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Jeanne de Bonchamps hielt zu Pferde auf dem Vorsprung eines kleinen Hügels an der Loire. Gemäß dem Befehl ihres Gatten hatte sie den Fluß auf einer Barke überschritten und die Kinder in Varades untergebracht. Sie war sich bewußt, daß sie ihrem Mann keinen bessern Dienst leistete, als den des unbedingten Gehorsams. Seine Befürchtung, daß ihre Teilnahme am Feldzug zu Mißhelligkeit zwischen den Ehegatten führen konnte, hatte sie herausgefühlt. So hatte die tapfere Frau ihre Pflicht getan; aber nun hielt nichts mehr sie zurück. Ohne auszuruhen, war sie an das Ufer zurückgeritten. Sie spähte nach einer Spur des heißgeliebten Mannes. Eine solche zu finden war nicht leicht. Diesseits und jenseits des breiten Stromes bewegten sich unübersehbare Scharen von Menschen, und der Wasserspiegel war übersät von Fahrzeugen aller Art und Tieren, die, von geängsteten Reitern gestachelt und gespornt, mit hochgehobenen Schnauzen die Flut durchschwammen. Ueber die jenseitigen Wälder strichen die Rauchwolken brennender Heimstätten, und von Zeit zu Zeit schreckte dumpfer Kanonendonner die des Uebergangs Harrenden, jedesmal um eine Wegstrecke 90 näher. Hier, zu den Füßen der Reiterin, eilten glücklich Entronnene dem Ufer entlang, ihre Angehörigen oder ihre Truppe suchend. Hausrat und Nahrung wurde neu auf Bastsättel oder Karren geladen. Man mühte sich um Kranke und Zusammenbrechende und stieg in losen Haufen die Böschung hinan. Es war unmöglich, von einem Punkte die vielen, von Menschen wimmelnden Einbuchtungen zu überblicken. Die Marquise trieb ihr schweißtriefendes Pferd den Hängen entlang, fragte hier, fragte dort nach dem General. Niemand gab ihr Bescheid. Auf allen Gesichtern lag dumpfe Niedergeschlagenheit. Jeanne de Bonchamps bemerkte nicht, daß ihr die Gefragten jeweilen lange nachblickten. Einmal war ihr aber doch, als hätte sie einen Mann sagen hören: «Die Aermste!» — Warum dieses Bedauern? — Ihre Ungeduld ward zum Bangen, ihr Bangen zur Angst. Endlich, nach Stunden des Umherirrens näherten sich ihr an der Spitze einer mühsam zusammengehaltenen Kolonne bekannte Gestalten. Es waren Henri de La Rochejaquelein und ihr Vetter d’Autichamps. Sie gingen zu Fuß, da ihre Pferde vorausgesandt waren. Jeanne bemerkte, daß sie bei ihrem Anblick erbleichten.
«Wo bleibt Arthus?»
«Mein Gott! — Weißt du noch nichts?» sagte d’Autichamps.
La Rochejaquelein trat aus dem Weg und winkte Jeanne, ihm zu folgen. Es war unnötig, weiter zu fragen, denn dem jungen General 91 schossen die Tränen aus den Augen. Fast tonlos sagte er: «Bonchamps ist nicht mehr.»
Der Schrei, der sich der Reiterin entwand, brachte die in einiger Entfernung Vorübermarschierenden ins Stocken. La Rochejaquelein bemerkte es und winkte den Leuten, weiterzugehen. Dann führte er die Marquise, die wie betäubt ins Leere starrte, noch weiter abseits. D’Autichamps folgte ihnen, bereit, Jeanne in seinen Armen aufzufangen, denn es schien ihm unmöglich, daß sie sich länger im Sattel halte. Ja, warum glitt sie nicht zur Erde, die in ihrem Lebensmark Getroffene? War es das Bewußtsein dessen, was ihre Herkunft von ihr verlangte, war es der Wille, in jeder Hinsicht ihres Gemahls und seiner hohen Stellung würdig zu sein? Sie hielt sich aufrecht und hätte doch so gern mit ihrem rasenden Schmerz ihr Antlitz, das sie hier aller Welt preisgeben mußte, in die Erde gegraben, um niemand und nichts sehen zu müssen. Ein seltsames Schamgefühl rief ihr zu: «Herunter vom Pferd, du Stolze!» Vor dem Angesicht des Ewigen gibt es kein Heldentum. Da gilt nur noch die nackte Wahrheit des Menschlichen. Und was ist das! — Bonchamps ist nicht mehr. Wie entsetzlich hart und grausam das klang, wie so viel wahrer und unumstößlicher als das verwegene Wort, das sie gestern, ihre Ahnung verleugnend, dem Volke zugerufen. Eine tiefschwarze Woge rollte über sie hin, alles auslöschend, Glanz, Ehre, Ruhm und Liebe. — Nacht! —
92 Die todesbleiche Reiterin wankt im Sattel. Vier Hände recken sich ihr entgegen. — «Nein!» — Sie richtet sich wieder auf, blickt um sich, wie aus Betäubung erwachend. Hat sie selber dieses «nein» gesprochen? Ja, sie, Jeanne de Scepeaux, hat es gesprochen, die würdige Gemahlin des Arthus de Bonchamps, denn in ihr ist Mensch und Heldin eins. Ihr Herz, das Wahre in ihr, hat gestern gesprochen: «Bonchamps lebt.» Und sie will es, daß er lebt. Sie widerholt es mit todesblassen Lippen: «Bonchamps lebt!» und spornt ihr Pferd. Ihre Begleiter haben es gehört und verstehen es nicht. Staunend, fragend, blicken sie auf zu dem schmerzdurchfurchten Marmorgesicht.
«Wo habt ihr ihn?»
Die beiden beraten sich durch stumme Blicke.
«Zeig es ihr,» sagen die des jungen Generals, «ich muß zu meinen Truppen.» Er küßt Jeannes zitternde Hand, netzt sie mit einer Träne und geht.
D’Autichamps wendet sich dem Ufer des Flusses zu, und die Reiterin folgt ihm. Noch hat sie keine Tränen. Sie haben vorhin zu ihr geredet, die beiden Freunde, während sie, aus der Welt ausgeschieden, mit sich selber rang. Nur das eine ist ihr im Ohre haften geblieben: daß Arthus sie unter den Schutz dieser beiden Freunde gestellt, was zur Folge hat. daß sie nun beim Heere bleiben muß. Schon jetzt fühlt sie, daß alles, was sie einst ins Feld getrieben, erloschen ist. Aber nun muß sie ihm folgen. Nun, da sie 93 alle Schätze der Welt hingäbe, um mit ihren Kindern fern von allem Getümmel sich zu verbergen und dem einzig Geliebten ihr Leben lang nachzuweinen. Selbst die heilige Sache des Königs ist ihr nichts mehr.
Ihr Führer ist ihr über einen kleinen Graben vorangeschritten, biegt Gebüsch auseinander und schreitet bis an die Hüften durch blühenden Ginster. Mitten in der kleinen verborgenen Mulde bleibt er stehen, blickt auf einen kleinen Erdhaufen und faltet die Hände. Sobald die Reiterin heran ist, hilft er ihr aus dem Sattel. Ein paar Schritte führt er das Pferd zurück. Jeanne de Bonchamps kauert am Fußende des kleinen Hügels, und durch ihre bebenden Hände gleitet der Rosenkranz. Die Bäume fächeln, und leise rauscht hinter ihnen der Strom.
— — — — — —
Vor einer altehrwürdigen Kirche in La Flèche entstand ein arges Gedränge. Obgleich man in dem Gotteshaus, wo eben eine Messe gelesen wurde als Dankopfer für einen blutigen Sieg über die Republikaner, Kopf an Kopf stand und niemand mehr sich rühren konnte, zwängten immer noch Leute, Schulter zwischen Schultern, in das Portal. Ein stämmiger Vendéer, der das satt hatte, schraubte sich rückwärts, fuhr mit den fünf Fingern der Linken solch einem lebenden Keil in die fußlange Mähne und ballte ihm dicht vor der Stumpfnase die Rechte zu drohender Faust. «Was soll das alberne Gedrück? Siehst du nicht, daß niemand mehr hineinkommt?» 94 Und der Kleinere fuhr dem Großen in den Schopf: «Du hast gut schimpfen. Du siehst sie. Solch langer Lümmel kommt immer zu seiner Sache.» — «Schweig, Knirps! Hast du dich nicht in Fougères zwischen meinen Waden hindurchgewunden und deine Schnauze auf ihren Kittel gedrückt, he?» — «Ruhe da draußen!» rief es aus der Kirche.
Ja, in Fougères war es womöglich noch schlimmer gewesen, wo die Wunderwirkende, wie ihr seliger Mann, an die hundert Gefangene vor der Hinrichtung gerettet. Andern machte mehr Eindruck, was sie heute getan. Den Kanonier Grasset hatte sie an eine eroberte Kanone herangeholt und ihm Ziel und Richtung angegeben. Und unter dem Zauber ihrer Augen hatte er mit jedem Schuß ein feindlich Stück unschädlich gemacht.
Das ging nun schon seit Wochen so, seit dem Uebergang über die Loire. Keine ernste Affaire, in der nicht die Marquise de Bonchamps Großes verrichtet hätte. Und wenn sie den Soldaten ihren kleinen Sohn zeigt, so ist’s wahrlich, als zeigte man ihnen das Allerheiligste. Wie im Rausch rennen sie dem Feind unter die Flintenläufe. Es ist wahr, was sie immer wieder sagt: «Bonchamps lebt.»
Wenn sie wüßten, wie es ihr, der Vergötterten, ums Herz ist! Drinnen in der Kirche, vor dem Altar des ewig Wahren, schüttet sie, umdrängt von den Bewundernden, ihren Jammer mit stummen Lippen aus. Was ihr einst hinter 95 den Mauern ihres Schlosses vorgeschwebt, sie hat es in Fülle. Sie ist zur Fackel geworden, an der ihres Volkes Seele entbrennt. Aber ihre Freude daran ist längst erloschen. Was einst wie Sonnenglanz sie gelockt und erwärmt, haucht sie mit eisiger Kälte an. Madame de Lescure, die so oft beneidete Heldin? — Sie reitet immer noch an der Spitze der Heerhaufen, an der Seite ihres todwunden, in rasenden Qualen hinsterbenden Gatten. — Sie selbst? — Mit schmerzvoller Wehmut gedenkt sie der Tage, da der Kanonendonner ihr Tränenströme entlockte, Tränen süßer Sorge um den heißgeliebten Gatten. Was gäbe sie heute um eine einzige solche Träne, heute, da der Schlachtenlärm ihr täglich Brot geworden, da sie nur noch Haß und Mord in den Fußstapfen der Helden sieht. Heute, da sie ihre Kinder in diesen bluttriefenden Fußstapfen mit sich schleppen und zum haßaufpeitschenden Idol machen muß. Ach, daß es dem barmherzigen Gott gefiele, sie von dieser blutgetränkten Erde zu nehmen, bevor sie den Untergang sähe! Denn, sie weiß, daß er kommt, sie weiß es so gut wie La Rochejaquelein und Lescure, wie Charrette und Stofflet, daß die Vendée siegend verblutet. Das Andenken ihres Gatten aber darf nicht vor dem Vaterland erlöschen. Groß und herrlich will sie es erhalten, bis der letzte der Helden sein Leben ausgehaucht.
Und sie stritten weiter, kämpften sich durch bis an die Küste der Bretagne, ohne die erhoffte Hilfe zu finden. Sie brachen in sich zusammen 96 und wandten ihre Schritte wieder südwärts. Der Todeskampf tobte aus auf den Feldern vor Le Mans. Hier war es, daß Henri de La Rochejaquelin seine Schutzbefohlene im Bereiche des Kartätschenhagels sah und ihr Befehl sandte, sich sofort mit den Kindern in Sicherheit zu bringen. Mit den Kindern? — Hier, an ihrer Seite, war Marie-Jeanne. Aber Hermenée, den Toussaint begleitete? Er war nirgends zu sehen, und schon flutete rings der Strom der Fliehenden in wachsender Verwirrung. Es gab kein Halten mehr. Zurück! Zurück! Die Führer, immer auf tapferes Beispiel bedacht, blieben am Feind und fielen wie Halme von der Sense. Niemand gab den fliehenden Scharen Richtung. Das war die Auflösung. Wer quer lief, wurde überrannt. — Wo ist Hermenée hingeraten? Wie Feuerbrand drängt der geängsteten Mutter alles Blut zu Herzen. Heiß blicken ihre Falkenaugen über das Wirrwarr. Ihr Pferd ist von der Angst ergriffen, wirft sich schäumend in die Zügel, bockt und jagt in wilden Sprüngen mit den Fliehenden. Die Reiterin muß sehen, wie sie im Sattel bleibt. Atemlos laufen die Männer in regellosem Schwarm. Herrenlose Pferde durchrasen die Haufen. Wagen stürzen. Geschosse schlagen in das Getümmel der Ueberrannten.
Endlich lockert es sich. — Mitten in dem Getöse der Flucht hört das Ohr der Mutter ein kreischendes Stimmlein. «Maman! — Maman!» Ja, dort ist er. Toussaint hält den Gaul, der sich rings um ihn dreht. Hermenée reckt sich auf, 97 schreit noch mehr und stürzt, verschwindet im vorübertrampelnden Getümmel. Todesblaß spannt die Marquise ihre letzte Kraft an, ihr Pferd zum Stehen zu bringen. Als es ihr gelingt, erscheint Hermenée auf den Armen Toussaints, der das Pferd preisgab, um den Knaben zu retten.
Das Kind ist der Mutter wiedergeschenkt. Sie kann es nicht aus den Armen lassen und gelobt sich, daß es nun genug sei des Mitreitens im Heere. Aber wohin soll sie mit den Kindern? Das Land wimmelt von Blauen, unter jedem Dache lauert der Verrat.
Die Trümmer der Armee fluteten der Loire zu. Man hoffte, sich in die Heimat durchzuschlagen. Auch im Herzen der Marquise de Bonchamps dämmerte in der Erinnerung an den Schlupfwinkel der Baronniere eine leise Hoffnung auf. Was sollte sie noch bei der Armee? Sie war in voller Auflösung begriffen, und kein noch so feuriges Wort, keine noch so glänzende Tat vor dem Feinde erfaßte mehr als ein kleines Häuflein der entmutigten Kämpfer. So folgte sie mit Toussaint und den Kindern dem traurigen Rückzug an die Loire. Dem treuen Diener war es gelungen, in einem Kahn Raum zu schaffen für seine Herrin und die Kinder. Die Pferde hatte man einem zuverlässigen Soldaten zur Ueberführung anvertraut. Alles mußte rasch vor sich gehen, denn die Streifrotten der Blauen trachteten den Fliehenden zuvorzukommen. In der Morgendämmerung schiffte man sich ein. Die Marquise hatte mit Marie-Jeanne im Spitz 98 der Barke Platz genommen. Von nachdrängenden Chouans umgeben, brachte Toussaint den in eine Decke gehüllten Knaben. Ein Schuß, der jenseits im Halbdunkel des Ufergebüsches aufblitzte, zog aller Aufmerksamkeit dorthin und spornte die Nachdrängenden, die nun in plumpen Sprüngen in die Barke setzten. So kam es, daß niemand des Aufschreis achtete, welcher der Marquise entfuhr, niemand des Aufklatschens im Wasser. Nur ihrer zwei oder drei der im schwankenden Boote trampelnden Männer hatten es gesehen, und die wußten nicht zu helfen. Hermenée war, den Armen seines treuen Hüters entgleitend, ins Schiff gefallen, während der gute Toussaint, ins Genick getroffen, hintenüberstürzte und in den schwarzen gurgelnden Fluten verschwand. Erst nach einigen Sekunden ward man des Entsetzlichen bewußt. Aufschreiend klammerten sich die Kinder an die zum Tod erschrockene Mutter. Die nächststehenden Männer beugten sich über Bord und reckten mit unbeholfenen Händen ins Leere. Unterdessen hatten die Nachdrängenden das Schiff überladen. Schwer stürzte das Wasser über Bord herein, und ehe noch jemand der Gefahr inne ward, sank das Fahrzeug auf den Grund. Da es noch am Ufer festgebunden war, konnten alle den Fluten entrissen werden.
Jeanne de Bonchamps lag erschöpft an der Böschung, wo man sie hingebettet hatte, während einige der mit ihr glücklich entronnenen Chouans die Kinder zu beruhigen suchten. — Glücklich entronnen? Ach, daß ich mit den vielen Braven, 99 die er schon verschlungen, in diesem Strome läge! Mit den beiden Kindern stünde ich vor dem Angesicht Gottes, und die Kleinen bäten um Gnade für ihre Mutter. Mein Gott! Mein Gott! Ist’s noch nicht genug? Was soll ich noch auf dieser Welt! — Warum hast du mir meinen letzten treuen Diener genommen?
«Madame, wir müssen uns vom Ufer zurückziehen. Es schlagen Kugeln ein.» Die verwahrlost aussehenden Kerle boten der Generalin Schutz und Hilfe an.
«Ach, laßt doch! Was wünsche ich mir Besseres, als solche Kugel!»
Aber die weinenden Kinder und die ob solchen Worten aus dem Munde der Gefeierten staunenden Gesichter der Chouans rissen Jeanne de Bonchamps wieder aus der dumpfen Verzweiflung, und sie folgte gramvollen Gesichtes den Männern, die ihr unter bäurischen Zärtlichkeiten die Kinder vorantrugen. Wohin? Sie fragte nicht danach. Rückwärts ging’s wieder, landeinwärts. Gegen Mittag kamen sie in ein Dorf. — Ancenis nannten sie es. — Ancenis? — Im erschlafften Gehirn der todmüden Mutter erwachte eine Erinnerung. Ancenis! Die Heimat Lisettes. Dorthin war sie gezogen, nachdem Toussaint die Kinder ins Hauptquartier gebracht. Grollenden Herzens war sie gegangen. Man hatte ihr bitter wehgetan. Würde sie es vergessen haben? — Gleichviel. Man ging ja doch dem Abgrund entgegen. Und die Kinder — sie können nichts dafür. Sie hatte sie lieb. — Sucht mir Lisette!
100 Man suchte und man fand sie. Es kostete die Marquise nicht wenig Ueberwindung, bei der Magd anzuklopfen, der sie einst die Liebe ihrer Kinder mißgönnt hatte. Sie war sich der tiefen Demütigung bewußt, und hätte sie die Kraft besessen, sie wäre weitergelaufen und hätte sich auf gut Glück vor die Schwelle eines Unbekannten geworfen. Aber sie war erschöpft, und von den Männern, die mit jedem Schritt ihr Leben aufs Spiel setzten, konnte sie nicht verlangen, daß sie die Kinder noch weiter trügen. Zu müde, um erst in Lisettes Zügen lesen zu wollen, mit welchen Gefühlen sie die einstige Herrin empfing, trat sie an der Staunenden vorbei in die Küche, als verstünde es sich von selbst, daß die Bäuerin ihre Wünsche erriete und zu erfüllen eilte wie ehedem. Jeanne de Bonchamps ließ sich aus einen strohgeflochtenen Stuhl fallen. Kaum brachte sie ein Dankwort an die treuen Chouans zustande, welche die Kinder behutsam auf den Reisighaufen neben dem Herde betteten und davoneilten, sich selber in Sicherheit zu bringen. Ob die Kinder Lisette in die Arme liefen? — Gott! — Sie lagen da, wie erwürgt, und schliefen ein, ohne auch nur zu ahnen, wen sie vor sich hatten. Sie hatten rote Köpfe — Fieber? — Ach, daß auch sie, die Mutter, schlafen könnte, nur einen Augenblick! — Aber da stand nun Lisette, stemmte die Hände in die Hüften und blickte ratlos um sich. Sie schloß die Türe und spähte durch das Fenster. Dann schüttete sie Milch in den Kessel und rückte ihn an das glimmende 101 Herdfeuer. Und auf einmal fing sie zu reden an, zu reden, zu reden, als ob sie die Erlebnisse von zehn Jahren zu Buch geben müßte. Zuweilen nur unterbrach sie sich, um zu lauschen oder einen forschenden Blick durch das Fenster zu werfen. Und was sie zu sagen hatte, das hätte so wenig Worte gebraucht. Sie wollte die Marquise und ihre Kinder gerne beherbergen, aber sie bringe damit ihr Haus in Gefahr. Ueberall lauerten die Blauen...
Jeanne de Bonchamps erwachte in einem seltsam duftenden Bette in dämmernder Kammer. Unter grobflächsenem Tuch knisterte Stroh. Wo bin ich? — Wo sind die Kinder? — Ach ja, bei Lisette. — Der Kopf hämmerte ihr. Am ganzen Leibe war sie zerschlagen. Es herrschte Totenstille. Und nun erwachten die Gedanken, erwachten Angst und Sorge. — Horch! Schlurfende Tritte. — Geflüster. — Werden sie jetzt kommen? — Hat sie uns verraten? Die Kinder. Wo sind sie nur? — Weit zurück streiften die Gedanken. In die Baronniere, zu dem heißgeliebten Gatten. Das gutmütige Gesicht des alten Toussaint erschien. Die grausigen schwarzen Wellen, die es verschlungen, gurgelten. — Courgeon. Wann sah sie ihn doch zum letztenmal? —
Horch! Heiß schoß es ihr zum Herzen. Es drohte zu springen, dann zu erlahmen. Herr Gott, laß mich nicht sterben! Die Kinder! O Maria, du Mutter aller Mütter, die du das Herbste erduldet, was eine Mutter leiden kann, erbarme dich meiner und meiner Kinder. — Sie 102 betete und betete und entschlummerte. Und als sie wieder erwachte, war es heller Tag in der dumpfen Stube. Lisette stand da, half ihr auf und führte sie in die Küche, wo die Kinder aus irdener Schüssel Milchbrocken löffelten. — Nein, sie war keine Verräterin, Lisette. Jeanne de Bonchamps tat ihr in ihrem Herzen Abbitte. Aber sie besaß nichts mehr, womit sie der Bäuerin die Wohltat vergelten konnte. Genau wie einst die Bettler am Tor der Baronniere und alle, die gezwungen sind zu nehmen, was man ihnen gibt, mußte die Marquise ihr «vergelt’s Gott» stammeln. Welch merkwürdiges Gefühl, den Wohltäter auf Gott anweisen zu müssen! Oder zu dürfen? Steckte nicht in der bittern Frucht der tiefsten Demütigung ein unbeschreiblich süßer Kern? Das Recht der Habenichtse, Anweisungen auf den Geber aller guten Gaben auszustellen? Ein Gnadenrecht, das menschliches Recht auf den Kopf stellt, das den Aermsten zum Kinde des Reichsten macht?
Hier bleiben durfte die Marquise nicht. Sie würde der Bäuerin den roten Hahn aufs Dach locken, ja ihr Haupt unter die Guillotine liefern. Also, vergelt’s Gott, Lisette! Und die Generalin, die nichts mehr besaß als die Kleider, die sie auf dem Leibe trug — Bauernkleider, wie Arthus es ihr noch befohlen hatte — ließ sich das Söhnlein Huckepack auf den adelig steil gewachsenen Rücken laden, nahm die Tochter an der Hand und wanderte, wo Gott sie hinleitete. — Wie hatte 103 doch Courgeon gesagt? — Die Füchse haben Gruben...
«Maman, warum weinen Sie?»
«Schweig, mein Kind.»
«Aber, Maman, Sie weinen immerzu.»
«Weil der liebe Heiland unser Bruder geworden...» Sie konnte den Satz nicht vollenden. Aufschluchzend ließ sie den Kleinen heruntergleiten und warf sich ans Wegbord. Und die Kinder blickten mit großen Augen auf die Zusammengebrochene und weinten und schrien, wie nur Kinder um eine Mutter schreien können. Das brachte Jeanne de Bonchamps wieder zu sich. Sie richtete sich auf und zog die Kinder dicht an sich.
«Nicht weinen, Kinder! Habt nur ein wenig Geduld mit Maman, sie ist so müde.»
Die Kleinen schmiegten sich in überströmender Zärtlichkeit an die Mutter, als wollten sie die traumverloren ins Weite Blickende in die Wirklichkeit zurückholen. Und es gelang ihnen auch. Ihre fieberheißen Gesichter und wie in Glas glänzenden Augen peitschten die Mutter zur letzten Anstrengung auf. Sie suchte sogar zu scherzen, als sie Hermenée wieder auf ihre matten Schultern klettern ließ und sich aufrichtete, um den Weg fortzusetzen. Oftmals mußten sie hinter Hecken und in Gräben Schutz suchen, wenn Leute sich zeigten, denen nicht zu trauen war. Bei einbrechender Dunkelheit erreichten sie einen Bauernhof bei Saint Herbelon, wo sie Erbarmen und Schutz fanden.
104 Nahrung und Obdach hatten sie nun; aber beim Auskleiden entdeckte Frau v. Bonchamps, daß die Kinder und sie selbst am ganzen Leibe mit roten Flecken bedeckt waren. Ein immer heftiger werdendes Brennen und Beißen raubte ihnen den Schlaf, und als der Morgen anbrach, hatten sich schon viele der Flecken in Blasen verwandelt. Die Marquise kannte diese Krankheit nicht; aber sie hatte in den letzten Tagen, da sie dem Heere gefolgt war, oft von den Pocken reden hören. Die drei Flüchtlinge wagten sich nicht mehr ans Licht, sondern hielten sich in ihrer Kammer verborgen, bis — war es die Angst vor den Schergen der Regierung oder vor der Ansteckung — eines Abends der Bauer meldete, die Blauen seien da und wehe ihm, wenn sie entdeckten, daß er Royalisten beherberge! Es hatte keinen Sinn, die guten Leute mit ins Verderben zu reißen. So ließ sich denn die Marquise nach Einbruch der Dunkelheit von dem Bauer zu einer entlegenen Scheune führen, und weil wirklich Gefahr im Verzuge lag, grub sich die Verlassene eine Höhle in den Strohstock. Nachdem sie die Kinder, jedes für sich, hineingebettet, legte sie sich selbst in den Eingang des Unterschlupfes, um Wache zu halten. Es blieb still draußen; aber aus der Tiefe des Strohnestes klang immerzu das Wimmern des Knaben, dessen Pocken nicht zum Ausbrechen kommen wollten, während Mutter und Tochter durch die Krankheit arg entstellt, aber auf dem Weg zur Genesung begriffen waren. Immer wieder kam der Marquise die Katze von 105 der Baronniere in den Sinn, und sie nahm sich vor, den Strohschober nicht ohne die Kinder zu verlassen.
Das Wimmern des in heißem Fieber liegenden Knaben konnte ihnen zum Verderben werden. Aber was sollte die arme Mutter tun? Als sich eine Stunde lang weit und breit nichts geregt, kein Laut an ihr Ohr gedrungen, zog sie Hermenée dicht an sich, öffnete ihr Kleid und barg ihn an ihrem Herzen, während ihre bebenden Lippen Gebet um Gebet flüsterten. Keinen einzigen Schlag des kleinen heiß kämpfenden Herzens ließ sie sich entgehen. Zuweilen übermannte sie der Schlaf, doch nur auf kurze Dauer, denn das Fieber hatte noch nicht von ihr gelassen. Dann machte sie sich die bittersten Vorwürfe. Von banger Ahnung gequält, wollte sie den Knaben auch nicht einen Augenblick die sorgende Liebe der Mutter entbehren lassen. Jedes seiner im Fieber gestammelten Worte beantwortete sie mit den süßesten Liebkosungen. Sie wollte es sich nicht zugestehen, daß der Herzschlag des Kleinen schwächer und schwächer wurde. Ihr war, als müßte sie in die Nacht hinaus, dem Dürstenden eine Labung zu suchen, und wäre es auch nur ein feuchtes Blatt gewesen. Aber sie wagte schon nicht mehr, ihn aus den Armen zu lassen. Und die kranke Schwester aus der Hitze des Strohlagers in die Kühle der Nacht hinauszuschicken, wagte sie auch nicht. Leiser und leiser schlug das kleine Herz. Als der erste fahle Schimmer des anbrechenden Tages die Ritzen der Scheunenwand deutlicher 106 werden ließ, hatte es längst zu schlagen aufgehört; aber noch immer preßte die Mutter das Kind zärtlich an sich. Sie wußte, daß ihr Hermenée der Not des Lebens entrückt war, aber sie wollte es nicht zugeben. Abermals entschlummerte sie leicht, und als sie erwachte, war der kleine Körper an ihrer Brust noch warm.
Heller und heller drang das Tageslicht durch Dach und Wände. Marie-Jeanne rief nach der Mutter. Da mußte sie den toten Knaben von sich lassen. Sorgsam bettete sie ihn unter die Halme, um nach der Tochter zu sehen...
Als die Mutter lange auf sich warten ließ, kroch Marie-Jeanne aus ihrem Schlupfwinkel heraus und fand die Marquise wie leblos am Strohhaufen hingesunken. Ihr jämmerliches Schreien brachte sie wieder zu sich; aber es ging noch Minuten, bis sie völlig wach wurde und dem Kinde sagen konnte, was geschehen war.
Noch knieten sie beide ratlos an der kleinen Leiche, als nahende Schritte ihnen den Atem stocken machten. Es war aber der Bauer, der sie gestern hieher gebracht. Nachdem er die Flüchtlinge mit Milch und Brot versehen, versprach er dafür zu sorgen, daß der kleine Marquis an geweihter Stätte begraben werde. Das geschah dann auch im Dunkel der folgenden Nacht. Von nun an aber wollte niemand mehr für die Sicherheit irgendeines Hauses in der Gemeinde bürgen. Daß die Marquise de Bonchamps hier irgendwo weilte, war ruchbar geworden, und die Drohung, daß jeder, der ihr Unterschlupf gewähre, 107 dem Schafott verfallen sei, tat ihre Wirkung. Ungern, aber notgedrungen, rieten ihr die guten Leute, kaum daß die ersten Schollen die Leiche ihres Knaben deckten, querfeldein ins nächste Dorf zu fliehen. Aber da war einer, der es nicht über sich brachte, eine Mutter mit ihrem Kind in die Nacht hinauszustoßen. Er erbot sich, sie zu einem Versteck zu bringen. Nachdem er sich mit einigem Proviant und einer kleinen Leiter versehen, führte er die beiden Verfolgten über Feld und Acker in eine abgelegene Trift und versorgte sie wohl zehn Fuß hoch über dem Erdboden im hohlen Stamme eines uralten Nußbaumes. Nachdem er ihnen den Proviant hinaufgereicht, nahm er die Leiter an sich und verschwand in dem Nebel, der die Wiesen bedeckte.
Ueber die Unbequemlichkeit dieses seltsamen Nachtquartiers täuschte, wenigstens für den Augenblick, das Gefühl, vor der Grausamkeit der Verfolger geborgen zu sein, die Flüchtlinge hinweg. Hier wurden sie ganz gewiß nicht gesucht. Zum erstenmal seit langer Zeit durfte Jeanne de Bonchamps sich das sagen. Sie atmete auf, und nach wenigen Minuten taten Müdigkeit, Entspannung und Nachtluft ihre Wirkung. Das Kind auf dem Schoße haltend, schlief sie ein. Kein Glockenschlag gab in dieser Einsamkeit ein Zeitmaß. Es hatte auch keinen Wert, zu wissen, wie lang man geschlafen, wie fern der Tag noch sei, da ja keine Stunde der Befreiung zu erwarten war. Das Kind wimmerte im Schlaf, drehte sich und weckte damit die leicht Entschlummerte. 108 Alsbald begann sie das Unbequeme des Lagers zu empfinden. Die Holzknorren schnitten ihr in den gemarterten Leib. Die Blattermale begannen zu brennen. Jede Bewegung des Kindes zerrte an einer offenen eiternden Wunde, die sich in den letzten Tagen an einem Knie der unglücklichen Mutter gebildet hatte. Ein furchtbarer Durst begann sie zu quälen; aber sie berührte den Wasserkrug nicht. Der kostbare Inhalt mußte für das fiebernde Kind gespart werden. Die Kleine war nicht anders zu betten in dem schmalen Raume. Die Kälte der Nacht zwang dazu, sich so eng wie möglich aneinanderzuschmiegen. Schon nach wenigen Minuten machte sich die ganze Marter geltend, und nun sollten sie Stunden um Stunden lautlos darin ausharren. Waren Stunden verronnen oder nur Minuten, als in der Seele der Gequälten die Ueberzeugung sich festzusetzen begann, daß sie das nicht auszuhalten vermöge? Die Strapazen des Feldzuges, die seelischen Erschütterungen, die Krankheit, es war zuviel geworden. Der arme Leib konnte diese Leiden nicht länger ertragen. Auch ihr eigenes, einst so starkes Herz war am Ende seiner Kraft. Es konnte nicht lange mehr währen und hörte auf zu schlagen, wie in der vorigen Nacht das Herz des kleinen Hermenée. — Ich werde die Sonne nicht mehr aufgehen sehen. Und da schlummerst du, meine arme Marie-Jeanne, ahnungslos. Dein Ohr hört den Herzschlag der Mutter, und deine schlummernde Seele weiß nichts anderes. 109 Sie nimmt es wie das Ticken der Uhr, die sich umsonst bemüht, Unsterblichen das Vergängliche wichtig zu machen. Auf einmal aber wird das Ticken aufhören. Dein Ohr wird dir’s erschrocken melden, und du wirst aufhorchen. Schmerzen und Durst werden mit dir erwachen. Schüchtern und leise wirst du mich anrufen. Behutsam wirst du mich am Ohre zupfen. Du wirst dich über meinen festen Schlaf verwundern. Etwas Fremdes, Unheimliches wird dich erschrecken, eine furchtbare Stille dich bis ins Herz erschauern machen. — Du wirst keine Antwort erhalten. Du wirst schreien und mein Antlitz mit Tränen netzen. Du wirst an mir rütteln und endlich erkennen, daß deine Mutter von dir gegangen ist und dich in dieser Gruft, dieser schauerlichen Einsamkeit, allein gelassen hat.
Weiter vermochte Jeanne de Bonchamps dem Aufquellen dieses Gedankens nicht standzuhalten. Ein heiß schluchzender Laut sprengte ihr die verkrampfte Kehle. Der Notschrei der Mutter. Sie erschrak selbst darob. Es war der Schrei der wortlos gewordenen Seele zu ihrem Schöpfer, der Schrei, der nicht ungehört bleiben kann, solange es ein göttliches Erbarmen gibt. Was diesem Schrei folgte, die heißen Gebete in geprägten Worten, das war nur noch wie ein nachhallendes Echo. Aber es hallte wohltuend, es leitete in bewußtes Empfinden von Gotteskindschaft und Gottesnähe. Gebete, die Jeanne de Bonchamps tausendmal wie Zauberformeln mechanisch gestammelt, wurden ihr jetzt licht und 110 lebendig, wurden zu eilenden Boten, zu wiederkehrenden Tröstern.
Oft in ihrem Leben hatte sie gesagt: Bei Gott sind alle Dinge möglich. Geglaubt hatte sie es nie, das erkannte sie jetzt. Heute aber glaubte sie es. Was ihrer harrte, ob sie das Leben erhalten würde oder nicht, welchen Weg ihr Kind gehen würde, das quälte sie nicht mehr. Es war nun wahrhaftig Gott übergeben, und etwas wie eine frohe Neugierde, ein festliches Erwarten ergriff ihr Gemüt.
Am Morgen kam der Bauer, nach ihr zu sehen, und brachte Speis und Trank. Drei Nächte und drei Tage dauerte die Prüfungszeit in dem hohlen Baume. Am späten Abend des dritten Tages wurde die Marquise bei ihrem Namen gerufen. Erst auf den dritten Anruf antwortete sie, nachdem der Unbekannte ihr beteuert, daß er unter Arthus de Bonchamps den ganzen Feldzug durchgemacht. Er erzählte, daß in voriger Nacht ein Bauer hier vorübergegangen sei und in dem hohlen Baume habe husten hören. Heute abend habe er im Dorfe davon erzählt. Und nun sei er gekommen, die Gemahlin seines Generals zu retten. Mit geschickten Händen und Füßen erkletterte der ehemalige Soldat den Baum und half Mutter und Tochter zur Erde niedersteigen. Es war freilich mehr ein Stürzen, doch geschah es ohne Schaden. Ja, sie kugelten, vom letzten Knorren gleitend, alle drei übereinander ins kühle Gras, so daß zum erstenmal seit langer 111 Zeit die kleine Marie-Jeanne von einem erlösenden Lachen geschüttelt wurde.
Der brave Soldat führte Mutter und Kind zu seinen Eltern, wo sie endlich wieder einen erquickenden Schlaf in reinlichem Lager tun durften. Doch war ihres Bleibens hier nicht lange. Die treuen Chouans halfen ihnen Nacht um Nacht von einem Versteck ins andere, bis sie endlich wieder nach Hardouillere zu dem Bauer zurückkamen, der sie in den Baum gebracht hatte.
Die Gefahr, welcher sie durch ihre Gegenwart das Haus der treuen Leute aussetzten, brachte nach wenigen Tagen die Generalin zum Entschluß, ihr Kind in der Obhut dieser Familie zu lassen. Sie selbst floh, in der Hoffnung, sich so lange unerkannt durchzuschlagen, bis die Wut der Verfolger nachgelassen haben würde. Nach schmerzvoller Trennung von der Tochter irrte sie noch mehrere Tage und Nächte im Lande herum, versteckte sich in Hütten, Heuhaufen, hohlen Bäumen, bis sie eines Morgens, völlig erschöpft, von einer Patrouille der Blauen in einem Chausseegraben aufgegriffen wurde. Trotz ihrer Entstellung durch die Blattern und ihrer Verkleidung wurde Jeanne de Bonchamps bald erkannt und nach Ancenis ins Gefängnis abgeführt.