den Brief schreiben lassen. Ich will den kleinen Burschen gleich einmal rufen.«
Karlchen, der noch beim Anziehen war, wurde geholt.
»Hast du an Onkel Eberhard einen Brief geschrieben?«
Das Kindergesicht strahlte: »Schickt er mir die hundert Mark, Vati?«
»Was hast du ihm denn geschrieben, oder besser: Wer hat geschrieben?«
»Vatilein – nun kannst du die Wiese mit dem Bach und den Fröschen kaufen! Immerzu habe ich nachgedacht, wie ich dir die Freude machen kann. Und weil der Hund – der Hund –. Na, du weißt doch. – Und sonst haben wir auch kein Geld verdienen können wie das kleine, unartige Mädchen in dem Buch, das alle Blumen abgeschnitten hat.«
»Wer hat denn an Onkel Eberhard geschrieben?«
»Nu – der Max!«
»Wer ist dieser Max? Karlchen, jetzt erzähle einmal vernünftig. – Wie kommst du überhaupt dazu, einen anderen Jungen an Onkel Eberhard schreiben zu lassen?«
Unsicher klang es zurück: »Bist du vielleicht böse, weil ich dir doch so eine große Freude machen wollte? Onkel Eberhard hat so viel Geld, und du hast nichts. – Du hast doch immerfort zu zahlen für den Operationssaal. – Vati, freust du dich denn gar nicht, wenn ich dir die Wiese mit dem Bach und den lieben Fröschen kaufe?«
»Ich freue mich, wenn du ein artiger Junge bist, Karl, aber ich will nicht, daß du ohne mein und Muttis Wissen an einen Onkel oder an eine Tante schreibst. – Und nun erzähle einmal.«
Karlchen redete sich mehr und mehr in Eifer. Gerührt und schweigend lauschte Pucki seinem Bericht. Es war ihr, als ob sie selbst spräche. Sie hatte als Kind oftmals versucht, anderen zu helfen, sie hatte allerlei ersonnen, wie sie zu etwas Geld gelangen könne. Auch sie wollte jedem Bedrängten helfen. Ihr Knabe hatte nun gehört, daß der Vater nicht in der Lage sei, die Wiese des Nachbarn zu kaufen, und sein gutes Herz trieb ihn, an den reichen Onkel Eberhard zu schreiben.
Unter dem Tisch tastete sie nach der Hand des Gatten und sandte ihm einen bittenden Blick zu. Claus durfte jetzt nicht hart zu Karlchen sein, dessen weiches Herz ihm diesen dummen Streich, gespielt hatte.
Claus hob seinen Ältesten aufs Knie. »Mein Junge, es geht nicht an, daß du einem Schulfreund alles erzählst, was deine Eltern daheim sprechen. Wenn du etwas auf dem Herzen hast, wenn du jemanden um etwas bitten willst, so frage erst die Eltern, oder, wenn du meinst, daß es ein Geheimnis ist, sage es den Großeltern oder Tante Waltraut.«
»Vati, kriegst du nu die hundert Mark und die Wiese mit dem Bach und den Fröschen?«
»Wir brauchen sie jetzt noch nicht.«
»Ach doch, Vati, wir brauchen sie sehr. Ich habe schon den Max, den Georg, den Paul und andere eingeladen, mit nackten Füßen im Bach herumzuplantschen. – Ach, Vati, bitte, bitte, kaufe doch die Wiese!«
»Du kannst deinen Schulfreunden jedem einen Frosch schenken– –«
»Aus dem Wasser von der Wiese?«
»Nein, einen Frosch von Schokolade, die heute oder morgen Tante Mary schickt.«
Karlchen schrie vor Freude. »Kommen sie im Wasser hierhergeschwommen? Oder in einem großen Glas?«
»Warte ruhig ab, mein Junge!«
Am heutigen Tage war Karlchen in der Schule der Held des Tages. Er erzählte, daß Tante Mary ihm einen großen Haufen Frösche aus Bremen schicken und daß jeder solch einen Frosch bekommen würde.
Während Peter und Rudi dann am nächsten Tage beglückt die Schokoladenfrösche in Empfang nahmen, die Tante Mary gesandt hatte, stand Karl enttäuscht neben dem Karton.
»Ich wollte doch andere Frösche haben. – Mutti, vielleicht kauft der Vati doch die Wiese mit den Fröschen. Ich möchte doch so gerne richtige Frösche haben, die quaken, und ich möchte mit nackten Füßen im Bach waten!«