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Als erster stellte sich Helmuth Ivers in Laues Junggesellenheim ein; dann kamen gleich Peter Illgen und Wiluda, der rief:
– Das lasse ich mir gefallen, daß Sie diesmal schon so früh mit den Hühnern daran sind. Ich lasse mein Leben für ein junges Rebhuhn. Und bei Ihnen sind sie immer so delikat, das versteht Ihre Köchin.
– Ja, sagte Kurt, das Jahr scheint vorzüglich zu sein, und da die Sendung von meinem Schwager schon so früh eintraf, habe ich nicht lange gewartet, und Sie gleich alle zusammengerufen. Dabei hat der Kreis sich erweitert und der Justizrat, der ebensowenig wie Seveke bisher mit dabei war, hat gleichfalls zugesagt.
– Reicht es denn?
– Sie können ganz unbesorgt sein. Es reicht! Dafür ist schon alles geschehen.
– Na, dann ist es ja fein.
– Aber da kommen ja auch schon die anderen.
Er hatte Stimmen draußen gehört. – Und dann kam Paul Bröse mit Seveke, die sich auf dem Wege getroffen hatten.
Kurt Laue war ein wenig nervös, weil er den Justizrat Bröse zum ersten Male in seinem Hause sah, und weil er nicht wußte, ob er nicht mit Frau Eveline inzwischen zusammengetroffen war, ob er irgend etwas schon von dem Vorfalle auf der Straße erfahren hatte.
Es war nicht anzunehmen, daß sie sich hinterher ihrer Tat auch noch rühmen werde. Aber sie konnte ja ein abfälliges Wort über ihn geäußert haben. Das genügte.
Das schien nicht der Fall zu sein. Und als auch Hellesen sich eingestellt, konnte man zu Tisch gehn.
Als nach der obligaten Linsensuppe, die nun einmal traditionsgemäß den Hühnern voraufging, die Rebhühner mit ihren Speckbrüsten und dem Weinlaub herumgereicht wurden, erschien der Diener und das Mädchen mit ein paar Kühlern, die sie auf den Serviertisch stellten. Laue winkte ihnen, daß sie, nachdem sie eingegossen, verschwanden, erhob sich, nahm sein Glas und sagte:
– Auf Frau Eveline Tismar!
Einen Augenblick sahen sie sich erstaunt an, dann begriffen sie, und Seveke sagte:
– Aber das gilt doch nicht! Der Termin ist ja noch nicht um, erst in drei Tagen glaube ich.
– Der Sekt paßt so gut zu den Hühnern, sagte Laue leise, die paar Tage rechnen nicht mehr, zumal Frau Tismar fern von hier ist, wie ich gehört habe. Jedenfalls ich meinerseits ... Also bitte: Auf das Wohl der schönen Frau Eveline Tismar!
– Also Laue! ich ... ich ...
Der Justizrat war aufgestanden, und schüttelte ihm die Hand.
– Meine Herren, sagte Laue, nun bitte kein Wort mehr darüber. Nur wollte ich trotz allem in irgend einer Form die dumme Sache zum Austrag bringen. Nun wollen wir uns ganz den Hühnern widmen, die hoffentlich so gut sind, wie Sie erwarten.
Aber leise sagte Wiluda zu Mandy:
– Bröse kann ja nun lachen. Aber so ganz korrekt ist das eigentlich nicht. Laue hatte doch die Verpflichtung, den Termin am Zehnten abzuwarten. Na, schließlich ist das seine Sache, ob er sich schon vorher für geschlagen erklärt. Mir soll es recht sein. Da können wir ihn nun also in den Klub der Abgeblitzten mit aufnehmen.
– Und außerdem sind die Hühner nicht zu verachten, aus welchem Anlaß wir auch dazu kommen.
– So recht hinterher ist er übrigens bei ihr nicht gewesen. Haben Sie das etwa bemerkt? ... Wir haben ihm doch wahrhaftig alle Chancen gegeben. Aber ich glaube, die Martell steckt ihm noch im Gemüte und Geblüte. Da darf einer eine solche Wette erst gar nicht eingehen.
– Nee! besonders doll ist er nicht auf sein Ziel losgegangen, aber ich glaube, das wäre schließlich bei Frau Eveline auch nicht angebracht gewesen. Also auch abgefallen! Gönne ich ihm trotz allem von Herzen, so gern ich ihn habe.
– Uns kann es ja gleich sein, wer den Sekt aufgebrummt kriegt. Wir sind jedenfalls die vergnügten Leidtragenden. Im übrigen: Auf Frau Eveline!
– Ja, unsere liebe Freundin ist heute nachmittag wieder zu uns herausgekommen, sagte Hellesen zu Bröse. Eigentlich hätten wir Laue da noch eine letzte Möglichkeit geben müssen, – aber das wäre doch wohl zuviel des Guten gewesen. Ich glaube, dafür gibt es einen ominösen Paragraphen im Strafgesetzbuche, und dem wollten wir uns doch nicht aussetzen.
– Nein, ist auch besser so, sagte Paul Bröse leise. Dafür sage ich mich aber für morgen Sonntag bei Ihnen an, wenn es Ihnen recht ist, lieber Hellesen. Ich habe mit Frau Eveline etwas zu bereden.
– Wollen Sie den Doktor Laue nicht doch mitbringen? Jetzt ist doch ...
– Nein, Verehrtester, der wäre dabei höchst überflüssig. Das wollen wir lieber sein lassen. Der hat heute seine Wette verloren gegeben, und damit soll nun aber Schluß mit der üblen Geschichte sein. Mir hat es die ganze Zeit über schwer auf dem Herzen gelegen. Und ich bin froh, daß Laue der Sache heute ein so nettes Ende gemacht hat.
– Ich glaube, ihn hat es auch bedrückt. Er ist mir in letzter Zeit so verändert vorgekommen. Der frische, unbekümmerte Mensch, der er war, schien wie ausgetauscht. Die ganze Sache war ja ein Unfug von Anfang an.
– Wenn Ivers und Wiluda mit ihrem Junggesellenleichtsinn nicht darauf bestanden hätten, dann wäre ja längst ...
– Im übrigen hat sich Laue wirklich keine sonderliche Mühe gegeben. Und dabei hatte Eveline gewiß was für ihn über, sagte Hellesen im Flüstertone.
– Hatte sie das? ...
– Soweit ich mich auf meine Frau verlassen kann, scheint es so. Nach allem, wie sie sich so nach ihm erkundigt hat und über ihn sprach.
– Glauben Sie, Hellesen, daß er nun, wo er doch abgefallen ist, weiter bei ihr verkehren wird?
– Lieber Freund Bröse! verkehrt ihr denn alle nicht ruhig weiter bei ihr? ... Und mir scheint, soweit ich weiß, haben alle, die heute hier versammelt sind, einmal den Versuch bei der lieben Eveline gemacht. – Die einen gewiß sehr ehrbar, aber bei Illgen und Ivers möchte ich das Ehrbare doch bezweifeln, – und sie verkehren alle getreu in ihrem Hause. Weshalb sollte das bei Laue nicht ebenso der Fall sein? ...
– Sie schütteln so bedenklich Ihr Haupt, Justizrat. Wäre Ihnen das irgendwie unangenehm? – Sind Sie etwa eifersüchtig?
– Vielleicht! Jedenfalls ist auch mir dieser Doktor Laue mit seiner unbekümmerten Jugendlichkeit und Frische nicht ganz ungefährlich erschienen.
– Na, nachdem er nun seine Niederlage in so anständiger Weise dokumentiert hat, sollten Sie sich weiter keine Gedanken machen. Die Hühner waren deliziös, und der Sekt auch eine gute alte Marke, die er schon lange im Keller haben muß. Sonst gibt es das nicht mehr in dieser Qualität. Ist jedenfalls hochanständig, daß er das so arrangiert hat.
Laue trat zu ihnen, und bot Zigarren an. Und da faßte Bröse nach seiner Hand und sagte:
– Wissen Sie, Laue, ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube – also: ich freue mich! und Sie sind ein ganz prächtiger Kerl. Nehmen Sie es sich nicht weiter zu Herzen. Es ist uns allen nicht besser gegangen. Sie will einfach nicht, auch von einer Heirat nichts wissen. Mich könnte sie jeden Augenblick haben; aber sie will nicht, will frei bleiben. Da machen Sie nun mal mit einer Frau was.
– Ich werde schon nicht an gebrochenem Herzen sterben, sagte Laue ruhig. Machen Sie sich keine Sorgen. Aber ich glaube es wäre gut, wenn wir nicht mehr davon sprechen. Ich habe Schluß gemacht. Sela!
– Gott! Ihnen steht ja auch die Welt offen. Es wird manch ein junges Mädchen geben, das Ihnen mit Freuden die Hand reichen wird.
– Mir eilt es nicht damit. Ich fühle mich auch so ganz glücklich.
– Das sagt Eveline auch, fast mit denselben Worten. Aber glauben Sie mir: wenn man älter wird, tut es nicht gut, so einspännig durchs Leben zu gehn, da sehnt man sich nach einem zweiten Menschen. Und das ist bei mir mehr als je zurzeit der Fall.
Der Justizrat schwieg und sog an seiner Zigarre, und Laue sah ihn mißtrauisch von der Seite an.
Und plötzlich stieg ein Gefühl unbändiger, wilder Eifersucht in ihm auf, und es lag ihm auf der Zunge, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, die volle, brutale Wahrheit.
Was denn? dieser ältere Herr und Eveline? – Nein, nein! Ehe das geschah ... er wußte nicht, was dann sein sollte, er wußte nur das eine, das durfte nicht kommen, niemals.
Und er sah sie vor sich, wie sie an jenem Nachmittage im Boote ihm gegenüber gesessen, wie sie sich lachend zurücklehnte, daß alle Formen ihres Körpers sich unter dem leichten Sommerkleide abhoben. Er fühlte diesen Körper, den er im Arm gehalten hatte, und brüsk erhob er sich, um dem Manne, der da mit einem so vielsagenden, schmunzelnden Lächeln um die Lippen vor ihm saß und sich der scheinbaren Niederlage des Gegners freute, nicht brutal zu sagen, wie es in Wirklichkeit stand.
Aber er hatte nichts davon. Denn die Frau, an die sie beide dachten, wollte ja nichts mehr von ihm wissen.
Sie hatte ihn von sich gestoßen. Sie hatte ihm den größten Schimpf angetan, den eine Frau einem Manne nur antun konnte, hatte ihn voller Verachtung in das Gesicht geschlagen.
Nun hätte er wohl allen Anlaß, dieser Frau Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Statt dessen hatte er diesen Banausen, die nichts begriffen, die da meinten, ein Mann könne es fertig bringen, sich je genossener Gunst zu rühmen, oder gar seinen Sieg öffentlich zu proklamieren, heute Sekt zu trinken gegeben, um sie glauben zu machen, daß er der verlierende Teil war.
Welch ein Hohn lag darin! ...
Und dieser Justizrat saß da mit schmunzelnden Lippen, und dachte vergnügt, wie sehr er nun Hahn im Korbe sei, und ahnte nicht, daß er schon im voraus der alberne Hahnrei war, der er zu sein verdiente.
Eine wilde Erbitterung keimte in ihm auf, und er hätte diese Banausen am liebsten zum Tempel hinaus gejagt, – aber das konnte er nicht. Sie waren ja seine Gäste. Und er mußte sie weiter höflich behandeln, als seine lieben Freunde, die sie waren.
Innerlich war er geladen, da hätte er ihnen gerne seine ehrliche Meinung gesagt.
Aber er mußte aushalten, und still sein. –
Hastig stürzte er ein paar Gläser Sekt hinunter, aber dann riß er sich zusammen. Das ging nicht, – so gern er sich auch betäubt hätte, – er mußte seinen klaren Kopf behalten, sonst brach es ihm doch noch von den Lippen, was für Idioten sie sein mußten, wenn sie glaubten, dieses Sektgelage dokumentiere seine Niederlage. –
Und er atmete auf, als sie endlich gingen; denn sie merkten wohl, daß er zerstreuter war als sonst.
Unten aber sagte Wiluda zu Illgen:
– Ja ja, so sehr angenehm war es dem guten Laue heut doch nicht zu Mute, daß er seinen Mißerfolg so eingestehen mußte.
– Ich glaube fast, er hat sich aus unserer lieben Freundin mehr gemacht, als wir alle denken – sagte Mandy, der den ganzen Abend Kurt Laue beobachtet hatte. Da stimmt etwas nicht.
– Was soll denn da nun wieder nicht stimmen? Um Gottes willen, wenn die Herren Psychologen erst anfangen, eine ganz simple Sache zu zergliedern. Lassen Sie die Hand davon, Verehrtester. Er hat einfach einen Moralischen. – Angenehm ist das nie, wenn man sich blamiert hat.
– Sie haben mit Ihrem gesunden Menschenverstande wieder einmal vollständig recht, Seveke, sagte Mandy ruhig. Was kein Verstand der Verständigen ...
– Sie! Mandy! – ich bitte mir aus: keine Anzüglichkeiten!
– Sollte es wahrhaftig nicht sein, – Aber trotzdem, es war ein sehr netter Abend. Das könnte man doch öfter haben.
– Gewiß, schließen Sie nur häufiger solche Art Wetten, wobei wir die unbeteiligten Zuschauer sind, und zum Schlusse als die Genießer dastehen. Mir soll das sehr recht sein. Hier trennen sich wohl unsere Wege. Und damit wohl zu schlafen allerseits! ...