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Die Vaterlandsfreunde

Die Kirschbäume stehen in voller Blüte, und in dem Schilf der kleinen Bucht schwimmt ein Hecht umher. Der junge Ehemann sitzt auf der Veranda des Bauernhauses, das er für den Sommer gemietet hat. Von Hemdkragen und Manschetten befreit, setzt er seine Angelrute instand, während er die frische Maienluft einatmet, die sich mit dem Duft einer Tabakspfeife vermischt.

Seine junge Frau ist damit beschäftigt, die Handtasche auszupacken, und die Kinder spielen im Garten, wo Tulpen und Narzissen erst vor kurzem aufgeblüht sind.

»Nein, weiß Gott, es ist doch zu schön auf dem Lande!« ruft der Mann. »O, wie ich die Stadt verabscheue!«

Und er deutet auf die rauchigen Dunstschichten, die in der Richtung, wo die Stadt in weiter Ferne liegt, am Horizont ruhen.

»Und sobald der Herbst da ist, verabscheust du das Land und singst ein Loblied auf die Stadt«, entgegnete die Frau.

»Du willst also damit sagen, das sei eine Temperaturfrage?«

»Ja, warum nicht?«

Doch jetzt kommen die Kinder dahergesprungen und schreien aus vollem Hals:

»Die Schwalben, die Schwalben! Da kommen sie!«

Und ringsum hallt es wider von dem Gezwitscher der Zugvögel, die ihre letztjährigen, unter dem Giebel des Hauses festgekitteten Nester besichtigen wollen.

»Die Schwalben bringen doch Glück ins Haus, nicht wahr, Mama?« fragt die Kleine.

»Gewiß, mein Kind«, antwortet die Mutter. »Deshalb soll man ihre Nester auch nicht zerstören. Vergiß das nicht, Herzchen, und merke dir auch, wie sie ihre Heimat lieben! Sie kehren immer wieder ...«

»Zu ihrer ersten Liebe zurück«, ergänzt der Gatte. »Und sie ziehen im Herbst ihrer Wege, gerade so wie ich!«

Die Schwalben, die auf den Telegraphendrähten saßen, unterhielten sich leise miteinander.

»Hier ist alles geblieben, wie es war, nur der Mann dort ist etwas älter geworden.«

»Der Winter muß in diesem fremden Land sehr hart sein.«

»Ach ja, von diesem Winter könnten wir Sperlinge ganz schreckliche Dinge berichten.«

»Da ist es in unserem Süden doch besser, wenn nur die armen Fellahs nicht immer mir ihren Netzen kämen, um uns dann als Braten zu verschmausen!«

»Diese ägyptische Religion, die den Eingeborenen erlaubt, Schwalben zu essen, ist eine schlechte Religion. Da lobe ich mir die Religion des Nordens.«

»O ja, dieses nördliche Land ist recht gut für die Sommerfrische; aber das Vaterland verdient doch immer den Vorzug.«

»Ein hartes Stück Arbeit bleibt es trotzdem, jedes Jahr die Hochzeitsreise hier herauf machen zu müssen.«

»Das ist nun seit vielen hundert Jahren so Mode gewesen, der Norden war immer unsere Entbindungsanstalt.«

»Man behauptet, die Bewohner des Nordens machten ihre Hochzeitsreise in unser Land?«

»Ganz richtig: man macht Gegenbesuche.«

 

Die zweite Dattelernte ist zu Ende, der Herbstregen hat die Weideplätze aufs neue zum Grünen gebracht, der Nil steigt, und die Mücken beginnen ihre Eier in das Schilf des heiligen Flusses zu legen.

Der arme Fellah liegt vor seiner Hütte und wärmt seinen gekrümmten Rücken im Sonnenschein.

Seine Frau ist damit beschäftigt, auf der Handmühle Durra zu mahlen.

Die ausgehungerten Kinder belustigen sich damit, einander Schlamm in die braunen Gesichter zu werfen.

»Nie Fische, nie Vögel, nur Durra!« seufzt der Fellah, während er zu seiner Frau hinüberschielt.

»Du liegst da und dehnst und streckst dich, obgleich die Schwalben zurückgekommen sind,« erwidert die Gattin seelenruhig.

»Die Schwalben? Was faselst du da?«

»Gewiß! Ich habe sie heute früh gesehen, wie sie den Fluß entlang flogen.«

»Dann werden wir aber wirklich bald Braten essen! Schnell, gib das Netz her! Allah sei gelobt! Ach, die lieben Vögel, die ihr Vaterland nicht vergessen!«

Die Schwalben sitzen auf den Schilfrohren und zwitschern:

»Ein schönes Vaterland, wo man Schwalben ißt!«

»Ja, aber die Sonne lacht, die Mücken sind gut, das Land ist schön!«

»Für eine Saison, ja. Alles in unserm Vaterland ist schön, ausgenommen das Vogelnetz. Aber es ist und bleibt unser Vaterland.«

»Unser zweites Vaterland. Ubi bene ibi patria. Wo man gut ißt, da ist das Vaterland!«

 

Gedruckt bei Breitkopf und Härtel in Leipzig

 


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