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Der alte Buchberger Hans saß auf der Hausbank und ließ sich so behaglich wie die Katze neben ihm die warme Märzensonne auf den Pelz brennen. Auf dem Dache zerging der letzte Schnee, und eintönig plätscherte es von der Rinne auf die Kieselsteine. Drüben am Waldrande lag schon ein grüner Schimmer über den Sträuchern, und dem Hans kamen fröhliche Gedanken von schönen Tagen und Wiederaufwachen aus langem Schlafe.
Zufrieden patschte er sich auf das linke Knie und rieb ein wenig daran.
Das war auch wieder gut geworden; viel besser, als er geglaubt hatte nach dem bösen Fall im vorigen Jahre.
Hätte leicht steif bleiben können, und das wäre ihm hart gefallen in seinen alten Tagen, und weil er ja auch noch arbeiten wollte neben den Jungen in dem kleinen Haushalte, der jede Beihilfe brauchen konnte.
Aber so war es nun wieder recht geworden. Der Unfall zahlte ihm fünfzehn Mark alle Monate, und weiß Gott, wie wohl ihnen das Bargeld tat, wenn es noch so wenig war, und faulenzen brauchte er deswegen doch nicht.
Er schlenkerte mit dem Fuß und streckte ihn wieder geradeaus.
Es ging schon, jawohl, und vor ein paar Tagen war er mit dem Jungen auch auf der Bergwiese droben gewesen und war rechtschaffen müd geworden.
Aber es ging und wurde alleweil besser.
Alleweil besser.
Da schau her! Den sonnigen Hang herauf kam ein Spaziergänger, ein städtischer Herr, der oft stehenblieb und ausschnaufte.
Tat halt einem jeden wohl, Wärme und Sonnenschein.
Jetzt nahm der Herr den Hut ab und trocknete sich die Stirne.
Der sah beinahe aus wie der Bezirksarzt mit seinem langen Vollbart, und so groß und breitschultrig war er auch.
Richtig, da fiel dem Buchberger ein, daß die Leitnerbäuerin krank war, und vielleicht ging jetzt der Doktor zu ihr …
Und war schon so.
Von weitem schon lachte der Bezirksarzt freundlich, wie er den Alten erkannte, und der Hans stand auf und grüßte höflich.
»Das is ja der Buchberger? Grüß Gott! Darf ich mich a bissel hersetzen?«
»Ja freili, Herr Bezirksarzt! Oder soll i an Sessel außa hol'n?«
»Na! I sitz gut g'nug.«
»Gengan S' g'wiß zum Leitner aufi?«
»Ja … mhm … no, wie geht's Ihnen?«
»Guat … Herr Bezirksarzt … Bin wohl z'fried'n …«
»Das hört man gern … ja! so ein alter Veteran laßt nicht aus!«
Der leutselige Bezirksarzt klopfte dem Hans auf die Schulter und schaute ihm mit herzlichem Wohlwollen in die Augen.
»Sie sind ja noch einer von Anno siebzig?« fragte er.
»Siebazgi und sechsasechzgi.«
»Und Sechsundsechzig! Allen Respekt! Da haben Sie was durchg'macht im Leben!«
»Ja … dös ko ma wohl sag'n.«
»Fürs deutsche Vaterland!«
Und der freundliche Mann tätschelte wieder den braven alten Soldaten auf die Achsel.
»No, von sechasechzgi kann i net viel prahl'n,« sagte der Hans. »Da san ma de mehra Zeit retariert, weil si koa Mensch net auskennt hot und überhaupts …«
»Ja … ja … der Bruderkrieg!« sagte der Arzt lächelnd.
»Aba … siebazgi! Sakera Hosenzwickl! Da hamm s' as ins dafür ei'kocht! I bin bei Wörth dabeig'wen und bei Sedan … und nacha bei Orleanß hinten! Bei Kulmirs hamm s' an Major Gruaba neben meiner aufi g'schoss'n, und i und da Hage Pauli, mir hamm an im größt'n Feuer z'ruckbracht … und hab aa 's Eiserne Kreuz kriagt für dös und bin belobigt wor'n vorn ganz'n Regament …«
»Ja, was Sie sagen!«
Der Bezirksarzt streckte dem eifrigen Alten seine Hand hin. »Respekt – Buchberger! Ein deutscher Ritter des Eisernen Kreuzes! Da müssen wir Jüngeren den Hut ziehen!«
»No ja! Es hätten's eigentli alle vadeant, denn was mir selbigsmal durchg'macht hamm, dös war a wengl hart … und i sag's oft, de junga Leut achten's nimmer a so, aba es hat scho was braucht!«
»Ja, die jungen Leute! Die werden von den sozialdemokratischen Zeitungen vergiftet. Das findet man nicht mehr, wie früher … diese … diese Einfachheit und … ah … diese … diese Vaterlandsliebe …«
»Gel? I sag's aa'r alleweil! De Patriot'n san nimmer gar so viel! Und wenn ma was sagt, wurd ma glei ausg'lacht von de Grasteufl! …«
»Es ist schlimm, Buchberger! Schlimm! Aber ein alter Soldat, wie Sie, der laßt sich nicht irrmachen …«
»Ja, was waar denn net dös? I laß net aus.«
»Einer von der alten Garde! Han?«
»Und de Erinnerung gab i net her … dös derfen S' g'wiß glaab'n, Herr Dokta … Sakera Hosenzwickl … wia mir einmarschiert san …«
»In Paris? Was?«
»In Paris net; da bin i net dabeig'wen, weil inser Regament heraußd bleib'n hat müass'n … aba in Münk'n … do bin i nobl mit …«
»Vor dem Kronprinz'n?«
»Und an Kini; vor der Feldherrnhalle san ma an eahm vorbei …«
»Parademarsch? …«
»Dös glaab i! Neig'haut, daß d' Stoa g'wackelt hamm!«
»Eins … zwei! Eins … zwei …! Ob's heut noch ging, Buchberger?«
»Probier ma's!« lachte der Alte und sprang von der Bank auf und nahm die Hände an die Hosennaht. Augen links! nach dem Bezirksarzt, und eins und zwei … eins und zwei … und es ging noch.
Freilich nicht mehr so stramm, daß die Steine wackelten, aber ganz passabel, daß der joviale Arzt in die Hände patschte und herzhaft lachte.
»Bravo, Buchberger!« rief er, als sich der Hans wieder setzte und patschte ihm urkräftig auf das Knie … »ja, ihr alten Veteranen, ihr seid aus einem andern Stahl als wir!«
»Woaß net,« sagte der Hans, »i g'spüret's glei im Hax'n …«
»I wo! Sie sind ja marschiert wie ein Gardeleutnant … also, jetzt muß ich aber gehen – es hat mich recht g'freut …«
»Mi scho aa, Herr Bezirksarzt, und kehren S' wieder amal zua! Adjes!«
»Dös is a liaba Mo!« sagte er noch vor sich hin, als sich der Doktor langsam entfernte – »a ganz a g'führiger Mo!«
Eine Woche später, und es war schlechtes Wetter, regnete und schneite durcheinander, brachte der Postbote dem Buchberger ein Schreiben, das sich der Länge und Breite nach amtlich ausnahm und auch einen Stempel trug.
»Geh, Alte, hol mir mei Brill'n!« Als er sie bedächtig aufgesetzt und das Schreiben geöffnet hatte, las er langsam die Mitteilung, daß ihm die monatliche Unterstützung von fünfzehn Mark entzogen werde … entzogen werde … indem daß der Königliche Bezirksarzt Dr. Stierlinger sich persönlich davon überzeugt habe … daß genannter Buchberger von den Folgen des Unfalls gänzlich geheilt sei und nicht die geringsten Beschwerden … Beschwerden am Fuße mehr verspüre …
Ah!
Ja … Himmel … Herrgott …