Ludwig Thoma
Der Ruepp
Ludwig Thoma

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Fünftes Kapitel

Wie der Ruepp in seiner Kammer allein war und auf dem Bettrande sitzend vor sich hin stierte, machten ihn seine Gedanken verzagter als alle scharfen Worte der Leni.

Seine Schulden standen mahnend vor ihm, seit ihm eine davon so widerwärtig in Erinnerung gebracht worden war, und er hielt über seine Gläubiger eine ängstliche Musterung ab.

Da war der Pfäffel von Glonn, dem er die dreihundertfünfzig Mark, die vom Gerichtsvollzieher weggenommen worden waren, fest versprochen hatte, und er wußte, daß der Unterhändler sich nicht leicht noch einmal vertrösten lassen werde.

Und dem Müller Lenz von Aufhausen war er an die fünfhundert schuldig, und dem Wasserburger pressierte es ganz gewiß mit dem Rest, der auch beinahe sechshundert ausmachte.

Der Ruepp dachte an alles mögliche, aber bloß nicht daran, wie er auf seinem gefährlichen Wege umkehren und durch Schaffen und Sparen allmählich wieder auf gleich kommen könne. Das ging langsam und mühevoll, die Zahlungen aber drängten. Was blieb also übrig, als bei andern Hilfe suchen?

Unter den Weidachern war keiner, der ihm das Vertrauen schenken würde. Nicht ein einziger. Was der Lukas geradeheraus gesagt hatte, das dachten die andern, und ein Ersuchen von ihm hätte bloß zu heimlichem Gerede geführt; die einen gönnten ihm die Verlegenheit, den andern war sie gleichgültig, und alle hatten sie schon lang vorausgesehen.

Aber wo wollte er sonst Hilfe kriegen? Wieder von einem Unterhändler? Das hieß ein größeres Loch aufmachen, um das kleinere zuzuschütten.

Und doch! In Gott's Namen!

Er schaute stumpfsinnig zum offenen Fenster hin und achtete nicht auf den blauen Himmel, der übers Scheunendach zu ihm hereinsah, und nicht auf den Sonnenschein, der prall auf der weißen Stallwand lag.

Eine Hummel flog herein und brummte wie zornig in der Stube herum.

Fauler Bauer, was ist denn? Hinaus aufs Feld! Ist das auch noch eine Art, an einem solchen Tag da herin hocken und über Geldtäuschlereien nachsinnieren?

Aber die Gedanken des Ruepp nahmen keine andere Richtung.

Es handelte sich bloß darum, sich jetzt einmal geschwind aus der Klemme zu ziehen, und war's so weit, dann mußte er ja auch einmal Glück beim Handeln haben und konnte alles heimzahlen.

Das war genau so wie selbigesmal, wo ihm die Loni geholfen hatte.

Herrgott ja – die Alte!

Wenn er es doch noch einmal bei der probierte? Er konnte ihr ins Gewissen reden, daß sie soviel Jahre das beste Auskommen bei ihm gehabt hatte und dafür auch einen Dank schuldig geworden sei. Freilich hatte sie's ihm hartnäckig abgeleugnet, daß sie noch was habe, allein die Sprüche kannte er.

Selbigesmal war sie bockbeinig und zuletzt hantig gewesen, und sie hatte ihm ein paar Brocken hingeworfen, die er nicht gern verschluckte, aber jetzt war sie krank, und die Aussicht auf einen baldigen Tod hatte sie gewiß zugänglicher gemacht, wenn man ihr nur richtig ins Gewissen redete.

Der Plan gefiel dem Ruepp immer besser, je länger er darüber nachdachte. Er stand auf und öffnete die Kammertüre, um zu horchen.

Die Leni war mit der Bäurin in der Küche, und sonst war niemand daheim; so konnte er unbemerkt zu der Alten hinüber.

Er trat leise ein, und Loni, die über die hohe Bettdecke weg nicht zur Türe sehen konnte und in Gedanken verloren war, meinte, es sei die Bäurin, die wie gewöhnlich nach ihr umschaue.

Sie erschrak, wie der Ruepp ans Bett kam und bei ihrem Anblick ein freundliches, recht mitleidiges Lächeln aufsetzte.

Sie sagte aber nichts, sondern schaute ihn nur müde an.

Was er wollte, wußte sie auf der Stelle; das nämliche halt, was er jedesmal wollte, wenn er alle paar Jahr einmal zu ihr herüber kam.

»Wia geht's dir denn, Loni?« fragte der Bauer, und kein Geistlicher hätte es sanfter vorbringen können.

»Schlecht,« sagte sie.

»Hab's wohl g'hört, hab's mit an großen Bedauernis g'hört und ho's gar it glaab'n woll'n. D' Loni, hab i g'sagt, is a Zache, de gibt si so schnell it. Aba no, alt bischt halt aa, und g'rackert hast di deiner Lebtag, da is na z'letzt koa Wunder.«

»Is wohl koa Wunder . . .«

»Gel ja, Muatterl, sagst as aa. Aba den Trost hoscht, daß d' dei Sach allaweil richtig g'macht hast auf dera Welt, und bal ma dös mit Wahrheit sag'n derf, braucht ma si nix fercht'n . . .«

»M . . . hm . . . ja, bal ma's sag'n ko . . .« murmelte die Loni und der Ruepp hätte eine Anspielung darin sehen können, wenn er gewollt hätte.

Aber dazu war er viel zu barmherzig und mild aufgelegt.

»Bal dös überhaupts oani sag'n ko, bist as du. Dös Zeugnis muaß dir a jeda Mensch geb'n, und z'allererscht i. Und desweg'n glaab i's aa, du muaßt as drent schö kriag'n . . .«

»Des sell mach i liaba mit'n Pfarra aus . . .«

»Freili, aba mi sagt grad. I muaß dir alle Ehr geb'n und muaß dir aa vergelt's Gott sag'n für dein Fleiß und überhaupts für allssammete . . .«

»I dank dir schö . . .«

»Is net mehra wia mei Schuldigkeit. Du woaßt scho, was i moan . . .«

»I ko jetzt von dem it red'n,« sagte die Loni, und es klang trotz ihrer schwachen Stimme mürrisch. »Du muaßt as scho amal in Richtigkeit bringa,« setzte sie hinzu.

»Feit si nix, Muatterl. Für dös bin i scho da . . .«

»Du host ma's aba scho lang g'hoaß'n . . .«

»Scho, aba i hab mir denkt, du bleibst ja bei ins, und mir g'hör'n z'samm, net? Da kimmt's auf Zeit net o, bal's no sicher is . . .«

»M . . . hm . . . ja . . . bal's sicher is.«

»Werst na do koan Angst net hamm z'weg'n dem? Na . . . na . . . sell derf di gar it bekümmern. Schau, für di oder, wenn's scho Gott's Will'n is, für den, der no amal erbt, is ja der Hof guat . . . da ko ja nix fei'n . . .«

Die Alte wurde unruhig; die Gedanken, mit denen sie sich in den letzten Tagen soviel beschäftigt hatte, kamen über sie.

Sie zupfte an der Decke und sagte.

»An Notari habt's mir aa it g'holt.«

»Desweg'n bin i ja zu dir umma kemma . . .« log der Ruepp. »Wia ma's d' Bäurin g'sagt hat, han i mir denkt, ah was, dös pressiert wohl it. De alt Loni is halt a weng schwach und moant glei des Irgste; da hat's lang Zeit, han i mir denkt. Aba weil i jetzt siech, daß di de Sach wirkli druckt, is was anders, und jetzt sollst sehg'n, daß i dir z'liab all's tua. I fahr heunt no auf Dachau eini und hol an Notari . . .«

»Waar mir scho ganz recht.«

»Na . . . na, da gibt's nix. Ob mir jetzt a Fuhr mehra eina bringa oder net, auf dös geht's aa nimma z'samm. Du hoscht as wohl vadeant, daß ma dir all's tuat.«

»I dank dir schö . . .« sagte die Loni versöhnlicher.

»Is gern g'schehg'n; da braucht's koan Dank gar it. Na mach ma's a so, i fahr heut eini, und morg'n fruah werd na da Notari außa kemma. Soll i eahm dös glei o'geb'n, was da'r i schuldi bi?«

»Na . . . dös sag i eahm scho selm.«

»Sagst as eahm selm; ganz richti. No ja, i hab grad g'moant, weil du mir amal g'sagt hascht, daß du sinscht koa Geld it hascht . . .«

»I hab aa koa's . . .«

Die Loni sagte es hastig und abweisend.

»Grad desweng, schau Muatterl, i kannt ja nacha beim Notari zu'n Protokoi geb'n, auf wen daß du de dreitausad Mark übri schreib'n laßt. Na brauchat er am End gar it außa fahr'n und waar'n de Kost'n daspart . . .«

»Na, er muaß scho außa kemma . . .«

»Also nacha richt i's a so aus, daß er moring kimmt. Es g'schiecht akarat a so, wia's d'as du hamm willst. Nacha gilt's scho . . .«

Die Loni glaubte, daß jetzt genug darüber geredet sei, und drehte den Kopf nach der Wand zu, aber der Ruepp zog jetzt gar den Stuhl ans Bett und hockte sich hin.

Sie wußte jetzt, daß das eigentliche noch kam.

»Ja . . . ja . . .« seufzte der Bauer. »So geht's auf dera Welt. Mir waar's glei liaba, i liegat an deiner Statt, und du waarst g'sund und frisch auf de Füaß . . .«

Die Loni regte sich nicht.

»Was hat ma denn?« fuhr der Ruepp fort. »Muaßt di schind'n und plag'n und hast nix als wia Sorgen und Kümmernis. An jeden Tag waar's mir recht, wenn's gar waar. I verlangat mir wohl koa länger's Leb'n. Es is nix, als wia'r a Marterei . . .«

Die Alte gab keine Antwort.

». . . Ja . . . ja . . . bal si oana rühr'n kunnt, waar's was anders, aba bal oan d' Händ bunden san, bist und bleibst der Narr deiner Lebtag. Und kannt ma si oft mit so weni helfa, aber na, es helft oan koa Mensch, und ma bleibt der Fretter . . . was hast g'sagt?«

»Nix . . .«

»I ho g'moant, du hast was g'sagt. Ja mei Muatterl, i bin dir neidi um 's Kranksei, derfst d'as g'wiß glaab'n . . .«

»I glaab's net . . .«

»Warum net? Was han i denn davo, daß i beim Tag umanand geh mit de Kümmernis und bei da Nacht it schlaf vor de Sorg'n?«

»Hätt'st d' bessa g'haust!«

»Jetzt hast was g'sagt. Bessa g'haust. No ja, ma sagt it vo dem, daß ma si a diam an Pfenning derspar'n hätt kinna, aba vo dem kimmt's net, sondern weil oan d' Händ bunden san.«

Er schwieg und sah die Alte lauernd an, aber sie wandte sich nicht um, und es schien fast, als wäre sie eingeschlafen.

Da nahm sich der Ruepp einen festen Anlauf und räusperte sich zuerst.

»Siehgst, Muatterl, i sag dir's ganz aufrichti, i siech mir koa Hülf nirgends als wia bei dir.«

Das Muatterl rührte sich auch darauf hin nicht.

»I hab mir a so denkt, siehgst, i hab ma denkt, wo waar i denn hi'kemma, wann d' ma du selbigsmal net g'holfa hättst, aba so is guat wor'n, weil'st ma du g'holfa hoscht.«

Die alte Loni drehte sich jetzt um und schaute den lüderlichen Menschen ernsthaft an.

»Was is denn guat wor'n?« fragte sie.

»Allssammete. Du woaßt gar it, was du selbigsmal to hoscht für mi und für ins alle mitanand. I waar nimma auf d' Füaß kemma, dös ko da'r i sag'n, so hamm mi de Wuacherer bei da Gurgl g'habt . . .«

Die Alte wandte den Blick nicht von ihm ab, und sie sah viel mehr, als der armselige Lügner glaubte. Daß es keine Hilfe gab für einen, der so von innen heraus verfault war wie der; sie war so müd und abgeschlagen, daß sie seine Worte kaum verstand, aber auch wenn sie bei ihren Kräften gewesen wäre, hätte ihr sein Reden fremd und sinnlos geklungen, denn zwischen Redlichkeit und Unehrlichkeit gibt es kein Verstehen. Sie hatte sich auch damals nicht von ihm täuschen lassen, sondern hatte der Bäuerin und den Kindern zulieb geholfen.

Der Ruepp glaubte aber, daß er das schwache Weibel schon halb herumgebracht habe, und lächelte sie schmerzlich an.

»Und heut,« sagte er, »heut is net viel anderst wia selbigsmal, und da woaß i mir koan Ausweg nimmer und muaß halt wieda zu dir kemma und frag'n, schau Muatterl, magst mir denn gar it helfa?«

»I hab nix mehr . . .«

»Geh zua, bal mi so dro is wia du, soll mi an Menschen, der wo in seiner Kümmernis zu oan kimmt, net a so abspeis'n. Schau, was hoscht denn davo? Bei mir tuast a guat's Werk und tuast as net mir alloa, sondern aa der Bäurin und alle, de wo mit dir g'lebt hamm und san freundli g'wen zu dir und hamm dir all's to. Du bischt do im Haus net als wia'r a Deanstbot g'wen, du hoscht do dazua g'hört. Folgedessen hat's di do ganz anderst o'ganga, was ins betrifft, und geht di aa heut no anderst o . . .«

»I hab nix . . .«

»Dös muaßt it sag'n . . .«

»Warum net?«

»Weil's it wahr is, schau, und weil ma net lüag'n soll, bal ma amal so dro is wia du, Loni.

Und was hoscht denn von dem Geld? Is dös vielleicht recht, wann's oana kriagt, der wo si nia um di bekümmert hat? Und de Leut, bei dena du dös beste g'habt hoscht, de ganga laar aus? Bal's a so kimmt, Loni, was müassen denn mir von dir denga, und was für a Nachred kriagst du auf de Weis' bei ins? Macht dös gar nix aus? Is dös allssammete gleich?«

»Was i hab, kriagt koa Fremda . . . und jetzt laß mir amal mei Ruah!«

»Kriagt koa Fremder, sagst? Ja, wer kriagt's denn nacha? D' Bäurin hat mir amal was g'sagt, daß du an Michi dei Sach geb'n mögst. Gegen dös sag i ja nix, aba du muaßt na do a weng an dös denga, was i für'n Michi g'leist' hab bis jetzt, und wann er amal geischtli werd und für di extra beten und meßles'n ko, hoscht du dös net mir zum verdanka? Und bal du mir jetzt net hülfst, und i ko eahm net weida studiern lass'n, hat dös an Sinn? Du stehst dir ja selm im Weg. Er soll's kriag'n, aber spater; jetzt kunnt'st du mir damit helfa und durch dös aa'r an Michi. Du muaßt richti denga, Muatterl, schau . . .«

»Mei Ruah möcht i; i bin so viel müad . . .«

»Sagst wohl, du mögst a Ruah hamm; moanst d', i hab oani, wann i jetzt furt geh und siech, daß d' ma du aa 'r it helfa willst? . . .«

»I hab nix . . .«

»I woaß anderst, Loni. I woaß, daß du a Geld hoscht . . .«

Die Alte hatte sich trotz ihrer scheinbaren Ruhe so aufgeregt, daß sie mit den Händen in fiebriger Hast über die Decke strich; es wurde ihr ganz ängstlich zumute, und sie fing zu weinen an.

Der Ruepp stand auf. Er war doch erschrocken über das, was er angerichtet hatte, und da er nicht mehr daran glaubte, daß er seinen Zweck erreichen könne, wollte er gehen.

Als er sich umwandte, stand seine Bäuerin vor ihm; er hatte ihr Eintreten nicht bemerkt und war nun etwas verwirrt.

»Was tuast denn du?« fragte sie hastig und arg bestürzt.

Darüber ärgerte er sich und fand seine Fassung wieder.

»Was wer i toa? Nachschaug'n halt, wenn's verlaubt is. Bal's d' mir du jeden Tag vorjammerst, daß i ei'spanna soll und auf Dachau fahr'n, wer i wohl nachschaug'n derfa, ob's wirkli so pressiert.«

»Hätt'st du it mi frag'n kinna?«

»I hab 's selm sehg'n woll'n. Verzählt hoscht ma's oft gnua.«

»Da Dokta hat eigens g'sagt, ma soll d' Loni it aufreg'n . . .«

»Waar scho an Aufregung, bal ma si nach oan erkundigt. I hab ihr versprocha, daß i heut auf Dachau fahr . . .«

»Du?«

»Ja, – i . . .«

Er sagte das unwirsch und ging schnell zur Türe hinaus; das Getu war ihm zuwider, und vor allem wollte er darüber keine Fragen hören, warum sich die Alte so aufgeregt zeige.

»Hast du g'woant, Lonimuatta?« fragte die Rueppin.

»I ho mi so g'forcht'n . . .«

»Vor eahm?«

Die Alte nickte, und die Bäuerin setzte sich neben sie und streichelte ihre Hand.

»Er is do it grob g'wen mit dir?«

»Na . . . grob it . . .«

»Aber er hat was woll'n?«

»Woaßt d' as ja so.«

»Na . . . na . . . i han koa ruhige Stund nimma im Haus. An all's hätt i denkt, aber an dös it, daß er zu dir umma geht und di plagt . . .«

Jetzt kamen der Rueppin die Tränen, und sie wischte sie mit dem Schürzenzipfel ab.

»Was werd no all's über mi kemma?« schluchzte sie.

»Laß guat sei!« tröstete die Alte. »Er werd halt wieda Schuld'n hamm . . .«

»Wenn oan scho da G'richtsvollzieher ins Haus lafft!«

»Da . . . G'richtsvollzieher?«

»Ja, vor a Stund is er da g'wen, und grad halt, daß er eahm a paar hundert Mark geb'n hat kinna, sinscht waar'n mir gar no pfänd't wor'n . . .«

»Bist an arm's Leut . . .« sagte Loni und hob den Kopf mühsam ans den Kissen. »Du hast aa nix guat's derrat'n . . .«

»Wohl nix guat's. Ma tat ja all's gern, und waar mir koa Arwat net z'viel, aba d' Schand aushalt'n, des sell is dös Irgst . . .«

»Jetzt woan net a so! Vielleicht geht's do no besser außi, als ma moant . . .«

»I siech koan Ausweg net. Er werd net anderst, und er gibt koan Ruah, bis net all's hi is . . .«

Die Loni mußte ihr nur allzu recht geben und konnte sie nicht trösten.

Sie sah zum Fenster hin, durch dessen obere Scheibe die Sonnenstrahlen in die Stube herein fielen.

»Hat's a schön's Weda für d' Arndt?« fragte sie, um die Bäuerin auf andere Gedanken zu bringen.

»J – ja . . .«

»Werd da Kaschpa froh sei . . .«

»Bei ins is neamd froh . . .«

»Du muaßt it ganz verzag'n, Afra. Dös machat all's no schlechta, und schau, es is nacha do viel wert, daß da Kaschpa a ganz an anderner ist. Bal an Bauern 's Wassa recht an Krag'n geht, übergibt er vielleicht, und nacha kannt all's no bessa wer'n . . .«

»Ja . . . ja . . . bessa . . .«

»Warum it? I kannt mir denga, daß er an Hof hergab durch dös, bal eahm d' Leut scho mit'n G'richt kemma . . .«

»Vielleicht . . . ja . . .« die Bäuerin seufzte tief auf. »Aber du sollst net so viel red'n, und i derf di mit meine Kümmernis net aa no plag'n . . . I bin umma kemma, weil i dir sag'n hab woll'n, daß da Michi auf Dachau eini radelt zum Notari.«

»Da Michi?« Die Alte lächelte freundlich. »Sagst eahm vergelt's Gott von mir.«

»Aba jetzt will ja er eini fahr'n . . .«

»Dös braucht's nacha nimma; bleibt ja 's Roß für d' Arwat dahoam. Na . . . na . . . dös braucht's nacha net; sag's eahm no, daß da Michi einifahr'n will . . .«

Loni sprach wieder ganz aufgeregt.

»Heb di no staad, i sag's eahm glei . . . und auf dös gib i aa Obacht, daß er nimma zu dir eina kimmt. Brauchst di net ängsten . . .«

»Is mir scho liaba, bal er net kimmt.«

»I mach's scho; dös versprich i dir . . . und jetzt pfüad di Good, Lonimuatta!«

»Bfüad di . . . und an Michi sagst vergelt's Gott . . .«

Die Rueppin traf den Bauern im Hof, wie er den zweisitzigen Bernerwagen herausschob.

»Du brauchst it auf Dachau,« schrie sie ihm schon auf zwanzig Schritte zu.

»Was is?«

»Auf Dachau brauchst net eini fahr'n. Radelt scho da Michi eini.«

»Dös werd mei Sach sei, was i toa will; da Michi soll no draußd a weng mithelfa, i fahr jetzt amal.«

»Braucht ma ja 's Roß z' notwendi . . .«

»Dös han i allaweil g'sagt, und do hascht dageg'n g'redt. Jetzt weil i nachgeb'n hab, bracht'st d' as du wieda anderst daher. Dös waar ja a Lipperlg'spiel . . .«

»Jawoi is oans, wenn der ander mit'n Radl eini fahr'n ko, und du nimmst's Roß von der Arwat weg. Muaß ja dir aa recht sei, bal mir mit'n Einafahr'n koan Aufenthalt hamm.«

»Nix da! I ho's amal g'sagt und ho's der Alt'n versprocha, und bei dem bleibt's . . .«

»Versprocha . . . ja! I woaß scho, z'weg'n was du bei da Loni drent g'wen bist. Daß di du gar it schamst! Bringt er dös alte Leut in de größt Angst . . .«

»Was is dös für a G'red, für a dumm's?«

»Hat sie's net g'sagt zu mir, daß sie si fei g'forchten hat vor deina?«

»An Schmarrn hat s'. Han i net auf dös allerbeste g'redt mit ihr? Jetzt kam sie mit'n Fercht'n daher, de Loas, de dappige!«

»Schimpf no! Du woaßt recht guat, daß 's wahr is. Hoscht du dös it gesehg'n, daß de Alt g'woant hat? Und z'weg'n was? Gel, du woaßt as guat gnua?«

»Nix woaß i. Bal sie ihra Sach nimma beinand hat und z'weg'n nix 's Woana o'fangt, was geht denn dös mi o?«

»Ja, und bal du ihr a so zuasetzt, daß sie dir a Geld geb'n soll, waar's da a Wunda, daß si a kranke, alte Person fürcht? Derf ma's ja gar it sag'n, was si de denkt hat.«

»Sag's no! Is oa Dummheit wia de ander. Herrgottsaggerament! Da hört si do scho allssammete auf. A ganze Woch her muaß i de Bengserei hamm, geh, fahr eini! Geh, hol ihr do an Notari! Geh, tua 'r ihr do den G'fall'n! Und nacha bin i da Lapp und geh ummi und frag s', ob 's ihr wirkli a so pressiert, und nacha bracht 's der alte Scherb'n a so außa, als wann sie si fercht'n hätt müass'n. Dös is ja a Narrenhaus!«

»Ja, bal's net no was schlechter's is. I brauch dir nix sag'n, und bal's d' a schimpfst, du woaßt as do!«

»Nix woaß i, und jetzt hamm ma ausg'redt, Herrgottsaggerament!«

»Oha! Was is denn?« fragte Kaspar, der mit Michel in den Hof herein gekommen war.

Weiter hinten zeigten sich schon die Dienstboten.

»Ah nix,« antwortete die Rueppin, die keinen Auftritt haben wollte. »I hab an Vata bloß g'sagt, daß da Michi auf Dachau eini radeln will; sinscht waar er eini g'fahr'n.«

»Gar nix sinscht! I fahr eini, wia'r i's g'sagt hab.«

»Zu was denn?« fuhr Kaspar hitzig auf. »Z'weg'n was denn an Gaul nehma, bal der Michel 's Radl hat?«

»Weil i's g'sagt hab, sag i.«

»D' muaß na do scho a Vastand dabei sei beim Sag'n. Bal ma 's Roß dahoam braucht, fahrt ma do it zu da Gaudi umanand.«

»I gib dir na scho a Gaudi! Hat mi net d' Muatta sechstausadmal bitt um dös?«

»Bal's aber anderst so leicht geht!« beschwichtigte die Rueppin.

»Heut a so und morg'n a so . . . I gib enk koan Narr'n net ab,« schrie der Bauer. »Jetz is amal g'sagt, i fahr, und gar is, und da Herr bin i da auf'n Hof.«

»Ja, bal di da G'richtsvollzieher net außi schmeißt!«

Kaspar achtete in seinem Zorn nicht mehr darauf, daß die Dienstboten seine Worte hören mußten.

Und jetzt war auch der Ruepp außer Rand und Band.

»Bürschei! A so kamst du mir? Derfst du so was sag'n geg'n dein Vata? Derfst di du a so ausmanndeln gegen meiner? Du! G'hört 's Sach scho dei?«

»Mir net und dir aa bald nimma. Aba de Juden oder deine g'lumpat'n Spiaßg'sell'n, deine Unterhandla . . .«

»'s Mäu haltst!«

»Net halt i's,« schrie Kaspar sinnlos vor Wut und schmiß die Sense an die Stallwand, daß der Stil abbrach. »Und jetzt ko'st dein Dreck selber macha und eina bringa, bal's d' dir gnua g'suffa hoscht z' Dachau drin! I gib dir koan Hanswurscht'n ab, dir, daß d' as woaßt . . .«

»Aba Kaschba!« rief die Rueppin.

Der hörte aber nicht auf sie, sondern ging ins Haus und polterte über die Stiege in seine Kammer hinauf, wo er sich aufs Bett setzte und voll ingrimmiger Wut vor sich hin murmelte.

»Steht's it da umanand!« befahl die Rueppin den Dienstboten. »Da gibt's nix zum Schaug'n und zum Horcha!«

Sie folgten ihr, aber die Mägde lachten dabei heimlich vor sich hin, und der Zotzen-Peter drehte sich noch einmal an der Tür um und streckte den Hals neugierig nach dem Bauern hin, der neben dem Wagen stand und die Bäuerin und den Michel finster ansah.

»Geh zua!« sagte die Zenzl und zog ihn in den Flötz hinein.

»Dös kimmt davo,« sagte draußen die Rueppin.

»Ja, vom dumma Red'n, und bal ma de eigna Kinda aufhetzt.«

»I ho s' wohl it aufg'hetzt. Dös werst du it behaupten kinna . . .«

»Na, sag i. Wia stellt si denn der freche Kerl gegen meiner her?«

»Dös is net bloß von heut, dös woaßt du guat. Er hat aa Aug'n im Kopf und siecht allerhand.«

»Was siecht a?«

»Wia 's bei uns abi geht. Ko eahm dös gleich sei, daß an an solchan Tag als wia heut 's Roß für nix und wieda nix auf Dachau eini g'sprengt werd? Dös muaß do an Menschen vadriaß'n . . .«

»Is dös sei Roß oder dös mei?«

»Geh zua! Da hat 's Red'n koan Wert it, bal du oan net vasteh willst.«

»Wert hat's wohl koan, und jetzt fahr i erst recht, sinscht moant der Flegel, der grobe, er is da Herr, und i fürcht mi vor eahm . . .«

»Und d' Arwat bleibt liegen?«

»Ausg'redt is . . .«

Der Ruepp ging in den Stall und zog den Fuchsen heraus, den er selber einspannte.

Die Bäuerin wollte ihm noch gütlich zureden, aber er gab ihr nicht mehr an, setzte sich auf den Wagen und rappelte zum Hofe hinaus.

Michel war während des ganzen Auftritts still beiseite gestanden und sagte jetzt zur Mutter:

»I geh zum Kaschbar aufi und schaug, daß i'n wieda auf gleich bring.«

»Hoscht recht, Michi. D' Arwat muaß ja do g'schehg'n, und bal ma no so verzwidert is. I hätt' s' sunst a scho lang hintri schmeißen kinna.«

»Laß no guat sei, Muatta! Mir müassen alle a weng z'sammhelfa, nacha werd's scho geh . . «

»Ja . . . ja . . . es werd so geh', wia's geh' muaß.«


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