Rudolf Stürzer
Lustige Geschichten aus dem Wiener Leben
Rudolf Stürzer

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Die scharfe Zange.

Ausnahmsweise ein halbleerer Straßenbahnwagen. Im Mittelgange steht eine Frau, so über die Dreißig, recht riegelsam und selbstbewußt. Der Schaffner windet sich einigemal um sie herum, dann sagt er etwas brummig. »Aber so setz'n S' Ihna do nieder, was stengan S' denn da?«

»I wir mi niedersetz'n, wann i will, net wann Sö mir 's schaff'n, verstand'n?«

»Da vasteh i gar nix, i hab' das Recht, Ihna an Platz anzuweis'n, also setz'n Ihna nieder!«

»I will steh'n und net sitz'n, und Sö hab'n gar ka Recht, dös waß i vielleicht besser wia Sö. . . .«

»I bin d'r Schaffner und kann Ihna schaff'n, daß Ihna niedersetz'n. . . .«

»Tuan S' Ihna nix an, i waß ganz guat, zu was Sö a Recht hab'n und zu was net! Mir werd'n Sö nix d'rzähl'n, denn i war aa amal a Schaffnerin. . . . Geln S', jetzt schaun S'? I bin schon vier Jahr weg, aber i kenn' die Vorschrift'n no ganz guat, mei Liaba, also reg'n S' Ihna net auf und lass'n S' mi steh'n, wo i steh, wann i sitz'n will, wer i mi schon niedersetz'n, da suach i ma schon an Platz, da brauch i Ihna net dazua – dös war no schöner!«

Der Schaffner ist sichtlich verblüfft und versucht die Situation für sich noch zu retten.

»Trauri gnua, daß a Schaffnerin so aufdraht; dö arma Fahrgäst von damals!«

»Sö, jetzt wir i Ihna no was sag'n: in d'r Vurschrift steht, daß d'r Schaffner mit die Fahrgast höfli sein muaß, jawohl, das steht drin. . . .«

»Da müass'n Sö aber aa höfli zu mir sein!«

»Ah na, das is net wahr, da steht nix in d'r Vurschrift, und für Fahrgäst gibt's kane, außer daß s' das Fahrgeld abgezählt bereit halt'n soll'n und die Fahrschein auseinander falt'n, daß net auf- und abspringen derf'n, net ausspuck'n – aber wann i für an jeden, der ausspuckt, nur an Friedenskreuzer kriag, kauf' i in an Jahr die ganze Weana Elektrische, und es bleibt ma no was über . . ., aber daß a Fahrgast mit 'n Schaffner höfli sein muaß, da steht nirgends nix, im Gegenteil, i kann mit Ihna kotz'ngrob sein, wann i will!«

35 »Dös möcht i sehg'n, probir'n S' 's amal!«

»I sag: wann i will, aber i will net, aber i kann's sein; Sö könna mi anzag'n, aber sunst nix. . . .«

»Aber wann i Ihna ersuch', Sö soll'n da aus 'n Weg geh'n weil i da allerweil an Ihna vurbei kräull'n muaß, so könnan S' Ihna schon niedersetz'n. . . .«

»Glaub'n S' vielleicht, weil da ob'n steht: kein Stehplatz? Dös is no vom Tutankhamen her, wia 's Ueberfüllungsverbot war, dös hat si jetzt aufg'hört in d'r Republik, da haßt's jetzt eini mit die Leut, was Platz hat, und zahlt's Krowot'n . . ., dö Zeit kummt nimmer: kein Stehplatz!«

»So red't a ehemalige Schaffnerin; sehr traurig. . . .«

»Was is denn da traurig? Dös is amal so und is net anders! Mir werd'n 's aa net ändern, aber früher hab'n die Fahrgäst d'r Schaffnerin a Gosch'n ang'hängt, mi hat amal a Fratschlerin a Kommunalfunz'n g'haß'n, und i hab nix mach'n könna, und jetzt regt si a Schaffner auf, wann i in an lar'n Wag'n steh'n und net sitz'n will, und hat gar ka Vurschrift dazua! . . .«

Der Schaffner benützt den Einstieg einiger Fahrgäste zu einem geregelten Rückzug; bei der nächsten Haltestelle steigt seine Exkollegin aus.

»Also pfirt Ihna Gott, und san S' net bös auf Ihna. . . .«

Der Begrüßte schluckt und blickt ihr feindselig nach; dann sagt er recht laut: »Schad', daß s' schon ausg'stieg'n is, dö hätt' i no als scharfe Zangen zum Einzwick'n brauch'n könna. . . .« 36

 


 


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