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König Bele stand im Hochsaal, gestützt aufs Schwert,
Und bei ihm Thorsten Wikingssohn, der Bonde wert,
Der zählt', sein Waffenbruder im Silberhaare,
Vielnarbig wie ein Runstein, fast hundert Jahre.
Sie standen, wie im Thale zwei Tempel stehn,
Geheiligt Heidengöttern, doch im Vergehn,
An deren Wänden Runen der Weisheit prangen,
Und die von Tagen künden, die längst vergangen.
Und Bele sprach, der König: »Die Nacht kommt her;
Der Met will mir nicht munden, der Helm dünkt schwer;
Das Leben rückt mir ferner mit seinen Bahnen,
Und näher scheint Walhall mir im Todesahnen.
»Drum rief ich meine Söhne und deinen her,
Gehören doch zusammen stets sie und er.
Ich will noch warnend mahnen der Aare jeden,
Eh' toten Mannes Zunge verlernt das Reden.«
Da traten in den Saal sie nun nach Befehl;
Der erste, Helge, blickte so scheu, so scheel;
Am liebsten mit den Priestern stets im Vereine,
Kam jetzt mit blut'ger Hand er vom Opferhaine.
Dann kam der junge Halfdan im Lockenhaar,
Der edel wohl von Antlitz doch weichlich war.
Ihm schien das Schwert am Gurt nur zum Spiel zu dienen;
Er, nach der Rüstung Recke, war Maid an Mienen.
Zuletzt, im blauen Mantel, trat Frithjof ein.
Er mocht' um Hauptes Länge wohl höher sein
Und glich, so neben ihnen, dem Tagsgefunkel
Bei ros'gem Frühlingsmorgen und Waldnachtsdunkel.
»Ihr Söhne,« sprach der König, »mein Tag sinkt hin,
Nun herrscht nach mir in Eintracht mit Brudersinn.
Eintracht macht stark, sie gleichet dem Ring der Lanze,
Die nichts ohn' ihn: die Eintracht erhält daß Ganze.
»Die Kraft bewach' als Hüter des Landes Thor,
Im Innern blüh' der Frieden im vollen Flor.
Das Schwert soll nur beschirmend den Feind bekriegen,
Der Schild vor Bauernscheunen als Thürschloß liegen.
»Sein Volk bedrücket nur ein bethörter Mann,
Denn das nur kann der König, was jenes kann.
Es muß der Wipfel welken, sobald dem Stamme
Das Mark verdorrt auf nacktem Gebirgeskamme.
»Vier Säulen stützen sicher des Himmels Rund –:
Der Thron ruht einzig nur auf Gesetzes Grund.
Geht Macht vor Recht am Thinge, muß Unheil kommen,
Denn Recht bringt Ruhm dem König, dem Lande Frommen.
»Die Götter, Helge, wohnen im goldnen Haus,
Doch nicht wie Schnecken enge so überaus;
So weit die Stimmen lauten und Sonnen lohen
Und die Gedanken fliegen, da sind die Hohen.
»Des Opferfalken Lunge täuscht oft genug,
Und manche Balkenrunen sind nichts als Trug.
Ein redlich Herz, o Helge, mit offnen Zügen,
Schrieb Odin voll mit Runen, die nimmer trügen.
»Sei hart nicht, König Helge, doch immer fest,
Wie ja der Schwerter bestes sich biegen läßt.
Es schmückt die Huld den Fürsten, wie Blumen Schilde,
Und mehr als Winterstrenge schafft Lenzesmilde.
»Zu Grund' geht jeder, dem es an Freunden fehlt,
Dem Stamm gleich, dem die Rinde wird abgeschält;
Wer freundreich, gleich dem Baume, der reich an Blättern,
Des Wurzeln Wässer tränken im Schutz vor Wettern.
»Sei stolz nur auf die Ehre, die du gewannst;
Dein Bogen ist nur jener, den selbst du spannst,
Was kann dir frommen andrer begrabne Ehre?
Der starke Strom bahnt Weg sich durch weite Meere.
»O Halfdan, Frohsinn ziert auch den weisen Mann,
Doch Tändeln steht vor allem nicht Kön'gen an.
Im Met braut man zum Honig der Hopfen viele:
Nimm Stahl zum Schwert, o König, füg' Ernst zum Spiele.
»Zu vielen Witz hat keiner, ob Mann, ob Greis,
Doch weiß zu wenig jeder, der gar nichts weiß.
Den Dummen ehrt kein Hochsitz, dem Gast von Witze
Lauscht alles gern beim Feste, wo er auch sitze.
»Zum Waffenbruder, Halfdan, ist nah der Pfad,
wie fern auch seine Wohnung der treue hat;
Ob auch an deiner Straße, liegt doch dagegen
Der Hof des Feindes immer weit abgelegen.
»Nicht jedem traue, welcher von Treue spricht:
Das leere Haus steht offen, das reiche nicht.
Wähl'
einen Freund, der Treue dir mag bewahren:
Was dreie wissen, wird auch die Welt erfahren.« –
Und Thorsten trat hervor nun: »Das soll nicht sein,
Daß ich zu Odin lasse dich gehn allein,
wir teilten, König Bele, stets Lust und Leiden,
Im Tod auch, hoff' ich, bleiben vereint wir beiden.
»Sohn Fritjof, sieh, das Alter, das raunte mir
Ins Ohr so manche Warnung, vernimm sie hier.
Auf Grabhöh'n, wohnt im Norden hier Odins Rabe,
Wie auf dem Mund des Greisen des Wortes Gabe.
»Vor allem ehr' die Götter! Nur sie verleih'n
Unglück und Glück, Sturmwetter und Sonnenschein.
Geheimste Tiefen wissen sie zu erkunden
Und lange Jahre büßen die Schuld von Stunden.
»Gehorch dem König! Einem gebührt die Macht,
Wie tags am hohen Himmel
ein Auge wacht.
Der Bess're folgt dem Besten, weiß nichts von Neide.
Scharf Schwert bedarf des Griffs auch, nicht bloß der Schneide.
»Wohl ist Geschenk der Götter des Kriegers Kraft,
Doch sonder Klugheit selten sie Segen schafft.
Ein Mann erschlägt den zwölfmal so starken Bären,
Schutz vor Gewalt mag Schild und Gesetz gewähren.
»Furcht weckt der Stolze wenig, Haß überall,
Und Hochmut kommt, o Frithjof, stets vor dem Fall.
Hoch sah ich manchen fliegen, des jetzt die Krücke;
Die Luft gebeut den Saaten, der Wind dem Glücke.
»Den Tag, o Frithjof, preise vorm Abend nie,
Bier nach dem Trunk, den Rat nur, wenn er gedieh;
Der Jüngling trauet arglos so manchem Dinge,
Erst Not erprobet Freunde und Kampf die Klinge.
»Vertrau nachtaltem Eise und Lenzschnee nie,
Der Schlang' im Schlaf', dem Lieb nicht auf deinem Knie,
Denn Weiberlaune läßt sich von keinem zügeln,
Und Wankelmut nur wohnet in Lilienhügeln.
»Du selber stirbst, und alles, was dein, verweht,
Doch weiß ich eines, Frithjof, was nicht vergeht:
Das ist der Ruhm des Recken, der ging zur Ruhe,
Drum wolle nur, was edel, was recht, das thue!« –
So warnten ernst die Greise im Königssaal,
Wie Skalden später sangen im Hawamal.
Geschlecht hat nach Geschlecht fromm gelauscht den Worten,
Der Wind raunt sie an Grabhöh'n noch nächtens dorten.
Drauf sprachen ferner beide manch herzlich Wort
Von ihrer treuen Freundschaft, berühmt im Nord,
wie tapfer sie zusammen allzeit gehalten
In Freud' und Leid, gleich Händen, wenn sie gefalten.
»Sohn, Rücken gegen Rücken wir hielten Stand,
So war ein Schild der Norne stets zugewandt.
Nun eilen nach Walhalla vor euch wir Alten,
Mag stets der Geist der Väter in euch auch walten.« –
Und viel noch sprach der König von Frithjofs Mut,
von Heldenkraft, die mehr sei als Königsblut,
Und viel von Glanz sprach Thorsten, der ewig kröne
Des Nordens hohe Fürsten, die Asensöhne.
»Und wollt ihr drei getreulich zusammen stehn,
Dann wird euch überwunden der Nord nie sehn,
Denn Kraft und Königshoheit, vereint mit Milde,
Ist wie der blaue Stahlrand am goldnen Schilde.
»Grüßt nun die Rosenknospe, mein Töchterlein,
In Stille aufgewachsen, wie das soll sein;
Umhegt sie, daß wenn Sturmwind sie auch umwüte,
Er an den Helm nicht hefte die zarte Blüte.
»Dir, Helge, übertrag' ich des Vaters Macht:
Ingborg sei dir wie Tochter, hab ihrer acht,
Zwang reizt den Sinn der Edeln, doch sanfte Lehre
Lenkt Weib und Mann, o Helge, zu Recht und Ehre.
»Wölbt nun uns an der Meerbucht der Hügel zwei,
Daß einer gegenüber dem andern sei.
Die Geister werden gern dann den Wogen lauschen,
wenn wie ein Heldenlied sie am Strande rauschen.
»Streut aufs Gebirg' der Mond dann den bleichen Schein
Und netzt der Tau der Mittnacht den Bautastein,
Dann sitzen wir, o Thorsten, dort manche Stunde
Und tauschen überm Wasser geheime Kunde.
»Und nun lebt wohl, ihr Söhne! Zum letztenmal!
Wir sehnen uns nach Walhall, nach Odins Saal,
Wie müde Ströme sehnend zum Meer hinstreben.
Heil mögen Frei und Odin und Thor euch geben.«