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1. Das Geschlecht der Cäsar starb mit Nero aus »Nero war der letzte aus der Familie des Augustus, der den Namen Cäsar von seiner Abstammung trug; später bezeichnete dieser Name bloß die Würde, nicht das Geschlecht.« Bremi., wie das zahlreiche Vorzeichen richtig vorherverkündet hatten, unter denen besonders zwei von ganz besonderer Deutlichkeit gewesen waren. Als Livia einst, gleich nach ihrer Verheiratung mit Augustus, ihren vejentanischen Landsitz besuchte, ließ ein vorüberfliegender Adler ein weißes Huhn, das ein Lorbeerzweiglein im Schnabel hielt, unbeschädigt, wie er es geraubt hatte, in ihren Schoß niederfallen. Dieses Wunder erzählt ausführlich der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte (15, 40), nur daß er von dem Aussterben der sämtlichen Lorbeerbäume nicht nur nichts weiß, sondern vielmehr erzählt, daß noch zur Zeit, als er jene Notiz niederschrieb, auf jener Villa die nach den Namen der verschiedenen Kaiser benannten Lorbeergebüsche vorhanden waren. Auch Dio Cassius (48, 52) weiß nichts von dem Aussterben des ganzen Hains. Livia befahl, das Huhn zur Zucht aufzuziehen und das Zweiglein zu pflanzen; und nun kamen von dem ersteren so viele Küchlein, daß noch heutzutage jene Villa »Zu den Hennen« benannt wird, und von dem letzteren ein solches Lorbeergebüsch, daß die Kaiser für ihre Triumphe von demselben die Lorbeerzweige abpflücken ließen; zugleich wurde es Sitte, daß die Triumphatoren sofort andere Lorbeersetzlinge Nach Plinius dieselben Zweige, welche sie beim Triumphe in der Hand getragen. an demselben Orte pflanzten, und man machte die Beobachtung, daß jedesmal um die Todeszeit eines Kaisers auch der von ihm gepflanzte Baum einging. Nun also im letzten Lebensjahre Neros verdorrte nicht nur jener ganze Lorbeerhain bis auf die Wurzeln, sondern es starb auch alles aus, was daselbst von Hühnern sich befand; und als bald darauf ein Blitzschlag den Tempel der Cäsaren traf, fielen auf einmal die Köpfe von sämtlichen Statuen zu Boden, und der Statue des Augustus wurde sogar das Scepter aus den Händen geschlagen.
2. Dem Nero folgte in der Regierung Galba, der in keinem Grade mit dem Hause der Cäsar verwandt war; doch steht es fest, daß er von bestem Adel war und einen sehr großen und alten Stammbaum hatte, wie er sich denn immer in den Inschriften auf seinen Statuen » Urenkel des Quintus Catulus Capitolinus« Über ihn s. Realencyklopädie IV, S. 1248. nannte und als Kaiser dazu noch einen Stammbaum im Atrium aufstellen ließ, in welchem er seine Abkunft väterlicherseits auf Jupiter, mütterlicherseits auf Pasiphae, Minos' Gemahlin, zurückführte. Pasiphae war Tochter des Sonnengottes. Diese Genealogie gibt auch Silius Italicus 8, 368. Galbas alter Adel wird von Tacitus (Historien 1, 49) und Plutarch ( Galba 3) bestätigt.
3. Die Ahnen und Ehrentitel des gesamten Geschlechts ausführlich aufzuzählen, würde zu weit führen; ich will daher nur die seiner Familie D. h. die der Galbas unter den Sulpiciern. kurz berühren. Wer von den Sulpiciern zuerst den Beinamen Galba erhalten und weshalb, oder wovon er denselben empfangen, ist zweifelhaft. Einige meinen, davon, daß der erste dieses Namens eine Stadt in Spanien, nachdem er sie lange vergeblich belagert, endlich mittels Fackeln, die mit Galbanum Über Galbanum siehe Plinius, Naturgeschichte 12, 25, und Dioskorides 3, 97. Von den »in Wolle gewickelten Heilmitteln« spricht Plinius, Naturgeschichte 20, 14. – ( Ostertag.) bestrichen, in Brand gesteckt habe; andere, weil derselbe in einer langwierigen Krankheit beständig ein Galbeum, d. h. in Wolle gewickelte Heilmittel getragen habe; noch andere, weil er sehr fetter Leibesbeschaffenheit, d. h. wie die Gallier es nennen sollen, ein Galba, wieder andere, weil er so mager gewesen, wie die kleinen Tiere sind, welche auf den Zwergeichen sich finden und die man Galben nennt. Der Glanz der Familie geht auf den Galba zurück, der das Konsulat bekleidete Im Jahre 145 v. Chr. Über sein Rednertalent siehe Cicero, Vom Redner I, 53 und daselbst die Ausleger. und der größte Redner seiner Zeit war. Er war es, der nach dem Berichte der Geschichtschreiber, nachdem er die Prätur bekleidet, Spanien zur Provinz erhielt und dort durch die treulose Niedermetzelung von dreißigtausend Lusitanern den Viriathischen Krieg entzündete. Der im Jahre 150 v. Chr. begann und vierzehn Jahre dauerte. Sein Enkel, einst Cäsars Legat in Gallien, dann demselben verfeindet, weil Cäsar seine Bewerbung um das Konsulat vereitelt hatte, trat der Verschwörung des Brutus und Cassius bei und wurde deshalb nach dem Pedischen Gesetze verurteilt. Appian (Bürgerkrieg 2, 113) nennt ihn unter den Verschworenen. Ein Brief von ihm an Cicero befindet sich in dessen Briefsammlung (Vermischte Briefe) 10, 30. Über das Pedische Gesetz s. zu Nero Kap. 3. Von ihm stammen des Kaisers Galba Großvater und Vater. Der Großvater zeichnete sich mehr durch seine wissenschaftlichen Studien, als durch hohe Staatswürden aus, denn während er nicht über die Prätorwürde hinauskam, lieferte er ein vielumfassendes und nicht ohne Sorgfalt verfaßtes Geschichtswerk. Der Vater bekleidete das Konsulat und betätigte sich zugleich, obschon klein von Gestalt, sogar verwachsen und in der Beredsamkeit nur mäßig begabt, als fleißiger Anwalt. Er war verheiratet mit der Mummia Achaica, Enkelin des Catulus und Urenkelin des Lucius Mummius, der Korinth zerstört hat; sodann mit der Livia Ocellina, einer sehr reichen und schönen Frau, die ihm jedoch, seines hohen Alters wegen, wie es heißt, selbst ihre Hand antrug und nur noch eifriger auf ihrem Verlangen beharrte, als er, nachdem sie ihre Anträge mehrfach wiederholt, ihr unter vier Augen den Fehler seiner Körperbildung durch Entblößung desselben entdeckte, damit es nicht scheine, als wolle er sie darüber absichtlich in Unwissenheit erhalten. Mit der Achaica zeugte er Kinder, den Gajus und Servius. Der ältere derselben, Gajus, verließ Rom, nachdem er sein Vermögen durchgebracht hatte, und endete, da ihm Tiberius verbot, als er das nötige Alter erreicht hatte, um das Prokonsulat mitzulosen D. h. um die Verwaltung einer Provinz, wo er sich hätte von seinem Vermögensruin erholen können. Tiber aber war kein Freund solcher Prokonsuln. Vgl. auch Tacitus, Annalen 6, 40., durch Selbstmord.
4. Der Kaiser Servius Galba wurde unter den Konsuln Marcus Valerius Messalla und Cnejus Lentulus Im Jahre 3 vor Christo. den 24. Dezember auf einer Villa bei Terracina geboren, welche auf dem Hügel linksab an der Straße nach Fundi liegt. Adoptiert von seiner Stiefmutter Livia, nahm er den Namen Livius und den Beinamen Ocella an, während er seinen Vornamen ablegte und statt Servius sich bis zur Zeit seiner Thronbesteigung Lucius nannte. Bekannt ist, daß Augustus ihn, da er noch als Knabe dem Kaiser mit andern Knaben seines Alters die Aufwartung machte, in die Backe gekniffen und auf griechisch zu ihm gesagt hat: » Auch du, mein Söhnchen, wirst einmal unsere Herrschaft kosten!« Nach Tacitus (Annalen 6, 20) und Dio Cassius 57, 19 tat Tiberius diesen Ausspruch gegen den bereits verheirateten und das Konsulat bekleidenden Galba. Aber auch Tiber tat eine ähnliche Prophezeiung, als er (durch die Astrologen) in Erfahrung gebracht, hatte: »Galba werde Kaiser werden, aber erst im Greisenalter«, mit den Worten: » So mag er denn immerhin leben, da das ja mich nicht mehr betrifft!« Apres nous le déluge! Tiber war damals schon Greis; ihn also »ging die Prophezeiung nichts mehr an«, die dem jungen Galba nach vielleicht vierzig Jahren den Thron verkündete. Auch seinem Großvater ward eine solche Prophezeiung. Er war gerade mit einem Sühnopfer für einen Blitzschlag Man opferte, wenn ein Blitzschlag Unheil gedroht, um dasselbe abzuwenden. beschäftigt, als ihm ein Adler die Eingeweide des Opfers aus der Hand riß und auf einen Eichbaum voller Eicheln entführte. Die befragten Zeichendeuter gaben den Bescheid: »das bedeute, daß seine Familie die Herrschaft, aber erst spät, erlangen werde«, worauf jener spottend erwiderte: » Ganz gewiß! Sobald eine Mauleselin gefohlt haben wird!« Sprichwörtlich, wie ähnliches bei uns, um etwas Unmögliches auszudrücken. Warum Mauleselinnen nicht Junge zur Welt bringen, sagt Plinius 8, 44, der diese Erscheinung an eine allgemeine Beobachtung über die Unfruchtbarkeit der von zwei Individuen verschiedener Art erzeugten Tiere knüpft und an einer anderen Stelle (8, 69) bemerkt, daß alle Beispiele von Mauleselinnen, die Junge gebracht, als Prodigia angesehen, worden seien. Nichts stärkte später so das Vertrauen Galbas bei seinem Unternehmen gegen Nero, als der Umstand, daß wirklich eine Mauleselin ein Fohlen zur Welt brachte, und während man allgemein darin mit Abscheu ein widriges Vorzeichen sah, nahm er allein es als ein überaus glückliches auf, eingedenk des Opfers und der Äußerung seines Großvaters.
Als er die männliche Toga erhalten hatte, träumte er, die Glücksgöttin spreche zu ihm: » sie stehe nun bereits ganz ermüdet vor seiner Tür, und wenn er sie nicht bald hereinlasse, so würde sie dem ersten besten zur Beute werden«. Und als er erwachte und das Atrium öffnete, fand er eine Erzstatuette der Göttin, über eine Elle [436,6 mm] groß, an der Schwelle, die er dann in seinem Schoße nach Tusculum, wo er gewöhnlich seine Villegiatur hielt Über Tusculum und die dortigen Villegiaturen der Alten siehe Ein Jahr in Italien, T. 3, S. 309 ff., hinausbrachte, unter seinen Hausgöttern weihend aufstellte und ihr fortan allmonatliche Opfer und alljährlich ein Nachtfest veranstaltete. Schon als er noch nicht das volle, den Charakter festigende Mannesalter erreicht hatte, hielt er die alte, bereits in Vergessenheit geratene und nur noch in seinem Hause haftende Sitte hartnäckig aufrecht, daß sich die Freigelassenen und Sklaven zweimal des Tages vor ihm versammelten und ihm ein jeder morgens ihr » Salve!« abends ihr » Vale!« Beide Zeitwörter schließen die Begriffe des Wohlbefindens und Gesundseins in sich. sagten.
5. Unter den anderen zur freien Bildung gehörenden Wissenschaften legte er sich auch auf das Recht. Auch nahm er die Mühe des Ehestandes auf sich Heiraten war damals etwas, das einem als eine gute Tat, als eine dem Vaterlande geleistete Pflicht hoch angerechnet wurde; daher der Ausdruck, den Sueton hier braucht. Die Ausartung und Sittenlosigkeit des weiblichen Geschlechts unter den freien Bürgern war so entsetzlich, daß damals eine Ehe ein Wagstück und Ehestand meist Wehestand war und daß, wie Niebuhr sich ausdrückt, mancher nicht sittenlose Mann an einer Sklavin, mit der er im Konkubinat lebte, eine viel treuere und achtbarere Gattin gefunden haben mag, als an der vornehmen römischen Dame, und es daher als Gewissenssache betrachtete, nicht zu heiraten. Niebuhr, Vorlesungen über römische Geschichte 3, 196. August kämpfte dagegen vergeblich an. S. oben August 34; Claudius 15.; allein nach dem Verluste seiner Gattin Lepida und der zwei mit ihr erzeugten Söhne blieb er im Cölibat und ließ sich durch keinen Heiratsvorschlag mehr davon abbringen, selbst nicht durch den der Agrippina, die durch den Tod des Domitius Witwe geworden war und die dem Galba, sogar als seine Frau noch lebte und er noch nicht Witwer war, dergestalt auf alle mögliche Weise entgegengekommen war, daß sie darüber in Damengesellschaft von der Mutter der Lepida im Zank Vorwürfe und sogar eine Ohrfeige erhielt. Er bewies vor allen der Livia Augusta seine Verehrung, wie er denn auch zu ihren Lebzeiten viel bei ihr galt und nach ihrem Tode durch ihr Testament beinahe ein reicher Mann geworden wäre. Er stand nämlich in demselben unter den Legatempfängern mit einem Präcipuum von fünf Millionen Sesterzien 1 087 600 Reichsmark.; da aber diese Summe nur in Zahlen notiert, nicht in Worten ausgeschrieben war, und der Erbe Tiberius deshalb das Legat auf fünfhunderttausend Sesterzien 108 760 Reichsmark verkürzte, so nahm er auch diese nicht an.
6. Die Staatskarriere Die Reihenfolge der Staatsämter, die ein vornehmer Römer durchzumachen hatte, kann man wohl unter den Kaisern mit diesem modernen Namen bezeichnen. begann er vor der gesetzlichen Zeit und veranstaltete als Prätor bei Gelegenheit der Floralspiele Die Floralspiele ( Ludi florales) wurden gefeiert zu Ehren der Göttin Flora in den ersten Tagen des Monats Mai in einem eigenen Circus Floralis. ein neues Schaustück: seiltanzende Elefanten. Darauf war er fast ein Jahr lang Statthalter der Provinz Aquitanien, bekleidete dann sechs Monate lang das ordentliche Konsulat Ein ordentliches ( ordinarius) Konsulat bekleideten die, welche diese Würde am Jahresanfange antraten (1. Januar) und nach denen das Jahr benannt wurde., wobei es sich ereignete, daß er selbst dem Domitius, Neros Vater, ihm selbst Salvius Otho, Vater des (spätern Kaisers) Otho, im Amte folgte, was gleichsam eine Prophezeiung des später folgenden Zufalls war, der seine Regierung zwischen den beiden Söhnen derselben in die Mitte stellte. Von Caligula zum Nachfolger des Gätulicus ernannt Siehe Tacitus, Annalen 6, 30. Gätulicus war ein sehr nachsichtiger General gegen die Soldaten gewesen., erließ er am Tage nach seiner Ankunft bei den Legionen, als er bemerkte, daß die Soldaten bei einem feierlichen Schauspiele ihren Beifall durch Händeklatschen ausdrückten, einen Tagesbefehl: » die Soldaten sollten die Hände unter den Mänteln halten«. Und sofort hieß es im ganzen Lager:
Lern', Soldat, soldatisch Wesen, Galba ist's, nicht Gätulicus!
Mit gleicher Strenge verbot er die Urlaubsgesuche. Die gedienten Leute wie die Rekruten härtete er durch fortwährende Beschäftigung ab, warf sehr bald die Barbaren, welche bereits ihre Einfälle bis nach Gallien hinein erstreckt hatten, in ihr Gebiet zurück und erhielt, als (der Kaiser) Gajus Gallien besuchte Siehe Caligula 43; Dio Cassius 59, 21. Beiläufig sieht man hier, daß Caligula doch in seinen verständigen Augenblicken das Verdienst zu schätzen wußte und daß auf seine Anerkennung selbst nach dem Zeugnisse des Sueton Wert zu legen war., sowohl für seine Person, als für sein Heer so sehr dessen Beifall, daß unter den unzähligen, aus allen Provinzen zusammengezogenen Truppenteilen keiner eine höhere Belobung und Belohnung erhielt. Er selbst zeichnete sich besonders dadurch aus, daß er, nachdem er das Feldmanöver in voller Rüstung Sueton sagt: »mit dem Schilde«. Das Ganze war ein Beweis von Galbas körperlicher Kraftausdauer. geleitet hatte, noch zwanzigtausend Schritte [29,57 km] weit neben dem Wagen des Kaisers herlief.
7. Als die Kunde von Gajus' Ermordung anlangte, redeten ihm viele zu, die Gelegenheit zu benutzen; er zog es jedoch vor, sich ruhig zu verhalten. Dadurch machte er sich bei Claudius in hohem Grade beliebt, wurde von demselben unter seine nächsten Vertrauten aufgenommen und so wert gehalten, daß der Aufbruchstag zum Feldzuge gegen Britannien verschoben wurde, weil ihn zufällig ein plötzlicher, nicht einmal sehr bedeutender Krankheitsanfall befiel. Das Prokonsulat von Afrika verwaltete er zwei Jahre lang Und zwar sehr tüchtig. S. Tacitus, Historien 1, 49., und zwar war er dazu, ohne zu losen, eigens ernannt worden, um die durch innere Streitigkeiten und feindselige Bewegungen der Barbaren beunruhigte Provinz zur Ordnung zu bringen. Er brachte sie zur Ordnung mit ebenso großer Strenge als Gerechtigkeit, die er selbst in den kleinsten Dingen bewies. Als ein Soldat bei einem Feldzuge, wo die Lebensmittel äußerst knapp wurden, überwiesen wurde, den Überrest seiner Getreideportionen, den Scheffel Ein römischer Scheffel ( modius) hielt an Inhalt 8,75 Liter. zu hundert Denaren, verkauft zu haben, befahl er, daß demselben, sobald er selbst an Mundvorrat Mangel leiden würde, niemand aushelfen solle, und so mußte der Mann Hungers sterben. Und als ihm beim Rechtsprechen ein Fall vorkam, wo es sich um das Eigentum eines Packpferdes handelte und die Gründe und Zeugenaussagen auf beiden Seiten schlecht und die Findung des Wahrspruches deshalb schwierig war, gab er den Entscheid dahin ab, daß das Tier mit verhülltem Kopfe zu der gewöhnlichen Tränke geführt, dort ihm die Decke abgenommen werden und es dann dem gehören sollte, zu dem es von der Tränke aus sich hinbegeben würde.
8. Für seine damaligen Leistungen in Afrika und seine früheren in Germanien erhielt er die triumphalischen Auszeichnungen und eine Priesterstelle in drei Kollegien: er wurde nämlich bei den Fünfzehnmännern, bei der Titiusschen Brüderschaft und desgleichen bei den Augustalen als Mitglied aufgenommen. Die »Fünfzehnmänner« hatten die Aufsicht über die Sibyllinischen Bücher. Die Brüderschaft der Titier (an den Sabinerkönig Titus Tatius anknüpfend) war mit der Erhaltung des alten fabinischen Kultus betraut. Die Augustalen hatte Tiber zur Feier des Kultus des vergötterten Augustus gestiftet. Von da ab bis ziemlich zur Mitte von Neros Regierung lebte er die meiste Zeit in Zurückgezogenheit, wobei er nicht einmal aus diätetischen Gründen eine Reise unternahm, ohne in einem zweiten ihn begleitenden Wagen eine Summe von einer Million Sesterzien in Golde mit sich zu führen Um stets zur Flucht bereit zu sein. 1 000 000 Sesterzien = 217 520 Reichsmark., bis ihm endlich, während er gerade sich zu Fundi aufhielt, die Provinz Hispania Tarraconensis übertragen wurde. Im Jahre 60 nach Chr. Über seine dortige Führung vergleiche man Tacitus, Historien 1, 40; Plutarch, Galba 3. Als er bei seiner Ankunft in dieser Provinz in einem öffentlichen Tempel ein Opfer brachte, geschah es, daß von den dienenden Opferknaben dem, welcher das Rauchfaß hielt, plötzlich das Haar auf dem ganzen Kopfe grau wurde, und es fehlte nicht an Deutern, welche dies dahin auslegten: »es bedeute einen Regierungswechsel, bei welchem ein Greis auf einen Jüngling, das heißt er selbst auf Nero, folgen werde«. Bald darauf schlug ein Blitz in einen See von Kantabrien, und man fand in demselben zwölf Beile, ein deutliches Zeichen der Kaisergewalt.
9. Acht Jahre lang verwaltete er die Provinz auf sehr verschiedene und ungleiche Art. Anfangs war er eifrig, streng und in der Bestrafung von Vergehen selbst übermäßig hart. So ließ er einem Geldwechsler, der sich Betrügereien im Geldgeschäfte erlaubt hatte, beide Hände abhauen und auf dessen Zahltisch nageln, und einen Vormund dafür, daß derselbe sein Mündel, als dessen Erbe er eingesetzt war, vergiftet hatte, ans Kreuz schlagen. Und als derselbe den Schutz der Gesetze anrief und den Beweis führte, daß er römischer Bürger sei, befahl er, wie zur Milderung der Strafe durch den Trost einer Ehrenauszeichnung, ein anderes und zwar ein bedeutend über das gewöhnliche Maß erhöhtes und obenein weiß angestrichenes Kreuz für ihn aufzurichten. Allgemach indessen ergab er sich der Trägheit und Lässigkeit, um nicht bei Nero Anstoß zu erregen, und wie er zu sagen pflegte: » weil niemand gezwungen werde, von seinem Nichtstun Rechenschaft zu geben«. Er hielt gerade zu Neukarthago Jetzt Cartagena in der Provinz Murcia. Landtag, als er durch den Legaten von Aquitanien, der seine Hilfe dringend nachsuchte, erfuhr: in Gallien seien Unruhen ausgebrochen. Zugleich kamen Briefe von Vindex, der ihn aufforderte: » mit ihm zur Befreiung des Menschengeschlechts gemeinsame Sache zu machen und die Führerschaft zu übernehmen«. Vgl. Plutarch, Galba 4. Ohne lange zu zaudern, nahm er den Vorschlag teils aus Furcht, teils aus Hoffnung an. Er hatte nämlich Depeschen von Nero in die Hände bekommen, welche derselbe mit dem Auftrage, ihn heimlich umzubringen, an die Prokuratoren gesendet hatte. Seine Zuversicht ward zugleich noch gestärkt teils durch überaus günstige Auspizien und Vorbedeutungen, teils durch die Weissagung einer edlen Jungfrau, und das umsomehr, weil dieselben prophetischen Sprüche ein Priester des Jupiter zu Clunia Römische Kolonie am Duero, heute Coruña del Conde in Kastilien., durch einen Traum gemahnt, aus dem Heiligtums des Gottes ans Licht gezogen und gefunden hatte, daß sie bereits vor zweihundert Jahren ähnlich von einer weissagenden Jungfrau ausgesprochen worden seien. Der Inhalt dieser prophetischen Sprüche war: » es werde dermaleinst aus Hispanien ein Fürst und Beherrscher des römischen Reichs hervorgehen«.
10. So bestieg er denn unter dem Anschein, als ob er eine Freilassung von Sklaven vornehmen wolle, das Tribunal, auf welchem er vor sich eine große Anzahl von Brustbildern der von Nero Verurteilten und Ermordeten hatte aufstellen lassen, während ihm zur Seite ein edler Jüngling stand, den er zu diesem Endzwecke von der nächsten Baleareninsel, wo derselbe im Exil lebte, herberufen hatte. Er ergoß sich in Klagen über den Zustand des Reichs, erklärte aber, als man ihn sofort zum Imperator ausrief, er betrachte sich nur als den Legaten des römischen Senats und Volks. Die er also damit als seinen Souverän, sich selbst als ihren Statthalter bezeichnete. Darauf verkündete er einen Stillstand der Rechtspflege und veranstaltete eine Aushebung von Legionssoldaten und Hifstruppen Hilfstruppen ( auxilia) hießen die Kontingente unterworfener Fürsten und Staaten sowie die geworbenen Söldnerscharen freier, besonders barbarischer Völker, jede Truppe mit ihrer nationalen Bewaffnung und Kampfweise: germanische und gallische Reiter, leichte und schwere numidische »Kosaken«, batavische Schleuderschützen, kretische Bogenschützen u. s. w. Siehe Köchly und Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller T. II, 1, S. 69. zu seinem alten Heere, das aus einer Legion, zwei Reiterschwadronen und drei Kohorten Kohorten sind hier die von anderen Legionen detachierten Abteilungen dieses Namens, jede 600 Mann stark. Dies Losreißen einzelner Kohorten von den Legionen kam in der Kaiserzeit auf. bestand, aus dem gemeinen Volke der Provinz. Dagegen aus dem hohen Adel und aus den durch Klugheit und Alter angesehenen Personen bildete er eine Art von Senat, um bei wichtigeren Veranlassungen erforderlichenfalls dessen Rat einzuholen. Desgleichen bildete er eine Schar von jungen Leuten aus dem Ritterstande, die, während sie ihre goldenen Ringe beibehielten, unter dem Namen »Evocati« Evocati, d. h. Aufgeforderte, hießen die ausgedienten Soldaten, die man aufforderte, freiwillig weiterzudienen. Es war eine Ehrenbenennung, die er somit den jungen »Freiwilligen« verlieh. statt der Legionssoldaten in der Nähe seines Schlafzimmers die Wachtposten übernahmen. Auch erließ er an die Provinzen Proklamationen, in denen er jedermänniglich aufforderte, sich an ihn anzuschließen und nach Kräften die gemeine Sache zu unterstützen. Etwa um dieselbe Zeit wurde bei der Arbeit an der Befestigung einer Stadt, die er zu seinem Waffenplatze erlesen hatte, ein Ring von alter Arbeit gefunden, an welchem die Skulptur der Gemme eine Victoria mit einem Tropäon aufzeigte, und gleich darauf trieb bei Dertosa Das heutige Tortosa am Ebro in Katalonien. ein alexandrinisches Schiff mit einer Ladung Waffen ans Land, ohne daß sich auf demselben ein Steuermann oder ein Matrose oder irgend ein Passagier befand, so daß es keinem zweifelhaft sein konnte, daß der unternommene Krieg ein gerechter und den Göttern wohlgefälliger sei, als plötzlich wider alles Erwarten alle diese guten Aussichten beinahe wieder zerstört wurden. Die eine der Reiterschwadronen, die ihren gegen Nero begangenen Eidbruch bereute, machte einen Versuch, dem Galba, als er sich dem Lager näherte, den Gehorsam zu verweigern, und wurde nur mit Mühe davon zurückgebracht; und andererseits wäre es den Sklaven, welche ihm von einem Freigelassenen Neros geschenkt worden waren, während sie insgeheim den Auftrag erhalten hatten, ihn aus dem Wege zu räumen, beinahe gelungen, ihn umzubringen, als er sich durch eine enge Gasse in die Bäder begab, wenn sie nicht durch den gegenseitigen Zuruf: » jetzt sei es gelegene Zeit!« Verdacht erweckt und, peinlich befragt: » welche gelegene Zeit sie meinten?«, unter den Qualen der Folter ein Geständnis abgelegt hätten.
11. Zu allen diesen gefährlichen Umständen kam noch der Tod des Vindex, der ihn so bestürzt machte, daß er sich bereits für aufgegeben ansah und nahe daran war, Hand an sich zu legen. Inzwischen kamen Nachrichten von Rom, und als er durch sie erfuhr, daß Nero getötet sei und alle ihm den Huldigungseid geleistet hätten, legte er den Titel eines Legaten ab und nahm den eines Cäsar Dieser Name wurde von jetzt an bloßes Zeichen der Würde. an. Seinen Zug nach Rom trat er an, bekleidet mit dem Feldherrnmantel, einen Dolch um den Hals vor die Brust gehängt; auch legte er die Toga nicht eher wieder an, als bis er alle diejenigen, welche Empörung anzettelten, den Obersten der Leibwache Nymphidius Sabinus zu Rom, in Germanien und Afrika die Legaten Fontejus Capito und Clodius Macer, überwunden hatte. Näheres über die Aufstandsversuche der hier genannten drei Militärchefs findet man bei Tacitus, Historien I; Plutarch, Galba 5.
12. Vorhergegangen war ihm der Ruf der Grausamkeit und zugleich der Habsucht. Man erzählte sich, daß er diejenigen Städte der Provinzen Spanien und Gallien, welche sich ihm nicht sofort angeschlossen hatten, mit stärkeren Auflagen, einige sogar durch Niederreißung ihrer Mauern bestraft, die Prokuratoren und höheren Beamten samt ihren Weibern und Kindern hinrichten lassen und daß er eine ihm von den Einwohnern von Tarraco Das heutige Tarragona in Katalonien. aus einem alten Jupiterstempel dargebrachte, fünfzehn Pfund 4,912 kg. – 3 Unzen = 81,864 gr. schwere goldene Krone habe einschmelzen und die drei Unzen, die an dem Gewicht fehlten, nachträglich habe beitreiben lassen. Dieser Ruf wurde bestätigt und verstärkt, sobald er in Rom eingezogen war. Als er nämlich die Flottesoldaten, welche Nero aus Matrosen zu ordentlichen Soldaten erhoben hatte, wieder mit Gewalt in ihren früheren Stand zurückverwies und diese sich widersetzten und obenein hartnäckig auf Verleihung des Adlers und der Kriegszeichen bestanden, ließ er sie nicht nur durch Reiterei auseinandersprengen, sondern dezimierte sie sogar. Woran er, wenn wir die ausführliche Erzählung bei Plutarch (Galba 15) vergleichen, vollkommen recht tat. Ebenso löste er eine Germanenkohorte auf, die, früher von den Cäsaren zum Leibwachtdienst errichtet Vergl. August 49; Caligula 58. Die Germanen waren damals für die römischen Kaiser, was seinerzeit die Schweizerregimenter für den König von Neapel., sich bei vielen Gelegenheiten höchst zuverlässig erwiesen hatte, und entließ sie ohne irgend eine Belohnung in ihre Heimat, unter dem Vorwande, daß sie mehr Neigung für ihn als für den Gnäus Dolabella bewiesen, neben dessen Gärten sie ihr Standlager hatten. Auch folgende Züge, mochten sie nun wahr oder falsch sein, erzählte man sich, um ihn zu verhöhnen Hier tritt der reine Sammler hervor, der die allererbärmlichsten Klatschgeschichten, gleichgültig, ob wahr oder falsch, auftischt, wie sie die an Neros Verschwendung gewöhnte liederliche »Gesellschaft« Roms von dem sparsamen und nüchternen Soldatenkaiser erzählte, bloß, weil sie »pikant« waren. Aus Stellen, wie diese, geht deutlich hervor, daß Sueton ein würdeloser Pedant war, der am Nacherzählen von Klatschereien und Histörchen, auch der schmutzigsten Art, selbst eine gewisse Freude hatte.: wie er einmal, als seine Tafel reichlicher als gewöhnlich, serviert worden, darüber geseufzt habe; ferner wie er seinem ordentlichen Haushofmeister, wenn ihm derselbe die Berechnung der Ausgaben einhändigte, jedesmal habe eine Schüssel mit Hülsenfrüchten als Belohnung seines Eifers und seiner Genauigkeit selbst überreicht, dem Flötenspieler Canus aber, dessen Spiel ihm ausnehmend gefallen, fünf Denare [4,35 Reichsmark] geschenkt habe, die er höchsteigenhändig aus seiner Privatkasse hervorgeholt habe. Bei Plutarch klingt dieses Histörchen schon anders und jedenfalls würdiger für Galba. Der Kaiser, heißt es dort, schenkte dem Musiker »mehrere Goldstücke« und bemerkte dabei ausdrücklich, es sei das sein Geld und nicht Staatsgeld.
13. So war denn seine Ankunft kein so freudiges Ereignis, wie er vermutet hatte, und zwar trat das gleich bei der ersten Theatervorstellung deutlich zu Tage. Als nämlich in einem Atellanenstücke die Schauspieler das allbekannte Lied anstimmten:
» Hui, da kommt der alte Filz her von seiner Villa!«
da fielen plötzlich alle Zuschauer einstimmig in den Rest des Liedes mit ein und wiederholten dasselbe mit der vollständigen Gestikulation mehrmals, indem sie immer wieder von dem Verse anfingen.
14. So waren denn seine Beliebtheit und sein Ansehen größer, da man ihm das Regiment übertrug, als während er es führte, obschon er durch zahlreiche Beweise sich als einen tüchtigen Regenten bewährte; allein was er auch in dieser Hinsicht leistete machte ihn nimmer so beliebt, als ihn diejenigen Handlungen verhaßt machten, die nicht solcher Art waren. Er wurde vollständig und überall geleitet durch den Einfluß von drei Personen, die man im Publikum, weil sie sogar bei ihm im Palatium wohnten und immer und überall wie Kletten an ihm hingen, seine Pädagogen zu nennen pflegte. Diese waren Titus Vinius, sein früherer Legat in Spanien, ein unbegrenzt habsüchtiger Mensch, Cornelius Laco, früher Gerichtsbeisitzer Buchstäblich »Assessor«., jetzt Befehlshaber der Leibwache, von unerträglicher Anmaßung und Nachlässigkeit, und der Freigelassene Icelus, eben erst mit dem goldnen Ringschmucke und dem Beinamen Martianus ausgestattet und doch schon bereits ein Kandidat der höchsten Würde, zu welcher der Ritterrang berechtigt. Dies ist die praefectura praetorii, das Generalkommando der Garden. Von diesen Menschen, die jeder ihren eigenen Lastern frönten, ließ er sich dermaßen willenlos mißbrauchen, daß er kaum noch derselbe Mensch blieb, indem er bald pedantisch strenger und knickeriger, bald nachsichtiger und nachlässiger sich erwies, als es sich für einen durch Wahl zum Kaiser Erhobenen und obenein für einen Mann in seinem Alter paßte. Mehrere vornehme Männer aus dem Senatoren- und Ritterstande verurteilte er auf den geringsten Verdacht, ohne sie zu hören, zum Tode. Das römische Bürgerrecht verlieh er selten, die Privilegien der drei Kinder S. Claudius 18. kaum einem und zweien, und auch diesen nur auf eine bestimmte und beschränkte Zeit. Die Richter, welche um Hinzufügung einer sechsten Dekurie baten, beschied er nicht nur abschläglich, sondern entzog ihnen auch die von Claudius in Gnaden gewährte Vergünstigung, daß man sie zur Winterzeit und zu Anfang des Jahres nicht zur Abhaltung von Gerichtssitzungen citieren durfte. S. Claudius 23.
15. Es ging sogar die Rede, er werde die den Mitgliedern des senatorischen und des Ritterstandes zu übertragenden Ämter auf eine zweijährige Dauer beschränken und dieselben nur solchen Individuen verleihen, die sie entweder ungern nähmen oder ganz ausschlügen. Die von Nero gemachten Schenkungen ließ er bis auf ein Zehnteil, das die Empfänger behalten durften, durch eine Kommission von fünfzig römischen Rittern wieder zurückfordern und eintreiben, indem er zugleich bestimmte, daß sogar, wenn etwa Schauspieler oder Fechter dies oder jenes ihnen erteilte Geschenk verkauft haben und, weil sie den Erlös durchgebracht, nicht imstande sein sollten, Zahlung zu leisten, den Käufern die fraglichen Gegenstände weggenommen werden sollten. Im Gegensätze dazu aber ließ er es geschehen, daß durch Vermittelung seiner nächsten Umgebung und seiner Freigelassenen alles und jedes für Geld verliehen oder nach Gunst gewährt wurde: Zölle, Abgabenfreiheiten, Verurteilung Unschuldiger, Begnadigung Schuldiger. Ja, als das Volk die Hinrichtung des Halotus und Tigellinus forderte, ließ er gerade diese zwei ausbündigsten Bösewichter von allen Helfershelfern Neros frei ausgehen, ja er verlieh sogar dem Halotus noch obenein die Auszeichnung einer sehr bedeutenden Prokuratorstelle, und in betreff des Tigellinus schalt er das Volk sogar in einem Edikte wegen seiner Grausamkeit aus. Anders und viel vorteilhafter für Galba erzählt dies Plutarch, Galba 17. Über Halotus s. Claudius 44; über Tigellinus, Neros General der Garden, Tacitus, Historien 1,72 und Annalen Buch 14 und 15.
16. Durch diese Handlungen beleidigte er fast alle Stände, am heftigsten aber entbrannte der Haß gegen ihn bei den Soldaten. Ihre Befehlshaber hatten ihnen dafür, daß sie dem Kaiser, während er noch abwesend war, den Huldigungseid leisteten, ein größeres Gnadengeschenk, als gewöhnlich, versprochen. Galba aber bestätigte dies Versprechen nicht nur nicht, sondern ließ auch häufig die Worte fallen: » er sei gewohnt, Soldaten auszuheben, nicht zu kaufen«. Dadurch erbitterte er sie insgesamt in allen Provinzen. Außerdem brachte er die Prätorianer auch noch durch Mißtrauen und Geringschätzung auf, indem er nach und nach viele von ihnen als verdächtig und als Anhänger des Nymphidius verabschiedete. Vor allem aber murrte das Heer von Obergermanien darüber, daß es um den Lohn für seine gegen die Gallier und gegen Vindex geleisteten Dienste betrogen werde. So waren sie denn auch die ersten, die den Gehorsam aufzukündigen wagten und am ersten Januar sich weigerten, den Eid der Treue einem anderen, als dem Senat, zu leisten. Zugleich beschlossen sie, eine Gesandtschaft an die Prätorianer mit Aufträgen des Inhalts zu senden: » der in Spanien erwählte Feldherr sei nicht nach ihrem Sinne; die Prätorianer möchten selbst einen erwählen, dem das ganze Heer seine Stimme geben könne«.
17. Als Galba davon Kunde erhielt, glaubte er, nicht sowohl sein hohes Alter, als seine Kinderlosigkeit sei der Grund, weshalb man ihn gering achte, und so nahm er denn eines Tages den Piso Frugi Lucianus Einen sehr tüchtigen Mann von altrömischer Strenge. Tacitus, Historien 1, 14; Plutarch, Galba 23., einen trefflichen jungen Mann von edler Abkunft, den er seit lange höchlich schätzte und schon immer in seinem Testamente zum Erben seiner Güter und seines Namens bestimmt hatte, plötzlich mitten aus der Menge der ihm aufwartenden Personen bei der Hand, redete ihn als seinen Sohn an, führte ihn ins Lager und adoptierte ihn vor dem versammelten Militär, ohne jedoch selbst bei dieser Veranlassung etwas von einem Gnadengeschenke verlauten zu lassen. Um so leichteres Spiel gab er dadurch dem Marcus Salvius Otho, seine Anschläge kaum sechs Tage nach der Adoption ins Werk zu richten.
18. Bedeutungsvolle und zahlreiche Vorzeichen hatten ihm schon vom Anbeginn seiner Regierung den später erfolgenden Ausgang vorbedeutet. Als während seiner Reise nach Rom überall zur Rechten und zur Linken des Zuges bei allen Städten Opfertiere geschlachtet wurden, riß sich einmal ein Stier, der von dem Schlage des Opferbeils in Wut geraten war, von den Fesseln los, lief auf des Kaisers Wagen zu, sprang mit den Vorderfüßen hinauf und überschüttete ihn über und über mit Blut; und beim Aussteigen aus dem Wagen verwundete ihn ein Trabant im Gedränge beinahe mit der Lanze. Auch weiterhin bei seinem Einzuge in die Stadt und in das Palatium empfing ihn ein Erdbeben, das von einem dem Gebrülle eines Stieres ähnlichen Tone begleitet war. Es folgten dann noch viel deutlichere und unheilvollere Wahrzeichen. Er hatte einen mit Perlen und Edelsteinen besetzten Halsschmuck aus dem gesamten Schatze beiseite gelegt, um damit seine Tuskulanische Fortuna Man sehe oben Kap. 4. zu schmücken. Diesen Schmuck weihete er plötzlich, weil er meinen mochte, daß derselbe eines heiligeren Ortes würdiger sei, der Kapitolinischen Venus, und sofort träumte ihm in der folgenden Nacht, daß die Fortuna ihm erscheine, sich über die Entziehung des ihr bestimmten Geschenks beschwere und ihm drohe: auch sie werde ihm wiedernehmen, was sie ihm gegeben habe. Und als er in früher Morgendämmerung, aus dem Schlafe aufgeschreckt, Leute voraus sandte, welche alles für ein Sühnopfer solchen Traumgesichts Erforderliche vorbereiten sollten, und dann selbst eilig nach Tusculum hinausfuhr, fand er dort nichts als heiße Asche auf dem Opferherde und daneben einen in Trauerfarbe gekleideten Alten, der in einem gläsernen Geschirr Weihrauch und in einem tönernen Becher ungemischten Wein hielt. »Das Feuer hätte hell auflodern, ein Jüngling das Opfer verrichten, der Weihrauch in einem eigens dazu bestimmten Räuchergefäß ( acerra), der Wein in einem simpulum sein sollen.« Bremi. Auch ist bemerkt worden, daß ihm, als er am ersten Januar das Neujahrsopfer verrichtete, der Kranz vom Haupte fiel, daß ihm bei den Auspizien die Hühner davonflogen, daß am Tage der Adoption aus Vergeßlichkeit seiner Diener ihm, als er die Soldaten anreden wollte, nicht, wie es die Sitte forderte, der Feldstuhl auf das Tribunal gesetzt und daß im Senate der kurulische Stuhl verkehrt hingestellt worden war.
19. Kurz zuvor, ehe er ermordet wurde, mahnte ihn, als er am Morgen das Opfer vollzog, der Eingeweidebeschauer wiederholentlich: » er möge auf seiner Hut sein, seine Mörder seien nicht weit!« Ausführlicheres bei Tacitus, Historien 1, 47. Es war am 18. Januar. Plutarch, Galba 24. Gleich darauf erfährt er, Otho sei im Lager Der Garden.; und während man jetzt von vielen Seiten in ihn drang, sich unverzüglich ebendahin zu begeben, da es doch möglich sei, daß er durch sein Ansehen und seine Gegenwart es über seinen Gegner davontrage, begnügte er sich damit, sich im Palaste zu halten und sich durch die Heranziehung der Abteilungen von Legionstruppen zu verstärken, welche vielfach zerstreut kampierten. Während die Prätorianer in einem Lager beisammenlagen. Doch tat er einen Linnenpanzer an, obschon er die Äußerung nicht zurückhielt: » derselbe werde gegen so viele Schwertspitzen wenig nützen!« Endlich ließ er sich verleiten, den Palast zu verlassen, durch Gerüchte, welche die Verschworenen, um ihn auf die Straße zu locken, mit Fleiß verbreitet hatten, indem einige wenige Personen ohne allen Grund versicherten: die Sache sei aus, die Unruhestifter seien besiegt, und alle anderen naheten sich scharenweise dem Palast, um ihm ihre Glückwünsche und die Versicherung ihres vollständigsten Gehorsams zu bringen. In der Absicht, diesen entgegenzugehen, verließ er den Palast mit solchem Sicherheitsgefühl, daß er einem Soldaten, der sich gegen ihn berühmte, er habe den Otho getötet, nur ein: » Auf wessen Befehl?« Tacitus hat diesen ehrenhaften und für den streng auf Disziplin haltenden Soldatenkaiser sehr bezeichnenden Zug würdig gepriesen in seiner Schilderung der letzten Stunden Galbas, Historien 1, 34-41. zur Antwort gab und seinen Weg weiter bis zum Forum fortsetzte. Hier sprengten Reiter, die den Auftrag zu seiner Ermordung erhalten hatten, die zusammengedrängten Volkshaufen auseinander, machten aber, als sie ihn von fern erblickten, einen kurzen Halt, worauf sie wieder auf ihn einsprengten und ihn, verlassen von seinen Begleitern, niederhieben.
20. Einige erzählen, er habe bei dem ersten Lärm ausgerufen: » Was beginnt ihr, Kameraden? Ich bin der eure, und ihr seid die meinen!«, sogar ein Donativum Das Gnadengeschenk, das er bisher beharrlich zu zahlen verweigerte hatte. S. oben Kap. 16. habe er versprochen. Die meisten aber melden, er habe selbst seinen Hals dargeboten und ihnen zugerufen: » Drauf, und stoßt zu, wenns so sein muß!« Ebenso Tacitus a. a. O. Was überaus befremdlich erscheinen dürfte, ist der Umstand, daß keiner von den Anwesenden das Herz hatte, seinem Kaiser zu Hilfe zu kommen, und daß alle, welche zur Hilfe entboten wurden, der Aufforderung nicht achteten, mit Ausnahme einer Abteilung von Veteranen des germanischen Heeres. Diese eilten, im noch frischen Gefühle des Dankes für die gute Behandlung, welche er ihnen in ihrem kranken und invaliden Zustande hatte zuteil werden lassen, sofort zur Hilfe herbei, kamen aber zu spät, weil sie aus Unkenntnis der Örtlichkeiten einen Umweg machten, der ihre Ankunft verzögerte. Er ward erstochen am Bassin des Curtius und blieb daselbst so, wie er war, liegen, bis ein gemeiner Soldat, der gerade vom Proviantfassen zurückkehrte, seine Last ablegte und ihm den Kopf abschnitt und, da er denselben wegen der kahlen Glatze nicht beim Schopfe fassen konnte, ihn in den Schoß seines Mantels tat; bald darauf trug er ihn, indem er ihm den Daumen in den Mund zwängte Diese Spezialitäten sind höchst charakteristisch für den Sueton selbst ebensowohl, als für den Geschmack des Publikums, das er im Auge hatte., zum Otho. Dieser machte ihn den Marketendern und Troßbuben zum Geschenk, die ihn auf einen Spieß steckten und ihn unter Gespött aller Art im Lager umhertrugen, wobei sie wiederholt ausriefen: » Galba, du Liebesgott, jetzt genieß' dein Alter!« Ich übersetze nach der Vermutung des Turnebus, der Cupido für cupide zu lesen vorschlägt. Die gewöhnliche Lesart wäre zu übersetzen: »Galba, genieß dein frisches Alter nach Herzenslust!« Das erstere ist gemeiner und roher, also hier passender. Zu diesem frechen Witz waren sie besonders ausgereizt worden, weil es sich einige Tage zuvor im Publikum verbreitet hatte, der Kaiser habe jemand, der seine äußere Erscheinung als noch recht blühend und lebenskräftig pries, die homerischen Worte erwidert:
» Noch fühl ich das Mark in den Knochen!« Ilias 5, 254 sagt dies Diomedes.
Von ihnen kaufte den Kopf ein Freigelassener des Patrobius Neronianus Patrobius war selbst ein Freigelassener Neros und gehörte zu den Emissären desselben, von denen Sueton oben (Kap. 15) erzählt hat. und warf denselben auf die Stätte hin, wo auf Galbas Befehl jener sein Patron am Leben gestraft worden war. Sehr spät endlich bestattete Galbas Intendant Argius den Kopf wie den übrigen Rumpf seines Herrn in dessen Privatgarten an der Via Aurelia.
21. Er war von richtiger Mannesgröße, hatte einen sehr kahlen Kopf, blaue Augen, gebogene Nase, Hände und Füße von der Gicht dermaßen verdreht, daß er weder lange einen Schuh zu leiden, noch Schriftstücke umzublättern oder überhaupt nur zu halten vermochte. Dazu hatte er an der rechten Seite einen Fleischauswuchs, der so stark hervorging, daß er kaum durch eine Binde zusammengehalten werden konnte.
22. Er war, erzählt man, ein starker Esser, der zur Winterszeit sogar schon vor Tagesanbruch zu essen pflegte. Bei Tafel nun gar häufte er eine solche Masse Speisen vor sich auf, daß er die Reste derselben von Hand zu Hand umherreichen und (zuletzt) unter die aufwartende Dienerschaft verteilen ließ. Seine Lust fand er mehr am männlichen als am weiblichen Geschlecht, und zwar ausschließlich an hageren und altgewohnten Unzuchtgenossen. Man sagt ihm nach Vgl. Seite 450, Anm. 3. Galba war damals ein gichtbrüchiger Greis von 72 Jahren!!, er habe in Spanien den Icelus, einen sehr alten Unzuchtgenossen, als derselbe ihm die Nachricht von dem Tode Neros brachte, nicht nur vor aller Welt auf das leidenschaftlichste geküßt, sondern sich auch auf der Stelle seine Gunst erbeten und ihn beiseite geführt.
23. Er starb im dreiundsiebzigsten Jahre seines Alters, im siebenten Monate seiner Regierung. Der Senat hatte, sobald er dazu freie Hand bekam, den Beschluß gefaßt, ihm auf der Stelle des Forum, wo er ermordet worden war, eine Statue zu setzen, welcher eine mit Schiffsschnäbeln verzierte Säule als Basis dienen sollte. Aber Vespasian kassierte den Beschluß, weil er zu wissen glaubte, daß Galba von Spanien aus gegen ihn heimlich Meuchelmörder nach Judäa abgesendet habe.